Lot Nr. 115


Pietro Antonio Rotari


Pietro Antonio Rotari - Alte Meister

(Verona 1707–1762 Sankt Petersburg)
Porträt einer jungen Frau mit Buch,
Öl auf Leinwand, 45,5 x 35 cm, gerahmt

Provenienz:
Botschafter Giuseppe Cosmelli, um 1950;
im Erbgang an den heutigen Besitzer

Dieses Gemälde zählt zu jenen Darstellungen junger Frauen, die Rotari europaweit bekannt gemacht haben. Der Künstler hat zahlreiche typologische Kopfstudien dieser Art gefertigt, die sich allesamt dank ihrer Expressivität und Brillanz großer Beliebtheit an den Höfen in Dresden, Wien und St. Petersburg erfreuten. Bereits in seinen Gemälden der Apostelköpfe aus der frühen Schaffensphase suchte Rotari die Ausdifferenzierung der unterschiedlichen Temperamente und ein möglichst großes Spektrum an Gesichtsausdrücken. Er distanzierte sich von religiösen und historischen Motiven und entwickelte ein gänzlich eigenständiges Genre, ein raffiniertes, elegantes Spiel aus Emotionen, das stets die Etikette wahrte und von weiblicher Grazie geprägt war. Damit passten seine Werke perfekt zu den ästhetischen Bedürfnissen im Russland der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

So folgte Rotari 1756, nach Aufenthalten in Wien und Dresden, einer Einladung nach Russland an den Hof von St. Petersburg mit seinem verlockenden Glanz und Reichtum. Die russische Hauptstadt galt als „neues Byzanz“; der Hof war noch reicher als der sächsische und hatte den Zenit seiner Entfaltung noch nicht überschritten. Rotari wurde also zum Hofmaler der Zarin Elisabeth I., die keine Kosten scheute, um ihn in St. Petersburg zu halten. Der Maler sollte junge Frauen für den Gemäldesaal im Schloss Peterhof porträtieren und so die Vielfalt des russischen Volkes wiedergeben. Im Rahmen dieser Arbeit schuf Rotari für Elisabeth 360 Bilder gewöhnlicher russischer Frauen sowie 50 weitere Porträts, die die Zarin der Akademie der bildenden Künste zu St. Petersburg vorlegte. Elisabeths Bilder sollten im Schloss Peterhof aufgehängt werden; von ihnen sind heute noch rund 40 Werke im Schloss Archangelskoje zu besehen. Rotari war zudem Günstling von Peter III. und Katharina II. Von letzterer erstellte er ein Porträt, woraufhin sie ihm seine Porträtserie abkaufte, um damit ein Zimmer im Schloss Peterhof zu schmücken. Die idealisierten Porträts waren ausgesprochen faszinierend, bildeten sie doch die gesamte Bandbreite emotionaler Nuancen der menschlichen Seele ab und galten als Nachweis einer ausgereiften Feinfühligkeit. Die Idee, den Hauptgalasaal von Schloss Peterhof auf diese Weise auszuschmücken, war einer jungen und begabten Monarchin würdig, die danach strebte, die feine europäische Etikette auch an ihrem Hof zu etablieren.

Im Unterschied zu den Frauenbildern Liotards, die allesamt Porträts sind, und denen von Rosalba Carrieras, die auf Allegorien und Porträts spezialisiert war, haben die Figuren Rotaris keine spezifische Identität. Es sind „Seelengemälde“, wie Charles Le Brun das Genre in seinem Buch Expression of the Passions of the Soul for the Academy nennt. In Russland wurden die Bilder dieses neuen Genres als „Leidenschaften“ bezeichnet (‘Настроения’). Viele dieser Frauenköpfe weisen einen Bezug zum Alltagsleben auf: eine junge Braut mit einem Orangenzweig im Haar, eine kranke Frau, eine Näherin, ein älteres Fräulein, eine Schlafende. Was sie aber am stärksten prägt und so außerordentlich macht, ist der präzise, differenzierte Ausdruck in den Augen der Frauen; oft sind ihre Pupillen geweitet als Zeichen ihres tiefen Mitgefühls und ihrer lebendigen Seele. In anderen Bildern geht der Ausdruck in Richtung Verschlagenheit, Müdigkeit, Koketterie oder stillen Leidens; oder ihr fester Blick wirkt fragend oder angestrengt auf eine vage, unerfreuliche Vision gerichtet. Rotari rekrutierte nahezu alle seine Protagonistinnen aus dem echten Leben und porträtierte sie in ihren nationalen Gepflogenheiten und unterschiedlichen sozialen Zugehörigkeiten: eine anmutige Dienerin, eine hinreißende Magd, eine einfach gekleidete Bäuerin, eine Hofdame in luxuriösem Pelz. Einige der Frauen tragen eine Uschanka, ein gebundenes Kopftuch oder eine Mütze, wie auch in dem hier vorliegenden Gemälde. Die junge Frau wurde zart wie Porzellan und mit kühlen Farben gemalt; ihr Kopfschmuck umschmeichelt ihr Gesicht, doch ihr Blick wirkt listenreich. In Hinblick auf Technik und Bildaufbau lässt das Werk vermuten, dass sein Schöpfer zu jenem Zeitpunkt bereits den Zenit seines Werdegangs als Maler erreicht hatte. Gemeinsamkeiten mit diesem Gemälde finden sich etwa in der Kleidung in Junge Frau mit Haube und Halsband, das in Schloss Peterhof hängt (vgl. M. Polazzo, Pietro Rotari, pittore veronese del settecento [1707–1762], Negrar, 1990, S. 89).

Pietro Rotari stammte aus adligem Hause und studierte die Malerei zunächst nur als Zeitvertreib. Sein Lehrer war Antonio Balestra in Verona. Später reiste er zudem nach Venedig und Rom, wo er bei Francesco Trevisani in die Ausbildung ging. Von 1731 bis 1734 arbeitete er in der Werkstatt von Francesco Solimena in Neapel. Nach seiner Rückkehr nach Verona öffnete er seine eigene Werkstatt und erwarb sich einen Ruf als Maler von mit Figuren dicht bevölkerten Altarbildern, worin er klare Einflüsse aus der römischen und neapolitanischen Malerei des 17. Jahrhunderts zeigte. Um 1751 reiste er nach Wien, wo er die Werke Jean-Etienne Liotards studieren konnte. Dessen klare malerische Ebenmäßigkeit machte einen tiefen Eindruck auf Rotari und sollte seinen Stil dauerhaft prägen. In Wien fertigte er Porträts für die Mitglieder des kurfürstlich-sächsischen Hauses sowie Gemälde für die Kaiserin Maria Theresia an. Von dort führte es ihn nach Dresden, wo er am Hofe Friedrich August III. arbeitete, der zudem König von Polen war. Rotari spezialisierte sich zu jener Zeit auf Porträtmalerei, da die so genannten „Charakterköpfe“ gerade in Mode kamen – das Genre, für das der Maler bis heute vor allem bekannt ist. Von Dresden zog er weiter an den russischen Hof. Rotaris Wohnsitz in St. Petersburg wurde schnell zu einer Attraktion, die von zahlreichen illustren Besuchern der Hauptstadt besucht wurde. Er übte großen Einfluss auf die Porträtkunst in Russland aus und gründete eine Privatschule. Zu seinen Schülern zählten u. a. der Franzose Luis Tocqué und die Russen Fjodor Rokotow und Alexei Antropow.

18.10.2016 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 56.250,-
Schätzwert:
EUR 30.000,- bis EUR 40.000,-

Pietro Antonio Rotari


(Verona 1707–1762 Sankt Petersburg)
Porträt einer jungen Frau mit Buch,
Öl auf Leinwand, 45,5 x 35 cm, gerahmt

Provenienz:
Botschafter Giuseppe Cosmelli, um 1950;
im Erbgang an den heutigen Besitzer

Dieses Gemälde zählt zu jenen Darstellungen junger Frauen, die Rotari europaweit bekannt gemacht haben. Der Künstler hat zahlreiche typologische Kopfstudien dieser Art gefertigt, die sich allesamt dank ihrer Expressivität und Brillanz großer Beliebtheit an den Höfen in Dresden, Wien und St. Petersburg erfreuten. Bereits in seinen Gemälden der Apostelköpfe aus der frühen Schaffensphase suchte Rotari die Ausdifferenzierung der unterschiedlichen Temperamente und ein möglichst großes Spektrum an Gesichtsausdrücken. Er distanzierte sich von religiösen und historischen Motiven und entwickelte ein gänzlich eigenständiges Genre, ein raffiniertes, elegantes Spiel aus Emotionen, das stets die Etikette wahrte und von weiblicher Grazie geprägt war. Damit passten seine Werke perfekt zu den ästhetischen Bedürfnissen im Russland der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

So folgte Rotari 1756, nach Aufenthalten in Wien und Dresden, einer Einladung nach Russland an den Hof von St. Petersburg mit seinem verlockenden Glanz und Reichtum. Die russische Hauptstadt galt als „neues Byzanz“; der Hof war noch reicher als der sächsische und hatte den Zenit seiner Entfaltung noch nicht überschritten. Rotari wurde also zum Hofmaler der Zarin Elisabeth I., die keine Kosten scheute, um ihn in St. Petersburg zu halten. Der Maler sollte junge Frauen für den Gemäldesaal im Schloss Peterhof porträtieren und so die Vielfalt des russischen Volkes wiedergeben. Im Rahmen dieser Arbeit schuf Rotari für Elisabeth 360 Bilder gewöhnlicher russischer Frauen sowie 50 weitere Porträts, die die Zarin der Akademie der bildenden Künste zu St. Petersburg vorlegte. Elisabeths Bilder sollten im Schloss Peterhof aufgehängt werden; von ihnen sind heute noch rund 40 Werke im Schloss Archangelskoje zu besehen. Rotari war zudem Günstling von Peter III. und Katharina II. Von letzterer erstellte er ein Porträt, woraufhin sie ihm seine Porträtserie abkaufte, um damit ein Zimmer im Schloss Peterhof zu schmücken. Die idealisierten Porträts waren ausgesprochen faszinierend, bildeten sie doch die gesamte Bandbreite emotionaler Nuancen der menschlichen Seele ab und galten als Nachweis einer ausgereiften Feinfühligkeit. Die Idee, den Hauptgalasaal von Schloss Peterhof auf diese Weise auszuschmücken, war einer jungen und begabten Monarchin würdig, die danach strebte, die feine europäische Etikette auch an ihrem Hof zu etablieren.

Im Unterschied zu den Frauenbildern Liotards, die allesamt Porträts sind, und denen von Rosalba Carrieras, die auf Allegorien und Porträts spezialisiert war, haben die Figuren Rotaris keine spezifische Identität. Es sind „Seelengemälde“, wie Charles Le Brun das Genre in seinem Buch Expression of the Passions of the Soul for the Academy nennt. In Russland wurden die Bilder dieses neuen Genres als „Leidenschaften“ bezeichnet (‘Настроения’). Viele dieser Frauenköpfe weisen einen Bezug zum Alltagsleben auf: eine junge Braut mit einem Orangenzweig im Haar, eine kranke Frau, eine Näherin, ein älteres Fräulein, eine Schlafende. Was sie aber am stärksten prägt und so außerordentlich macht, ist der präzise, differenzierte Ausdruck in den Augen der Frauen; oft sind ihre Pupillen geweitet als Zeichen ihres tiefen Mitgefühls und ihrer lebendigen Seele. In anderen Bildern geht der Ausdruck in Richtung Verschlagenheit, Müdigkeit, Koketterie oder stillen Leidens; oder ihr fester Blick wirkt fragend oder angestrengt auf eine vage, unerfreuliche Vision gerichtet. Rotari rekrutierte nahezu alle seine Protagonistinnen aus dem echten Leben und porträtierte sie in ihren nationalen Gepflogenheiten und unterschiedlichen sozialen Zugehörigkeiten: eine anmutige Dienerin, eine hinreißende Magd, eine einfach gekleidete Bäuerin, eine Hofdame in luxuriösem Pelz. Einige der Frauen tragen eine Uschanka, ein gebundenes Kopftuch oder eine Mütze, wie auch in dem hier vorliegenden Gemälde. Die junge Frau wurde zart wie Porzellan und mit kühlen Farben gemalt; ihr Kopfschmuck umschmeichelt ihr Gesicht, doch ihr Blick wirkt listenreich. In Hinblick auf Technik und Bildaufbau lässt das Werk vermuten, dass sein Schöpfer zu jenem Zeitpunkt bereits den Zenit seines Werdegangs als Maler erreicht hatte. Gemeinsamkeiten mit diesem Gemälde finden sich etwa in der Kleidung in Junge Frau mit Haube und Halsband, das in Schloss Peterhof hängt (vgl. M. Polazzo, Pietro Rotari, pittore veronese del settecento [1707–1762], Negrar, 1990, S. 89).

Pietro Rotari stammte aus adligem Hause und studierte die Malerei zunächst nur als Zeitvertreib. Sein Lehrer war Antonio Balestra in Verona. Später reiste er zudem nach Venedig und Rom, wo er bei Francesco Trevisani in die Ausbildung ging. Von 1731 bis 1734 arbeitete er in der Werkstatt von Francesco Solimena in Neapel. Nach seiner Rückkehr nach Verona öffnete er seine eigene Werkstatt und erwarb sich einen Ruf als Maler von mit Figuren dicht bevölkerten Altarbildern, worin er klare Einflüsse aus der römischen und neapolitanischen Malerei des 17. Jahrhunderts zeigte. Um 1751 reiste er nach Wien, wo er die Werke Jean-Etienne Liotards studieren konnte. Dessen klare malerische Ebenmäßigkeit machte einen tiefen Eindruck auf Rotari und sollte seinen Stil dauerhaft prägen. In Wien fertigte er Porträts für die Mitglieder des kurfürstlich-sächsischen Hauses sowie Gemälde für die Kaiserin Maria Theresia an. Von dort führte es ihn nach Dresden, wo er am Hofe Friedrich August III. arbeitete, der zudem König von Polen war. Rotari spezialisierte sich zu jener Zeit auf Porträtmalerei, da die so genannten „Charakterköpfe“ gerade in Mode kamen – das Genre, für das der Maler bis heute vor allem bekannt ist. Von Dresden zog er weiter an den russischen Hof. Rotaris Wohnsitz in St. Petersburg wurde schnell zu einer Attraktion, die von zahlreichen illustren Besuchern der Hauptstadt besucht wurde. Er übte großen Einfluss auf die Porträtkunst in Russland aus und gründete eine Privatschule. Zu seinen Schülern zählten u. a. der Franzose Luis Tocqué und die Russen Fjodor Rokotow und Alexei Antropow.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 18.10.2016 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 08.10. - 18.10.2016


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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