Lot Nr. 674


Tano Festa *


Tano Festa * - Zeitgenössische Kunst, Teil 1

(Rom 1938–1987)
Specchio, 1962/1963, rückseitig signiert, datiert Festa 61, Emaillefarbe und Lack auf Holztafel und Goldrahmen, 88,5 x 80,5 cm, (MCC)

Fotozertifikat:
Archivio delle opere di Tano Festa, Kuratorin: Anita Festa, Archiv-Nr. A1262/60
Archivio Studio Solgio, Rom

Provenienz:
Galleria La Tartaruga, Plinio de Martiis, Rom
Privatsammlung, Italien

Das letztliche Schicksal des Künstlers ist es, zum Betrachter seiner eigenen formalisierten Besessenheit zu werden. Das macht Festa zu einem wahrhaftig europäischen Künstler, einem von kulturellem Gedächtnis durchdrungenen Künstler, der die nach Innen und Außen gewandte Suche von Kultur und Stilrichtungen begreift. Sein Ausgangspunkt ist ein visionärer Elan, der auf den Symbolismus und die Metaphysik zurückgreift und seinen malerischen Stil letztlich mit der Ausdrucksstärke der amerikanischen Kunst von Barnett Neumann bis hin zu Kelly vermischt, die von geschmeidigen, kompakten Oberflächen gekennzeichnet ist und von Farben, denen es an jeder psychologischen Tiefe fehlt und die dennoch voller Spiritualität sind (...).

Für jeden, der, wie Festa, die Großartigkeit des Lebens feiert, werden Alltagsobjekte Störfaktoren, Auslöser für Argwohn und Vorahnungen (...)
Tano Festa hält das fortwährende Unbehagen, das von Alltagsobjekten ausgeht, fest und integriert diese in das Kunstfeld, indem er sie radikal emporhebt, anstatt andere, formbare Materialien zu bearbeiten. Türen, Fenster und Fensterläden, Kleiderschränke, Spiegel, Klaviere und Obelisken werden zu Objekten einer künstlerischen Arbeit, die diese in sich aufnimmt und zu Stillleben verarbeitet.
Achille Bonito Oliva, aus dem Katalog zu Tano Festas Ausstellung, ex Stabilimento Peroni, Rom, 1988

Tano Festa, Brief an Arturo Schwarz, 1966
Seit Anfang 1962 bis hin in die letzten Monate des Jahres 1963 baute ich Türen, Fenster, Fensterläden, Kleiderschränke, Klaviere und Obelisken, die genauso aussehen wie der, der auf der Piazza del Popolo in Rom steht. Zwei Jahre lang drückte ich mich über Gegenstände aus, und verwendete Farbe nur, um sie zu streichen, so wie ein Möbelschreiner das tun würde.
Anfang 1962, während ich auf der Via Due Macelli entlang spazierte, erblickte ich durch das Schaufenster eines Buchladens eine Reproduktion von Van Eycks Gemälde „Die Arnolfini Hochzeit“.
Als ich das Gemälde näher betrachtete, hatte ich das Gefühl, dass sein wahrer Protagonist der Luster war: vollkommen reglos, als ob nichts auf der Welt, nicht einmal ein starker Wind, ihn zum Schwingen bringen könnte. Dieser Luster hängt über dem Ehepaar der Arnolfinis, als würde er die Dauer, und damit auch die Grenzen, ihres Daseins bemessen.
Mit Melancholie bedauerte ich die Tatsache, dass die Arnolfinis noch lange vor dem Luster verschwinden würden, dass sie die ersten wären, die die Bühne verlassen würden, wohingegen die Gegenstände noch immer an ihren Plätzen verharren würden, für eine lange Zeit, als stumme, teilnahmslose Zeugen menschlicher Existenz. Diese Intuition über das Fortwähren des Gegenstandes, über die Möglichkeit, ihn zum Protagonisten zu erhöhen, faszinierte mich.
Ich hatte bereits seit langer Zeit Gegenstände wie Haushaltsmöbel betrachtet, die meist privat waren und jene Gegenstände darstellten, mit denen wir am meisten in Berührung kamen, und mit denen wir die intimsten und geheimsten Momente und Gesten unseres Daseins teilten.
Anfänglich war dieses Interesse rein formeller Natur, aber später entwickelte ich eine psychologische, emotionale Bindung zu ihnen. Zu dieser Zeit litt ich an Asthma und in Folge unter Schlafstörungen; da ich „Angst vor der Dunkelheit“ hatte, neigte ich dazu, die Fensterläden nur leicht anzulehnen, anstatt sie gänzlich zu schließen, um so das Licht der Straßenlampe durch das Fenster ins Zimmer zu lassen. Während dieser Monate erhielten alle Gegenstände im Raum einen außergewöhnlichen Wert, der sich von ihrem üblichen, alltäglichen unterschied. Also dachte ich daran, Gegenstände neu zu bauen, die ihrer Funktionen beraubt waren, Gegenstände, deren Materialität ein leichtes Unbehagen auslöst, im Gegensatz zu ihrem gegebenen, allzuleichten Dasein, eine Art Doppeldeutigkeit und Ohnmacht in Relation zu ihrem physischen, anorganischen, stumpfsinnigen Dasein, und ein gewisses Mysterium, eine Undurchdringlichkeit in ihren kalten, dunklen, geometrischen Formen.
Möbelgegenstände wie Spiegel, Kleiderschränke und Gegenstände, die mit sozialen Beziehungen oder deren Verweigerung verbunden werden, wie Türen, Fenster oder Fensterläden. Müsste ich sie malen, würden diese Objekte eine Form annehmen, die nicht ihrer realen entspricht, sondern jener, die die Malerei und der gewählte Stil ihnen verleihen, sie wären gekennzeichnet durch meinen eigenen Geschmack, meine künstlerischen Handlungen und Fähigkeiten. Auch in Van Eycks Gemälde, eben weil es gemalt ist, wird das Objekt – der Luster – nur in Zusammenhang mit seinem hypothetischen Fortwähren zum Protagonisten, aber es ist das Bild in seiner Gesamtheit, und besonders aufgrund der darin vorkommenden Menschen, das diesen Eindruck vermittelt.
Müsste ich gefundene Gegenstände (alte Türen, Fenster, usw.) verwenden, behielten diese, trotz des Verlusts ihrer Funktion, noch immer ihren ursprünglichen Sinn, eine spezifische Geschichte und eine persönliche, ganz private Abnutzung – und all dies wären Funktionen, die es nicht erlauben würden (mir zumindest nicht), sie zu bearbeiten und ihres ursprünglichen gegenständlichen Zweckes zu entfremden.
Das ist der Grund, warum meine Fensterläden, Türen und auch alle anderen Gegenstände komplett nutzlos sind, denn sie sind so gebaut, dass sie nie verwendet werden können. Eine meiner Türen kann nicht geöffnet werden, auch dann nicht, wenn es sich um eine richtige Tür handelt, da sie weder Scharniere noch Griffe hat, und sie wird immer hermetisch verschlossen bleiben.
Mein Klavier hat hölzerne Tasten, die man nicht drücken kann, die Spiegel in meinen Kästen spiegeln nichts wider, die Schränke selbst enthalten nichts und durch meine Fenster kommt kein Licht.
All diese Gegenstände sind dem nachempfunden, was wir sehen, wenn wir sie betrachten und nicht, wenn wir sie benutzen; sie sind bloße Täuschungen, scheinbare Gegenstände. Und ebendiese scheinbare Natur ermöglicht es, der Art und Weise, wie ich sie wahrnahm, Ausdruck zu verleihen.
… Nun, in der Dunkelheit, kann ich die Tür sehen, auf den Kleiderschrank vor mir schauen, dessen fehlende Verkleidung den Blick auf einen weißen Fleck öffnet, der bei Tageslicht als Hemd erscheinen wird. Ich blicke neuerlich auf die geschlossene Tür und habe den Endruck, dass in genau diesem Moment weder der Gang, noch das restliche Haus dahinter liegen; dass ich, würde ich sie öffnen, nur einen unendlichen blauen Himmel voller Weiß sehen würde.

Fotozertifikat:
Archivio delle opere di Tano Festa, Kuratorin: Anita Festa, Archiv-Nr. A1262/60

Provenienz:
Galleria La Tartaruga, Plinio de Martiis, Rom
Privatsammlung, Italien

Das letztliche Schicksal des Künstlers ist es, zum Betrachter seiner eigenen formalisierten Besessenheit zu werden. Das macht Festa zu einem wahrhaftig europäischen Künstler, einem von kulturellem Gedächtnis durchdrungenen Künstler, der die nach Innen und Außen gewandte Suche von Kultur und Stilrichtungen begreift. Sein Ausgangspunkt ist ein visionärer Elan, der auf den Symbolismus und die Metaphysik zurückgreift und seinen malerischen Stil letztlich mit der Ausdrucksstärke der amerikanischen Kunst von Barnett Neumann bis hin zu Kelly vermischt, die von geschmeidigen, kompakten Oberflächen gekennzeichnet ist und von Farben, denen es an jeder psychologischen Tiefe fehlt und die dennoch voller Spiritualität sind (...).

Für jeden, der, wie Festa, die Großartigkeit des Lebens feiert, werden Alltagsobjekte Störfaktoren, Auslöser für Argwohn und Vorahnungen (...)
Tano Festa hält das fortwährende Unbehagen, das von Alltagsobjekten ausgeht, fest und integriert diese in das Kunstfeld, indem er sie radikal emporhebt, anstatt andere, formbare Materialien zu bearbeiten. Türen, Fenster und Fensterläden, Kleiderschränke, Spiegel, Klaviere und Obelisken werden zu Objekten einer künstlerischen Arbeit, die diese in sich aufnimmt und zu Stillleben verarbeitet.
Achille Bonito Oliva, aus dem Katalog zu Tano Festas Ausstellung, ex Stabilimento Peroni, Rom, 1988

Tano Festa, Brief an Arturo Schwarz, 1966
Seit Anfang 1962 bis hin in die letzten Monate des Jahres 1963 baute ich Türen, Fenster, Fensterläden, Kleiderschränke, Klaviere und Obelisken, die genauso aussehen wie der, der auf der Piazza del Popolo in Rom steht. Zwei Jahre lang drückte ich mich über Gegenstände aus, und verwendete Farbe nur, um sie zu streichen, so wie ein Möbelschreiner das tun würde.
Anfang 1962, während ich auf der Via Due Macelli entlang spazierte, erblickte ich durch das Schaufenster eines Buchladens eine Reproduktion von Van Eycks Gemälde „Die Arnolfini Hochzeit“.
Als ich das Gemälde näher betrachtete, hatte ich das Gefühl, dass sein wahrer Protagonist der Luster war: vollkommen reglos, als ob nichts auf der Welt, nicht einmal ein starker Wind, ihn zum Schwingen bringen könnte. Dieser Luster hängt über dem Ehepaar der Arnolfinis, als würde er die Dauer, und damit auch die Grenzen, ihres Daseins bemessen.
Mit Melancholie bedauerte ich die Tatsache, dass die Arnolfinis noch lange vor dem Luster verschwinden würden, dass sie die ersten wären, die die Bühne verlassen würden, wohingegen die Gegenstände noch immer an ihren Plätzen verharren würden, für eine lange Zeit, als stumme, teilnahmslose Zeugen menschlicher Existenz. Diese Intuition über das Fortwähren des Gegenstandes, über die Möglichkeit, ihn zum Protagonisten zu erhöhen, faszinierte mich.
Ich hatte bereits seit langer Zeit Gegenstände wie Haushaltsmöbel betrachtet, die meist privat waren und jene Gegenstände darstellten, mit denen wir am meisten in Berührung kamen, und mit denen wir die intimsten und geheimsten Momente und Gesten unseres Daseins teilten.
Anfänglich war dieses Interesse rein formeller Natur, aber später entwickelte ich eine psychologische, emotionale Bindung zu ihnen. Zu dieser Zeit litt ich an Asthma und in Folge unter Schlafstörungen; da ich „Angst vor der Dunkelheit“ hatte, neigte ich dazu, die Fensterläden nur leicht anzulehnen, anstatt sie gänzlich zu schließen, um so das Licht der Straßenlampe durch das Fenster ins Zimmer zu lassen. Während dieser Monate erhielten alle Gegenstände im Raum einen außergewöhnlichen Wert, der sich von ihrem üblichen, alltäglichen unterschied. Also dachte ich daran, Gegenstände neu zu bauen, die ihrer Funktionen beraubt waren, Gegenstände, deren Materialität ein leichtes Unbehagen auslöst, im Gegensatz zu ihrem gegebenen, allzuleichten Dasein, eine Art Doppeldeutigkeit und Ohnmacht in Relation zu ihrem physischen, anorganischen, stumpfsinnigen Dasein, und ein gewisses Mysterium, eine Undurchdringlichkeit in ihren kalten, dunklen, geometrischen Formen.
Möbelgegenstände wie Spiegel, Kleiderschränke und Gegenstände, die mit sozialen Beziehungen oder deren Verweigerung verbunden werden, wie Türen, Fenster oder Fensterläden. Müsste ich sie malen, würden diese Objekte eine Form annehmen, die nicht ihrer realen entspricht, sondern jener, die die Malerei und der gewählte Stil ihnen verleihen, sie wären gekennzeichnet durch meinen eigenen Geschmack, meine künstlerischen Handlungen und Fähigkeiten. Auch in Van Eycks Gemälde, eben weil es gemalt ist, wird das Objekt – der Luster – nur in Zusammenhang mit seinem hypothetischen Fortwähren zum Protagonisten, aber es ist das Bild in seiner Gesamtheit, und besonders aufgrund der darin vorkommenden Menschen, das diesen Eindruck vermittelt.
Müsste ich gefundene Gegenstände (alte Türen, Fenster, usw.) verwenden, behielten diese, trotz des Verlusts ihrer Funktion, noch immer ihren ursprünglichen Sinn, eine spezifische Geschichte und eine persönliche, ganz private Abnutzung – und all dies wären Funktionen, die es nicht erlauben würden (mir zumindest nicht), sie zu bearbeiten und ihres ursprünglichen gegenständlichen Zweckes zu entfremden.
Das ist der Grund, warum meine Fensterläden, Türen und auch alle anderen Gegenstände komplett nutzlos sind, denn sie sind so gebaut, dass sie nie verwendet werden können. Eine meiner Türen kann nicht geöffnet werden, auch dann nicht, wenn es sich um eine richtige Tür handelt, da sie weder Scharniere noch Griffe hat, und sie wird immer hermetisch verschlossen bleiben.
Mein Klavier hat hölzerne Tasten, die man nicht drücken kann, die Spiegel in meinen Kästen spiegeln nichts wider, die Schränke selbst enthalten nichts und durch meine Fenster kommt kein Licht.
All diese Gegenstände sind dem nachempfunden, was wir sehen, wenn wir sie betrachten und nicht, wenn wir sie benutzen; sie sind bloße Täuschungen, scheinbare Gegenstände. Und ebendiese scheinbare Natur ermöglicht es, der Art und Weise, wie ich sie wahrnahm, Ausdruck zu verleihen.
… Nun, in der Dunkelheit, kann ich die Tür sehen, auf den Kleiderschrank vor mir schauen, dessen fehlende Verkleidung den Blick auf einen weißen Fleck öffnet, der bei Tageslicht als Hemd erscheinen wird. Ich blicke neuerlich auf die geschlossene Tür und habe den Endruck, dass in genau diesem Moment weder der Gang, noch das restliche Haus dahinter liegen; dass ich, würde ich sie öffnen, nur einen unendlichen blauen Himmel voller Weiß sehen würde.

01.06.2016 - 19:00

Erzielter Preis: **
EUR 149.400,-
Schätzwert:
EUR 90.000,- bis EUR 120.000,-

Tano Festa *


(Rom 1938–1987)
Specchio, 1962/1963, rückseitig signiert, datiert Festa 61, Emaillefarbe und Lack auf Holztafel und Goldrahmen, 88,5 x 80,5 cm, (MCC)

Fotozertifikat:
Archivio delle opere di Tano Festa, Kuratorin: Anita Festa, Archiv-Nr. A1262/60
Archivio Studio Solgio, Rom

Provenienz:
Galleria La Tartaruga, Plinio de Martiis, Rom
Privatsammlung, Italien

Das letztliche Schicksal des Künstlers ist es, zum Betrachter seiner eigenen formalisierten Besessenheit zu werden. Das macht Festa zu einem wahrhaftig europäischen Künstler, einem von kulturellem Gedächtnis durchdrungenen Künstler, der die nach Innen und Außen gewandte Suche von Kultur und Stilrichtungen begreift. Sein Ausgangspunkt ist ein visionärer Elan, der auf den Symbolismus und die Metaphysik zurückgreift und seinen malerischen Stil letztlich mit der Ausdrucksstärke der amerikanischen Kunst von Barnett Neumann bis hin zu Kelly vermischt, die von geschmeidigen, kompakten Oberflächen gekennzeichnet ist und von Farben, denen es an jeder psychologischen Tiefe fehlt und die dennoch voller Spiritualität sind (...).

Für jeden, der, wie Festa, die Großartigkeit des Lebens feiert, werden Alltagsobjekte Störfaktoren, Auslöser für Argwohn und Vorahnungen (...)
Tano Festa hält das fortwährende Unbehagen, das von Alltagsobjekten ausgeht, fest und integriert diese in das Kunstfeld, indem er sie radikal emporhebt, anstatt andere, formbare Materialien zu bearbeiten. Türen, Fenster und Fensterläden, Kleiderschränke, Spiegel, Klaviere und Obelisken werden zu Objekten einer künstlerischen Arbeit, die diese in sich aufnimmt und zu Stillleben verarbeitet.
Achille Bonito Oliva, aus dem Katalog zu Tano Festas Ausstellung, ex Stabilimento Peroni, Rom, 1988

Tano Festa, Brief an Arturo Schwarz, 1966
Seit Anfang 1962 bis hin in die letzten Monate des Jahres 1963 baute ich Türen, Fenster, Fensterläden, Kleiderschränke, Klaviere und Obelisken, die genauso aussehen wie der, der auf der Piazza del Popolo in Rom steht. Zwei Jahre lang drückte ich mich über Gegenstände aus, und verwendete Farbe nur, um sie zu streichen, so wie ein Möbelschreiner das tun würde.
Anfang 1962, während ich auf der Via Due Macelli entlang spazierte, erblickte ich durch das Schaufenster eines Buchladens eine Reproduktion von Van Eycks Gemälde „Die Arnolfini Hochzeit“.
Als ich das Gemälde näher betrachtete, hatte ich das Gefühl, dass sein wahrer Protagonist der Luster war: vollkommen reglos, als ob nichts auf der Welt, nicht einmal ein starker Wind, ihn zum Schwingen bringen könnte. Dieser Luster hängt über dem Ehepaar der Arnolfinis, als würde er die Dauer, und damit auch die Grenzen, ihres Daseins bemessen.
Mit Melancholie bedauerte ich die Tatsache, dass die Arnolfinis noch lange vor dem Luster verschwinden würden, dass sie die ersten wären, die die Bühne verlassen würden, wohingegen die Gegenstände noch immer an ihren Plätzen verharren würden, für eine lange Zeit, als stumme, teilnahmslose Zeugen menschlicher Existenz. Diese Intuition über das Fortwähren des Gegenstandes, über die Möglichkeit, ihn zum Protagonisten zu erhöhen, faszinierte mich.
Ich hatte bereits seit langer Zeit Gegenstände wie Haushaltsmöbel betrachtet, die meist privat waren und jene Gegenstände darstellten, mit denen wir am meisten in Berührung kamen, und mit denen wir die intimsten und geheimsten Momente und Gesten unseres Daseins teilten.
Anfänglich war dieses Interesse rein formeller Natur, aber später entwickelte ich eine psychologische, emotionale Bindung zu ihnen. Zu dieser Zeit litt ich an Asthma und in Folge unter Schlafstörungen; da ich „Angst vor der Dunkelheit“ hatte, neigte ich dazu, die Fensterläden nur leicht anzulehnen, anstatt sie gänzlich zu schließen, um so das Licht der Straßenlampe durch das Fenster ins Zimmer zu lassen. Während dieser Monate erhielten alle Gegenstände im Raum einen außergewöhnlichen Wert, der sich von ihrem üblichen, alltäglichen unterschied. Also dachte ich daran, Gegenstände neu zu bauen, die ihrer Funktionen beraubt waren, Gegenstände, deren Materialität ein leichtes Unbehagen auslöst, im Gegensatz zu ihrem gegebenen, allzuleichten Dasein, eine Art Doppeldeutigkeit und Ohnmacht in Relation zu ihrem physischen, anorganischen, stumpfsinnigen Dasein, und ein gewisses Mysterium, eine Undurchdringlichkeit in ihren kalten, dunklen, geometrischen Formen.
Möbelgegenstände wie Spiegel, Kleiderschränke und Gegenstände, die mit sozialen Beziehungen oder deren Verweigerung verbunden werden, wie Türen, Fenster oder Fensterläden. Müsste ich sie malen, würden diese Objekte eine Form annehmen, die nicht ihrer realen entspricht, sondern jener, die die Malerei und der gewählte Stil ihnen verleihen, sie wären gekennzeichnet durch meinen eigenen Geschmack, meine künstlerischen Handlungen und Fähigkeiten. Auch in Van Eycks Gemälde, eben weil es gemalt ist, wird das Objekt – der Luster – nur in Zusammenhang mit seinem hypothetischen Fortwähren zum Protagonisten, aber es ist das Bild in seiner Gesamtheit, und besonders aufgrund der darin vorkommenden Menschen, das diesen Eindruck vermittelt.
Müsste ich gefundene Gegenstände (alte Türen, Fenster, usw.) verwenden, behielten diese, trotz des Verlusts ihrer Funktion, noch immer ihren ursprünglichen Sinn, eine spezifische Geschichte und eine persönliche, ganz private Abnutzung – und all dies wären Funktionen, die es nicht erlauben würden (mir zumindest nicht), sie zu bearbeiten und ihres ursprünglichen gegenständlichen Zweckes zu entfremden.
Das ist der Grund, warum meine Fensterläden, Türen und auch alle anderen Gegenstände komplett nutzlos sind, denn sie sind so gebaut, dass sie nie verwendet werden können. Eine meiner Türen kann nicht geöffnet werden, auch dann nicht, wenn es sich um eine richtige Tür handelt, da sie weder Scharniere noch Griffe hat, und sie wird immer hermetisch verschlossen bleiben.
Mein Klavier hat hölzerne Tasten, die man nicht drücken kann, die Spiegel in meinen Kästen spiegeln nichts wider, die Schränke selbst enthalten nichts und durch meine Fenster kommt kein Licht.
All diese Gegenstände sind dem nachempfunden, was wir sehen, wenn wir sie betrachten und nicht, wenn wir sie benutzen; sie sind bloße Täuschungen, scheinbare Gegenstände. Und ebendiese scheinbare Natur ermöglicht es, der Art und Weise, wie ich sie wahrnahm, Ausdruck zu verleihen.
… Nun, in der Dunkelheit, kann ich die Tür sehen, auf den Kleiderschrank vor mir schauen, dessen fehlende Verkleidung den Blick auf einen weißen Fleck öffnet, der bei Tageslicht als Hemd erscheinen wird. Ich blicke neuerlich auf die geschlossene Tür und habe den Endruck, dass in genau diesem Moment weder der Gang, noch das restliche Haus dahinter liegen; dass ich, würde ich sie öffnen, nur einen unendlichen blauen Himmel voller Weiß sehen würde.

Fotozertifikat:
Archivio delle opere di Tano Festa, Kuratorin: Anita Festa, Archiv-Nr. A1262/60

Provenienz:
Galleria La Tartaruga, Plinio de Martiis, Rom
Privatsammlung, Italien

Das letztliche Schicksal des Künstlers ist es, zum Betrachter seiner eigenen formalisierten Besessenheit zu werden. Das macht Festa zu einem wahrhaftig europäischen Künstler, einem von kulturellem Gedächtnis durchdrungenen Künstler, der die nach Innen und Außen gewandte Suche von Kultur und Stilrichtungen begreift. Sein Ausgangspunkt ist ein visionärer Elan, der auf den Symbolismus und die Metaphysik zurückgreift und seinen malerischen Stil letztlich mit der Ausdrucksstärke der amerikanischen Kunst von Barnett Neumann bis hin zu Kelly vermischt, die von geschmeidigen, kompakten Oberflächen gekennzeichnet ist und von Farben, denen es an jeder psychologischen Tiefe fehlt und die dennoch voller Spiritualität sind (...).

Für jeden, der, wie Festa, die Großartigkeit des Lebens feiert, werden Alltagsobjekte Störfaktoren, Auslöser für Argwohn und Vorahnungen (...)
Tano Festa hält das fortwährende Unbehagen, das von Alltagsobjekten ausgeht, fest und integriert diese in das Kunstfeld, indem er sie radikal emporhebt, anstatt andere, formbare Materialien zu bearbeiten. Türen, Fenster und Fensterläden, Kleiderschränke, Spiegel, Klaviere und Obelisken werden zu Objekten einer künstlerischen Arbeit, die diese in sich aufnimmt und zu Stillleben verarbeitet.
Achille Bonito Oliva, aus dem Katalog zu Tano Festas Ausstellung, ex Stabilimento Peroni, Rom, 1988

Tano Festa, Brief an Arturo Schwarz, 1966
Seit Anfang 1962 bis hin in die letzten Monate des Jahres 1963 baute ich Türen, Fenster, Fensterläden, Kleiderschränke, Klaviere und Obelisken, die genauso aussehen wie der, der auf der Piazza del Popolo in Rom steht. Zwei Jahre lang drückte ich mich über Gegenstände aus, und verwendete Farbe nur, um sie zu streichen, so wie ein Möbelschreiner das tun würde.
Anfang 1962, während ich auf der Via Due Macelli entlang spazierte, erblickte ich durch das Schaufenster eines Buchladens eine Reproduktion von Van Eycks Gemälde „Die Arnolfini Hochzeit“.
Als ich das Gemälde näher betrachtete, hatte ich das Gefühl, dass sein wahrer Protagonist der Luster war: vollkommen reglos, als ob nichts auf der Welt, nicht einmal ein starker Wind, ihn zum Schwingen bringen könnte. Dieser Luster hängt über dem Ehepaar der Arnolfinis, als würde er die Dauer, und damit auch die Grenzen, ihres Daseins bemessen.
Mit Melancholie bedauerte ich die Tatsache, dass die Arnolfinis noch lange vor dem Luster verschwinden würden, dass sie die ersten wären, die die Bühne verlassen würden, wohingegen die Gegenstände noch immer an ihren Plätzen verharren würden, für eine lange Zeit, als stumme, teilnahmslose Zeugen menschlicher Existenz. Diese Intuition über das Fortwähren des Gegenstandes, über die Möglichkeit, ihn zum Protagonisten zu erhöhen, faszinierte mich.
Ich hatte bereits seit langer Zeit Gegenstände wie Haushaltsmöbel betrachtet, die meist privat waren und jene Gegenstände darstellten, mit denen wir am meisten in Berührung kamen, und mit denen wir die intimsten und geheimsten Momente und Gesten unseres Daseins teilten.
Anfänglich war dieses Interesse rein formeller Natur, aber später entwickelte ich eine psychologische, emotionale Bindung zu ihnen. Zu dieser Zeit litt ich an Asthma und in Folge unter Schlafstörungen; da ich „Angst vor der Dunkelheit“ hatte, neigte ich dazu, die Fensterläden nur leicht anzulehnen, anstatt sie gänzlich zu schließen, um so das Licht der Straßenlampe durch das Fenster ins Zimmer zu lassen. Während dieser Monate erhielten alle Gegenstände im Raum einen außergewöhnlichen Wert, der sich von ihrem üblichen, alltäglichen unterschied. Also dachte ich daran, Gegenstände neu zu bauen, die ihrer Funktionen beraubt waren, Gegenstände, deren Materialität ein leichtes Unbehagen auslöst, im Gegensatz zu ihrem gegebenen, allzuleichten Dasein, eine Art Doppeldeutigkeit und Ohnmacht in Relation zu ihrem physischen, anorganischen, stumpfsinnigen Dasein, und ein gewisses Mysterium, eine Undurchdringlichkeit in ihren kalten, dunklen, geometrischen Formen.
Möbelgegenstände wie Spiegel, Kleiderschränke und Gegenstände, die mit sozialen Beziehungen oder deren Verweigerung verbunden werden, wie Türen, Fenster oder Fensterläden. Müsste ich sie malen, würden diese Objekte eine Form annehmen, die nicht ihrer realen entspricht, sondern jener, die die Malerei und der gewählte Stil ihnen verleihen, sie wären gekennzeichnet durch meinen eigenen Geschmack, meine künstlerischen Handlungen und Fähigkeiten. Auch in Van Eycks Gemälde, eben weil es gemalt ist, wird das Objekt – der Luster – nur in Zusammenhang mit seinem hypothetischen Fortwähren zum Protagonisten, aber es ist das Bild in seiner Gesamtheit, und besonders aufgrund der darin vorkommenden Menschen, das diesen Eindruck vermittelt.
Müsste ich gefundene Gegenstände (alte Türen, Fenster, usw.) verwenden, behielten diese, trotz des Verlusts ihrer Funktion, noch immer ihren ursprünglichen Sinn, eine spezifische Geschichte und eine persönliche, ganz private Abnutzung – und all dies wären Funktionen, die es nicht erlauben würden (mir zumindest nicht), sie zu bearbeiten und ihres ursprünglichen gegenständlichen Zweckes zu entfremden.
Das ist der Grund, warum meine Fensterläden, Türen und auch alle anderen Gegenstände komplett nutzlos sind, denn sie sind so gebaut, dass sie nie verwendet werden können. Eine meiner Türen kann nicht geöffnet werden, auch dann nicht, wenn es sich um eine richtige Tür handelt, da sie weder Scharniere noch Griffe hat, und sie wird immer hermetisch verschlossen bleiben.
Mein Klavier hat hölzerne Tasten, die man nicht drücken kann, die Spiegel in meinen Kästen spiegeln nichts wider, die Schränke selbst enthalten nichts und durch meine Fenster kommt kein Licht.
All diese Gegenstände sind dem nachempfunden, was wir sehen, wenn wir sie betrachten und nicht, wenn wir sie benutzen; sie sind bloße Täuschungen, scheinbare Gegenstände. Und ebendiese scheinbare Natur ermöglicht es, der Art und Weise, wie ich sie wahrnahm, Ausdruck zu verleihen.
… Nun, in der Dunkelheit, kann ich die Tür sehen, auf den Kleiderschrank vor mir schauen, dessen fehlende Verkleidung den Blick auf einen weißen Fleck öffnet, der bei Tageslicht als Hemd erscheinen wird. Ich blicke neuerlich auf die geschlossene Tür und habe den Endruck, dass in genau diesem Moment weder der Gang, noch das restliche Haus dahinter liegen; dass ich, würde ich sie öffnen, nur einen unendlichen blauen Himmel voller Weiß sehen würde.


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kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst, Teil 1
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 01.06.2016 - 19:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 21.05. - 01.06.2016


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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