Lot Nr. 65


Giulio Cesare Procaccini


Giulio Cesare Procaccini - Alte Meister

(Bologna 1574–1625 Mailand)
Die Heilige Familie mit zwei Engeln,
Öl auf Leinwand, 149 x 107,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Raggio d´Azeglio, Genua, 19. Jahrhundert;
im Erbgang an den heutigen Besitzer

Wir danken Filippo Maria Ferro, der die Zuschreibung nach Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung.

Das vorliegende Gemälde steht in Zusammenhang mit einer Tafel in den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden (162 x 107 cm), die 1728 aus der Mailänder Sammlung Belgioioso erworben und um 1788–1795 von Giuseppe Camerata gestochen wurde (Inv. 1722-1728, Gal. Nr. 643; siehe H. Brigstocke, Procaccini in America, New York 2002, Abb. a, S. 149; A. Henning, Gemäldegalerie Alte Meister Dresden, Köln 2005, I, S. 178; B. Maaz, Gemäldegalerie Alte Meister Dresden: eine Geschichte der Malerei, Köln 2014, S. 130/131). In Dresden befindet sich noch ein weiteres Gemälde auf Leinwand (im Querformat mit seitenverkehrter Darstellung), das als Werkstattarbeit gilt (siehe H. Brigstocke, op.cit., 2002, S. 149, Abb. a unten). Die Kompostion ähnelt einem weiteren von Marco Rosci besprochenen Werk in der Maison d’Art in Lugano (siehe M. Rosci, Giulio Cesare Procaccini, Soncino 1993, S. 53, Abb. 23). Eine frühere Kopie auf Leinwand (155 x 98 cm) stellt nur die Madonna mit dem Jesuskind dar und befindet sich im Louvre (R.F. 2015; siehe S. Loire, Peintures italiennes du XVII siècle du musée du Louvre, Paris 2006, S. 266). Die bewegte Haltung des Kindes kehrt in einer Tafel einer Heiligen Familie mit Engeln in der Royal Collection in London wieder (siehe H. Brigstocke, op. cit., 2002, S. 139, Abb. a). Kompositorisch sind alle diese Gemälde mit einer bei Christie’s am 7. Juli 1992 als Los 116 versteigerten Zeichnung verbunden (siehe N. Ward Neilson, Giulio Cesare Procaccini disegnatore, Busto Arsizio 2004, S. 46/47, Kat. Nr. 27, und S. 164, Abb. a).

Im Werkkorpus Procaccinis gibt es zahlreiche Beispiele von Varianten des Themas der Heiligen Familie, die Mitte des 17. Jahrhunderts in Genua zur „Wiederbelebung“ von Procaccinis Stil vor allem durch Valerio Castello und Domenico Piola führten (siehe M. Rosci, op. cit., 1993, S. 47). Abgesehen von dem Dresdener Gemlde, einer Fassung auf Holz in Kansas City (ehemals Sammlung Doria; siehe H. Brigstocke, op. cit., 2002, S. 86/87, Kat. 6) und einer weiteren in Kopenhagen (siehe H. Brigstocke, op.cit., 2002, S. 147, Abb. a) kennt man die Komposition auch von einer Replik in der Sammlung Borromeo auf der Isola Bella (siehe A. Morandotti, in: Collezione Borromeo. La Galleria dei Quadri dell’Isola Bella, hrsg. v. A. Morandotti/M. Natale, Mailand 2011, S. 284/285, Kat. 80) und einer weiteren in Genua (ehemals Sammlung Carrega; siehe H. Brigstocke, op.cit., 2002, S. 157, Abb. a). Weitere Versionen der Komposition sind in genuesischen Sammlungen verzeichnet.

Das vorliegende Leinwandbild lässt laut Ferro eine strahlende Farbigkeit und eine Feinheit in der Zeichnung erkennen, obwohl es von einem alten Firniss bedeckt wird, was die Möglichkeit der Mitarbeit selbst des gelehrigsten Werkstattgehilfens ausschließt. In dieser Hinsicht lohnt sich der Vergleich mit den Repliken im Louvre und aufder Isola Bella, der Ferro dazu veranlasste, das vorliegende Werk als eigenhändig anzuerkennen. Wahrscheinlich ist, dass Procaccini selbst, nachdem die erste Version in Dresden schnell Berühmtheit erlangt hatte, sofort eine weitere Fassung schuf, möglicherweise auf Wunsch eines Auftraggebers.

Die Madonna nimmt unter den Blicken des heiligen Josef und zweier Engel das auf sie zukommende Jesuskind in Empfang. Die Körperbewegungen entsprechen einer modernen Interpretation der maniera Correggios und Parmigianinos. Die sachkundige Lichtführung unterstützt die Bewegtheit der Figuren. Die Farbigkeit – kontrastreich eingesetzte Rot- und Azurtöne und Passagen in Ocker und Weiß – verleihen der heiligen Szene Eleganz und bringen die Bildhandlung zum Leuchten, ohne die fröhliche Intimität der heiteren Szene zu erdrücken. Die skulptural aufgefasste Komposition zusammenhängender Formen verrät die frühe Ausbildung des Künstlers. Diese um 1620 oder etwas später datierende Bildfindung befindet sich im Einklang mit dem durch van Dyck in Genua verbreiteten Stil Rubens’ (siehe P. Boccardo (Hrsg.), L’età di Rubens. Dimore, committenti e collezionisti genovesi, Ausstellungskatalog, Genf/Mailand 2004). Giulio Cesare Procaccinis Werke befanden sich in zahlreichen Sammlungen der Stadt und scheinen in den Inventaren der Sammlungen Giovanni Carlo, Marcantonio Doria und Tommaso und Giovanni Battista Raggi auf.


Zusatzabbildung:
Giulio Cesare Procaccini, Die Heilige Familie, Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden
© bpk | Staatliche Kunstsammlungen Dresden | Elke Estel | Hans-Peter Klut

18.10.2016 - 18:00

Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Giulio Cesare Procaccini


(Bologna 1574–1625 Mailand)
Die Heilige Familie mit zwei Engeln,
Öl auf Leinwand, 149 x 107,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Raggio d´Azeglio, Genua, 19. Jahrhundert;
im Erbgang an den heutigen Besitzer

Wir danken Filippo Maria Ferro, der die Zuschreibung nach Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung.

Das vorliegende Gemälde steht in Zusammenhang mit einer Tafel in den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden (162 x 107 cm), die 1728 aus der Mailänder Sammlung Belgioioso erworben und um 1788–1795 von Giuseppe Camerata gestochen wurde (Inv. 1722-1728, Gal. Nr. 643; siehe H. Brigstocke, Procaccini in America, New York 2002, Abb. a, S. 149; A. Henning, Gemäldegalerie Alte Meister Dresden, Köln 2005, I, S. 178; B. Maaz, Gemäldegalerie Alte Meister Dresden: eine Geschichte der Malerei, Köln 2014, S. 130/131). In Dresden befindet sich noch ein weiteres Gemälde auf Leinwand (im Querformat mit seitenverkehrter Darstellung), das als Werkstattarbeit gilt (siehe H. Brigstocke, op.cit., 2002, S. 149, Abb. a unten). Die Kompostion ähnelt einem weiteren von Marco Rosci besprochenen Werk in der Maison d’Art in Lugano (siehe M. Rosci, Giulio Cesare Procaccini, Soncino 1993, S. 53, Abb. 23). Eine frühere Kopie auf Leinwand (155 x 98 cm) stellt nur die Madonna mit dem Jesuskind dar und befindet sich im Louvre (R.F. 2015; siehe S. Loire, Peintures italiennes du XVII siècle du musée du Louvre, Paris 2006, S. 266). Die bewegte Haltung des Kindes kehrt in einer Tafel einer Heiligen Familie mit Engeln in der Royal Collection in London wieder (siehe H. Brigstocke, op. cit., 2002, S. 139, Abb. a). Kompositorisch sind alle diese Gemälde mit einer bei Christie’s am 7. Juli 1992 als Los 116 versteigerten Zeichnung verbunden (siehe N. Ward Neilson, Giulio Cesare Procaccini disegnatore, Busto Arsizio 2004, S. 46/47, Kat. Nr. 27, und S. 164, Abb. a).

Im Werkkorpus Procaccinis gibt es zahlreiche Beispiele von Varianten des Themas der Heiligen Familie, die Mitte des 17. Jahrhunderts in Genua zur „Wiederbelebung“ von Procaccinis Stil vor allem durch Valerio Castello und Domenico Piola führten (siehe M. Rosci, op. cit., 1993, S. 47). Abgesehen von dem Dresdener Gemlde, einer Fassung auf Holz in Kansas City (ehemals Sammlung Doria; siehe H. Brigstocke, op. cit., 2002, S. 86/87, Kat. 6) und einer weiteren in Kopenhagen (siehe H. Brigstocke, op.cit., 2002, S. 147, Abb. a) kennt man die Komposition auch von einer Replik in der Sammlung Borromeo auf der Isola Bella (siehe A. Morandotti, in: Collezione Borromeo. La Galleria dei Quadri dell’Isola Bella, hrsg. v. A. Morandotti/M. Natale, Mailand 2011, S. 284/285, Kat. 80) und einer weiteren in Genua (ehemals Sammlung Carrega; siehe H. Brigstocke, op.cit., 2002, S. 157, Abb. a). Weitere Versionen der Komposition sind in genuesischen Sammlungen verzeichnet.

Das vorliegende Leinwandbild lässt laut Ferro eine strahlende Farbigkeit und eine Feinheit in der Zeichnung erkennen, obwohl es von einem alten Firniss bedeckt wird, was die Möglichkeit der Mitarbeit selbst des gelehrigsten Werkstattgehilfens ausschließt. In dieser Hinsicht lohnt sich der Vergleich mit den Repliken im Louvre und aufder Isola Bella, der Ferro dazu veranlasste, das vorliegende Werk als eigenhändig anzuerkennen. Wahrscheinlich ist, dass Procaccini selbst, nachdem die erste Version in Dresden schnell Berühmtheit erlangt hatte, sofort eine weitere Fassung schuf, möglicherweise auf Wunsch eines Auftraggebers.

Die Madonna nimmt unter den Blicken des heiligen Josef und zweier Engel das auf sie zukommende Jesuskind in Empfang. Die Körperbewegungen entsprechen einer modernen Interpretation der maniera Correggios und Parmigianinos. Die sachkundige Lichtführung unterstützt die Bewegtheit der Figuren. Die Farbigkeit – kontrastreich eingesetzte Rot- und Azurtöne und Passagen in Ocker und Weiß – verleihen der heiligen Szene Eleganz und bringen die Bildhandlung zum Leuchten, ohne die fröhliche Intimität der heiteren Szene zu erdrücken. Die skulptural aufgefasste Komposition zusammenhängender Formen verrät die frühe Ausbildung des Künstlers. Diese um 1620 oder etwas später datierende Bildfindung befindet sich im Einklang mit dem durch van Dyck in Genua verbreiteten Stil Rubens’ (siehe P. Boccardo (Hrsg.), L’età di Rubens. Dimore, committenti e collezionisti genovesi, Ausstellungskatalog, Genf/Mailand 2004). Giulio Cesare Procaccinis Werke befanden sich in zahlreichen Sammlungen der Stadt und scheinen in den Inventaren der Sammlungen Giovanni Carlo, Marcantonio Doria und Tommaso und Giovanni Battista Raggi auf.


Zusatzabbildung:
Giulio Cesare Procaccini, Die Heilige Familie, Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden
© bpk | Staatliche Kunstsammlungen Dresden | Elke Estel | Hans-Peter Klut


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+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 18.10.2016 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 08.10. - 18.10.2016

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