Lot Nr. 32


Giovanni Pietro Rizzoli, gen. Giampietrino

[Saleroom Notice]
Giovanni Pietro Rizzoli, gen. Giampietrino - Alte Meister

(Mailand um 1480/85–1553)
Die büßende Magdalena,
Öl auf Holz, 37,8 x 28,3 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Graf Jen [Eugen] Zichy (1837–1906);
Privatsammlung, Österreich;
Auktion, Dorotheum, Wien, 15. März 1990, Los 79;
Privatsammlung, Norditalien

Wir danken Cristina Geddo, die die Zuschreibung nach Untersuchung des vorliegenden Gemäldes im Original bestätigt hat.

Giovanni Pietro Rizzoli, gen. Giampietrino, war einer von Leonardos Mailänder Schülern. Das vorliegende Werk befand sich einst im Besitz des angesehenen ungarischen Adelsgeschlechts der Zichy, wie eine Archivfotografie aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit folgender Bildunterschrift belegt: „N 22532 Budapest. Pedrini. La Madeleine (Col. Zichy)“. Aus der Familie gingen Politiker, Musiker, Künstler, Sammler und Mäzene hervor, darunter Graf Jenő Zichy (1837–1906), der eine erlesene, von seinem Vater Edmund in Budapest zusammengetragene Kunstsammlung hinterließ, zu der auch lombardische Gemälde des 16. Jahrhunderts gehörten. Die Sammlung war im 1902 eröffneten Jenő-Zichy-Museum am Budapester Familiensitz ausgestellt und ging 1921 in der Städtischen Galerie auf, bevor sie 1993 dem Szépművészeti Múzeum einverleibt wurde. Es gibt keine Hinweise, dass sich das vorliegende Werk als Teil der Bestände der Familie Zichy im Budapester Museum befand (schriftliche Mitteilung von Dr. Vilmos Tátrai, 2013). Es tauchte erstmals vor einigen Jahren in einer Auktion im Dorotheum in Wien auf (15. März 1990, Los 79, mit einer Zuschreibung an Giampietrino). Dies lässt den Schluss zu, dass das vorliegende Werk nicht Teil der Schenkung von Jenő Zichy war oder dass es einem anderen Zweig der Familie gehörte.

Die Zichy-Magdalena, die in der Leonardo-Literatur keine Berücksichtigung gefunden hat, war nur über die erwähnte Fotografie bekannt, die auch in einer kürzlich erschienenen Studie zu Giampietrinos Werken in Mitteleuropa abgebildet wurde, in der das Gemälde als Werk Giampietrinos bestätigt und in die letzten Schaffensjahre des Künstlers datiert wird (siehe C. Geddo, Leonardeschi tra Lombardia ed Europa. I ‘Giampietrino’ della Mitteleuropa, in: Lombardia ed Europa. Incroci di storia e cultura, hrsg. von D. Zardin, Mailand 2014, S. 74, Abb. 4, S. 102).

Bei genauerer Betrachtung der Maloberfläche werden zahlreiche Fingerabdrücke im Haar und in den Schattenzonen des Gesichts und des Halses der Figur erkennbar. Es handelt sich um eine von Leonardo entlehnte Praxis, die typisch für Giampietrino ist (siehe C. Geddo, La Madonna di Castel Vitoni del Giampietrino, in: Achademia Leonardi Vinci, VII, 1994, S. 59 und Anm. 15).
Als Erfinder eines neuen ikonografischen Genres, das zwischen religiöser und profaner Kunst angesiedelt war, spezialisierte sich Giampietrino auf Darstellungen der Maria Magdalena mit erotischem Unterton, was bei seinen Zeitgenossen großen Anklang fand. Die erfolgreichste von ihm formulierte und vorbildhaft gewordene Bildkomposition besteht in einem schönen betenden und von Buße und Frömmigkeit erfüllten Frauenakt, der ekstatisch aus einer dunklen Höhle blickt und dessen Brust zum Teil vom dick herabfallenden Haupthaar verdeckt wird, wie es die Beispiele in Pavia und Burgos exemplarisch vor Augen führen. Die Kulisse ist eine Bezugnahme auf die Höhe von Sainte-Baume in der Provence, wo die Heilige der Legenda aurea zufolge das Leben einer Einsiedlerin führte. Das Salbengefäß als traditionelles Attribut der Heiligen wurde auch zum Markenzeichen des Künstlers.

Obschon dieser typologischen Entwicklung zugehörig, unterscheidet sich die vorliegende Zichy-Magdalena von den beiden genannten Beispielen durch die nahezu frontale Haltung der Heiligen, die – ein Gebetbuch in Händen haltend – dem Betrachter mit weit geöffneten grauen Augen und dem Anflug eines Lächelns direkt entgegenblickt. Die elegante Pose ist eine leicht variierte Übernahme der Allegorie des Überflusses aus der Sammlung Borromeo. Das helle, zartrosa Inkarnat hebt sich entsprechend Leonardos Empfehlung im Buch von der Malerei vom dunklen Hintergrund ab. Das durch Goldtöne belebte Haar, wiedergegeben mit großem Geschick und taktiler Sensibilität, teilt sich über der Brust in zwei symmetrisch ineinander verschlungene Stränge, die unterhalb des Bauches wieder zusammentreffen und so die androgyne Aktfigur der Heiligen „kleiden“. Das Motiv, das sich bereits im Bild der Maria Magdalena mit jungen Engeln in der Prager Nationalgalerie (um 1525) findet, kehrt auch in der Lesenden Maria Magdalena im Museo Civico in Turin und in der Betenden Maria Magdalena im Museo di Capodimonte in Neapel wieder, die mit demselben kleinen Gefäß am Felsvorsprung unten links „signiert“ sind. Im Vergleich zu diesen Beispielen hat die mit dem reifen Gesicht der Heiligen kontrastierende schmächtige, ja nahezu adoleszente Gestalt jedoch jeden Anstrich von Sinnlichkeit verloren, dafür aber an reuigem Ausdruck gewonnen. Dieser wird durch den Heiligenschein und das fromme Buch unterstrichen und steht damit mehr im Einklang mit der traditionellen Ikonografie der Maria Magdalena. Darin offenbart sich auch die Funktion des Gemäldes als privates Andachtsbild.
Die perfekt umgesetzte Anatomie, der schöne Kontrapost und das leonardeske Sfumato des Helldunkels verraten die Ausbildung des Künstlers in der Werkstatt Leonardos, während die Augenform an Marco d’Oggiono denken lässt. Die spürbare Präsenz dieser Vorbilder und die sorgfältige, detailreiche Modellierung würden eine Entstehung des Gemäldes in der Reifezeit des Künstlers, die mit dem Altarbild für Pavia 1521 einsetzte, vermuten lassen. Doch andere Bildelemente, etwa die stärker ausgeprägte Physiognomie der Heiligen, das weich gemalte Inkarnat und gewisse Vereinfachungen weisen auf eine spätere Datierung in zeitlicher Nähe zum Flügelaltar im Museo Bagatti Valsecchi und damit vermutlich in die erste Hälfte der 1530er-Jahre. Wie Geddos Beschäftigung mit der Werkchronologie des Künstlers gezeigt hat, handelt es sich um eine zeitlich schwer fassbare Periode (siehe C. Geddo, Le pale d’altare di Giampietrino: ipotesi per un percorso stilistico, in: Arte Lombarda, Bd. 101, 1992, Nr. 2, S. 67–82).

Die Komposition der Zichy-Magdalena, die als eigenhändiges Werk nur in dieser Fassung bekannt ist, wurde in drei Varianten wiederholt, die einem anonymen Schüler Giampietrinos, genannt Pseudo-Giampietrino, zugeschrieben werden (Museo Civico von Cremona, ex Sammlung Raimond van Marle, Öl auf Holz, 65 x 49,7 cm; San Marco di Perugia, Öl auf Holz, 64 x 49 cm; und ehemals Sammlung Fongoli, Florenz; siehe C. Geddo, La Madonna di Castel Vitoni, 1994, S. 65/66 und Anm. 50, Abb. 49; C. Geddo, in: La Pinacoteca Ala Ponzone. Il Cinquecento, hrsg. von M. Marubbi, Cinisello Balsamo, Mailand 2003, S. 82–84, Nr. 50).

Wir danken Cristina Geddo für die Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Saleroom Notice:

Cristina Geddo datiert das vorliegende Gemälde in die frühen 1530er-Jahre und sie wird es in ihrer in Vorbereitung befindlichen Monographie über den Künstler publizieren.

Provenienz:
Sammlung Graf Jen [Eugen] Zichy (1837–1906);
Privatsammlung, Österreich;
Auktion, Dorotheum, Wien, 15. März 1990, Los 79;
Privatsammlung, Norditalien

Wir danken Cristina Geddo, die die Zuschreibung nach Untersuchung des vorliegenden Gemäldes im Original bestätigt hat.

Giovanni Pietro Rizzoli, gen. Giampietrino, war einer von Leonardos Mailänder Schülern. Das vorliegende Werk befand sich einst im Besitz des angesehenen ungarischen Adelsgeschlechts der Zichy, wie eine Archivfotografie aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit folgender Bildunterschrift belegt: „N 22532 Budapest. Pedrini. La Madeleine (Col. Zichy)“. Aus der Familie gingen Politiker, Musiker, Künstler, Sammler und Mäzene hervor, darunter Graf Jenő Zichy (1837–1906), der eine erlesene, von seinem Vater Edmund in Budapest zusammengetragene Kunstsammlung hinterließ, zu der auch lombardische Gemälde des 16. Jahrhunderts gehörten. Die Sammlung war im 1902 eröffneten Jenő-Zichy-Museum am Budapester Familiensitz ausgestellt und ging 1921 in der Städtischen Galerie auf, bevor sie 1993 dem Szépművészeti Múzeum einverleibt wurde. Es gibt keine Hinweise, dass sich das vorliegende Werk als Teil der Bestände der Familie Zichy im Budapester Museum befand (schriftliche Mitteilung von Dr. Vilmos Tátrai, 2013). Es tauchte erstmals vor einigen Jahren in einer Auktion im Dorotheum in Wien auf (15. März 1990, Los 79, mit einer Zuschreibung an Giampietrino). Dies lässt den Schluss zu, dass das vorliegende Werk nicht Teil der Schenkung von Jenő Zichy war oder dass es einem anderen Zweig der Familie gehörte.

Die Zichy-Magdalena, die in der Leonardo-Literatur keine Berücksichtigung gefunden hat, war nur über die erwähnte Fotografie bekannt, die auch in einer kürzlich erschienenen Studie zu Giampietrinos Werken in Mitteleuropa abgebildet wurde, in der das Gemälde als Werk Giampietrinos bestätigt und in die letzten Schaffensjahre des Künstlers datiert wird (siehe C. Geddo, Leonardeschi tra Lombardia ed Europa. I ‘Giampietrino’ della Mitteleuropa, in: Lombardia ed Europa. Incroci di storia e cultura, hrsg. von D. Zardin, Mailand 2014, S. 74, Abb. 4, S. 102).

Bei genauerer Betrachtung der Maloberfläche werden zahlreiche Fingerabdrücke im Haar und in den Schattenzonen des Gesichts und des Halses der Figur erkennbar. Es handelt sich um eine von Leonardo entlehnte Praxis, die typisch für Giampietrino ist (siehe C. Geddo, La Madonna di Castel Vitoni del Giampietrino, in: Achademia Leonardi Vinci, VII, 1994, S. 59 und Anm. 15).
Als Erfinder eines neuen ikonografischen Genres, das zwischen religiöser und profaner Kunst angesiedelt war, spezialisierte sich Giampietrino auf Darstellungen der Maria Magdalena mit erotischem Unterton, was bei seinen Zeitgenossen großen Anklang fand. Die erfolgreichste von ihm formulierte und vorbildhaft gewordene Bildkomposition besteht in einem schönen betenden und von Buße und Frömmigkeit erfüllten Frauenakt, der ekstatisch aus einer dunklen Höhle blickt und dessen Brust zum Teil vom dick herabfallenden Haupthaar verdeckt wird, wie es die Beispiele in Pavia und Burgos exemplarisch vor Augen führen. Die Kulisse ist eine Bezugnahme auf die Höhe von Sainte-Baume in der Provence, wo die Heilige der Legenda aurea zufolge das Leben einer Einsiedlerin führte. Das Salbengefäß als traditionelles Attribut der Heiligen wurde auch zum Markenzeichen des Künstlers.

Obschon dieser typologischen Entwicklung zugehörig, unterscheidet sich die vorliegende Zichy-Magdalena von den beiden genannten Beispielen durch die nahezu frontale Haltung der Heiligen, die – ein Gebetbuch in Händen haltend – dem Betrachter mit weit geöffneten grauen Augen und dem Anflug eines Lächelns direkt entgegenblickt. Die elegante Pose ist eine leicht variierte Übernahme der Allegorie des Überflusses aus der Sammlung Borromeo. Das helle, zartrosa Inkarnat hebt sich entsprechend Leonardos Empfehlung im Buch von der Malerei vom dunklen Hintergrund ab. Das durch Goldtöne belebte Haar, wiedergegeben mit großem Geschick und taktiler Sensibilität, teilt sich über der Brust in zwei symmetrisch ineinander verschlungene Stränge, die unterhalb des Bauches wieder zusammentreffen und so die androgyne Aktfigur der Heiligen „kleiden“. Das Motiv, das sich bereits im Bild der Maria Magdalena mit jungen Engeln in der Prager Nationalgalerie (um 1525) findet, kehrt auch in der Lesenden Maria Magdalena im Museo Civico in Turin und in der Betenden Maria Magdalena im Museo di Capodimonte in Neapel wieder, die mit demselben kleinen Gefäß am Felsvorsprung unten links „signiert“ sind. Im Vergleich zu diesen Beispielen hat die mit dem reifen Gesicht der Heiligen kontrastierende schmächtige, ja nahezu adoleszente Gestalt jedoch jeden Anstrich von Sinnlichkeit verloren, dafür aber an reuigem Ausdruck gewonnen. Dieser wird durch den Heiligenschein und das fromme Buch unterstrichen und steht damit mehr im Einklang mit der traditionellen Ikonografie der Maria Magdalena. Darin offenbart sich auch die Funktion des Gemäldes als privates Andachtsbild.
Die perfekt umgesetzte Anatomie, der schöne Kontrapost und das leonardeske Sfumato des Helldunkels verraten die Ausbildung des Künstlers in der Werkstatt Leonardos, während die Augenform an Marco d’Oggiono denken lässt. Die spürbare Präsenz dieser Vorbilder und die sorgfältige, detailreiche Modellierung würden eine Entstehung des Gemäldes in der Reifezeit des Künstlers, die mit dem Altarbild für Pavia 1521 einsetzte, vermuten lassen. Doch andere Bildelemente, etwa die stärker ausgeprägte Physiognomie der Heiligen, das weich gemalte Inkarnat und gewisse Vereinfachungen weisen auf eine spätere Datierung in zeitlicher Nähe zum Flügelaltar im Museo Bagatti Valsecchi und damit vermutlich in die erste Hälfte der 1560er-Jahre. Wie Geddos Beschäftigung mit der Werkchronologie des Künstlers gezeigt hat, handelt es sich um eine zeitlich schwer fassbare Periode (siehe C. Geddo, Le pale d’altare di Giampietrino: ipotesi per un percorso stilistico, in: Arte Lombarda, Bd. 101, 1992, Nr. 2, S. 67–82).

Die Komposition der Zichy-Magdalena, die als eigenhändiges Werk nur in dieser Fassung bekannt ist, wurde in drei Varianten wiederholt, die einem anonymen Schüler Giampietrinos, genannt Pseudo-Giampietrino, zugeschrieben werden (Museo Civico von Cremona, ex Sammlung Raimond van Marle, Öl auf Holz, 65 x 49,7 cm; San Marco di Perugia, Öl auf Holz, 64 x 49 cm; und ehemals Sammlung Fongoli, Florenz; siehe C. Geddo, La Madonna di Castel Vitoni, 1994, S. 65/66 und Anm. 50, Abb. 49; C. Geddo, in: La Pinacoteca Ala Ponzone. Il Cinquecento, hrsg. von M. Marubbi, Cinisello Balsamo, Mailand 2003, S. 82–84, Nr. 50).

Wir danken Cristina Geddo für die Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

18.10.2016 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 149.400,-
Schätzwert:
EUR 100.000,- bis EUR 150.000,-

Giovanni Pietro Rizzoli, gen. Giampietrino

[Saleroom Notice]

(Mailand um 1480/85–1553)
Die büßende Magdalena,
Öl auf Holz, 37,8 x 28,3 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Graf Jen [Eugen] Zichy (1837–1906);
Privatsammlung, Österreich;
Auktion, Dorotheum, Wien, 15. März 1990, Los 79;
Privatsammlung, Norditalien

Wir danken Cristina Geddo, die die Zuschreibung nach Untersuchung des vorliegenden Gemäldes im Original bestätigt hat.

Giovanni Pietro Rizzoli, gen. Giampietrino, war einer von Leonardos Mailänder Schülern. Das vorliegende Werk befand sich einst im Besitz des angesehenen ungarischen Adelsgeschlechts der Zichy, wie eine Archivfotografie aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit folgender Bildunterschrift belegt: „N 22532 Budapest. Pedrini. La Madeleine (Col. Zichy)“. Aus der Familie gingen Politiker, Musiker, Künstler, Sammler und Mäzene hervor, darunter Graf Jenő Zichy (1837–1906), der eine erlesene, von seinem Vater Edmund in Budapest zusammengetragene Kunstsammlung hinterließ, zu der auch lombardische Gemälde des 16. Jahrhunderts gehörten. Die Sammlung war im 1902 eröffneten Jenő-Zichy-Museum am Budapester Familiensitz ausgestellt und ging 1921 in der Städtischen Galerie auf, bevor sie 1993 dem Szépművészeti Múzeum einverleibt wurde. Es gibt keine Hinweise, dass sich das vorliegende Werk als Teil der Bestände der Familie Zichy im Budapester Museum befand (schriftliche Mitteilung von Dr. Vilmos Tátrai, 2013). Es tauchte erstmals vor einigen Jahren in einer Auktion im Dorotheum in Wien auf (15. März 1990, Los 79, mit einer Zuschreibung an Giampietrino). Dies lässt den Schluss zu, dass das vorliegende Werk nicht Teil der Schenkung von Jenő Zichy war oder dass es einem anderen Zweig der Familie gehörte.

Die Zichy-Magdalena, die in der Leonardo-Literatur keine Berücksichtigung gefunden hat, war nur über die erwähnte Fotografie bekannt, die auch in einer kürzlich erschienenen Studie zu Giampietrinos Werken in Mitteleuropa abgebildet wurde, in der das Gemälde als Werk Giampietrinos bestätigt und in die letzten Schaffensjahre des Künstlers datiert wird (siehe C. Geddo, Leonardeschi tra Lombardia ed Europa. I ‘Giampietrino’ della Mitteleuropa, in: Lombardia ed Europa. Incroci di storia e cultura, hrsg. von D. Zardin, Mailand 2014, S. 74, Abb. 4, S. 102).

Bei genauerer Betrachtung der Maloberfläche werden zahlreiche Fingerabdrücke im Haar und in den Schattenzonen des Gesichts und des Halses der Figur erkennbar. Es handelt sich um eine von Leonardo entlehnte Praxis, die typisch für Giampietrino ist (siehe C. Geddo, La Madonna di Castel Vitoni del Giampietrino, in: Achademia Leonardi Vinci, VII, 1994, S. 59 und Anm. 15).
Als Erfinder eines neuen ikonografischen Genres, das zwischen religiöser und profaner Kunst angesiedelt war, spezialisierte sich Giampietrino auf Darstellungen der Maria Magdalena mit erotischem Unterton, was bei seinen Zeitgenossen großen Anklang fand. Die erfolgreichste von ihm formulierte und vorbildhaft gewordene Bildkomposition besteht in einem schönen betenden und von Buße und Frömmigkeit erfüllten Frauenakt, der ekstatisch aus einer dunklen Höhle blickt und dessen Brust zum Teil vom dick herabfallenden Haupthaar verdeckt wird, wie es die Beispiele in Pavia und Burgos exemplarisch vor Augen führen. Die Kulisse ist eine Bezugnahme auf die Höhe von Sainte-Baume in der Provence, wo die Heilige der Legenda aurea zufolge das Leben einer Einsiedlerin führte. Das Salbengefäß als traditionelles Attribut der Heiligen wurde auch zum Markenzeichen des Künstlers.

Obschon dieser typologischen Entwicklung zugehörig, unterscheidet sich die vorliegende Zichy-Magdalena von den beiden genannten Beispielen durch die nahezu frontale Haltung der Heiligen, die – ein Gebetbuch in Händen haltend – dem Betrachter mit weit geöffneten grauen Augen und dem Anflug eines Lächelns direkt entgegenblickt. Die elegante Pose ist eine leicht variierte Übernahme der Allegorie des Überflusses aus der Sammlung Borromeo. Das helle, zartrosa Inkarnat hebt sich entsprechend Leonardos Empfehlung im Buch von der Malerei vom dunklen Hintergrund ab. Das durch Goldtöne belebte Haar, wiedergegeben mit großem Geschick und taktiler Sensibilität, teilt sich über der Brust in zwei symmetrisch ineinander verschlungene Stränge, die unterhalb des Bauches wieder zusammentreffen und so die androgyne Aktfigur der Heiligen „kleiden“. Das Motiv, das sich bereits im Bild der Maria Magdalena mit jungen Engeln in der Prager Nationalgalerie (um 1525) findet, kehrt auch in der Lesenden Maria Magdalena im Museo Civico in Turin und in der Betenden Maria Magdalena im Museo di Capodimonte in Neapel wieder, die mit demselben kleinen Gefäß am Felsvorsprung unten links „signiert“ sind. Im Vergleich zu diesen Beispielen hat die mit dem reifen Gesicht der Heiligen kontrastierende schmächtige, ja nahezu adoleszente Gestalt jedoch jeden Anstrich von Sinnlichkeit verloren, dafür aber an reuigem Ausdruck gewonnen. Dieser wird durch den Heiligenschein und das fromme Buch unterstrichen und steht damit mehr im Einklang mit der traditionellen Ikonografie der Maria Magdalena. Darin offenbart sich auch die Funktion des Gemäldes als privates Andachtsbild.
Die perfekt umgesetzte Anatomie, der schöne Kontrapost und das leonardeske Sfumato des Helldunkels verraten die Ausbildung des Künstlers in der Werkstatt Leonardos, während die Augenform an Marco d’Oggiono denken lässt. Die spürbare Präsenz dieser Vorbilder und die sorgfältige, detailreiche Modellierung würden eine Entstehung des Gemäldes in der Reifezeit des Künstlers, die mit dem Altarbild für Pavia 1521 einsetzte, vermuten lassen. Doch andere Bildelemente, etwa die stärker ausgeprägte Physiognomie der Heiligen, das weich gemalte Inkarnat und gewisse Vereinfachungen weisen auf eine spätere Datierung in zeitlicher Nähe zum Flügelaltar im Museo Bagatti Valsecchi und damit vermutlich in die erste Hälfte der 1530er-Jahre. Wie Geddos Beschäftigung mit der Werkchronologie des Künstlers gezeigt hat, handelt es sich um eine zeitlich schwer fassbare Periode (siehe C. Geddo, Le pale d’altare di Giampietrino: ipotesi per un percorso stilistico, in: Arte Lombarda, Bd. 101, 1992, Nr. 2, S. 67–82).

Die Komposition der Zichy-Magdalena, die als eigenhändiges Werk nur in dieser Fassung bekannt ist, wurde in drei Varianten wiederholt, die einem anonymen Schüler Giampietrinos, genannt Pseudo-Giampietrino, zugeschrieben werden (Museo Civico von Cremona, ex Sammlung Raimond van Marle, Öl auf Holz, 65 x 49,7 cm; San Marco di Perugia, Öl auf Holz, 64 x 49 cm; und ehemals Sammlung Fongoli, Florenz; siehe C. Geddo, La Madonna di Castel Vitoni, 1994, S. 65/66 und Anm. 50, Abb. 49; C. Geddo, in: La Pinacoteca Ala Ponzone. Il Cinquecento, hrsg. von M. Marubbi, Cinisello Balsamo, Mailand 2003, S. 82–84, Nr. 50).

Wir danken Cristina Geddo für die Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Saleroom Notice:

Cristina Geddo datiert das vorliegende Gemälde in die frühen 1530er-Jahre und sie wird es in ihrer in Vorbereitung befindlichen Monographie über den Künstler publizieren.

Provenienz:
Sammlung Graf Jen [Eugen] Zichy (1837–1906);
Privatsammlung, Österreich;
Auktion, Dorotheum, Wien, 15. März 1990, Los 79;
Privatsammlung, Norditalien

Wir danken Cristina Geddo, die die Zuschreibung nach Untersuchung des vorliegenden Gemäldes im Original bestätigt hat.

Giovanni Pietro Rizzoli, gen. Giampietrino, war einer von Leonardos Mailänder Schülern. Das vorliegende Werk befand sich einst im Besitz des angesehenen ungarischen Adelsgeschlechts der Zichy, wie eine Archivfotografie aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit folgender Bildunterschrift belegt: „N 22532 Budapest. Pedrini. La Madeleine (Col. Zichy)“. Aus der Familie gingen Politiker, Musiker, Künstler, Sammler und Mäzene hervor, darunter Graf Jenő Zichy (1837–1906), der eine erlesene, von seinem Vater Edmund in Budapest zusammengetragene Kunstsammlung hinterließ, zu der auch lombardische Gemälde des 16. Jahrhunderts gehörten. Die Sammlung war im 1902 eröffneten Jenő-Zichy-Museum am Budapester Familiensitz ausgestellt und ging 1921 in der Städtischen Galerie auf, bevor sie 1993 dem Szépművészeti Múzeum einverleibt wurde. Es gibt keine Hinweise, dass sich das vorliegende Werk als Teil der Bestände der Familie Zichy im Budapester Museum befand (schriftliche Mitteilung von Dr. Vilmos Tátrai, 2013). Es tauchte erstmals vor einigen Jahren in einer Auktion im Dorotheum in Wien auf (15. März 1990, Los 79, mit einer Zuschreibung an Giampietrino). Dies lässt den Schluss zu, dass das vorliegende Werk nicht Teil der Schenkung von Jenő Zichy war oder dass es einem anderen Zweig der Familie gehörte.

Die Zichy-Magdalena, die in der Leonardo-Literatur keine Berücksichtigung gefunden hat, war nur über die erwähnte Fotografie bekannt, die auch in einer kürzlich erschienenen Studie zu Giampietrinos Werken in Mitteleuropa abgebildet wurde, in der das Gemälde als Werk Giampietrinos bestätigt und in die letzten Schaffensjahre des Künstlers datiert wird (siehe C. Geddo, Leonardeschi tra Lombardia ed Europa. I ‘Giampietrino’ della Mitteleuropa, in: Lombardia ed Europa. Incroci di storia e cultura, hrsg. von D. Zardin, Mailand 2014, S. 74, Abb. 4, S. 102).

Bei genauerer Betrachtung der Maloberfläche werden zahlreiche Fingerabdrücke im Haar und in den Schattenzonen des Gesichts und des Halses der Figur erkennbar. Es handelt sich um eine von Leonardo entlehnte Praxis, die typisch für Giampietrino ist (siehe C. Geddo, La Madonna di Castel Vitoni del Giampietrino, in: Achademia Leonardi Vinci, VII, 1994, S. 59 und Anm. 15).
Als Erfinder eines neuen ikonografischen Genres, das zwischen religiöser und profaner Kunst angesiedelt war, spezialisierte sich Giampietrino auf Darstellungen der Maria Magdalena mit erotischem Unterton, was bei seinen Zeitgenossen großen Anklang fand. Die erfolgreichste von ihm formulierte und vorbildhaft gewordene Bildkomposition besteht in einem schönen betenden und von Buße und Frömmigkeit erfüllten Frauenakt, der ekstatisch aus einer dunklen Höhle blickt und dessen Brust zum Teil vom dick herabfallenden Haupthaar verdeckt wird, wie es die Beispiele in Pavia und Burgos exemplarisch vor Augen führen. Die Kulisse ist eine Bezugnahme auf die Höhe von Sainte-Baume in der Provence, wo die Heilige der Legenda aurea zufolge das Leben einer Einsiedlerin führte. Das Salbengefäß als traditionelles Attribut der Heiligen wurde auch zum Markenzeichen des Künstlers.

Obschon dieser typologischen Entwicklung zugehörig, unterscheidet sich die vorliegende Zichy-Magdalena von den beiden genannten Beispielen durch die nahezu frontale Haltung der Heiligen, die – ein Gebetbuch in Händen haltend – dem Betrachter mit weit geöffneten grauen Augen und dem Anflug eines Lächelns direkt entgegenblickt. Die elegante Pose ist eine leicht variierte Übernahme der Allegorie des Überflusses aus der Sammlung Borromeo. Das helle, zartrosa Inkarnat hebt sich entsprechend Leonardos Empfehlung im Buch von der Malerei vom dunklen Hintergrund ab. Das durch Goldtöne belebte Haar, wiedergegeben mit großem Geschick und taktiler Sensibilität, teilt sich über der Brust in zwei symmetrisch ineinander verschlungene Stränge, die unterhalb des Bauches wieder zusammentreffen und so die androgyne Aktfigur der Heiligen „kleiden“. Das Motiv, das sich bereits im Bild der Maria Magdalena mit jungen Engeln in der Prager Nationalgalerie (um 1525) findet, kehrt auch in der Lesenden Maria Magdalena im Museo Civico in Turin und in der Betenden Maria Magdalena im Museo di Capodimonte in Neapel wieder, die mit demselben kleinen Gefäß am Felsvorsprung unten links „signiert“ sind. Im Vergleich zu diesen Beispielen hat die mit dem reifen Gesicht der Heiligen kontrastierende schmächtige, ja nahezu adoleszente Gestalt jedoch jeden Anstrich von Sinnlichkeit verloren, dafür aber an reuigem Ausdruck gewonnen. Dieser wird durch den Heiligenschein und das fromme Buch unterstrichen und steht damit mehr im Einklang mit der traditionellen Ikonografie der Maria Magdalena. Darin offenbart sich auch die Funktion des Gemäldes als privates Andachtsbild.
Die perfekt umgesetzte Anatomie, der schöne Kontrapost und das leonardeske Sfumato des Helldunkels verraten die Ausbildung des Künstlers in der Werkstatt Leonardos, während die Augenform an Marco d’Oggiono denken lässt. Die spürbare Präsenz dieser Vorbilder und die sorgfältige, detailreiche Modellierung würden eine Entstehung des Gemäldes in der Reifezeit des Künstlers, die mit dem Altarbild für Pavia 1521 einsetzte, vermuten lassen. Doch andere Bildelemente, etwa die stärker ausgeprägte Physiognomie der Heiligen, das weich gemalte Inkarnat und gewisse Vereinfachungen weisen auf eine spätere Datierung in zeitlicher Nähe zum Flügelaltar im Museo Bagatti Valsecchi und damit vermutlich in die erste Hälfte der 1560er-Jahre. Wie Geddos Beschäftigung mit der Werkchronologie des Künstlers gezeigt hat, handelt es sich um eine zeitlich schwer fassbare Periode (siehe C. Geddo, Le pale d’altare di Giampietrino: ipotesi per un percorso stilistico, in: Arte Lombarda, Bd. 101, 1992, Nr. 2, S. 67–82).

Die Komposition der Zichy-Magdalena, die als eigenhändiges Werk nur in dieser Fassung bekannt ist, wurde in drei Varianten wiederholt, die einem anonymen Schüler Giampietrinos, genannt Pseudo-Giampietrino, zugeschrieben werden (Museo Civico von Cremona, ex Sammlung Raimond van Marle, Öl auf Holz, 65 x 49,7 cm; San Marco di Perugia, Öl auf Holz, 64 x 49 cm; und ehemals Sammlung Fongoli, Florenz; siehe C. Geddo, La Madonna di Castel Vitoni, 1994, S. 65/66 und Anm. 50, Abb. 49; C. Geddo, in: La Pinacoteca Ala Ponzone. Il Cinquecento, hrsg. von M. Marubbi, Cinisello Balsamo, Mailand 2003, S. 82–84, Nr. 50).

Wir danken Cristina Geddo für die Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 18.10.2016 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 08.10. - 18.10.2016


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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