Lot Nr. 91


Paolo Finoglio


Paolo Finoglio - Alte Meister

(Neapel 1590–1645 Conversano)
Heilige Veronica,
Öl auf Leinwand, 98,5 x 84,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Rom

Wir danken Riccardo Lattuada für seinen Vorschlag zur Zuschreibung nach Begutachtung des Gemäldes im Original sowie für seine Hilfe bei der Katalogisierung.

Einer nicht in den Evangelien überlieferten Legende zufolge war es Veronica, die Jesus auf dessen Weg nach Golgatha mit ihrem Schleier das Blut abtupfte. Dabei soll ein Abdruck von Jesu Antlitz im Stoff zurückgeblieben sein. Diese Überlieferung hat sich so tief in der abendländischen Kultur verankert, dass sie zu einer festen Station auf der Via Crucis, dem Kreuzweg, geworden ist.

Dieses Gemälde enthält sämtliche stilistischen und kompositionelle Eigenschaften der Arbeit Paolo Finoglios aus Atella, einer der prominentesten Persönlichkeiten im Neapel der ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts. Finoglio wurde anfänglich von Ippolito Borghese ausgebildet, dem Meister des südlichen Spätmanierismus; vermutlich erst in der Werkstatt von Battistello Caracciolo wagte er eine Modernisierung dieses spätmanieristischen Stils und wurde dabei zu einem der führenden Vertreter des neapolitanischen Postcaravaggismus. In der Folge stand er über zwei Jahrzehnte lang in den Diensten der wichtigsten kirchlichen Einrichtungen der Stadt: der Certosa di San Martino, San Lorenzo Maggiore und San Paolo Maggiore. Vermutlich 1635 zog Finoglio nach Conversano, wo er der Hausmaler der mächtigen Familie Acquaviva d‘Aragona wurde. Im Kastell von Conversano malte Finoglio die Fresken in den ehelichen Gemächern des Grafen Gian Girolamo II. Acquaviva sowie die Serie der zehn riesigen Leinwände mit den Episoden aus Gerusalemme Liberata, die heute in der Pinacoteca Comunale del Castello bei Conversano aufbewahrt werden (für eine zeitgenössische Bewertung des Künstlers siehe: C. D. Fonseca (Hg.), Paolo Fingolo e il suo tempo. Un pittore napoletano alla Corte degli Acquaviva, Ausstellungskatalog, Neapel 2000; zur Reihe Gerusalemme Liberata siehe: A. Tapié (Hg.), Paolo Domenico Finoglio. La Jérusalem délivrée, Ausstellungskatalog, Lille-Paris 2010). Finoglio wurde bald international berühmt, was u. a. an seiner Beauftragung zur Erstellung eines von insgesamt vier Gemälden – jedes von einem anderen Maler aus Neapel – zur Dekoration des Palacio del Buen Retiro in Madrid zu ersehen ist (s. S. Pierguidi, Il ciclo dei costumi de’ Romani antichi del Buen Retiro di Madrid in: Storia dell’arte, 125/126, Januar-August 2010, S. 79-93).

In dem hier vorliegenden Gemälde ist der kraftvolle Umgang mit Licht und Schatten in den Zügen der heiligen Veronica vergleichbar mit dem der Adultera in Finoglios Jesus und die Ehebrecherin aus dem Museo Provinziale in Lecce von ca. 1628-30 sowie mit den weiblichen Figuren im Sposalizio della Vergine bei Santa Maria di Piedigrotta (Neapel, um 1630), dem Schutzmärtyrer in Ungarns Christlichem Museum in Esztergom (ebenfalls um 1630) sowie dem Heiligen beim Beten aus einer Privatsammlung. Alle diese Arbeiten sind in Verbindung gebracht worden mit Finoglios Unbefleckter Empfängnis, die über verschiedene Ausführungen in San Lorenzo Maggiore, Neapel (1629 oder 1630), im Musée des Beaux-Arts, Lille, sowie in San Francesco d’Assisi, Montesarchio, bekannt geworden ist (zu diesen Werken siehe: A. Cassiano/R. Mavelli/C. de Toma, in: Paolo Finoglio e il suo tempo, S. 151 Nr. 16; 152 Nr. 18; 152 Nr. 20; 152 Nr. 22; und S. 99, Farbtafel 16; S. 101, Farbtafel 18; S. 102, Abb. 20; S. 103 Farbtafel 22).

Wiederholt ist angemerkt worden, dass Finoglio vom Ende der 1620er bis zur ersten Hälfte der 1630er Jahre seine Bildsprache an den formalen Neuerungen ausrichtete, wie sie mit der Ankunft Artemisia Gentileschis in Neapel in die dortige Kunstszene Einzug hielten. Bei dem hier vorliegenden Gemälde offenbaren die harten Gesichtszüge der heiligen Veronica, das plastische Chiaroscuro der Draperie und die Farbgebung des Inkarnats mehr als nur einen Berührungspunkt mit Artemisias erster Neapel-Phase – im Vergleich dazu ihre Verkündigung in der Galleria di Capodimonte in Neapel, die auf 1630 datiert ist.

18.10.2016 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 20.320,-
Schätzwert:
EUR 20.000,- bis EUR 30.000,-

Paolo Finoglio


(Neapel 1590–1645 Conversano)
Heilige Veronica,
Öl auf Leinwand, 98,5 x 84,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Rom

Wir danken Riccardo Lattuada für seinen Vorschlag zur Zuschreibung nach Begutachtung des Gemäldes im Original sowie für seine Hilfe bei der Katalogisierung.

Einer nicht in den Evangelien überlieferten Legende zufolge war es Veronica, die Jesus auf dessen Weg nach Golgatha mit ihrem Schleier das Blut abtupfte. Dabei soll ein Abdruck von Jesu Antlitz im Stoff zurückgeblieben sein. Diese Überlieferung hat sich so tief in der abendländischen Kultur verankert, dass sie zu einer festen Station auf der Via Crucis, dem Kreuzweg, geworden ist.

Dieses Gemälde enthält sämtliche stilistischen und kompositionelle Eigenschaften der Arbeit Paolo Finoglios aus Atella, einer der prominentesten Persönlichkeiten im Neapel der ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts. Finoglio wurde anfänglich von Ippolito Borghese ausgebildet, dem Meister des südlichen Spätmanierismus; vermutlich erst in der Werkstatt von Battistello Caracciolo wagte er eine Modernisierung dieses spätmanieristischen Stils und wurde dabei zu einem der führenden Vertreter des neapolitanischen Postcaravaggismus. In der Folge stand er über zwei Jahrzehnte lang in den Diensten der wichtigsten kirchlichen Einrichtungen der Stadt: der Certosa di San Martino, San Lorenzo Maggiore und San Paolo Maggiore. Vermutlich 1635 zog Finoglio nach Conversano, wo er der Hausmaler der mächtigen Familie Acquaviva d‘Aragona wurde. Im Kastell von Conversano malte Finoglio die Fresken in den ehelichen Gemächern des Grafen Gian Girolamo II. Acquaviva sowie die Serie der zehn riesigen Leinwände mit den Episoden aus Gerusalemme Liberata, die heute in der Pinacoteca Comunale del Castello bei Conversano aufbewahrt werden (für eine zeitgenössische Bewertung des Künstlers siehe: C. D. Fonseca (Hg.), Paolo Fingolo e il suo tempo. Un pittore napoletano alla Corte degli Acquaviva, Ausstellungskatalog, Neapel 2000; zur Reihe Gerusalemme Liberata siehe: A. Tapié (Hg.), Paolo Domenico Finoglio. La Jérusalem délivrée, Ausstellungskatalog, Lille-Paris 2010). Finoglio wurde bald international berühmt, was u. a. an seiner Beauftragung zur Erstellung eines von insgesamt vier Gemälden – jedes von einem anderen Maler aus Neapel – zur Dekoration des Palacio del Buen Retiro in Madrid zu ersehen ist (s. S. Pierguidi, Il ciclo dei costumi de’ Romani antichi del Buen Retiro di Madrid in: Storia dell’arte, 125/126, Januar-August 2010, S. 79-93).

In dem hier vorliegenden Gemälde ist der kraftvolle Umgang mit Licht und Schatten in den Zügen der heiligen Veronica vergleichbar mit dem der Adultera in Finoglios Jesus und die Ehebrecherin aus dem Museo Provinziale in Lecce von ca. 1628-30 sowie mit den weiblichen Figuren im Sposalizio della Vergine bei Santa Maria di Piedigrotta (Neapel, um 1630), dem Schutzmärtyrer in Ungarns Christlichem Museum in Esztergom (ebenfalls um 1630) sowie dem Heiligen beim Beten aus einer Privatsammlung. Alle diese Arbeiten sind in Verbindung gebracht worden mit Finoglios Unbefleckter Empfängnis, die über verschiedene Ausführungen in San Lorenzo Maggiore, Neapel (1629 oder 1630), im Musée des Beaux-Arts, Lille, sowie in San Francesco d’Assisi, Montesarchio, bekannt geworden ist (zu diesen Werken siehe: A. Cassiano/R. Mavelli/C. de Toma, in: Paolo Finoglio e il suo tempo, S. 151 Nr. 16; 152 Nr. 18; 152 Nr. 20; 152 Nr. 22; und S. 99, Farbtafel 16; S. 101, Farbtafel 18; S. 102, Abb. 20; S. 103 Farbtafel 22).

Wiederholt ist angemerkt worden, dass Finoglio vom Ende der 1620er bis zur ersten Hälfte der 1630er Jahre seine Bildsprache an den formalen Neuerungen ausrichtete, wie sie mit der Ankunft Artemisia Gentileschis in Neapel in die dortige Kunstszene Einzug hielten. Bei dem hier vorliegenden Gemälde offenbaren die harten Gesichtszüge der heiligen Veronica, das plastische Chiaroscuro der Draperie und die Farbgebung des Inkarnats mehr als nur einen Berührungspunkt mit Artemisias erster Neapel-Phase – im Vergleich dazu ihre Verkündigung in der Galleria di Capodimonte in Neapel, die auf 1630 datiert ist.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 18.10.2016 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 08.10. - 18.10.2016


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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