Lot Nr. 110


Giacomo Francesco Cipper, gen. Il Todeschini


Giacomo Francesco Cipper, gen. Il Todeschini - Alte Meister

(Feldkirch 1664–1736 Mailand)
Der Geflügelhändler,
Öl auf undoublierter Leinwand, 188 x 126,5 cm, gerahmt

Provenienz:
beauftragt durch Graf Alfonso Vismara, Cilla di Montesolaro, Como;
im Erbgang an den heutigen Besitzer

Literatur:
L. Tognoli, G. F. Cipper, il “Todeschini” e la pittura di genere, Bergamo 1976, S. 153, Nr. 91, Abb. 107 (mit den Maßen 200 x 134 cm);
M. S. Proni, Giacomo Francesco Cipper detto il “Todeschini”, Soncino 1994, S. 98–99, mit Abb. (mit den Maßen 192 x 131 cm)

Wie sein Gegenstück (Lot 109) stellt das vorliegende Gemälde eine Marktszene dar. In diesem Fall ist der Protagonist ein zerlumpt gekleideter junger Mann, der stehend im linken Bildbereich dargestellt ist. Man mag in ihm den potenziellen Käufer des Stücks Wild in seiner Hand sehen oder den Jäger, der es dem Inhaber des Standes anbietet. Dieser hebt die Hand, um anzuzeigen, wie viel seine Ware kostet oder welchen Betrag er bereit ist, für das Wild zu bezahlen. Zwischen den beiden befindet sich eine mit Wild beladene Verkaufsfläche, die den Eindruck von räumlicher Tiefe vermittelt; davor erscheinen zwei junge Hühner und ein Hund.

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um eine der gelungensten Bildfindungen von Giacomo Francesco Cipper, gen. Todeschini. Es entstand vermutlich in der zweiten Dekade des 18. Jahrhunderts, als der Künstler ausreichend etabliert war, um Aufträge von Adelsfamilien zu erhalten. Das Gemälde wurde zusammen mit fünf weiteren Bildern von Graf Alfonso Vismara für seine Villa in Montesolaro bei Como in Auftrag gegeben. Das elegante Gebäude aus dem 17. Jahrhundert wurde entsprechend des in der Gegend vorherrschenden Geschmacks im Stil des Spätbarock (barocchetto) renoviert und beherrscht immer noch die Landschaft um den Hügel, auf dem es sich erhebt. Neben dem vorliegenden Gemälde und seinem Gegenstück (Lot 109) umfasste der Zyklus die Werke Die Nähstunde, Die Wahrsagerin, Der Schullehrer und Der Musiklehrer (Privatsammlung).

Todeschini, ein aus Österreich stammender Maler, war ab dem ausgehenden 17. Jahrhundert bis zu seinem Tod in der Lombardei tätig. Bekannt ist er für seine den Lebensalltag der einfachen Menschen darstellenden Genreszenen. Ähnlich wie der Däne Bernhard Keil, der für die Herausbildung von Cippers Bildsprache prägend war, widmete er sich stets wiederkehrenden Themen wie alten Frauen, Jägern, Kartenspielern, Wäscherinnen, Kindern, Schulszenen oder, wie in diesem Fall, Marktszenen. Im Gegensatz zu den Bildern seines Beinahe-Zeitgenossen Giacomo Ceruti, der ebenfalls in der Lombardei tätig war und für seine Darstellungen von Einwanderern und der armen Bevölkerung geschätzt wurde, entzogen sich Todeschinis Darstellungen zunächst jedweder Einkehr. Stattdessen setzte der Künstler eine unbeschwerte und freudvolle Wirklichkeit ins Bild, aber auch unscheinbare Szenen aus dem einfachen Leben, die beim Publikum Gefallen finden sollten. Im Laufe seines Schaffens wurde in seiner Haltung jedoch mehr und mehr Teilhabe spürbar, möglicherweise aufgrund des wachsenden Prestiges seiner Aufträge. Dies gilt auch für die hier besprochene Marktszene. Die Figuren sind hier monumentaler und im Raum ganz und gar präsent dargestellt und zeigen eine neue Würde, die nichts mehr mit der Derbheit und Verkümmertheit jener Gestalten zu tun hat, die für sein früheres Schaffen kennzeichnend waren. Seine typischen Erdtöne werden durch das klare Licht gemildert, das auf das am Verkaufstisch aufgebaute Jagdstillleben in der Bildmitte fällt. Die dargestellten Figuren sind Cippers bekanntem Repertoire entnommen: Der Hund im Vordergrund kehrt beispielsweise auf dem Gemälde Junges Paar bei Tisch und in der Genreszene mit jungem Paar (beide in einer Privatsammlung) wieder, während der Träger im Hintergrund den Korb in derselben Art und Weise hält wie der Jüngling in dem Bild Obsthändlerin und Knabe mit Früchtekorb (ebenfalls in einer Privatsammlung).

Technische Untersuchung
Das vorliegende Gemälde ist nicht doubliert und befindet sich nach wie vor auf der Originalleinwand. Die Bildoberfläche scheint nie durch konservatorische Eingriffe beeinträchtigt worden zu sein, was selten vorkommt. Derartige Leinwände sind vom Gewicht her leicht und lassen sich in Innenräumen problemlos spannen und positionieren.

Unter den verwendeten Pigmenten findet sich Indigo im Blaugrau des Himmels und im dunklen Blau des Ärmels des jungen Mannes im Vordergrund. Der Himmel setzt sich zudem aus Ocker und Bleiweiß zusammen, um die gewünschte Farbigkeit zu erzielen. Indigo fand im 17. Jahrhundert gemeinhin statt Azurit oder Ultramarinblau Verwendung. Diese Pigmente wurden in Italien um 1720 von Preußischblau als neuem Pigment abgelöst.

Im vorliegenden Gemälde finden sich Abstufungen von Ockertönen von Gelb bis Dunkelbraun sowie rote und grüne Erde. Im Bereich mancher Figuren wird mittels IR-Reflektografie und IR-Transmissionsspektroskopie eine Unterzeichnung der Umrisse sichtbar.

Wir danken Gianluca Poldi für die Durchführung der technischen Untersuchung.

25.04.2017 - 18:00

Schätzwert:
EUR 150.000,- bis EUR 200.000,-

Giacomo Francesco Cipper, gen. Il Todeschini


(Feldkirch 1664–1736 Mailand)
Der Geflügelhändler,
Öl auf undoublierter Leinwand, 188 x 126,5 cm, gerahmt

Provenienz:
beauftragt durch Graf Alfonso Vismara, Cilla di Montesolaro, Como;
im Erbgang an den heutigen Besitzer

Literatur:
L. Tognoli, G. F. Cipper, il “Todeschini” e la pittura di genere, Bergamo 1976, S. 153, Nr. 91, Abb. 107 (mit den Maßen 200 x 134 cm);
M. S. Proni, Giacomo Francesco Cipper detto il “Todeschini”, Soncino 1994, S. 98–99, mit Abb. (mit den Maßen 192 x 131 cm)

Wie sein Gegenstück (Lot 109) stellt das vorliegende Gemälde eine Marktszene dar. In diesem Fall ist der Protagonist ein zerlumpt gekleideter junger Mann, der stehend im linken Bildbereich dargestellt ist. Man mag in ihm den potenziellen Käufer des Stücks Wild in seiner Hand sehen oder den Jäger, der es dem Inhaber des Standes anbietet. Dieser hebt die Hand, um anzuzeigen, wie viel seine Ware kostet oder welchen Betrag er bereit ist, für das Wild zu bezahlen. Zwischen den beiden befindet sich eine mit Wild beladene Verkaufsfläche, die den Eindruck von räumlicher Tiefe vermittelt; davor erscheinen zwei junge Hühner und ein Hund.

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um eine der gelungensten Bildfindungen von Giacomo Francesco Cipper, gen. Todeschini. Es entstand vermutlich in der zweiten Dekade des 18. Jahrhunderts, als der Künstler ausreichend etabliert war, um Aufträge von Adelsfamilien zu erhalten. Das Gemälde wurde zusammen mit fünf weiteren Bildern von Graf Alfonso Vismara für seine Villa in Montesolaro bei Como in Auftrag gegeben. Das elegante Gebäude aus dem 17. Jahrhundert wurde entsprechend des in der Gegend vorherrschenden Geschmacks im Stil des Spätbarock (barocchetto) renoviert und beherrscht immer noch die Landschaft um den Hügel, auf dem es sich erhebt. Neben dem vorliegenden Gemälde und seinem Gegenstück (Lot 109) umfasste der Zyklus die Werke Die Nähstunde, Die Wahrsagerin, Der Schullehrer und Der Musiklehrer (Privatsammlung).

Todeschini, ein aus Österreich stammender Maler, war ab dem ausgehenden 17. Jahrhundert bis zu seinem Tod in der Lombardei tätig. Bekannt ist er für seine den Lebensalltag der einfachen Menschen darstellenden Genreszenen. Ähnlich wie der Däne Bernhard Keil, der für die Herausbildung von Cippers Bildsprache prägend war, widmete er sich stets wiederkehrenden Themen wie alten Frauen, Jägern, Kartenspielern, Wäscherinnen, Kindern, Schulszenen oder, wie in diesem Fall, Marktszenen. Im Gegensatz zu den Bildern seines Beinahe-Zeitgenossen Giacomo Ceruti, der ebenfalls in der Lombardei tätig war und für seine Darstellungen von Einwanderern und der armen Bevölkerung geschätzt wurde, entzogen sich Todeschinis Darstellungen zunächst jedweder Einkehr. Stattdessen setzte der Künstler eine unbeschwerte und freudvolle Wirklichkeit ins Bild, aber auch unscheinbare Szenen aus dem einfachen Leben, die beim Publikum Gefallen finden sollten. Im Laufe seines Schaffens wurde in seiner Haltung jedoch mehr und mehr Teilhabe spürbar, möglicherweise aufgrund des wachsenden Prestiges seiner Aufträge. Dies gilt auch für die hier besprochene Marktszene. Die Figuren sind hier monumentaler und im Raum ganz und gar präsent dargestellt und zeigen eine neue Würde, die nichts mehr mit der Derbheit und Verkümmertheit jener Gestalten zu tun hat, die für sein früheres Schaffen kennzeichnend waren. Seine typischen Erdtöne werden durch das klare Licht gemildert, das auf das am Verkaufstisch aufgebaute Jagdstillleben in der Bildmitte fällt. Die dargestellten Figuren sind Cippers bekanntem Repertoire entnommen: Der Hund im Vordergrund kehrt beispielsweise auf dem Gemälde Junges Paar bei Tisch und in der Genreszene mit jungem Paar (beide in einer Privatsammlung) wieder, während der Träger im Hintergrund den Korb in derselben Art und Weise hält wie der Jüngling in dem Bild Obsthändlerin und Knabe mit Früchtekorb (ebenfalls in einer Privatsammlung).

Technische Untersuchung
Das vorliegende Gemälde ist nicht doubliert und befindet sich nach wie vor auf der Originalleinwand. Die Bildoberfläche scheint nie durch konservatorische Eingriffe beeinträchtigt worden zu sein, was selten vorkommt. Derartige Leinwände sind vom Gewicht her leicht und lassen sich in Innenräumen problemlos spannen und positionieren.

Unter den verwendeten Pigmenten findet sich Indigo im Blaugrau des Himmels und im dunklen Blau des Ärmels des jungen Mannes im Vordergrund. Der Himmel setzt sich zudem aus Ocker und Bleiweiß zusammen, um die gewünschte Farbigkeit zu erzielen. Indigo fand im 17. Jahrhundert gemeinhin statt Azurit oder Ultramarinblau Verwendung. Diese Pigmente wurden in Italien um 1720 von Preußischblau als neuem Pigment abgelöst.

Im vorliegenden Gemälde finden sich Abstufungen von Ockertönen von Gelb bis Dunkelbraun sowie rote und grüne Erde. Im Bereich mancher Figuren wird mittels IR-Reflektografie und IR-Transmissionsspektroskopie eine Unterzeichnung der Umrisse sichtbar.

Wir danken Gianluca Poldi für die Durchführung der technischen Untersuchung.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 25.04.2017 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 15.04. - 25.04.2017

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