(Orta di Atella circa 1585 – circa 1656 Neapel)
Die Heilige Familie,
Öl auf Leinwand, 127,5 x 100 cm, gerahmt

Provenienz:
Europäische Privatsammlung

Wir danken Sebastian Schütze, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Prüfung im Original bestätigt hat. Er datiert das Gemälde um 1630–1635.

Mit seiner aus wenigen Elementen bestehenden Komposition, den direkt im Vordergrund platzierten großen Figuren und den dunklen Farben verbindet das vorliegende Gemälde Anmut und feierliche Ausdruckskraft. Die schlichte Farbigkeit mit einem satten Blau und Rot für den Mantel und elfenbeinfarbene Töne für das Inkarnat sowie das auffällige Helldunkel sind typisch für Stanziones Stil dieser Zeit. Das Bild zeichnet sich durch eine dramatische Lichtführung aus, wobei der Künstler großen Wert auf Symmetrie in der Darstellung der Figuren legte, die ihre Emotionen durch eine sorgfältig studierte Sprache der Gestik und des Ausdrucks vermitteln.

Ab 1630 arbeitete Stanzione in Neapel fast ununterbrochen an großen Aufträgen der Kirche. Seine Tätigkeit für die Kartäuser der Certosa di San Martino umfasste die Ausgestaltung der Kapelle des heiligen Bruno (um 1630–1637), die Pietà mit Kartäusermönchen (1638) und das große Letzte Abendmahl für den Chor. Das vorliegende Gemälde lässt Gemeinsamkeiten mit zwei anderen Kompositionen ähnlichen Bildinhalts erkennen, die sich heute in Privatsammlungen in Rom und Genua befinden (siehe S. Schütze und T. C. Willette, Massimo Stanzione, L‘opera completa, Neapel 1992, S. 205, Nr. A36 und A37).

Die rhetorische Anmutung von Stanziones elegantem, idealisierendem Stil unterscheidet sich grundlegend von Caravaggios ausgeprägtem Naturalismus. Die Lichtführung der Bilder, obwohl weniger dramatisch als bei Caravaggio oder Ribera, ist den beiden Künstlern dennoch in hohem Maß geschuldet, doch deren Darstellungsmodus der menschlichen Gestalt scheint Stanzione nicht übernommen zu haben. Seine Verbindung von natürlichen Farbtönen und natürlicher Beleuchtung mit idealisierten Formen ist vielmehr das Ergebnis seines frühen Studiums der Gemälde Annibale Carraccis in Rom und der Werke Guido Renis in Rom und Neapel. Die satten Blau- und Rottöne sowie die kupfernen Grün- und goldenen Ockertöne verdanken sich letztlich Renis Farbpalette, ebenso wie die elfenbeinfarbenen Töne des Inkarnats. Stanziones Eigenständigkeit liegt in der Art, wie er bestimmte Stilmerkmale dieser Künstler in seine eigenen Bildfindungen überführt hat, in der so gegensätzliche Ansprüche wie Idealform und überzeugender Naturalismus in Einklang gebracht werden.