Lot Nr. 35


Giuseppe Nuvolone


Giuseppe Nuvolone - Alte Meister

(Mailand 1619–1703)
Die Geschichte von Tamar und Juda,
Öl auf Leinwand, 149 x 179 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Oligati, Sammlung Giovio

Wir danken Filippo Maria Ferro für die vorgeschlagene Zuschreibung und seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Die Künstlerfamilie Nuvolone war auf die bildliche Nacherzählung von Bibelthemen spezialisiert. Hier hat sich Giuseppe der Geschichte von Tamar und Juda angenommen, die in der Genesis in Buch 38 erzählt wird. Das Gemälde setzt die Gestalt der Tamar in Szene, die mit Er, dem ersten Sohn Judas, verheiratet gewesen war. Dem Gesetz nach wurde sie nach Ers Tod von dessen Bruder Onan zur Frau genommen, der von Gott mit dem Tod bestraft wurde, weil er die Zeugung von Nachkommen verweigerte. Juda, überzeugt davon, dass Tamar für den Tod seiner beiden Söhne verantwortlich war, verweigerte ihr die Heirat mit seinem dritten Sohn Sela. Tamar verkleidete sich in der Folge als Dirne und verführte Juda. Er versprach ihr als Entgelt eine Ziege und hinterließ ihr vorübergehend seinen Stab und einen Siegelring mit Schnur als Pfand.

Hier wird das Zusammentreffen von Tamar und Juda dargestellt. Sie erwartet ihn an der Straße nach Timna, wo sie ihn mit ihrer Verkleidung anlockt. Aus ihrer Vereinigung gingen die Zwillinge Perez (ein Stammvater Jesu) und Serach hervor. Als Juda sie verstieß, gab Tamar sich zu erkennen, indem sie die persönlichen Gegenstände zeigte, die er ihr als Pfand hinterlassen hatte. Juda war gezwungen zuzugeben: „Sie ist mir gegenüber im Recht.“

Diese komplexe Geschichte, die darum kreist, dass die Kanaanitin Tamar gezwungen war, ihren Schwiegervater zu verführen und alles um des Stammbaumes willen aufs Spiel zu setzen, hat Parallelen zu anderen unkonventionellen Beziehungen, von denen in der Bibel berichtet wird: etwa zum Inzest zwischen Lot und seinen Töchtern nach der Zerstörung von Sodom und Gomorra; zur schicksalsträchtigen Leidenschaft Davids für Bathsheba; oder zur außergewöhnlichen Verbindung zwischen der Moabiterin Ruth und Boas. Alle diese in gewisser Weise problematischen Begegnungen sicherten augenscheinlich nach göttlichem Willen über Generationen hinweg die Weiterführung eines Geschlechts. Derartige Themen waren vor allem bei einer von dynastischen Sorgen geplagten Gesellschaftsschicht gefragt.

Giuseppe Nuvolones Interpretation weist Parallelen zu anderen Beispielen dieses Bildthemas in der europäischen Malerei auf, insbesondere zu dessen Umsetzung durch Rembrandt und seine Werkstatt oder durch Arent de Gelder, der sich dem Thema mehrmals widmete und dabei immer den Moment der Verführung wählte. Die verschleierte Tamar entblößt eine Brust – ein Motiv, das der Künstler schon bei seiner Darstellung der den hl. Franziskus am Sacro Monte d’Orta in Versuchung führenden Kurtisane gewählt hat. Juda fühlt sich zu Tamar hingezogen und nähert sich ihr verunsichert. Der Stab, den Tamar als Pfand fordert, besiegelt ihre Vereinigung sinnbildlich. Im Hintergrund ist der Hirte, der den versprochenen Ziegenbock herbeischaffen soll, mit seiner Herde zu sehen.

Auffallend ist die Farbigkeit des vorliegenden Werks: In der Figur der Tamar kamen Kontraste von Gelb und Azurblau zum Einsatz, während von Judas eleganter Kleidung eine sinnliche Zurückhaltung ausgeht.

Das vorliegende Gemälde datiert aus Giuseppe Nuvolones künstlerischer Reifezeit am Höhepunkt seines Erfolges in den 1670er- und 1680er-Jahren (siehe F. M. Ferro, Nuvolone/una famiglia di pittori nella Milano del ‘600, Soncino 2003, S. 239–241, Kat. 17–27 und S. 274/275, Kat. G 156–G. 161; F. Frangi, „Nuvolone, Giuseppe“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 79, Rom 2013; F. M. Ferro, Giuseppe Nuvolone/Gesù e l’adultera, Palazzo Chigi, Ariccia; V. Sgarbi, „Le Anime purganti di due fratelli inseparabili“, in: Sette – Corriere della Sera, 8. Juli 2016). Seine Meisterschaft als Erzähler zeigt sich dadurch, dass er die komplexesten biblischen Begebenheiten wie Szenen aus dem Alltagsleben erscheinen lässt. Das vorliegende Gemälde mag mit dem Bild der Sammlung Olgiati (später Sammlung Giovio) gleichzusetzen sein, deren Inventar ein Nuvolone zugeschriebenes Bild verzeichnet: „una scena di seduzione di cui parlano le sacre scritture“ [„eine in der Heiligen Schrift berichtete Verführungsszene“] (siehe C. Geddo, in: F. M. Ferro, op. cit., 2003, S. 295, 20).

18.10.2016 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 75.000,-
Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Giuseppe Nuvolone


(Mailand 1619–1703)
Die Geschichte von Tamar und Juda,
Öl auf Leinwand, 149 x 179 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Oligati, Sammlung Giovio

Wir danken Filippo Maria Ferro für die vorgeschlagene Zuschreibung und seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Die Künstlerfamilie Nuvolone war auf die bildliche Nacherzählung von Bibelthemen spezialisiert. Hier hat sich Giuseppe der Geschichte von Tamar und Juda angenommen, die in der Genesis in Buch 38 erzählt wird. Das Gemälde setzt die Gestalt der Tamar in Szene, die mit Er, dem ersten Sohn Judas, verheiratet gewesen war. Dem Gesetz nach wurde sie nach Ers Tod von dessen Bruder Onan zur Frau genommen, der von Gott mit dem Tod bestraft wurde, weil er die Zeugung von Nachkommen verweigerte. Juda, überzeugt davon, dass Tamar für den Tod seiner beiden Söhne verantwortlich war, verweigerte ihr die Heirat mit seinem dritten Sohn Sela. Tamar verkleidete sich in der Folge als Dirne und verführte Juda. Er versprach ihr als Entgelt eine Ziege und hinterließ ihr vorübergehend seinen Stab und einen Siegelring mit Schnur als Pfand.

Hier wird das Zusammentreffen von Tamar und Juda dargestellt. Sie erwartet ihn an der Straße nach Timna, wo sie ihn mit ihrer Verkleidung anlockt. Aus ihrer Vereinigung gingen die Zwillinge Perez (ein Stammvater Jesu) und Serach hervor. Als Juda sie verstieß, gab Tamar sich zu erkennen, indem sie die persönlichen Gegenstände zeigte, die er ihr als Pfand hinterlassen hatte. Juda war gezwungen zuzugeben: „Sie ist mir gegenüber im Recht.“

Diese komplexe Geschichte, die darum kreist, dass die Kanaanitin Tamar gezwungen war, ihren Schwiegervater zu verführen und alles um des Stammbaumes willen aufs Spiel zu setzen, hat Parallelen zu anderen unkonventionellen Beziehungen, von denen in der Bibel berichtet wird: etwa zum Inzest zwischen Lot und seinen Töchtern nach der Zerstörung von Sodom und Gomorra; zur schicksalsträchtigen Leidenschaft Davids für Bathsheba; oder zur außergewöhnlichen Verbindung zwischen der Moabiterin Ruth und Boas. Alle diese in gewisser Weise problematischen Begegnungen sicherten augenscheinlich nach göttlichem Willen über Generationen hinweg die Weiterführung eines Geschlechts. Derartige Themen waren vor allem bei einer von dynastischen Sorgen geplagten Gesellschaftsschicht gefragt.

Giuseppe Nuvolones Interpretation weist Parallelen zu anderen Beispielen dieses Bildthemas in der europäischen Malerei auf, insbesondere zu dessen Umsetzung durch Rembrandt und seine Werkstatt oder durch Arent de Gelder, der sich dem Thema mehrmals widmete und dabei immer den Moment der Verführung wählte. Die verschleierte Tamar entblößt eine Brust – ein Motiv, das der Künstler schon bei seiner Darstellung der den hl. Franziskus am Sacro Monte d’Orta in Versuchung führenden Kurtisane gewählt hat. Juda fühlt sich zu Tamar hingezogen und nähert sich ihr verunsichert. Der Stab, den Tamar als Pfand fordert, besiegelt ihre Vereinigung sinnbildlich. Im Hintergrund ist der Hirte, der den versprochenen Ziegenbock herbeischaffen soll, mit seiner Herde zu sehen.

Auffallend ist die Farbigkeit des vorliegenden Werks: In der Figur der Tamar kamen Kontraste von Gelb und Azurblau zum Einsatz, während von Judas eleganter Kleidung eine sinnliche Zurückhaltung ausgeht.

Das vorliegende Gemälde datiert aus Giuseppe Nuvolones künstlerischer Reifezeit am Höhepunkt seines Erfolges in den 1670er- und 1680er-Jahren (siehe F. M. Ferro, Nuvolone/una famiglia di pittori nella Milano del ‘600, Soncino 2003, S. 239–241, Kat. 17–27 und S. 274/275, Kat. G 156–G. 161; F. Frangi, „Nuvolone, Giuseppe“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 79, Rom 2013; F. M. Ferro, Giuseppe Nuvolone/Gesù e l’adultera, Palazzo Chigi, Ariccia; V. Sgarbi, „Le Anime purganti di due fratelli inseparabili“, in: Sette – Corriere della Sera, 8. Juli 2016). Seine Meisterschaft als Erzähler zeigt sich dadurch, dass er die komplexesten biblischen Begebenheiten wie Szenen aus dem Alltagsleben erscheinen lässt. Das vorliegende Gemälde mag mit dem Bild der Sammlung Olgiati (später Sammlung Giovio) gleichzusetzen sein, deren Inventar ein Nuvolone zugeschriebenes Bild verzeichnet: „una scena di seduzione di cui parlano le sacre scritture“ [„eine in der Heiligen Schrift berichtete Verführungsszene“] (siehe C. Geddo, in: F. M. Ferro, op. cit., 2003, S. 295, 20).


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old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 18.10.2016 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 08.10. - 18.10.2016


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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