Lot Nr. 104


Nicolas de Largillière


Nicolas de Largillière - Alte Meister

(Paris 1656–1746)
Bildnis James Francis Edward Stuart, Prince of Wales, mit Hosenbandorden in Begleitung eines Höflings, 1692,
undeutlich signiert Mitte links: N. de ... argilliere,
Öl auf Leinwand, 180 x 137,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Placido de Sangro, Duca di Martina (1829–1891), Neapel;
Monsignor Augusto Mancini Caracciolo di Martina, nach 1870, Rom;
im Erbgang an den heutigen Besitzer

Wir danken Dominique Brême, der auch die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Prüfung im Original bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung.

Zudem danken wir Edward Corp für seine ausführlichen Recherchen zum Exil der Stuarts und den Bestrebungen der Jakobiten. Seine Forschungsergebnisse sind zu einem großen Teil in diesen Text eingeflossen (siehe E. Corp, The King over the Water, Portraits of the Stuarts in Exile after 1689, Scottish National Portrait Gallery, 2001; E. Corp, A Court in Exile, The Stuarts in France, 1689–1718, Cambridge 2009).

Das vorliegende Gemälde steht in Zusammenhang mit einer wichtigen Episode in der Geschichte Großbritanniens und Irlands. Nach dem Tod Königs Charles II. im Jahr 1685 folgte ihm sein jüngerer Bruder James Stuart (1633–1701) auf den Thron und regierte als James II. von England und James VII. von Schottland. Als überzeugter Katholik blickte er wohlwollend auf Frankreich. Als er unerwartet einen männlichen Erben – den hier dargestellten James Francis Edward Stuart (1688–1766) – zeugte, kamen beim englischen Adel religiöse und politische Bedenken auf. Man wandte sich an Wilhelm III. von Oranien, den Statthalter der Niederlande und Schwiegersohn von König James II. Wilhelm von Oranien landete daraufhin am 5. November 1688 in England, und Jakob II. musste nach Frankreich fliehen. Am 9. Dezember schmuggelte Königin Maria von Modena als Wäscherin verkleidet den jungen Thronerben und Prince of Wales nach Frankreich. Die Familie bezog das Schloss von Saint-Germain-en-Laye bei Versailles, das ihnen ihr Cousin, König Ludwig XIV., zur Verfügung gestellt hatte.

Der exilierte englische Hof passte sich der französischen Lebensart an: Die englischen Monarchen wurden häufig nach Versailles, Marly und Fontainebleau geladen, jagten mit dem König von Frankreich und dessen Sohn, dem Grand Dauphin, und besuchten Feste am französischen Hof. Künstler kamen nach Saint-Germain, um James II., Maria von Modena und den jungen Prince of Wales James Francis Edward Stuart und bald danach auch die 1692 geborene Prinzessin Louisa Maria zu porträtieren. Diese Bilder, die für dem exilierten König in Loyalität verbundene Familien (die sogenannten Jakobiten) auch immer wieder kopiert wurden, wurden von den führenden Porträtisten des französischen Königshofs ausgeführt: Pierre Mignard (1612–1695), François de Troy (1645–1730), Nicolas de Largillièrre (1656–1746) und Hyacinthe Rigaud (1659–1743). Ein Schüler François de Troys, Alexis-Simon Belle (1674–1734), wurde praktisch zum offiziellen Maler der Jakobiten (siehe La Cour des Stuarts à Saint-Germain-en-Laye au temps de Louis XIV, Ausstellungskatalog, Musée des Antiquités nationales de Saint-Germain-en-Laye, 1992).

Von diesen Künstlern war Largillièrre James II. schon lange vor den Ereignissen des Jahres 1688 bekannt. Der in Paris geborene und in Antwerpen ausgebildete französische Maler hatte zwischen 1675 und 1686 mehrere Reisen nach England unternommen und während seiner dortigen Aufenthalte für den verstorbenen König Charles II. und später auch für James II. selbst gearbeitet. In London kam Largillièrre in Kontakt mit dem Kreis von Sir Peter Lely. Dezallier d’Argenville berichtet, dass der junge Largillièrre Charles II. vorgestellt wurde, nachdem er ein Gemälde von Giovanni Battista Caracciolo restauriert hatte.

Zwei wichtige Porträts des jungen Prinzen von Wales, die beide von Largillièrre in Saint-Germain-en-Laye gemalt wurden, sind heute bekannt. Das erste, signiert und mit 1690 oder 1691 datiert, wird in der National Gallery of Scotland in Edinburgh aufbewahrt (Öl auf Leinwand, 101,2 x 81,30 cm, Nr. PG 2191). Es zeigt den nackten Knaben im Alter von zwei oder drei Jahren auf einem Kissen sitzend. Das zweite, signiert und mit 1695 datiert, zeigt den Prinzen und seine Schwester im Alter von sieben bzw. drei Jahren (National Portrait Gallery, London, Öl auf Leinwand, 196 x 146,8 cm, RCIN 409,147).

Das vorliegende Gemälde entstand mit großer Sicherheit 1692 und steht mit einer signierten und im selben Jahr veröffentlichten Druckgrafik von Gérard Edelinck in Zusammenhang, die den jungen Prinzen in Form eines Brustbildes im selben Gewand und in derselben Haltung zeigt (siehe Abb. 1). Ganz offensichtlich berief sich Edelinck bei seinem kleinen Brustbild auf dieses in Saint-Germain-en-Laye zwischen dem Edinburgher Porträt (1690/1691) und dem Londoner Porträt (1695) ausgeführte Gemälde. Dargestellt ist der stehende junge Prinz im roten Kleid (wie es damals auch bei Knaben in frühen Kindesjahren üblich war); er trägt eine schwarze Kappe mit weißer Feder und den königlichen Hosenbandorden. Mit einer Hand hält er eine Mohnblume als Anspielung auf seine ruhende Macht im Exil, während er mit der anderen auf einen kleinen Wasserlauf verweist, der vermutlich den Ärmelkanal symbolisiert, den er eines Tages überqueren wird, um seinen Anspruch auf das Königreich von Großbritannien und Irland geltend zu machen.

Bei dem stehenden, dem Prince of Wales zugewandten Knaben rechts handelt es sich vermutlich um den Sohn eines James II. nahestehenden Jakobiten, der vielleicht sogar der Auftraggeber des vorliegenden Gemäldes war. Viele treue Anhänger des abgesetzten Königs ließen sich in Saint-Germain nieder und hielten an dessen königlichem Rang fest, was auch in der Beauftragung zahlreicher Porträts Ausdruck fand. Edward Corp hält es für möglich, dass der Knabe ein Mitglied der Familie Strickland war. Doch angesichts der Bedeutung des Gemäldes mag der Auftrag dazu von James II. selbst erteilt worden sein, der den Sohn eines seiner Gefolgsmänner in das Bild einbezogen wissen wollte, um auf die ungebrochene Unterstützung dieses ebenfalls im Exil lebenden Teils des englischen Adels hinzuweisen. Diese Deutung wird durch die unten rechts neben dem Wasser wachsende Winde (einer sich an einem festen Untergrund anheftenden Schlingpflanze), einem Zeichen der Freundschaft, nahegelegt. Der links erscheinende Papagei steht seinerseits für das noch unbeschwerte kindliche Geplapper. Erwähnenswert sind zudem die beiden kleinen Figuren im linken Hintergrund, die auf die beiden Dargestellten zukommen, um dem jungen Prinzen Beistand zu leisten.

Brême zufolge ist das vorliegende Gemälde seit vielen Jahren eines der wichtigsten wieder aufgetauchten Werke Largillièrres. Er wird es in sein in Vorbereitung befindliches Werkverzeichnis über den Künstler aufnehmen.

Die Geschichte der Familie Stuart

Die königliche Familie der Stuarts (vor dem 17. Jahrhundert als „Stewarts“ bekannt) regierte in Schottland bereits über 200 Jahre, als James VI. im Jahr 1603 Königin Elizabeth I. als James I. von England nachfolgte. Die Königreiche von Schottland, England und Irland wurden ab nun von nur einem Monarchen regiert. Auf James I. folgte sein glückloser Sohn Charles I., der hingerichtet wurde. Großbritannien und Irland wurden unter Oliver Cromwell kurz zu Republiken, bis Charles II. 1660 als Monarch wiedereingesetzt wurde. Ihm folgte sein Bruder, James II.

Während seiner dreieinhalbjährigen Regierungszeit war James II. den politischen Kämpfe zwischen Katholiken und Protestanten ausgesetzt. Die Geburt seines Sohnes Prince James Francis Edward löste eine ernste Krise aus und war ein heiß umstrittenes Thema. Da er erst fünf Jahre nach der Heirat seines Vaters James II. zur Welt gekommen war, kam das Ereignis für einen Teil der britischen Protestanten völlig unerwartet. Man war davon ausgegangen, dass Mary, die Tochter aus James' erster Ehe mit Anne Hyde, ihm auf den Thron nachfolgen würde. Mary und ihre jüngere Schwester Anne waren protestantisch erzogen worden. Solange die Möglichkeit bestanden hatte, dass eine von ihnen die Nachfolge des Vaters antreten würde, betrachteten die Gegner des Königs seine Herrschaft als ein vorübergehendes Ärgernis. Die Geburt eines Sohnes brachte die protestantische Thronerbin jedoch um ihr Recht, und eine katholische Dynastie schien unausweichlich. Einflussreiche englische Protestanten schlossen sich dem protestantischen holländischen Statthalter Wilhelm von Oranien an, der mit Mary, der älteren Tochter James II., verheiratet war. Wilhelm landete im November 1688 mit einer großen Flotte in England, und nach nur geringem Widerstand und Wilhelms Sieg in der Schlacht von Reading war James II. gezwungen, aus seinen Königreichen zu fliehen.

Die Revolution, die James II. vom Thron Englands, Schottlands und Irlands gestoßen hatte, setzte der Möglichkeit, den Katholizismus wieder als britische und irische Staatsreligion einzusetzen, ein Ende. Wilhelm und Mary wurden im Februar 1689 zum König und zur Königin ausgerufen. Für die katholische Bevölkerung waren die Auswirkungen sowohl gesellschaftlich als auch politisch desaströs. Die Katholiken verloren mehr als ein Jahrhundert lang ihr Stimmrecht und ihre Sitze im Parlament von Westminster; auch militärische Ämter blieben ihnen verwehrt. Der Monarch/die Monarchin durfte kein Katholik/keine Katholikin sein (das gilt auch heute noch) und keine Katholikin/keinen Katholiken ehelichen (eine Bestimmung, die erst 2013 aufgehoben wurde).

Der Kampf der Stuarts um die Wiedererlangung des englischen, schottischen und irischen Throns

Nach der Revolution von 1688/1689 setzten die Stuarts alles daran, ihren dreifachen Thron zurückzugewinnen. Die Geschichte dieses Kampfes, der als Jakobitenkrieg bezeichnet wird, umfasst mehrere Versuche James II., seines Sohnes, James III., und schließlich seines Enkelsohns Charles, diesen Thron, den sie im Winter 1688/1689 verloren hatten, wiederzuerlangen. Dazu gehörten mehrere Aufstände, Verschwörungen und Verhandlungen, die sich von 1689 bis in die 1750er-Jahre erstreckten. Die Restaurationsversuche wurden dadurch verkompliziert, dass die Stuarts versuchten, drei Throne gleichzeitig zurückzuerobern, während die Interessen der Engländer, Schotten und Iren oft differierten und die Stuarts sich weigerten, sich zum Protestantismus zu bekennen.

Nach dem Tod seines Vaters 1701 wurde James Francis Edward von König Ludwig XIV. sowie von Spanien und dem Kirchenstaat als rechtmäßiger Erbe des englischen, schottischen und irischen Throns und somit als König James III. von England und James VIII. von Schottland anerkannt. Sie alle weigerten sich, Wilhelm III., Mary II. oder Anne als legitimierte Herrscher zu akzeptieren.

Wäre sein Vater James II. nicht abgesetzt worden, wären Großbritannien und Irland zu Lebzeiten von James Francis Edward nur von zwei – katholischen – Monarchen regiert worden, nämlich von seinem Vater und ihm selbst. Stattdessen waren es sieben gewesen: sein Vater, Wilhelm III., Mary II., Anne, Georg I., Georg II. und Georg III. Nachdem die regierenden Protestanten mit seiner Halbschwester Anne ausgestorben waren, verblieben als letzte Stuarts er selbst (James bzw. James III.) und seine Söhne. Ihre Bestrebungen, den Thron zurückzuholen und dabei am katholischen Glauben festzuhalten, trugen zur heiklen politischen Lage Englands bei. Nach dem Tod James’ 1766 folgte ihm sein Sohn Charles Edward Stuart, bekannt als „Bonnie Prince Charlie“, nach.

Kunst für Propagandazwecke

Der exilierte Jakobitenhof der Stuarts gab laufend Porträts in Auftrag. Edward Corp führt aus, dass ihre Zweckbestimmung im Wesentlichen eine politische war und dass sie Teil eines lang anhaltenden Propagandafeldzugs waren, den der exilierte Hof von 1689 bis in die späten 1740er-Jahre führte. Porträtisten waren schon immer engagiert worden, um Monarchen ins Bild zu setzen und deren Ansehen zu heben. Für eine Königsfamilie im Exil, die darauf bedacht war, nicht in Vergessenheit zu geraten, spielten sie eine noch entscheidendere Rolle (siehe E. Corp, The King over the Water, Portraits of the Stuarts in Exile after 1689, Scottish National Portrait Gallery, 2001). Der exilierte Hof der Stuarts beauftrage Porträtgemälde und -stiche, um die Menschen daran zu erinnern oder sie davon zu überzeugen, dass es hier immer noch um die rechtmäßigen Könige von England, Schottland und Irland ging. Herrscher des 17. Jahrhunderts waren sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass dynastische Treue einer bildlichen Propaganda bedurfte. Porträts wurden in diesem speziellen und an mehreren Fronten geführten Krieg als Waffen eingesetzt.

Die Örtlichkeit spielte eine wichtige Rolle bei der Porträtmalerei der Stuart-Dynastie. Nach Saint-Germain-en-Laye in Frankreich verbannt, waren der König und seine Familie nicht mehr in Whitehall anwesend und daher von der Bildfläche in London und anderen Orten, die man traditionell besucht hatte, verschwunden. Früher zur Schau gestellte Porträts wurden abgenommen, weggeräumt und durch die Konterfeis der unrechtmäßigen Nachfolger ersetzt. Es war daher notwendig, in regelmäßigen Abständen Porträts anzufertigen und durch Stiche verbreiten zu lassen, um die Stuarts und insbesondere den Prince of Wales als legitimen Erben bei der Bevölkerung Großbritanniens und Irlands präsent zu machen und die Menschen über dessen Heranwachsen auf dem Laufenden zu halten. Ziel war, dass jeder ihn erkennen sollte. Das vorliegende frühe und erst kürzlich wiederentdeckte Porträt des Prinzen, das ihn in einer zuversichtlichen Haltung und mit den Insignien seines königlichen Standes zeigt, ist hier ein wichtiges Beispiel. Es vermittelt, dass die Königsfamilie nichts an Prestige eingebüßt hat, auch wenn sie nicht länger in England zugegen war. Die Familie, so wurde suggeriert, befand sich in einem zeitlich absehbaren Exil, in Erwartung einer bevorstehenden Restauration. Die Porträts waren dazu gedacht, bei den nach einer katholischen Monarchie strebenden Jakobiten Loyalität zu fördern und Hoffnung zu wecken und den Gegnern Bewunderung und Ehrfurcht abzuringen.

Die lange Folge von jakobitischen Aufständen und Verschwörungen wurden zum Teil dadurch ermöglicht, dass die Menschen wussten, für wen sie sich einsetzten. Sie hatten ein Bild von den Prinzen, für die sie ihr Leben riskierten, vor Augen. Die Stuarts hatten das Glück, auf einige der besten am französischen Hof tätigen Bildnismaler ihrer Zeit zurückgreifen zu können. Diese Künstler waren unbestritten mit mehr Talent ausgestattet als jene im damaligen England. Paris war zudem mit einigen der führenden Kupferstecher der Zeit das Zentrum internationaler Druckgrafik.

Das vorliegende Gemälde, das zuvor nur durch einen Stich von Gérard Edelinck bekannt war, ist eine wichtige Neuentdeckung. Es ist ein Beispiel für das reiche künstlerische Schaffen am exilierten Hof der Stuarts in Frankreich. In jeder Hinsicht majestätisch, übertraf dieser zuweilen sein Gegenüber in England. Der Gedanke, wie sich Großbritanniens und Irlands Kultur entwickelt hätte, wenn James das Land seiner Geburt regiert hätte, birgt eine gewisse Faszination in sich. James Francis Edward hätte auf einer der längsten Regierungsperioden in der britischen und irischen Geschichte zurückblicken können: von 1701 bis 1766.

Zusatzabbildung:
Abb. 1 Gérard Edelinck, nach Nicolas de Largillièrre, Bildnis James Francis Edward Stuart, Prince of Wales, 1692, Kupferstich, London, National Portrait Gallery, NPG D32655
© National Portrait Gallery, London

Der Stich ist ein Beispiel für die massenweise Reproduktion und Verbreitung von Porträts der im Exil lebenden Königsfamilie Stuart vor dem Hintergrund der Anliegen der Jakobiten. Zur Zeit der Veröffentlichung der Mehrzahl dieser Stiche galt das Sympathisieren mit den Jakobiten als Verrat, und der Besitz derartiger Reproduktionen konnte die Strafverfolgung in Großbritannien und Irland nach sich ziehen. Viele der Bilder wurden daher im Ausland veröffentlicht, vielfach ohne Hinweis auf den Dargestellten oder von ihren britischen und irischen Besitzern entsprechend beschnitten. Unter diesen Umständen ist es bemerkenswert, dass Druckgrafiken auch mehrere Generationen nach dem Sturz von James II./VII. im Jahr 1688 noch produziert und verbreitet wurden. Die lange Veröffentlichungsgeschichte dieser Stiche zeugt von der fortdauernden Solidarität der Jakobiten (siehe R. Sharp, The Engraved Record of the Jacobite Movement, 1996).


Zusatzabbildung:

Abb. 2: Israel Silvestre, Ansicht des Château Neuf de Saint-Germain-en-Laye,1666>© israel.silvestre.fr

Provenienz:
Placido de Sangro, Duca di Martina (1829–1891), Neapel;
Monsignor Augusto Mancini Caracciolo di Martina, nach 1870, Rom;
im Erbgang an den heutigen Besitzer

Wir danken Dominique Brême, der auch die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Prüfung im Original bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung.

Zudem danken wir Edward Corp für seine ausführlichen Recherchen zum Exil der Stuarts und den Bestrebungen der Jakobiten. Seine Forschungsergebnisse sind zu einem großen Teil in diesen Text eingeflossen (siehe E. Corp, The King over the Water, Portraits of the Stuarts in Exile after 1689, Scottish National Portrait Gallery, 2001; E. Corp, A Court in Exile, The Stuarts in France, 1689–1718, Cambridge 2009).

Das vorliegende Gemälde steht in Zusammenhang mit einer wichtigen Episode in der Geschichte Großbritanniens und Irlands. Nach dem Tod Königs Charles II. im Jahr 1685 folgte ihm sein jüngerer Bruder James Stuart (1633–1701) auf den Thron und regierte als James II. von England und James VII. von Schottland. Als überzeugter Katholik blickte er wohlwollend auf Frankreich. Als er unerwartet einen männlichen Erben – den hier dargestellten James Francis Edward Stuart (1688–1766) – zeugte, kamen beim englischen Adel religiöse und politische Bedenken auf. Man wandte sich an Wilhelm III. von Oranien, den Statthalter der Niederlande und Schwiegersohn von König James II. Wilhelm von Oranien landete daraufhin am 5. November 1688 in England, und Jakob II. musste nach Frankreich fliehen. Am 9. Dezember schmuggelte Königin Maria von Modena als Wäscherin verkleidet den jungen Thronerben und Prince of Wales nach Frankreich. Die Familie bezog das Schloss von Saint-Germain-en-Laye bei Versailles, das ihnen ihr Cousin, König Ludwig XIV., zur Verfügung gestellt hatte.

Der exilierte englische Hof passte sich der französischen Lebensart an: Die englischen Monarchen wurden häufig nach Versailles, Marly und Fontainebleau geladen, jagten mit dem König von Frankreich und dessen Sohn, dem Grand Dauphin, und besuchten Feste am französischen Hof. Künstler kamen nach Saint-Germain, um James II., Maria von Modena und den jungen Prince of Wales James Francis Edward Stuart und bald danach auch die 1692 geborene Prinzessin Louisa Maria zu porträtieren. Diese Bilder, die für dem exilierten König in Loyalität verbundene Familien (die sogenannten Jakobiten) auch immer wieder kopiert wurden, wurden von den führenden Porträtisten des französischen Königshofs ausgeführt: Pierre Mignard (1612–1695), François de Troy (1645–1730), Nicolas de Largillièrre (1656–1746) und Hyacinthe Rigaud (1659–1743). Ein Schüler François de Troys, Alexis-Simon Belle (1674–1734), wurde praktisch zum offiziellen Maler der Jakobiten (siehe La Cour des Stuarts à Saint-Germain-en-Laye au temps de Louis XIV, Ausstellungskatalog, Musée des Antiquités nationales de Saint-Germain-en-Laye, 1992).

Von diesen Künstlern war Largillièrre James II. schon lange vor den Ereignissen des Jahres 1688 bekannt. Der in Paris geborene und in Antwerpen ausgebildete französische Maler hatte zwischen 1675 und 1686 mehrere Reisen nach England unternommen und während seiner dortigen Aufenthalte für den verstorbenen König Charles II. und später auch für James II. selbst gearbeitet. In London kam Largillièrre in Kontakt mit dem Kreis von Sir Peter Lely. Dezallier d’Argenville berichtet, dass der junge Largillièrre Charles II. vorgestellt wurde, nachdem er ein Gemälde von Giovanni Battista Caracciolo restauriert hatte.

Zwei wichtige Porträts des jungen Prinzen von Wales, die beide von Largillièrre in Saint-Germain-en-Laye gemalt wurden, sind heute bekannt. Das erste, signiert und mit 1690 oder 1691 datiert, wird in der National Gallery of Scotland in Edinburgh aufbewahrt (Öl auf Leinwand, 101,2 x 81,30 cm, Nr. PG 2191). Es zeigt den nackten Knaben im Alter von zwei oder drei Jahren auf einem Kissen sitzend. Das zweite, signiert und mit 1695 datiert, zeigt den Prinzen und seine Schwester im Alter von sieben bzw. drei Jahren (National Portrait Gallery, London, Öl auf Leinwand, 196 x 146,8 cm, RCIN 409,147).

Das vorliegende Gemälde entstand mit großer Sicherheit 1692 und steht mit einer signierten und im selben Jahr veröffentlichten Druckgrafik von Gérard Edelinck in Zusammenhang, die den jungen Prinzen in Form eines Brustbildes im selben Gewand und in derselben Haltung zeigt (siehe Abb. 1). Ganz offensichtlich berief sich Edelinck bei seinem kleinen Brustbild auf dieses in Saint-Germain-en-Laye zwischen dem Edinburgher Porträt (1690/1691) und dem Londoner Porträt (1695) ausgeführte Gemälde. Dargestellt ist der stehende junge Prinz im roten Kleid (wie es damals auch bei Knaben in frühen Kindesjahren üblich war); er trägt eine schwarze Kappe mit weißer Feder und den königlichen Hosenbandorden. Mit einer Hand hält er eine Mohnblume als Anspielung auf seine ruhende Macht im Exil, während er mit der anderen auf einen kleinen Wasserlauf verweist, der vermutlich den Ärmelkanal symbolisiert, den er eines Tages überqueren wird, um seinen Anspruch auf das Königreich von Großbritannien und Irland geltend zu machen.

Bei dem stehenden, dem Prince of Wales zugewandten Knaben rechts handelt es sich vermutlich um den Sohn eines James II. nahestehenden Jakobiten, der vielleicht sogar der Auftraggeber des vorliegenden Gemäldes war. Viele treue Anhänger des abgesetzten Königs ließen sich in Saint-Germain nieder und hielten an dessen königlichem Rang fest, was auch in der Beauftragung zahlreicher Porträts Ausdruck fand. Edward Corp hält es für möglich, dass der Knabe ein Mitglied der Familie Strickland war. Doch angesichts der Bedeutung des Gemäldes mag der Auftrag dazu von James II. selbst erteilt worden sein, der den Sohn eines seiner Gefolgsmänner in das Bild einbezogen wissen wollte, um auf die ungebrochene Unterstützung dieses ebenfalls im Exil lebenden Teils des englischen Adels hinzuweisen. Diese Deutung wird durch die unten rechts neben dem Wasser wachsende Winde (einer sich an einem festen Untergrund anheftenden Schlingpflanze), einem Zeichen der Freundschaft, nahegelegt. Der links erscheinende Papagei steht seinerseits für das noch unbeschwerte kindliche Geplapper. Erwähnenswert sind zudem die beiden kleinen Figuren im linken Hintergrund, die auf die beiden Dargestellten zukommen, um dem jungen Prinzen Beistand zu leisten.

Brême zufolge ist das vorliegende Gemälde seit vielen Jahren eines der wichtigsten wieder aufgetauchten Werke Largillièrres. Er wird es in sein in Vorbereitung befindliches Werkverzeichnis über den Künstler aufnehmen.

Die Geschichte der Familie Stuart

Die königliche Familie der Stuarts (vor dem 17. Jahrhundert als „Stewarts“ bekannt) regierte in Schottland bereits über 200 Jahre, als James VI. im Jahr 1603 Königin Elizabeth I. als James I. von England nachfolgte. Die Königreiche von Schottland, England und Irland wurden ab nun von nur einem Monarchen regiert. Auf James I. folgte sein glückloser Sohn Charles I., der hingerichtet wurde. Großbritannien und Irland wurden unter Oliver Cromwell kurz zu Republiken, bis Charles II. 1660 als Monarch wiedereingesetzt wurde. Ihm folgte sein Bruder, James II.

Während seiner dreieinhalbjährigen Regierungszeit war James II. den politischen Kämpfe zwischen Katholiken und Protestanten ausgesetzt. Die Geburt seines Sohnes Prince James Francis Edward löste eine ernste Krise aus und war ein heiß umstrittenes Thema. Da er erst fünf Jahre nach der Heirat seines Vaters James II. zur Welt gekommen war, kam das Ereignis für einen Teil der britischen Protestanten völlig unerwartet. Man war davon ausgegangen, dass Mary, die Tochter aus James' erster Ehe mit Anne Hyde, ihm auf den Thron nachfolgen würde. Mary und ihre jüngere Schwester Anne waren protestantisch erzogen worden. Solange die Möglichkeit bestanden hatte, dass eine von ihnen die Nachfolge des Vaters antreten würde, betrachteten die Gegner des Königs seine Herrschaft als ein vorübergehendes Ärgernis. Die Geburt eines Sohnes brachte die protestantische Thronerbin jedoch um ihr Recht, und eine katholische Dynastie schien unausweichlich. Einflussreiche englische Protestanten schlossen sich dem protestantischen holländischen Statthalter Wilhelm von Oranien an, der mit Mary, der älteren Tochter James II., verheiratet war. Wilhelm landete im November 1688 mit einer großen Flotte in England, und nach nur geringem Widerstand und Wilhelms Sieg in der Schlacht von Reading war James II. gezwungen, aus seinen Königreichen zu fliehen.

Die Revolution, die James II. vom Thron Englands, Schottlands und Irlands gestoßen hatte, setzte der Möglichkeit, den Katholizismus wieder als britische und irische Staatsreligion einzusetzen, ein Ende. Wilhelm und Mary wurden im Februar 1689 zum König und zur Königin ausgerufen. Für die katholische Bevölkerung waren die Auswirkungen sowohl gesellschaftlich als auch politisch desaströs. Die Katholiken verloren mehr als ein Jahrhundert lang ihr Stimmrecht und ihre Sitze im Parlament von Westminster; auch militärische Ämter blieben ihnen verwehrt. Der Monarch/die Monarchin durfte kein Katholik/keine Katholikin sein (das gilt auch heute noch) und keine Katholikin/keinen Katholiken ehelichen (eine Bestimmung, die erst 2013 aufgehoben wurde).

Der Kampf der Stuarts um die Wiedererlangung des englischen, schottischen und irischen Throns

Nach der Revolution von 1688/1689 setzten die Stuarts alles daran, ihren dreifachen Thron zurückzugewinnen. Die Geschichte dieses Kampfes, der als Jakobitenkrieg bezeichnet wird, umfasst mehrere Versuche James II., seines Sohnes, James III., und schließlich seines Enkelsohns Charles, diesen Thron, den sie im Winter 1688/1689 verloren hatten, wiederzuerlangen. Dazu gehörten mehrere Aufstände, Verschwörungen und Verhandlungen, die sich von 1689 bis in die 1750er-Jahre erstreckten. Die Restaurationsversuche wurden dadurch verkompliziert, dass die Stuarts versuchten, drei Throne gleichzeitig zurückzuerobern, während die Interessen der Engländer, Schotten und Iren oft differierten und die Stuarts sich weigerten, sich zum Protestantismus zu bekennen.

Nach dem Tod seines Vaters 1701 wurde James Francis Edward von König Ludwig XIV. sowie von Spanien und dem Kirchenstaat als rechtmäßiger Erbe des englischen, schottischen und irischen Throns und somit als König James III. von England und James VIII. von Schottland anerkannt. Sie alle weigerten sich, Wilhelm III., Mary II. oder Anne als legitimierte Herrscher zu akzeptieren.

Wäre sein Vater James II. nicht abgesetzt worden, wären Großbritannien und Irland zu Lebzeiten von James Francis Edward nur von zwei – katholischen – Monarchen regiert worden, nämlich von seinem Vater und ihm selbst. Stattdessen waren es sieben gewesen: sein Vater, Wilhelm III., Mary II., Anne, Georg I., Georg II. und Georg III. Nachdem die regierenden Protestanten mit seiner Halbschwester Anne ausgestorben waren, verblieben als letzte Stuarts er selbst (James bzw. James III.) und seine Söhne. Ihre Bestrebungen, den Thron zurückzuholen und dabei am katholischen Glauben festzuhalten, trugen zur heiklen politischen Lage Englands bei. Nach dem Tod James’ 1766 folgte ihm sein Sohn Charles Edward Stuart, bekannt als „Bonnie Prince Charlie“, nach.

Kunst für Propagandazwecke

Der exilierte Jakobitenhof der Stuarts gab laufend Porträts in Auftrag. Edward Corp führt aus, dass ihre Zweckbestimmung im Wesentlichen eine politische war und dass sie Teil eines lang anhaltenden Propagandafeldzugs waren, den der exilierte Hof von 1689 bis in die späten 1740er-Jahre führte. Porträtisten waren schon immer engagiert worden, um Monarchen ins Bild zu setzen und deren Ansehen zu heben. Für eine Königsfamilie im Exil, die darauf bedacht war, nicht in Vergessenheit zu geraten, spielten sie eine noch entscheidendere Rolle (siehe E. Corp, The King over the Water, Portraits of the Stuarts in Exile after 1689, Scottish National Portrait Gallery, 2001). Der exilierte Hof der Stuarts beauftrage Porträtgemälde und -stiche, um die Menschen daran zu erinnern oder sie davon zu überzeugen, dass es hier immer noch um die rechtmäßigen Könige von England, Schottland und Irland ging. Herrscher des 17. Jahrhunderts waren sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass dynastische Treue einer bildlichen Propaganda bedurfte. Porträts wurden in diesem speziellen und an mehreren Fronten geführten Krieg als Waffen eingesetzt.

Die Örtlichkeit spielte eine wichtige Rolle bei der Porträtmalerei der Stuart-Dynastie. Nach Saint-Germain-en-Laye in Frankreich verbannt, waren der König und seine Familie nicht mehr in Whitehall anwesend und daher von der Bildfläche in London und anderen Orten, die man traditionell besucht hatte, verschwunden. Früher zur Schau gestellte Porträts wurden abgenommen, weggeräumt und durch die Konterfeis der unrechtmäßigen Nachfolger ersetzt. Es war daher notwendig, in regelmäßigen Abständen Porträts anzufertigen und durch Stiche verbreiten zu lassen, um die Stuarts und insbesondere den Prince of Wales als legitimen Erben bei der Bevölkerung Großbritanniens und Irlands präsent zu machen und die Menschen über dessen Heranwachsen auf dem Laufenden zu halten. Ziel war, dass jeder ihn erkennen sollte. Das vorliegende frühe und erst kürzlich wiederentdeckte Porträt des Prinzen, das ihn in einer zuversichtlichen Haltung und mit den Insignien seines königlichen Standes zeigt, ist hier ein wichtiges Beispiel. Es vermittelt, dass die Königsfamilie nichts an Prestige eingebüßt hat, auch wenn sie nicht länger in England zugegen war. Die Familie, so wurde suggeriert, befand sich in einem zeitlich absehbaren Exil, in Erwartung einer bevorstehenden Restauration. Die Porträts waren dazu gedacht, bei den nach einer katholischen Monarchie strebenden Jakobiten Loyalität zu fördern und Hoffnung zu wecken und den Gegnern Bewunderung und Ehrfurcht abzuringen.

Die lange Folge von jakobitischen Aufständen und Verschwörungen wurden zum Teil dadurch ermöglicht, dass die Menschen wussten, für wen sie sich einsetzten. Sie hatten ein Bild von den Prinzen, für die sie ihr Leben riskierten, vor Augen. Die Stuarts hatten das Glück, auf einige der besten am französischen Hof tätigen Bildnismaler ihrer Zeit zurückgreifen zu können. Diese Künstler waren unbestritten mit mehr Talent ausgestattet als jene im damaligen England. Paris war zudem mit einigen der führenden Kupferstecher der Zeit das Zentrum internationaler Druckgrafik.

Das vorliegende Gemälde, das zuvor nur durch einen Stich von Gérard Edelinck bekannt war, ist eine wichtige Neuentdeckung. Es ist ein Beispiel für das reiche künstlerische Schaffen am exilierten Hof der Stuarts in Frankreich. In jeder Hinsicht majestätisch, übertraf dieser zuweilen sein Gegenüber in England. Der Gedanke, wie sich Großbritanniens und Irlands Kultur entwickelt hätte, wenn James das Land seiner Geburt regiert hätte, birgt eine gewisse Faszination in sich. James Francis Edward hätte auf einer der längsten Regierungsperioden in der britischen und irischen Geschichte zurückblicken können: von 1701 bis 1766.

Abb. 1 Gérard Edelinck, nach Nicolas de Largillièrre, Bildnis James Francis Edward Stuart, Prince of Wales, 1692, Kupferstich, London, National Portrait Gallery, NPG D32655

Der Stich ist ein Beispiel für die massenweise Reproduktion und Verbreitung von Porträts der im Exil lebenden Königsfamilie Stuart vor dem Hintergrund der Anliegen der Jakobiten. Zur Zeit der Veröffentlichung der Mehrzahl dieser Stiche galt das Sympathisieren mit den Jakobiten als Verrat, und der Besitz derartiger Reproduktionen konnte die Strafverfolgung in Großbritannien und Irland nach sich ziehen. Viele der Bilder wurden daher im Ausland veröffentlicht, vielfach ohne Hinweis auf den Dargestellten oder von ihren britischen und irischen Besitzern entsprechend beschnitten. Unter diesen Umständen ist es bemerkenswert, dass Druckgrafiken auch mehrere Generationen nach dem Sturz von James II./VII. im Jahr 1688 noch produziert und verbreitet wurden. Die lange Veröffentlichungsgeschichte dieser Stiche zeugt von der fortdauernden Solidarität der Jakobiten (siehe R. Sharp, The Engraved Record of the Jacobite Movement, 1996).

18.10.2016 - 18:00

Schätzwert:
EUR 120.000,- bis EUR 150.000,-

Nicolas de Largillière


(Paris 1656–1746)
Bildnis James Francis Edward Stuart, Prince of Wales, mit Hosenbandorden in Begleitung eines Höflings, 1692,
undeutlich signiert Mitte links: N. de ... argilliere,
Öl auf Leinwand, 180 x 137,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Placido de Sangro, Duca di Martina (1829–1891), Neapel;
Monsignor Augusto Mancini Caracciolo di Martina, nach 1870, Rom;
im Erbgang an den heutigen Besitzer

Wir danken Dominique Brême, der auch die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Prüfung im Original bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung.

Zudem danken wir Edward Corp für seine ausführlichen Recherchen zum Exil der Stuarts und den Bestrebungen der Jakobiten. Seine Forschungsergebnisse sind zu einem großen Teil in diesen Text eingeflossen (siehe E. Corp, The King over the Water, Portraits of the Stuarts in Exile after 1689, Scottish National Portrait Gallery, 2001; E. Corp, A Court in Exile, The Stuarts in France, 1689–1718, Cambridge 2009).

Das vorliegende Gemälde steht in Zusammenhang mit einer wichtigen Episode in der Geschichte Großbritanniens und Irlands. Nach dem Tod Königs Charles II. im Jahr 1685 folgte ihm sein jüngerer Bruder James Stuart (1633–1701) auf den Thron und regierte als James II. von England und James VII. von Schottland. Als überzeugter Katholik blickte er wohlwollend auf Frankreich. Als er unerwartet einen männlichen Erben – den hier dargestellten James Francis Edward Stuart (1688–1766) – zeugte, kamen beim englischen Adel religiöse und politische Bedenken auf. Man wandte sich an Wilhelm III. von Oranien, den Statthalter der Niederlande und Schwiegersohn von König James II. Wilhelm von Oranien landete daraufhin am 5. November 1688 in England, und Jakob II. musste nach Frankreich fliehen. Am 9. Dezember schmuggelte Königin Maria von Modena als Wäscherin verkleidet den jungen Thronerben und Prince of Wales nach Frankreich. Die Familie bezog das Schloss von Saint-Germain-en-Laye bei Versailles, das ihnen ihr Cousin, König Ludwig XIV., zur Verfügung gestellt hatte.

Der exilierte englische Hof passte sich der französischen Lebensart an: Die englischen Monarchen wurden häufig nach Versailles, Marly und Fontainebleau geladen, jagten mit dem König von Frankreich und dessen Sohn, dem Grand Dauphin, und besuchten Feste am französischen Hof. Künstler kamen nach Saint-Germain, um James II., Maria von Modena und den jungen Prince of Wales James Francis Edward Stuart und bald danach auch die 1692 geborene Prinzessin Louisa Maria zu porträtieren. Diese Bilder, die für dem exilierten König in Loyalität verbundene Familien (die sogenannten Jakobiten) auch immer wieder kopiert wurden, wurden von den führenden Porträtisten des französischen Königshofs ausgeführt: Pierre Mignard (1612–1695), François de Troy (1645–1730), Nicolas de Largillièrre (1656–1746) und Hyacinthe Rigaud (1659–1743). Ein Schüler François de Troys, Alexis-Simon Belle (1674–1734), wurde praktisch zum offiziellen Maler der Jakobiten (siehe La Cour des Stuarts à Saint-Germain-en-Laye au temps de Louis XIV, Ausstellungskatalog, Musée des Antiquités nationales de Saint-Germain-en-Laye, 1992).

Von diesen Künstlern war Largillièrre James II. schon lange vor den Ereignissen des Jahres 1688 bekannt. Der in Paris geborene und in Antwerpen ausgebildete französische Maler hatte zwischen 1675 und 1686 mehrere Reisen nach England unternommen und während seiner dortigen Aufenthalte für den verstorbenen König Charles II. und später auch für James II. selbst gearbeitet. In London kam Largillièrre in Kontakt mit dem Kreis von Sir Peter Lely. Dezallier d’Argenville berichtet, dass der junge Largillièrre Charles II. vorgestellt wurde, nachdem er ein Gemälde von Giovanni Battista Caracciolo restauriert hatte.

Zwei wichtige Porträts des jungen Prinzen von Wales, die beide von Largillièrre in Saint-Germain-en-Laye gemalt wurden, sind heute bekannt. Das erste, signiert und mit 1690 oder 1691 datiert, wird in der National Gallery of Scotland in Edinburgh aufbewahrt (Öl auf Leinwand, 101,2 x 81,30 cm, Nr. PG 2191). Es zeigt den nackten Knaben im Alter von zwei oder drei Jahren auf einem Kissen sitzend. Das zweite, signiert und mit 1695 datiert, zeigt den Prinzen und seine Schwester im Alter von sieben bzw. drei Jahren (National Portrait Gallery, London, Öl auf Leinwand, 196 x 146,8 cm, RCIN 409,147).

Das vorliegende Gemälde entstand mit großer Sicherheit 1692 und steht mit einer signierten und im selben Jahr veröffentlichten Druckgrafik von Gérard Edelinck in Zusammenhang, die den jungen Prinzen in Form eines Brustbildes im selben Gewand und in derselben Haltung zeigt (siehe Abb. 1). Ganz offensichtlich berief sich Edelinck bei seinem kleinen Brustbild auf dieses in Saint-Germain-en-Laye zwischen dem Edinburgher Porträt (1690/1691) und dem Londoner Porträt (1695) ausgeführte Gemälde. Dargestellt ist der stehende junge Prinz im roten Kleid (wie es damals auch bei Knaben in frühen Kindesjahren üblich war); er trägt eine schwarze Kappe mit weißer Feder und den königlichen Hosenbandorden. Mit einer Hand hält er eine Mohnblume als Anspielung auf seine ruhende Macht im Exil, während er mit der anderen auf einen kleinen Wasserlauf verweist, der vermutlich den Ärmelkanal symbolisiert, den er eines Tages überqueren wird, um seinen Anspruch auf das Königreich von Großbritannien und Irland geltend zu machen.

Bei dem stehenden, dem Prince of Wales zugewandten Knaben rechts handelt es sich vermutlich um den Sohn eines James II. nahestehenden Jakobiten, der vielleicht sogar der Auftraggeber des vorliegenden Gemäldes war. Viele treue Anhänger des abgesetzten Königs ließen sich in Saint-Germain nieder und hielten an dessen königlichem Rang fest, was auch in der Beauftragung zahlreicher Porträts Ausdruck fand. Edward Corp hält es für möglich, dass der Knabe ein Mitglied der Familie Strickland war. Doch angesichts der Bedeutung des Gemäldes mag der Auftrag dazu von James II. selbst erteilt worden sein, der den Sohn eines seiner Gefolgsmänner in das Bild einbezogen wissen wollte, um auf die ungebrochene Unterstützung dieses ebenfalls im Exil lebenden Teils des englischen Adels hinzuweisen. Diese Deutung wird durch die unten rechts neben dem Wasser wachsende Winde (einer sich an einem festen Untergrund anheftenden Schlingpflanze), einem Zeichen der Freundschaft, nahegelegt. Der links erscheinende Papagei steht seinerseits für das noch unbeschwerte kindliche Geplapper. Erwähnenswert sind zudem die beiden kleinen Figuren im linken Hintergrund, die auf die beiden Dargestellten zukommen, um dem jungen Prinzen Beistand zu leisten.

Brême zufolge ist das vorliegende Gemälde seit vielen Jahren eines der wichtigsten wieder aufgetauchten Werke Largillièrres. Er wird es in sein in Vorbereitung befindliches Werkverzeichnis über den Künstler aufnehmen.

Die Geschichte der Familie Stuart

Die königliche Familie der Stuarts (vor dem 17. Jahrhundert als „Stewarts“ bekannt) regierte in Schottland bereits über 200 Jahre, als James VI. im Jahr 1603 Königin Elizabeth I. als James I. von England nachfolgte. Die Königreiche von Schottland, England und Irland wurden ab nun von nur einem Monarchen regiert. Auf James I. folgte sein glückloser Sohn Charles I., der hingerichtet wurde. Großbritannien und Irland wurden unter Oliver Cromwell kurz zu Republiken, bis Charles II. 1660 als Monarch wiedereingesetzt wurde. Ihm folgte sein Bruder, James II.

Während seiner dreieinhalbjährigen Regierungszeit war James II. den politischen Kämpfe zwischen Katholiken und Protestanten ausgesetzt. Die Geburt seines Sohnes Prince James Francis Edward löste eine ernste Krise aus und war ein heiß umstrittenes Thema. Da er erst fünf Jahre nach der Heirat seines Vaters James II. zur Welt gekommen war, kam das Ereignis für einen Teil der britischen Protestanten völlig unerwartet. Man war davon ausgegangen, dass Mary, die Tochter aus James' erster Ehe mit Anne Hyde, ihm auf den Thron nachfolgen würde. Mary und ihre jüngere Schwester Anne waren protestantisch erzogen worden. Solange die Möglichkeit bestanden hatte, dass eine von ihnen die Nachfolge des Vaters antreten würde, betrachteten die Gegner des Königs seine Herrschaft als ein vorübergehendes Ärgernis. Die Geburt eines Sohnes brachte die protestantische Thronerbin jedoch um ihr Recht, und eine katholische Dynastie schien unausweichlich. Einflussreiche englische Protestanten schlossen sich dem protestantischen holländischen Statthalter Wilhelm von Oranien an, der mit Mary, der älteren Tochter James II., verheiratet war. Wilhelm landete im November 1688 mit einer großen Flotte in England, und nach nur geringem Widerstand und Wilhelms Sieg in der Schlacht von Reading war James II. gezwungen, aus seinen Königreichen zu fliehen.

Die Revolution, die James II. vom Thron Englands, Schottlands und Irlands gestoßen hatte, setzte der Möglichkeit, den Katholizismus wieder als britische und irische Staatsreligion einzusetzen, ein Ende. Wilhelm und Mary wurden im Februar 1689 zum König und zur Königin ausgerufen. Für die katholische Bevölkerung waren die Auswirkungen sowohl gesellschaftlich als auch politisch desaströs. Die Katholiken verloren mehr als ein Jahrhundert lang ihr Stimmrecht und ihre Sitze im Parlament von Westminster; auch militärische Ämter blieben ihnen verwehrt. Der Monarch/die Monarchin durfte kein Katholik/keine Katholikin sein (das gilt auch heute noch) und keine Katholikin/keinen Katholiken ehelichen (eine Bestimmung, die erst 2013 aufgehoben wurde).

Der Kampf der Stuarts um die Wiedererlangung des englischen, schottischen und irischen Throns

Nach der Revolution von 1688/1689 setzten die Stuarts alles daran, ihren dreifachen Thron zurückzugewinnen. Die Geschichte dieses Kampfes, der als Jakobitenkrieg bezeichnet wird, umfasst mehrere Versuche James II., seines Sohnes, James III., und schließlich seines Enkelsohns Charles, diesen Thron, den sie im Winter 1688/1689 verloren hatten, wiederzuerlangen. Dazu gehörten mehrere Aufstände, Verschwörungen und Verhandlungen, die sich von 1689 bis in die 1750er-Jahre erstreckten. Die Restaurationsversuche wurden dadurch verkompliziert, dass die Stuarts versuchten, drei Throne gleichzeitig zurückzuerobern, während die Interessen der Engländer, Schotten und Iren oft differierten und die Stuarts sich weigerten, sich zum Protestantismus zu bekennen.

Nach dem Tod seines Vaters 1701 wurde James Francis Edward von König Ludwig XIV. sowie von Spanien und dem Kirchenstaat als rechtmäßiger Erbe des englischen, schottischen und irischen Throns und somit als König James III. von England und James VIII. von Schottland anerkannt. Sie alle weigerten sich, Wilhelm III., Mary II. oder Anne als legitimierte Herrscher zu akzeptieren.

Wäre sein Vater James II. nicht abgesetzt worden, wären Großbritannien und Irland zu Lebzeiten von James Francis Edward nur von zwei – katholischen – Monarchen regiert worden, nämlich von seinem Vater und ihm selbst. Stattdessen waren es sieben gewesen: sein Vater, Wilhelm III., Mary II., Anne, Georg I., Georg II. und Georg III. Nachdem die regierenden Protestanten mit seiner Halbschwester Anne ausgestorben waren, verblieben als letzte Stuarts er selbst (James bzw. James III.) und seine Söhne. Ihre Bestrebungen, den Thron zurückzuholen und dabei am katholischen Glauben festzuhalten, trugen zur heiklen politischen Lage Englands bei. Nach dem Tod James’ 1766 folgte ihm sein Sohn Charles Edward Stuart, bekannt als „Bonnie Prince Charlie“, nach.

Kunst für Propagandazwecke

Der exilierte Jakobitenhof der Stuarts gab laufend Porträts in Auftrag. Edward Corp führt aus, dass ihre Zweckbestimmung im Wesentlichen eine politische war und dass sie Teil eines lang anhaltenden Propagandafeldzugs waren, den der exilierte Hof von 1689 bis in die späten 1740er-Jahre führte. Porträtisten waren schon immer engagiert worden, um Monarchen ins Bild zu setzen und deren Ansehen zu heben. Für eine Königsfamilie im Exil, die darauf bedacht war, nicht in Vergessenheit zu geraten, spielten sie eine noch entscheidendere Rolle (siehe E. Corp, The King over the Water, Portraits of the Stuarts in Exile after 1689, Scottish National Portrait Gallery, 2001). Der exilierte Hof der Stuarts beauftrage Porträtgemälde und -stiche, um die Menschen daran zu erinnern oder sie davon zu überzeugen, dass es hier immer noch um die rechtmäßigen Könige von England, Schottland und Irland ging. Herrscher des 17. Jahrhunderts waren sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass dynastische Treue einer bildlichen Propaganda bedurfte. Porträts wurden in diesem speziellen und an mehreren Fronten geführten Krieg als Waffen eingesetzt.

Die Örtlichkeit spielte eine wichtige Rolle bei der Porträtmalerei der Stuart-Dynastie. Nach Saint-Germain-en-Laye in Frankreich verbannt, waren der König und seine Familie nicht mehr in Whitehall anwesend und daher von der Bildfläche in London und anderen Orten, die man traditionell besucht hatte, verschwunden. Früher zur Schau gestellte Porträts wurden abgenommen, weggeräumt und durch die Konterfeis der unrechtmäßigen Nachfolger ersetzt. Es war daher notwendig, in regelmäßigen Abständen Porträts anzufertigen und durch Stiche verbreiten zu lassen, um die Stuarts und insbesondere den Prince of Wales als legitimen Erben bei der Bevölkerung Großbritanniens und Irlands präsent zu machen und die Menschen über dessen Heranwachsen auf dem Laufenden zu halten. Ziel war, dass jeder ihn erkennen sollte. Das vorliegende frühe und erst kürzlich wiederentdeckte Porträt des Prinzen, das ihn in einer zuversichtlichen Haltung und mit den Insignien seines königlichen Standes zeigt, ist hier ein wichtiges Beispiel. Es vermittelt, dass die Königsfamilie nichts an Prestige eingebüßt hat, auch wenn sie nicht länger in England zugegen war. Die Familie, so wurde suggeriert, befand sich in einem zeitlich absehbaren Exil, in Erwartung einer bevorstehenden Restauration. Die Porträts waren dazu gedacht, bei den nach einer katholischen Monarchie strebenden Jakobiten Loyalität zu fördern und Hoffnung zu wecken und den Gegnern Bewunderung und Ehrfurcht abzuringen.

Die lange Folge von jakobitischen Aufständen und Verschwörungen wurden zum Teil dadurch ermöglicht, dass die Menschen wussten, für wen sie sich einsetzten. Sie hatten ein Bild von den Prinzen, für die sie ihr Leben riskierten, vor Augen. Die Stuarts hatten das Glück, auf einige der besten am französischen Hof tätigen Bildnismaler ihrer Zeit zurückgreifen zu können. Diese Künstler waren unbestritten mit mehr Talent ausgestattet als jene im damaligen England. Paris war zudem mit einigen der führenden Kupferstecher der Zeit das Zentrum internationaler Druckgrafik.

Das vorliegende Gemälde, das zuvor nur durch einen Stich von Gérard Edelinck bekannt war, ist eine wichtige Neuentdeckung. Es ist ein Beispiel für das reiche künstlerische Schaffen am exilierten Hof der Stuarts in Frankreich. In jeder Hinsicht majestätisch, übertraf dieser zuweilen sein Gegenüber in England. Der Gedanke, wie sich Großbritanniens und Irlands Kultur entwickelt hätte, wenn James das Land seiner Geburt regiert hätte, birgt eine gewisse Faszination in sich. James Francis Edward hätte auf einer der längsten Regierungsperioden in der britischen und irischen Geschichte zurückblicken können: von 1701 bis 1766.

Zusatzabbildung:
Abb. 1 Gérard Edelinck, nach Nicolas de Largillièrre, Bildnis James Francis Edward Stuart, Prince of Wales, 1692, Kupferstich, London, National Portrait Gallery, NPG D32655
© National Portrait Gallery, London

Der Stich ist ein Beispiel für die massenweise Reproduktion und Verbreitung von Porträts der im Exil lebenden Königsfamilie Stuart vor dem Hintergrund der Anliegen der Jakobiten. Zur Zeit der Veröffentlichung der Mehrzahl dieser Stiche galt das Sympathisieren mit den Jakobiten als Verrat, und der Besitz derartiger Reproduktionen konnte die Strafverfolgung in Großbritannien und Irland nach sich ziehen. Viele der Bilder wurden daher im Ausland veröffentlicht, vielfach ohne Hinweis auf den Dargestellten oder von ihren britischen und irischen Besitzern entsprechend beschnitten. Unter diesen Umständen ist es bemerkenswert, dass Druckgrafiken auch mehrere Generationen nach dem Sturz von James II./VII. im Jahr 1688 noch produziert und verbreitet wurden. Die lange Veröffentlichungsgeschichte dieser Stiche zeugt von der fortdauernden Solidarität der Jakobiten (siehe R. Sharp, The Engraved Record of the Jacobite Movement, 1996).


Zusatzabbildung:

Abb. 2: Israel Silvestre, Ansicht des Château Neuf de Saint-Germain-en-Laye,1666>© israel.silvestre.fr

Provenienz:
Placido de Sangro, Duca di Martina (1829–1891), Neapel;
Monsignor Augusto Mancini Caracciolo di Martina, nach 1870, Rom;
im Erbgang an den heutigen Besitzer

Wir danken Dominique Brême, der auch die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Prüfung im Original bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung.

Zudem danken wir Edward Corp für seine ausführlichen Recherchen zum Exil der Stuarts und den Bestrebungen der Jakobiten. Seine Forschungsergebnisse sind zu einem großen Teil in diesen Text eingeflossen (siehe E. Corp, The King over the Water, Portraits of the Stuarts in Exile after 1689, Scottish National Portrait Gallery, 2001; E. Corp, A Court in Exile, The Stuarts in France, 1689–1718, Cambridge 2009).

Das vorliegende Gemälde steht in Zusammenhang mit einer wichtigen Episode in der Geschichte Großbritanniens und Irlands. Nach dem Tod Königs Charles II. im Jahr 1685 folgte ihm sein jüngerer Bruder James Stuart (1633–1701) auf den Thron und regierte als James II. von England und James VII. von Schottland. Als überzeugter Katholik blickte er wohlwollend auf Frankreich. Als er unerwartet einen männlichen Erben – den hier dargestellten James Francis Edward Stuart (1688–1766) – zeugte, kamen beim englischen Adel religiöse und politische Bedenken auf. Man wandte sich an Wilhelm III. von Oranien, den Statthalter der Niederlande und Schwiegersohn von König James II. Wilhelm von Oranien landete daraufhin am 5. November 1688 in England, und Jakob II. musste nach Frankreich fliehen. Am 9. Dezember schmuggelte Königin Maria von Modena als Wäscherin verkleidet den jungen Thronerben und Prince of Wales nach Frankreich. Die Familie bezog das Schloss von Saint-Germain-en-Laye bei Versailles, das ihnen ihr Cousin, König Ludwig XIV., zur Verfügung gestellt hatte.

Der exilierte englische Hof passte sich der französischen Lebensart an: Die englischen Monarchen wurden häufig nach Versailles, Marly und Fontainebleau geladen, jagten mit dem König von Frankreich und dessen Sohn, dem Grand Dauphin, und besuchten Feste am französischen Hof. Künstler kamen nach Saint-Germain, um James II., Maria von Modena und den jungen Prince of Wales James Francis Edward Stuart und bald danach auch die 1692 geborene Prinzessin Louisa Maria zu porträtieren. Diese Bilder, die für dem exilierten König in Loyalität verbundene Familien (die sogenannten Jakobiten) auch immer wieder kopiert wurden, wurden von den führenden Porträtisten des französischen Königshofs ausgeführt: Pierre Mignard (1612–1695), François de Troy (1645–1730), Nicolas de Largillièrre (1656–1746) und Hyacinthe Rigaud (1659–1743). Ein Schüler François de Troys, Alexis-Simon Belle (1674–1734), wurde praktisch zum offiziellen Maler der Jakobiten (siehe La Cour des Stuarts à Saint-Germain-en-Laye au temps de Louis XIV, Ausstellungskatalog, Musée des Antiquités nationales de Saint-Germain-en-Laye, 1992).

Von diesen Künstlern war Largillièrre James II. schon lange vor den Ereignissen des Jahres 1688 bekannt. Der in Paris geborene und in Antwerpen ausgebildete französische Maler hatte zwischen 1675 und 1686 mehrere Reisen nach England unternommen und während seiner dortigen Aufenthalte für den verstorbenen König Charles II. und später auch für James II. selbst gearbeitet. In London kam Largillièrre in Kontakt mit dem Kreis von Sir Peter Lely. Dezallier d’Argenville berichtet, dass der junge Largillièrre Charles II. vorgestellt wurde, nachdem er ein Gemälde von Giovanni Battista Caracciolo restauriert hatte.

Zwei wichtige Porträts des jungen Prinzen von Wales, die beide von Largillièrre in Saint-Germain-en-Laye gemalt wurden, sind heute bekannt. Das erste, signiert und mit 1690 oder 1691 datiert, wird in der National Gallery of Scotland in Edinburgh aufbewahrt (Öl auf Leinwand, 101,2 x 81,30 cm, Nr. PG 2191). Es zeigt den nackten Knaben im Alter von zwei oder drei Jahren auf einem Kissen sitzend. Das zweite, signiert und mit 1695 datiert, zeigt den Prinzen und seine Schwester im Alter von sieben bzw. drei Jahren (National Portrait Gallery, London, Öl auf Leinwand, 196 x 146,8 cm, RCIN 409,147).

Das vorliegende Gemälde entstand mit großer Sicherheit 1692 und steht mit einer signierten und im selben Jahr veröffentlichten Druckgrafik von Gérard Edelinck in Zusammenhang, die den jungen Prinzen in Form eines Brustbildes im selben Gewand und in derselben Haltung zeigt (siehe Abb. 1). Ganz offensichtlich berief sich Edelinck bei seinem kleinen Brustbild auf dieses in Saint-Germain-en-Laye zwischen dem Edinburgher Porträt (1690/1691) und dem Londoner Porträt (1695) ausgeführte Gemälde. Dargestellt ist der stehende junge Prinz im roten Kleid (wie es damals auch bei Knaben in frühen Kindesjahren üblich war); er trägt eine schwarze Kappe mit weißer Feder und den königlichen Hosenbandorden. Mit einer Hand hält er eine Mohnblume als Anspielung auf seine ruhende Macht im Exil, während er mit der anderen auf einen kleinen Wasserlauf verweist, der vermutlich den Ärmelkanal symbolisiert, den er eines Tages überqueren wird, um seinen Anspruch auf das Königreich von Großbritannien und Irland geltend zu machen.

Bei dem stehenden, dem Prince of Wales zugewandten Knaben rechts handelt es sich vermutlich um den Sohn eines James II. nahestehenden Jakobiten, der vielleicht sogar der Auftraggeber des vorliegenden Gemäldes war. Viele treue Anhänger des abgesetzten Königs ließen sich in Saint-Germain nieder und hielten an dessen königlichem Rang fest, was auch in der Beauftragung zahlreicher Porträts Ausdruck fand. Edward Corp hält es für möglich, dass der Knabe ein Mitglied der Familie Strickland war. Doch angesichts der Bedeutung des Gemäldes mag der Auftrag dazu von James II. selbst erteilt worden sein, der den Sohn eines seiner Gefolgsmänner in das Bild einbezogen wissen wollte, um auf die ungebrochene Unterstützung dieses ebenfalls im Exil lebenden Teils des englischen Adels hinzuweisen. Diese Deutung wird durch die unten rechts neben dem Wasser wachsende Winde (einer sich an einem festen Untergrund anheftenden Schlingpflanze), einem Zeichen der Freundschaft, nahegelegt. Der links erscheinende Papagei steht seinerseits für das noch unbeschwerte kindliche Geplapper. Erwähnenswert sind zudem die beiden kleinen Figuren im linken Hintergrund, die auf die beiden Dargestellten zukommen, um dem jungen Prinzen Beistand zu leisten.

Brême zufolge ist das vorliegende Gemälde seit vielen Jahren eines der wichtigsten wieder aufgetauchten Werke Largillièrres. Er wird es in sein in Vorbereitung befindliches Werkverzeichnis über den Künstler aufnehmen.

Die Geschichte der Familie Stuart

Die königliche Familie der Stuarts (vor dem 17. Jahrhundert als „Stewarts“ bekannt) regierte in Schottland bereits über 200 Jahre, als James VI. im Jahr 1603 Königin Elizabeth I. als James I. von England nachfolgte. Die Königreiche von Schottland, England und Irland wurden ab nun von nur einem Monarchen regiert. Auf James I. folgte sein glückloser Sohn Charles I., der hingerichtet wurde. Großbritannien und Irland wurden unter Oliver Cromwell kurz zu Republiken, bis Charles II. 1660 als Monarch wiedereingesetzt wurde. Ihm folgte sein Bruder, James II.

Während seiner dreieinhalbjährigen Regierungszeit war James II. den politischen Kämpfe zwischen Katholiken und Protestanten ausgesetzt. Die Geburt seines Sohnes Prince James Francis Edward löste eine ernste Krise aus und war ein heiß umstrittenes Thema. Da er erst fünf Jahre nach der Heirat seines Vaters James II. zur Welt gekommen war, kam das Ereignis für einen Teil der britischen Protestanten völlig unerwartet. Man war davon ausgegangen, dass Mary, die Tochter aus James' erster Ehe mit Anne Hyde, ihm auf den Thron nachfolgen würde. Mary und ihre jüngere Schwester Anne waren protestantisch erzogen worden. Solange die Möglichkeit bestanden hatte, dass eine von ihnen die Nachfolge des Vaters antreten würde, betrachteten die Gegner des Königs seine Herrschaft als ein vorübergehendes Ärgernis. Die Geburt eines Sohnes brachte die protestantische Thronerbin jedoch um ihr Recht, und eine katholische Dynastie schien unausweichlich. Einflussreiche englische Protestanten schlossen sich dem protestantischen holländischen Statthalter Wilhelm von Oranien an, der mit Mary, der älteren Tochter James II., verheiratet war. Wilhelm landete im November 1688 mit einer großen Flotte in England, und nach nur geringem Widerstand und Wilhelms Sieg in der Schlacht von Reading war James II. gezwungen, aus seinen Königreichen zu fliehen.

Die Revolution, die James II. vom Thron Englands, Schottlands und Irlands gestoßen hatte, setzte der Möglichkeit, den Katholizismus wieder als britische und irische Staatsreligion einzusetzen, ein Ende. Wilhelm und Mary wurden im Februar 1689 zum König und zur Königin ausgerufen. Für die katholische Bevölkerung waren die Auswirkungen sowohl gesellschaftlich als auch politisch desaströs. Die Katholiken verloren mehr als ein Jahrhundert lang ihr Stimmrecht und ihre Sitze im Parlament von Westminster; auch militärische Ämter blieben ihnen verwehrt. Der Monarch/die Monarchin durfte kein Katholik/keine Katholikin sein (das gilt auch heute noch) und keine Katholikin/keinen Katholiken ehelichen (eine Bestimmung, die erst 2013 aufgehoben wurde).

Der Kampf der Stuarts um die Wiedererlangung des englischen, schottischen und irischen Throns

Nach der Revolution von 1688/1689 setzten die Stuarts alles daran, ihren dreifachen Thron zurückzugewinnen. Die Geschichte dieses Kampfes, der als Jakobitenkrieg bezeichnet wird, umfasst mehrere Versuche James II., seines Sohnes, James III., und schließlich seines Enkelsohns Charles, diesen Thron, den sie im Winter 1688/1689 verloren hatten, wiederzuerlangen. Dazu gehörten mehrere Aufstände, Verschwörungen und Verhandlungen, die sich von 1689 bis in die 1750er-Jahre erstreckten. Die Restaurationsversuche wurden dadurch verkompliziert, dass die Stuarts versuchten, drei Throne gleichzeitig zurückzuerobern, während die Interessen der Engländer, Schotten und Iren oft differierten und die Stuarts sich weigerten, sich zum Protestantismus zu bekennen.

Nach dem Tod seines Vaters 1701 wurde James Francis Edward von König Ludwig XIV. sowie von Spanien und dem Kirchenstaat als rechtmäßiger Erbe des englischen, schottischen und irischen Throns und somit als König James III. von England und James VIII. von Schottland anerkannt. Sie alle weigerten sich, Wilhelm III., Mary II. oder Anne als legitimierte Herrscher zu akzeptieren.

Wäre sein Vater James II. nicht abgesetzt worden, wären Großbritannien und Irland zu Lebzeiten von James Francis Edward nur von zwei – katholischen – Monarchen regiert worden, nämlich von seinem Vater und ihm selbst. Stattdessen waren es sieben gewesen: sein Vater, Wilhelm III., Mary II., Anne, Georg I., Georg II. und Georg III. Nachdem die regierenden Protestanten mit seiner Halbschwester Anne ausgestorben waren, verblieben als letzte Stuarts er selbst (James bzw. James III.) und seine Söhne. Ihre Bestrebungen, den Thron zurückzuholen und dabei am katholischen Glauben festzuhalten, trugen zur heiklen politischen Lage Englands bei. Nach dem Tod James’ 1766 folgte ihm sein Sohn Charles Edward Stuart, bekannt als „Bonnie Prince Charlie“, nach.

Kunst für Propagandazwecke

Der exilierte Jakobitenhof der Stuarts gab laufend Porträts in Auftrag. Edward Corp führt aus, dass ihre Zweckbestimmung im Wesentlichen eine politische war und dass sie Teil eines lang anhaltenden Propagandafeldzugs waren, den der exilierte Hof von 1689 bis in die späten 1740er-Jahre führte. Porträtisten waren schon immer engagiert worden, um Monarchen ins Bild zu setzen und deren Ansehen zu heben. Für eine Königsfamilie im Exil, die darauf bedacht war, nicht in Vergessenheit zu geraten, spielten sie eine noch entscheidendere Rolle (siehe E. Corp, The King over the Water, Portraits of the Stuarts in Exile after 1689, Scottish National Portrait Gallery, 2001). Der exilierte Hof der Stuarts beauftrage Porträtgemälde und -stiche, um die Menschen daran zu erinnern oder sie davon zu überzeugen, dass es hier immer noch um die rechtmäßigen Könige von England, Schottland und Irland ging. Herrscher des 17. Jahrhunderts waren sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass dynastische Treue einer bildlichen Propaganda bedurfte. Porträts wurden in diesem speziellen und an mehreren Fronten geführten Krieg als Waffen eingesetzt.

Die Örtlichkeit spielte eine wichtige Rolle bei der Porträtmalerei der Stuart-Dynastie. Nach Saint-Germain-en-Laye in Frankreich verbannt, waren der König und seine Familie nicht mehr in Whitehall anwesend und daher von der Bildfläche in London und anderen Orten, die man traditionell besucht hatte, verschwunden. Früher zur Schau gestellte Porträts wurden abgenommen, weggeräumt und durch die Konterfeis der unrechtmäßigen Nachfolger ersetzt. Es war daher notwendig, in regelmäßigen Abständen Porträts anzufertigen und durch Stiche verbreiten zu lassen, um die Stuarts und insbesondere den Prince of Wales als legitimen Erben bei der Bevölkerung Großbritanniens und Irlands präsent zu machen und die Menschen über dessen Heranwachsen auf dem Laufenden zu halten. Ziel war, dass jeder ihn erkennen sollte. Das vorliegende frühe und erst kürzlich wiederentdeckte Porträt des Prinzen, das ihn in einer zuversichtlichen Haltung und mit den Insignien seines königlichen Standes zeigt, ist hier ein wichtiges Beispiel. Es vermittelt, dass die Königsfamilie nichts an Prestige eingebüßt hat, auch wenn sie nicht länger in England zugegen war. Die Familie, so wurde suggeriert, befand sich in einem zeitlich absehbaren Exil, in Erwartung einer bevorstehenden Restauration. Die Porträts waren dazu gedacht, bei den nach einer katholischen Monarchie strebenden Jakobiten Loyalität zu fördern und Hoffnung zu wecken und den Gegnern Bewunderung und Ehrfurcht abzuringen.

Die lange Folge von jakobitischen Aufständen und Verschwörungen wurden zum Teil dadurch ermöglicht, dass die Menschen wussten, für wen sie sich einsetzten. Sie hatten ein Bild von den Prinzen, für die sie ihr Leben riskierten, vor Augen. Die Stuarts hatten das Glück, auf einige der besten am französischen Hof tätigen Bildnismaler ihrer Zeit zurückgreifen zu können. Diese Künstler waren unbestritten mit mehr Talent ausgestattet als jene im damaligen England. Paris war zudem mit einigen der führenden Kupferstecher der Zeit das Zentrum internationaler Druckgrafik.

Das vorliegende Gemälde, das zuvor nur durch einen Stich von Gérard Edelinck bekannt war, ist eine wichtige Neuentdeckung. Es ist ein Beispiel für das reiche künstlerische Schaffen am exilierten Hof der Stuarts in Frankreich. In jeder Hinsicht majestätisch, übertraf dieser zuweilen sein Gegenüber in England. Der Gedanke, wie sich Großbritanniens und Irlands Kultur entwickelt hätte, wenn James das Land seiner Geburt regiert hätte, birgt eine gewisse Faszination in sich. James Francis Edward hätte auf einer der längsten Regierungsperioden in der britischen und irischen Geschichte zurückblicken können: von 1701 bis 1766.

Abb. 1 Gérard Edelinck, nach Nicolas de Largillièrre, Bildnis James Francis Edward Stuart, Prince of Wales, 1692, Kupferstich, London, National Portrait Gallery, NPG D32655

Der Stich ist ein Beispiel für die massenweise Reproduktion und Verbreitung von Porträts der im Exil lebenden Königsfamilie Stuart vor dem Hintergrund der Anliegen der Jakobiten. Zur Zeit der Veröffentlichung der Mehrzahl dieser Stiche galt das Sympathisieren mit den Jakobiten als Verrat, und der Besitz derartiger Reproduktionen konnte die Strafverfolgung in Großbritannien und Irland nach sich ziehen. Viele der Bilder wurden daher im Ausland veröffentlicht, vielfach ohne Hinweis auf den Dargestellten oder von ihren britischen und irischen Besitzern entsprechend beschnitten. Unter diesen Umständen ist es bemerkenswert, dass Druckgrafiken auch mehrere Generationen nach dem Sturz von James II./VII. im Jahr 1688 noch produziert und verbreitet wurden. Die lange Veröffentlichungsgeschichte dieser Stiche zeugt von der fortdauernden Solidarität der Jakobiten (siehe R. Sharp, The Engraved Record of the Jacobite Movement, 1996).


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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 18.10.2016 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 08.10. - 18.10.2016

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