Francesco Salvator Fontebasso
(Venedig 1707–1769)
Die Heilige Jungfrau erscheint dem heiligen Hieronymus,
Öl auf Leinwand, geschweifter oberer Abschluss, 31 x 23 cm, gerahmt
Provenienz:
Privatsammlung, Treviso
Wir danken Mauro Lucco für die Bestätigung der Zuschreibung und für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.
Das kleine Bild gehört zu einer Gruppe von Gemälden, die einen ähnlichen geschweiften Abschluss und exakt dieselben Maße aufweisen und in öffentlichen und privaten Sammlungen verstreut sind. Eines befand sich bei Aldo Galli in Carate Brianza (siehe M. Magrini, Francesco Fontebasso, Venedig 1988, Abb. 33), ein zweites, zu dem es eine Zeichnung in der Pinacoteca Nazionale in Bologna gibt (Inv. 1616), ist in Londoner Privatbesitz; ein drittes war Teil einer Berliner Privatsammlung und ging in die Sammlung D. Bossi in München über; ein viertes wurde bei Finarte in Mailand versteigert (Auktion 15, 6. April 1965, Los 53) und ein fünftes wird im Museo Civico in Padua aufbewahrt (Inv. 1068; siehe G. Poli, in: Da Padovanino a Tiepolo. Dipinti dei Musei Civici di Padova del Seicento e del Settecento, Mailand/Padua 1997, S. 270/271). Eine zweite Zeichnung in der Pinacoteca von Bologna (Inv. 3657) zeugt von der Existenz von zumindest einem weiteren Gemälde dieser Serie: Das Blatt zeigt einen Heiligen, der mit dem Rücken zur Madonna aus dem Bild blickt.
Eine weitere thematisch verwandte Gemäldegruppe ist von kleinerem Format (ca. 29 x 22 cm) und ohne geschweiftem oberen Abschluss. Sie verteilt sich auf den Louvre (Inv. M.I. 883), die Budapester Nationalgalerie (Inv. 666), die Galleria Nazionale in Triest (Inv. Mentasti 34) und das Museum Lussinpiccolo in Kroatien (siehe E. Martini, La pittura del Settecento veneto, Udine 1982, S. 529; Magrini, op. cit., S. 184/185; G. Gamulin, Proposte attributive per il Settecento, in: Arte Veneta, 1975, S. 244/245). Zum heutigen Forschungsstand ist es nicht möglich nachzuweisen, ob auch diese Bilder ursprünglich einen geschweiften Abschluss hatten, wie Magrini vermutet (S. 130). Zampetti zufolge (siehe E. Martini, op. cit., S. 529) entstanden alle diese kleinformatigen Werke für die confratelli der Scuola di San Girolamo e della Vergine, genannt „della Giustizia“, die immer noch besser als „Scuola dei picài“ oder „di San Fantin“ bekannt ist (heute befindet sich in den Gebäuden der Hauptsitz des Ateneo Veneto). Die Anwesenheit des heiligen Hieronymus und der Jungfrau in allen diesen Gemälden legt diese Annahme nahe, vor allem angesichts der Tatsache, dass es noch eine weitere Scuola di San Girolamo gab, die jedoch nicht der Heiligen Jungfrau geweiht war (und deren Gebäude heute zur Gänze zerstört sind). Die Gepflogenheit der confratelli, dasselbe Bildthema in zahlreichen Varianten zu beauftragen, ist von keiner anderen religiösen Vereinigung Venedigs bekannt. Dass Fontebasso die Figur des heiligen Franz von Paola mehrmals wiederholte, ist damit nicht vergleichbar, zumal die Varianten in diesem Fall auch die Maße betrafen, die davon abhingen, ob der Dargestellte als Ganz- oder Halbfigur erschien und ob er in einem narrativen Kontext oder als Einzelfigur gezeigt wurde. Folglich unterscheiden sich die Werke stark voneinander. Der Ursprung der Serie mit dem heiligen Hieronymus und der Heiligen Jungfrau mag darin bestanden haben, dass sich der Künstler selbst dieser kreativen Herausforderung stellte und seine unerschöpfliche Erfindungsgabe bewies, indem er dieselben Protagonisten in zahlreichen Abwandlungen dargestellt hat. In dieser spontan gemalten Serie kleiner Szenen scheint es ihm auch darum gegangen zu sein, den Aspekt der Zeit anzudeuten. Der Heilige ist kniend, sitzend, liegend oder nach vorne gebeugt dargestellt, während die Jungfrau von der Seite, im Dreiviertelprofil oder frontal wiedergegeben ist.
Das vorliegende Gemälde zeigt den heiligen Hieronymus beim meditativen Studium frommer Texte in seiner syrischen Einsiedelei. Gleich dahinter befindet sich ein offensichtlich venezianisches Dorf mit zwei Glockentürmen. Die Birke, der rustikale Zaun, die schilfgedeckte Hütte und der zahme Löwe kehren als Bildelemente in der gesamten Serie wieder. Die Szene ist von hellem Licht erfasst, wodurch es gelingt, der räumlichen Definition der Formen ein betörendes und schillerndes grafisches Liniengefüge entgegenzusetzen.
Die Serie wird in der Regel um 1750–1760 datiert. Das vorliegende Werk lässt sich mit einem Gemälde vergleichen, das der Auslöser für die gesamte Serie gewesen sein könnte, nämlich mit dem Büßenden heiligen Hieronymus im Museo Civico von Belluno (siehe M. Lucco, Catalogo del Museo Civico di Belluno. I disegni, Venedig 1989, S. 94–96). Dieses steht in engem Zusammenhang mit den Fresken für die Kirche Santa Annunziata in Trient, die aus dem Jahr 1736 stammen.
18.10.2016 - 18:00
- Erzielter Preis: **
-
EUR 25.400,-
- Schätzwert:
-
EUR 20.000,- bis EUR 30.000,-
Francesco Salvator Fontebasso
(Venedig 1707–1769)
Die Heilige Jungfrau erscheint dem heiligen Hieronymus,
Öl auf Leinwand, geschweifter oberer Abschluss, 31 x 23 cm, gerahmt
Provenienz:
Privatsammlung, Treviso
Wir danken Mauro Lucco für die Bestätigung der Zuschreibung und für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.
Das kleine Bild gehört zu einer Gruppe von Gemälden, die einen ähnlichen geschweiften Abschluss und exakt dieselben Maße aufweisen und in öffentlichen und privaten Sammlungen verstreut sind. Eines befand sich bei Aldo Galli in Carate Brianza (siehe M. Magrini, Francesco Fontebasso, Venedig 1988, Abb. 33), ein zweites, zu dem es eine Zeichnung in der Pinacoteca Nazionale in Bologna gibt (Inv. 1616), ist in Londoner Privatbesitz; ein drittes war Teil einer Berliner Privatsammlung und ging in die Sammlung D. Bossi in München über; ein viertes wurde bei Finarte in Mailand versteigert (Auktion 15, 6. April 1965, Los 53) und ein fünftes wird im Museo Civico in Padua aufbewahrt (Inv. 1068; siehe G. Poli, in: Da Padovanino a Tiepolo. Dipinti dei Musei Civici di Padova del Seicento e del Settecento, Mailand/Padua 1997, S. 270/271). Eine zweite Zeichnung in der Pinacoteca von Bologna (Inv. 3657) zeugt von der Existenz von zumindest einem weiteren Gemälde dieser Serie: Das Blatt zeigt einen Heiligen, der mit dem Rücken zur Madonna aus dem Bild blickt.
Eine weitere thematisch verwandte Gemäldegruppe ist von kleinerem Format (ca. 29 x 22 cm) und ohne geschweiftem oberen Abschluss. Sie verteilt sich auf den Louvre (Inv. M.I. 883), die Budapester Nationalgalerie (Inv. 666), die Galleria Nazionale in Triest (Inv. Mentasti 34) und das Museum Lussinpiccolo in Kroatien (siehe E. Martini, La pittura del Settecento veneto, Udine 1982, S. 529; Magrini, op. cit., S. 184/185; G. Gamulin, Proposte attributive per il Settecento, in: Arte Veneta, 1975, S. 244/245). Zum heutigen Forschungsstand ist es nicht möglich nachzuweisen, ob auch diese Bilder ursprünglich einen geschweiften Abschluss hatten, wie Magrini vermutet (S. 130). Zampetti zufolge (siehe E. Martini, op. cit., S. 529) entstanden alle diese kleinformatigen Werke für die confratelli der Scuola di San Girolamo e della Vergine, genannt „della Giustizia“, die immer noch besser als „Scuola dei picài“ oder „di San Fantin“ bekannt ist (heute befindet sich in den Gebäuden der Hauptsitz des Ateneo Veneto). Die Anwesenheit des heiligen Hieronymus und der Jungfrau in allen diesen Gemälden legt diese Annahme nahe, vor allem angesichts der Tatsache, dass es noch eine weitere Scuola di San Girolamo gab, die jedoch nicht der Heiligen Jungfrau geweiht war (und deren Gebäude heute zur Gänze zerstört sind). Die Gepflogenheit der confratelli, dasselbe Bildthema in zahlreichen Varianten zu beauftragen, ist von keiner anderen religiösen Vereinigung Venedigs bekannt. Dass Fontebasso die Figur des heiligen Franz von Paola mehrmals wiederholte, ist damit nicht vergleichbar, zumal die Varianten in diesem Fall auch die Maße betrafen, die davon abhingen, ob der Dargestellte als Ganz- oder Halbfigur erschien und ob er in einem narrativen Kontext oder als Einzelfigur gezeigt wurde. Folglich unterscheiden sich die Werke stark voneinander. Der Ursprung der Serie mit dem heiligen Hieronymus und der Heiligen Jungfrau mag darin bestanden haben, dass sich der Künstler selbst dieser kreativen Herausforderung stellte und seine unerschöpfliche Erfindungsgabe bewies, indem er dieselben Protagonisten in zahlreichen Abwandlungen dargestellt hat. In dieser spontan gemalten Serie kleiner Szenen scheint es ihm auch darum gegangen zu sein, den Aspekt der Zeit anzudeuten. Der Heilige ist kniend, sitzend, liegend oder nach vorne gebeugt dargestellt, während die Jungfrau von der Seite, im Dreiviertelprofil oder frontal wiedergegeben ist.
Das vorliegende Gemälde zeigt den heiligen Hieronymus beim meditativen Studium frommer Texte in seiner syrischen Einsiedelei. Gleich dahinter befindet sich ein offensichtlich venezianisches Dorf mit zwei Glockentürmen. Die Birke, der rustikale Zaun, die schilfgedeckte Hütte und der zahme Löwe kehren als Bildelemente in der gesamten Serie wieder. Die Szene ist von hellem Licht erfasst, wodurch es gelingt, der räumlichen Definition der Formen ein betörendes und schillerndes grafisches Liniengefüge entgegenzusetzen.
Die Serie wird in der Regel um 1750–1760 datiert. Das vorliegende Werk lässt sich mit einem Gemälde vergleichen, das der Auslöser für die gesamte Serie gewesen sein könnte, nämlich mit dem Büßenden heiligen Hieronymus im Museo Civico von Belluno (siehe M. Lucco, Catalogo del Museo Civico di Belluno. I disegni, Venedig 1989, S. 94–96). Dieses steht in engem Zusammenhang mit den Fresken für die Kirche Santa Annunziata in Trient, die aus dem Jahr 1736 stammen.
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old.masters@dorotheum.at +43 1 515 60 403 |
Auktion: | Alte Meister |
Auktionstyp: | Saalauktion |
Datum: | 18.10.2016 - 18:00 |
Auktionsort: | Wien | Palais Dorotheum |
Besichtigung: | 08.10. - 18.10.2016 |
** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer
Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.