Lot Nr. 658


Carla Accardi *


Carla Accardi * - Zeitgenössische Kunst, Teil 1

(Trapani 1924–2014 Rom)
„Integrazione“, 1958, signiert, datiert Accardi 58, rücks. betitelt, signiert und datiert Accardi 1958, mit Nr. 189 und Maßangaben bezeichnet, Kasein auf Leinwand, 69 x 100 cm, ger., (PP)

Provenienz:
Privatsammlung, Deutschland

Ausgestellt:
La Spezia, X Mostra Nazionale di Pittura Premio Golfo della Spezia, 1959, Nr. 258 (auf der Rückseite 2 Klebeetiketten)
Frankfurt/M, Frankfurter Westend Galerie, 16. März – 4. Mai 1985

Literatur:
Germano Celant, Carla Accardi, Charta, Mailand 1999, Nr. 1958 6, Seite 267 mit Abb.

Carla Accardi kann mit Fug und Recht als eine der wichtigsten zeitgenössischen Künstlerinnen der Nachkriegsjahre in Italien bezeichnet werden. Sie war außerdem eine Vorreiterin abstrakter Kunst, eine Pionierin des Feminismus.
Sie wurde am 9. Oktober 1924 in Trapani geboren und besaß ein außergewöhnliches künstlerisches Feingefühl. Nachdem sie einige Kurse auf den Kunstakademien in Palermo und Florenz besucht hatte, zog sie 1949 nach Rom, wo sie die Ateliers in der Via Margutta besuchte. Hier lernte sie zahlreiche junge, vielversprechende Künstler kennen, die sowohl ihre Freunde als auch Kollegen wurden. Im Jahr 1947 schloss sie sich der formalistischen Bewegung an, und unterzeichnete mit ihren Freunden Consagra, Attardi, Dorazio, Guerrini, Perilli, Turcato und Sanfilippo (den sie 1949 heiratete) ein Manifest, das die Gruppe Forma 1, eine avantgardistische Formierung mit marxistischen Wurzeln, verfasst hatte.Sie nahm an zahlreichen Sammelausstellungen sowohl in Italien als auch im Ausland teil und präsentierte ihre erste Einzelausstellung in der Galleria Numero in Florenz. 1950 folgte eine von Turcato präsentierte Ausstellung in der Galleria Libreria Age d’Or.Nachdem sie ihre Faszination für den dekompositorischen Charakter des Kubismus entdeckt hatte, fokussierte sich Accardi – immer überzeugter, ihren eigenen Weg zu gehen – auf die Poesie des Zeichens, was sie dazu führte, Werke zu schaffen, die einen noch höheren Wiedererkennungswert hatten und einzigartig waren.Sie schuf ein Universum, das ganz allein ihres war, zusammengesetzt aus sich ineinander verflechtenden Zeichen, die einander anziehen und abstoßen. Diese Kennzeichen werden zu einer mysteriösen Handschrift, zugleich abstrakt und zweidimensional, die den Abstand zwischen dem Hintergrund und den Zeichen verdichten.
Sie malte von oben nach unten, zuerst auf Papier und dann auf Leinwand, die sie auf dem Boden auslegte. Fotos von ihr zeigten sie oft beim Arbeiten auf dem Boden oder an einem Tisch, aber niemals eine Staffelei verwendend. Sie suchte nach Freiheit, und ihre Symbole mussten sich frei fühlen, um sich grenzenlos ausdehnen zu können, ohne räumliche Einschränkungen.
Während der 1950er charakterisierten sich ihre Arbeiten durch Gruppierungen weißer Bildelemente vor einem schwarzen Hintergrund (wie z.B. im hier präsentierten „Integrazione“ aus dem Jahr 1958) und erhielten entscheidenden Zuspruch vonseiten des Kritikers und Theoretikers Michel Tapié, der sie zu Ausstellungen einlud, die er in Italien und im Ausland kuratierte. An dieser Stelle scheint es interessant, die Antwort der Künstlerin auf Maurizio Calvesis Frage zu zitieren, ob ihre Bilder eine narrative Absicht verfolgen:

M.C.: Steht hinter dieser Dekomposition von Raum und Zeit eine narrative Absicht? Ich meine, möchten Sie mit Ihrer Kunst etwas erzählen, oder…

C.A.: Heute Ja. Denn heute möchte ich etwas aussagen. Als ich begann jedoch, war es vielmehr eine Frage wahrnehmerischer Suggestion – aber bewusster Natur. Ich dachte: Schwarz und Weiß und Abstufungen: das kann kein Bild aus dem 19. Jahrhundert sein, das muss ein Bild vom Jahr 1959 sein.
Jede Erfahrung, die ich gemacht habe, ist für mich aus einer visuellen Perspektive wichtig, denn Weiß auf Schwarz soll Leuchtkraft suggerieren. Danach begann Tapié sich für mich zu interessieren und meine Arbeit im Kontext der Art Informel zu diskutieren, wegen meiner Linienführung etc. Aber er übertrieb, und schlug letztlich vor, meine Arbeit als Barocke Kunst zu bezeichnen. Und das musste ich ablehnen, aber nur weil ich mich unabhängig und frei fühlte…
(Maurizio Calvesi und Carla Accardi, Gespräch in „Marcatrè“, Juli, August, September, 1964)

Für mich bedeutet Accardis Arbeit die Wahrnehmung von Farbe und Linien in ihrer reinsten Form. Diese Wohltat für die Augen, wenn sie auf die Körperlichkeit der Farbe treffen, die zunächst und vordergründig aus sich selbst heraus wirken, also aus ihren dynamischen Eigenschaften von Verdichtung und Ausdehnung, und schließlich in ihrer Reichhaltigkeit metaphorischer Andeutung. Es ist ein Vergnügen, das zugleich komplex und unmittelbar ist. Es dauert nicht lange, zu bemerken, dass die bemalte Oberfläche das Ergebnis eines extrem durchdachten und kritisch-bewussten Prozesses ist. Es verlangt eine syntaktische Ordnung, die selbst Freude verleiht durch ihre absolute Transparenz.
(Filiberto Menna, in „Artificio e Natura“, Katalog der Galleria Il Milione, Mailand)

01.06.2016 - 19:00

Erzielter Preis: **
EUR 100.000,-
Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Carla Accardi *


(Trapani 1924–2014 Rom)
„Integrazione“, 1958, signiert, datiert Accardi 58, rücks. betitelt, signiert und datiert Accardi 1958, mit Nr. 189 und Maßangaben bezeichnet, Kasein auf Leinwand, 69 x 100 cm, ger., (PP)

Provenienz:
Privatsammlung, Deutschland

Ausgestellt:
La Spezia, X Mostra Nazionale di Pittura Premio Golfo della Spezia, 1959, Nr. 258 (auf der Rückseite 2 Klebeetiketten)
Frankfurt/M, Frankfurter Westend Galerie, 16. März – 4. Mai 1985

Literatur:
Germano Celant, Carla Accardi, Charta, Mailand 1999, Nr. 1958 6, Seite 267 mit Abb.

Carla Accardi kann mit Fug und Recht als eine der wichtigsten zeitgenössischen Künstlerinnen der Nachkriegsjahre in Italien bezeichnet werden. Sie war außerdem eine Vorreiterin abstrakter Kunst, eine Pionierin des Feminismus.
Sie wurde am 9. Oktober 1924 in Trapani geboren und besaß ein außergewöhnliches künstlerisches Feingefühl. Nachdem sie einige Kurse auf den Kunstakademien in Palermo und Florenz besucht hatte, zog sie 1949 nach Rom, wo sie die Ateliers in der Via Margutta besuchte. Hier lernte sie zahlreiche junge, vielversprechende Künstler kennen, die sowohl ihre Freunde als auch Kollegen wurden. Im Jahr 1947 schloss sie sich der formalistischen Bewegung an, und unterzeichnete mit ihren Freunden Consagra, Attardi, Dorazio, Guerrini, Perilli, Turcato und Sanfilippo (den sie 1949 heiratete) ein Manifest, das die Gruppe Forma 1, eine avantgardistische Formierung mit marxistischen Wurzeln, verfasst hatte.Sie nahm an zahlreichen Sammelausstellungen sowohl in Italien als auch im Ausland teil und präsentierte ihre erste Einzelausstellung in der Galleria Numero in Florenz. 1950 folgte eine von Turcato präsentierte Ausstellung in der Galleria Libreria Age d’Or.Nachdem sie ihre Faszination für den dekompositorischen Charakter des Kubismus entdeckt hatte, fokussierte sich Accardi – immer überzeugter, ihren eigenen Weg zu gehen – auf die Poesie des Zeichens, was sie dazu führte, Werke zu schaffen, die einen noch höheren Wiedererkennungswert hatten und einzigartig waren.Sie schuf ein Universum, das ganz allein ihres war, zusammengesetzt aus sich ineinander verflechtenden Zeichen, die einander anziehen und abstoßen. Diese Kennzeichen werden zu einer mysteriösen Handschrift, zugleich abstrakt und zweidimensional, die den Abstand zwischen dem Hintergrund und den Zeichen verdichten.
Sie malte von oben nach unten, zuerst auf Papier und dann auf Leinwand, die sie auf dem Boden auslegte. Fotos von ihr zeigten sie oft beim Arbeiten auf dem Boden oder an einem Tisch, aber niemals eine Staffelei verwendend. Sie suchte nach Freiheit, und ihre Symbole mussten sich frei fühlen, um sich grenzenlos ausdehnen zu können, ohne räumliche Einschränkungen.
Während der 1950er charakterisierten sich ihre Arbeiten durch Gruppierungen weißer Bildelemente vor einem schwarzen Hintergrund (wie z.B. im hier präsentierten „Integrazione“ aus dem Jahr 1958) und erhielten entscheidenden Zuspruch vonseiten des Kritikers und Theoretikers Michel Tapié, der sie zu Ausstellungen einlud, die er in Italien und im Ausland kuratierte. An dieser Stelle scheint es interessant, die Antwort der Künstlerin auf Maurizio Calvesis Frage zu zitieren, ob ihre Bilder eine narrative Absicht verfolgen:

M.C.: Steht hinter dieser Dekomposition von Raum und Zeit eine narrative Absicht? Ich meine, möchten Sie mit Ihrer Kunst etwas erzählen, oder…

C.A.: Heute Ja. Denn heute möchte ich etwas aussagen. Als ich begann jedoch, war es vielmehr eine Frage wahrnehmerischer Suggestion – aber bewusster Natur. Ich dachte: Schwarz und Weiß und Abstufungen: das kann kein Bild aus dem 19. Jahrhundert sein, das muss ein Bild vom Jahr 1959 sein.
Jede Erfahrung, die ich gemacht habe, ist für mich aus einer visuellen Perspektive wichtig, denn Weiß auf Schwarz soll Leuchtkraft suggerieren. Danach begann Tapié sich für mich zu interessieren und meine Arbeit im Kontext der Art Informel zu diskutieren, wegen meiner Linienführung etc. Aber er übertrieb, und schlug letztlich vor, meine Arbeit als Barocke Kunst zu bezeichnen. Und das musste ich ablehnen, aber nur weil ich mich unabhängig und frei fühlte…
(Maurizio Calvesi und Carla Accardi, Gespräch in „Marcatrè“, Juli, August, September, 1964)

Für mich bedeutet Accardis Arbeit die Wahrnehmung von Farbe und Linien in ihrer reinsten Form. Diese Wohltat für die Augen, wenn sie auf die Körperlichkeit der Farbe treffen, die zunächst und vordergründig aus sich selbst heraus wirken, also aus ihren dynamischen Eigenschaften von Verdichtung und Ausdehnung, und schließlich in ihrer Reichhaltigkeit metaphorischer Andeutung. Es ist ein Vergnügen, das zugleich komplex und unmittelbar ist. Es dauert nicht lange, zu bemerken, dass die bemalte Oberfläche das Ergebnis eines extrem durchdachten und kritisch-bewussten Prozesses ist. Es verlangt eine syntaktische Ordnung, die selbst Freude verleiht durch ihre absolute Transparenz.
(Filiberto Menna, in „Artificio e Natura“, Katalog der Galleria Il Milione, Mailand)


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst, Teil 1
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 01.06.2016 - 19:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 21.05. - 01.06.2016


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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