Lot Nr. 38


Tiziano Vecellio, gen. Titian und Werkstatt


Tiziano Vecellio, gen. Titian und Werkstatt - Alte Meister

(Pieve di Cadore, ca. 1485/90–1576 Venedig)
Die büßende Magdalena,
beschriftet Mitte links unten: TICIANUS,
Öl auf Leinwand, 100,5 x 80,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Europäische Privatsammlung

Wir danken Paul Joannides für die Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original und für seine Hilfe bei dessen Katalogisierung. Das vorliegende Werk scheint bisher nicht veröffentlicht worden zu sein.

Tizian schuf zahlreiche Fassungen der büßenden Maria Magdalena, wobei sich seine Darstellungen des Themas in zwei Grundtypen einteilen lassen. Die erste zwischen etwa 1530 und 1540 entstandene Reihe zeigt sie als von üppigem Haar bedeckte Aktfigur in einer Felsengrotte; es ist schwer feststellbar, ob es Tag oder Nacht ist – jedenfalls ist der Himmel sehr dunkel gehalten. Die Bildfindung des zweiten Typus datiert um 1550. Dort ist die Figur größtenteils bekleidet, und beide Brüste sind bedeckt; die Grotte, in der sie erscheint, ist weniger bedrückend und öffnet sich rechts zu einer wenn auch nicht immer kultivierten, so doch relativ einladenden Landschaft. Vom zweiten Typus, an dem Tizian über einen Zeitraum von mehr als einem Viertel Jahrhundert festhielt, gibt es bedeutend mehr Beispiele als vom ersten. Das letzte datiert aus dem Jahr 1573.

Das Bild der vorliegenden büßenden Magdalena weist eine geringere Höhe auf als alle anderen Fassungen des zweiten Typus, obgleich es nicht beschnitten erscheint; das nächst höhere ist die ehemals in der Sammlung Candiani befindliche Fassung. Der auffälligste Unterschied gegenüber allen anderen Versionen des zweiten Typus besteht darin, dass das Buch nicht auf einem Totenschädel aufliegt; obgleich in der Röntgenuntersuchung deutlich wird, dass es in diesem Bereich einige Modifikationen gegeben hat, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob ein Totenschädel vorgesehen war und dann weggelassen wurde. Nichtsdestotrotz hat Tizian in diesem Bereich Veränderungen vorgenommen, sodass es nachvollziehbar wäre, wenn er sich hier auf die Suche nach der besten Lösung begeben hätte. Das vorliegende Bild ist zudem schmäler als alle anderen Versionen des zweiten Typus. Tizian scheint dem Rechnung getragen zu haben, indem er die Vase links im Gegensatz zu allen anderen Fassungen gelängt und schmal zulaufend dargestellt hat.

Die Leinwand scheint viel gröber und weniger dicht gewebt als die der anderen Beispiele der büßenden Magdalena Tizians, und die Pinselführung ist entsprechend lockerer und pastoser. Als ein relativ kleinformatiges Gemälde auf einer Leinwand von einer Grobheit, die man eigentlich für ein großes Altarbild erwarten würde, ist diese Magdalenendarstellung Tizians ein ziemlich experimentelles Werk im Schaffen des Künstlers. Der Malgrund lässt sich jedoch exakt mit jenem des Bildnis eines bärtigen Mannes im Kunsthistorisches Museum (Inv. 76) vergleichen, das traditionell fälschlicherweise als Werk Roberto Strozzis identifiziert worden ist und das allgemein um 1560 datiert wird – also in ungefähr jenen Zeitraum, den Joannides für die vorliegende Maria Magdalena vorgeschlagen hat. Im Porträt des Kunsthistorischen Museums wurde die Leinwand offenbar so verwendet, dass der Faden vertikal läuft; hier verläuft er überraschenderweise horizontal. Da die Höhe des vorliegenden Gemäldes ungefähr der Breite des Porträts im Kunsthistorischen Museum entspricht, ist es möglich, dass die beiden Leinwände von demselben Ballen stammen – eine Hypothese, die jedoch durch eine technische Untersuchung zu belegen oder zu widerlegen wäre.

Nur wenige von Tizians Darstellungen der büßenden Magdalena lassen sich mit bestimmten Aufträgen in Verbindung bringen, was auch auf das vorliegende Bild zutrifft. Joannides vermutet in ihm ein zur Gänze eigenhändiges Werk, das wohl in Mitleidenschaft gezogen wurde, wobei die Gesichtszüge der Heiligen durch eine Restaurierung beeinträchtigt zu sein scheinen. Klarerweise lässt sich bei keinem Werk, von dem Tizian und seine Werkstatt eine derartige Vielzahl an Fassungen produziert haben, eine Werkstattbeteiligung ausschließen.

Für die Bezeichnung oder Signatur wurde statt TITIANUS die Schreibweise TICIANUS gewählt – eine Form, die Tizian um 1534 aufgegeben hatte. Dies könnte auch auf eine ungenaue Restaurierung zurückzuführen sein, außer man argumentiert, dass es sich um eine Bezeichnung von fremder Hand und nicht um eine Signatur handelt.

Die Landschaft unterscheidet sich relativ stark von jener der anderen Fassungen. Joannides schlägt vor, das Bild gleich nach der relativ nüchternen Version einzuordnen, die Ende 1561 an Philipp II. geschickt wurde (sie ist heute verloren, aber durch Kopien bekannt), kurz vor der freieren und opulenteren Candiani-Fassung, die sich mit einiger Sicherheit um 1563–1565 datieren lässt und offenbar eine sinnlichere Behandlung des Themas einleitet. Die Anordnung der Streifen unten links steht übrigens jener im verlorenen Gemälde für Philipp relativ nahe.

Die Infrarotuntersuchung zeigt ein kleines Pentiment im Zeigefinger der rechten Hand der Heiligen, der ursprünglich in einer etwas anderen Position erscheinen sollte. Auch bezüglich des Verhältnisses zwischen rechter Hand und Gewand scheint es an Entschlossenheit gemangelt zu haben. Der lila Ton des Bucheinbands unterscheidet sich in der Farbe ebenfalls von allen anderen Fassungen. Auf der vom Betrachter aus gesehen rechten Seite des Kopfes der Heiligen erscheint ein dunkler Schatten, der in der technischen Untersuchung nicht feststellbar ist. In diesem Bereich scheint es eine Untermalung mit einem Malmittel gegeben zu haben, das weder auf Röntgenstrahlen noch auf Infrarotlicht reagiert. Tizian mag daran gedacht haben, den Felsen hinter der Heiligen weiter nach rechts zu erweitern, wie in der in Neapel befindlichen Version des Jahres 1567.

Wir danken Paul Joannides für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Zusatzabbildung:
Auf der Infrarotabbildung ist ein kleines Pentimento im Bereich des Zeigefingers der rechten Hand der Heiligen zu erkennen, der zuvor in einer geringfügig veränderten Position angelegt wurde. Zudem scheint es kleine Unklarheiten bezüglich der Anlage der rechten Hand und der darunterliegenden Draperie zu geben. Der helle Violett-Ton des Bucheinbands unterscheidet sich ebenfalls von den anderen Versionen. Ein dunkler Schatten erscheint neben der vom Betrachter aus rechten Seite des Kopfes der Heiligen; die technische Analyse lässt jedoch nichts erkennen, sodass dieser Bereich möglicherweise mit einem Röntgen- und Infrarotstrahlen unempfänglichen Material untermalt worden sein könnte: Es besteht die Möglichkeit, dass Tizian, wie auch in der neapolitanischen Version von 1567, den Fels hinter der Magdalena weiter rechts auszudehnen gedachte.
© ]a[ NTK 2015 Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. M. Schreiner

Provenienz:
Europäische Privatsammlung

Wir danken Paul Joannides für die Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original und für seine Hilfe bei dessen Katalogisierung. Das vorliegende Werk scheint bisher nicht veröffentlicht worden zu sein.

Tizian schuf zahlreiche Fassungen der büßenden Maria Magdalena, wobei sich seine Darstellungen des Themas in zwei Grundtypen einteilen lassen. Die erste zwischen etwa 1530 und 1540 entstandene Reihe zeigt sie als von üppigem Haar bedeckte Aktfigur in einer Felsengrotte; es ist schwer feststellbar, ob es Tag oder Nacht ist – jedenfalls ist der Himmel sehr dunkel gehalten. Die Bildfindung des zweiten Typus datiert um 1550. Dort ist die Figur größtenteils bekleidet, und beide Brüste sind bedeckt; die Grotte, in der sie erscheint, ist weniger bedrückend und öffnet sich rechts zu einer wenn auch nicht immer kultivierten, so doch relativ einladenden Landschaft. Vom zweiten Typus, an dem Tizian über einen Zeitraum von mehr als einem Viertel Jahrhundert festhielt, gibt es bedeutend mehr Beispiele als vom ersten. Das letzte datiert aus dem Jahr 1573.

Das Bild der vorliegenden büßenden Magdalena weist eine geringere Höhe auf als alle anderen Fassungen des zweiten Typus, obgleich es nicht beschnitten erscheint; das nächst höhere ist die ehemals in der Sammlung Candiani befindliche Fassung. Der auffälligste Unterschied gegenüber allen anderen Versionen des zweiten Typus besteht darin, dass das Buch nicht auf einem Totenschädel aufliegt; obgleich in der Röntgenuntersuchung deutlich wird, dass es in diesem Bereich einige Modifikationen gegeben hat, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob ein Totenschädel vorgesehen war und dann weggelassen wurde. Nichtsdestotrotz hat Tizian in diesem Bereich Veränderungen vorgenommen, sodass es nachvollziehbar wäre, wenn er sich hier auf die Suche nach der besten Lösung begeben hätte.Das vorliegende Bild ist zudem schmäler als alle anderen Versionen des zweiten Typus. Tizian scheint dem Rechnung getragen zu haben, indem er die Vase links im Gegensatz zu allen anderen Fassungen gelängt und schmal zulaufend dargestellt hat.

Die Leinwand scheint viel gröber und weniger dicht gewebt als die der anderen Beispiele der büßenden Magdalena Tizians, und die Pinselführung ist entsprechend lockerer und pastoser. Als ein relativ kleinformatiges Gemälde auf einer Leinwand von einer Grobheit, die man eigentlich für ein großes Altarbild erwarten würde, ist diese Magdalenendarstellung Tizians ein ziemlich experimentelles Werk im Schaffen des Künstlers. Der Malgrund lässt sich jedoch exakt mit jenem des Bildnis eines bärtigen Mannes im Kunsthistorisches Museum (Inv. 76) vergleichen, das traditionell fälschlicherweise als Werk Roberto Strozzis identifiziert worden ist und das allgemein um 1560 datiert wird – also in ungefähr jenen Zeitraum, den Joannides für die vorliegende Maria Magdalena vorgeschlagen hat. Im Porträt des Kunsthistorischen Museums wurde die Leinwand offenbar so verwendet, dass der Faden vertikal läuft; hier verläuft er überraschenderweise horizontal. Da die Höhe des vorliegenden Gemäldes ungefähr der Breite des Porträts im Kunsthistorischen Museum entspricht, ist es möglich, dass die beiden Leinwände von demselben Ballen stammen – eine Hypothese, die jedoch durch eine technische Untersuchung zu belegen oder zu widerlegen wäre.

Nur wenige von Tizians Darstellungen der büßenden Magdalena lassen sich mit bestimmten Aufträgen in Verbindung bringen, was auch auf das vorliegende Bild zutrifft. Joannides vermutet in ihm ein zur Gänze eigenhändiges Werk, das wohl in Mitleidenschaft gezogen wurde, wobei die Gesichtszüge der Heiligen durch eine Restaurierung beeinträchtigt zu sein scheinen. Klarerweise lässt sich bei keinem Werk, von dem Tizian und seine Werkstatt eine derartige Vielzahl an Fassungen produziert haben, eine Werkstattbeteiligung ausschließen.

Für die Bezeichnung oder Signatur wurde statt TITIANUS die Schreibweise TICIANUS gewählt – eine Form, die Tizian um 1534 aufgegeben hatte. Dies könnte auch auf eine ungenaue Restaurierung zurückzuführen sein, außer man argumentiert, dass es sich um eine Bezeichnung von fremder Hand und nicht um eine Signatur handelt.

Die Landschaft unterscheidet sich relativ stark von jener der anderen Fassungen. Joannides schlägt vor, das Bild gleich nach der relativ nüchternen Version einzuordnen, die Ende 1561 an Philipp II. geschickt wurde (sie ist heute verloren, aber durch Kopien bekannt), kurz vor der freieren und opulenteren Candiani-Fassung, die sich mit einiger Sicherheit um 1563–1565 datieren lässt und offenbar eine sinnlichere Behandlung des Themas einleitet. Die Anordnung der Streifen unten links steht übrigens jener im verlorenen Gemälde für Philipp relativ nahe.

Die Infrarotuntersuchung zeigt ein kleines Pentiment im Zeigefinger der rechten Hand der Heiligen, der ursprünglich in einer etwas anderen Position erscheinen sollte. Auch bezüglich des Verhältnisses zwischen rechter Hand und Gewand scheint es an Entschlossenheit gemangelt zu haben. Der lila Ton des Bucheinbands unterscheidet sich in der Farbe ebenfalls von allen anderen Fassungen. Auf der vom Betrachter aus gesehen rechten Seite des Kopfes der Heiligen erscheint ein dunkler Schatten, der in der technischen Untersuchung nicht feststellbar ist. In diesem Bereich scheint es eine Untermalung mit einem Malmittel gegeben zu haben, das weder auf Röntgenstrahlen noch auf Infrarotlicht reagiert. Tizian mag daran gedacht haben, den Felsen hinter der Heiligen weiter nach rechts zu erweitern, wie in der in Neapel befindlichen Version des Jahres 1567.

Wir danken Paul Joannides für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Zusatzabbildung:
Infrarot reflectograph
<auf der="" infrarotabbildung="" ist="" ein="" kleines="" pentimento="" im="" bereich="" des="" zeigefingers="" rechten="" hand="" heiligen="" zu="" erkennen,="" zuvor="" in="" einer="" geringfügig="" veränderten="" position="" angelegt="" wurde.="" zudem="" scheint="" es="" kleine="" unklarheiten="" bezüglich="" anlage="" und="" darunterliegenden="" draperie="" geben.="" helle="" violett-ton="" bucheinbands="" unterscheidet="" sich="" ebenfalls="" von="" den="" anderen="" versionen.="" dunkler="" schatten="" erscheint="" neben="" vom="" betrachter="" aus="" seite="" kopfes="" heiligen;="" die="" technische="" analyse="" lässt="" jedoch="" nichts="" sodass="" dieser="" möglicherweise="" mit="" einem="" röntgen-="" infrarotstrahlen="" unempfänglichen="" material="" untermalt="" worden="" sein="" könnte:="" besteht="" möglichkeit,="" dass="" tizian,="" wie="" auch="" neapolitanischen="" version="" 1567,="" fels="" hinter="" magdalena="" weiter="" rechts="" auszudehnen="" gedachte.<br="">© ]a[ NTK 2015 Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. M. Schreiner</auf>

20.10.2015 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 176.600,-
Schätzwert:
EUR 200.000,- bis EUR 300.000,-

Tiziano Vecellio, gen. Titian und Werkstatt


(Pieve di Cadore, ca. 1485/90–1576 Venedig)
Die büßende Magdalena,
beschriftet Mitte links unten: TICIANUS,
Öl auf Leinwand, 100,5 x 80,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Europäische Privatsammlung

Wir danken Paul Joannides für die Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original und für seine Hilfe bei dessen Katalogisierung. Das vorliegende Werk scheint bisher nicht veröffentlicht worden zu sein.

Tizian schuf zahlreiche Fassungen der büßenden Maria Magdalena, wobei sich seine Darstellungen des Themas in zwei Grundtypen einteilen lassen. Die erste zwischen etwa 1530 und 1540 entstandene Reihe zeigt sie als von üppigem Haar bedeckte Aktfigur in einer Felsengrotte; es ist schwer feststellbar, ob es Tag oder Nacht ist – jedenfalls ist der Himmel sehr dunkel gehalten. Die Bildfindung des zweiten Typus datiert um 1550. Dort ist die Figur größtenteils bekleidet, und beide Brüste sind bedeckt; die Grotte, in der sie erscheint, ist weniger bedrückend und öffnet sich rechts zu einer wenn auch nicht immer kultivierten, so doch relativ einladenden Landschaft. Vom zweiten Typus, an dem Tizian über einen Zeitraum von mehr als einem Viertel Jahrhundert festhielt, gibt es bedeutend mehr Beispiele als vom ersten. Das letzte datiert aus dem Jahr 1573.

Das Bild der vorliegenden büßenden Magdalena weist eine geringere Höhe auf als alle anderen Fassungen des zweiten Typus, obgleich es nicht beschnitten erscheint; das nächst höhere ist die ehemals in der Sammlung Candiani befindliche Fassung. Der auffälligste Unterschied gegenüber allen anderen Versionen des zweiten Typus besteht darin, dass das Buch nicht auf einem Totenschädel aufliegt; obgleich in der Röntgenuntersuchung deutlich wird, dass es in diesem Bereich einige Modifikationen gegeben hat, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob ein Totenschädel vorgesehen war und dann weggelassen wurde. Nichtsdestotrotz hat Tizian in diesem Bereich Veränderungen vorgenommen, sodass es nachvollziehbar wäre, wenn er sich hier auf die Suche nach der besten Lösung begeben hätte. Das vorliegende Bild ist zudem schmäler als alle anderen Versionen des zweiten Typus. Tizian scheint dem Rechnung getragen zu haben, indem er die Vase links im Gegensatz zu allen anderen Fassungen gelängt und schmal zulaufend dargestellt hat.

Die Leinwand scheint viel gröber und weniger dicht gewebt als die der anderen Beispiele der büßenden Magdalena Tizians, und die Pinselführung ist entsprechend lockerer und pastoser. Als ein relativ kleinformatiges Gemälde auf einer Leinwand von einer Grobheit, die man eigentlich für ein großes Altarbild erwarten würde, ist diese Magdalenendarstellung Tizians ein ziemlich experimentelles Werk im Schaffen des Künstlers. Der Malgrund lässt sich jedoch exakt mit jenem des Bildnis eines bärtigen Mannes im Kunsthistorisches Museum (Inv. 76) vergleichen, das traditionell fälschlicherweise als Werk Roberto Strozzis identifiziert worden ist und das allgemein um 1560 datiert wird – also in ungefähr jenen Zeitraum, den Joannides für die vorliegende Maria Magdalena vorgeschlagen hat. Im Porträt des Kunsthistorischen Museums wurde die Leinwand offenbar so verwendet, dass der Faden vertikal läuft; hier verläuft er überraschenderweise horizontal. Da die Höhe des vorliegenden Gemäldes ungefähr der Breite des Porträts im Kunsthistorischen Museum entspricht, ist es möglich, dass die beiden Leinwände von demselben Ballen stammen – eine Hypothese, die jedoch durch eine technische Untersuchung zu belegen oder zu widerlegen wäre.

Nur wenige von Tizians Darstellungen der büßenden Magdalena lassen sich mit bestimmten Aufträgen in Verbindung bringen, was auch auf das vorliegende Bild zutrifft. Joannides vermutet in ihm ein zur Gänze eigenhändiges Werk, das wohl in Mitleidenschaft gezogen wurde, wobei die Gesichtszüge der Heiligen durch eine Restaurierung beeinträchtigt zu sein scheinen. Klarerweise lässt sich bei keinem Werk, von dem Tizian und seine Werkstatt eine derartige Vielzahl an Fassungen produziert haben, eine Werkstattbeteiligung ausschließen.

Für die Bezeichnung oder Signatur wurde statt TITIANUS die Schreibweise TICIANUS gewählt – eine Form, die Tizian um 1534 aufgegeben hatte. Dies könnte auch auf eine ungenaue Restaurierung zurückzuführen sein, außer man argumentiert, dass es sich um eine Bezeichnung von fremder Hand und nicht um eine Signatur handelt.

Die Landschaft unterscheidet sich relativ stark von jener der anderen Fassungen. Joannides schlägt vor, das Bild gleich nach der relativ nüchternen Version einzuordnen, die Ende 1561 an Philipp II. geschickt wurde (sie ist heute verloren, aber durch Kopien bekannt), kurz vor der freieren und opulenteren Candiani-Fassung, die sich mit einiger Sicherheit um 1563–1565 datieren lässt und offenbar eine sinnlichere Behandlung des Themas einleitet. Die Anordnung der Streifen unten links steht übrigens jener im verlorenen Gemälde für Philipp relativ nahe.

Die Infrarotuntersuchung zeigt ein kleines Pentiment im Zeigefinger der rechten Hand der Heiligen, der ursprünglich in einer etwas anderen Position erscheinen sollte. Auch bezüglich des Verhältnisses zwischen rechter Hand und Gewand scheint es an Entschlossenheit gemangelt zu haben. Der lila Ton des Bucheinbands unterscheidet sich in der Farbe ebenfalls von allen anderen Fassungen. Auf der vom Betrachter aus gesehen rechten Seite des Kopfes der Heiligen erscheint ein dunkler Schatten, der in der technischen Untersuchung nicht feststellbar ist. In diesem Bereich scheint es eine Untermalung mit einem Malmittel gegeben zu haben, das weder auf Röntgenstrahlen noch auf Infrarotlicht reagiert. Tizian mag daran gedacht haben, den Felsen hinter der Heiligen weiter nach rechts zu erweitern, wie in der in Neapel befindlichen Version des Jahres 1567.

Wir danken Paul Joannides für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Zusatzabbildung:
Auf der Infrarotabbildung ist ein kleines Pentimento im Bereich des Zeigefingers der rechten Hand der Heiligen zu erkennen, der zuvor in einer geringfügig veränderten Position angelegt wurde. Zudem scheint es kleine Unklarheiten bezüglich der Anlage der rechten Hand und der darunterliegenden Draperie zu geben. Der helle Violett-Ton des Bucheinbands unterscheidet sich ebenfalls von den anderen Versionen. Ein dunkler Schatten erscheint neben der vom Betrachter aus rechten Seite des Kopfes der Heiligen; die technische Analyse lässt jedoch nichts erkennen, sodass dieser Bereich möglicherweise mit einem Röntgen- und Infrarotstrahlen unempfänglichen Material untermalt worden sein könnte: Es besteht die Möglichkeit, dass Tizian, wie auch in der neapolitanischen Version von 1567, den Fels hinter der Magdalena weiter rechts auszudehnen gedachte.
© ]a[ NTK 2015 Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. M. Schreiner

Provenienz:
Europäische Privatsammlung

Wir danken Paul Joannides für die Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original und für seine Hilfe bei dessen Katalogisierung. Das vorliegende Werk scheint bisher nicht veröffentlicht worden zu sein.

Tizian schuf zahlreiche Fassungen der büßenden Maria Magdalena, wobei sich seine Darstellungen des Themas in zwei Grundtypen einteilen lassen. Die erste zwischen etwa 1530 und 1540 entstandene Reihe zeigt sie als von üppigem Haar bedeckte Aktfigur in einer Felsengrotte; es ist schwer feststellbar, ob es Tag oder Nacht ist – jedenfalls ist der Himmel sehr dunkel gehalten. Die Bildfindung des zweiten Typus datiert um 1550. Dort ist die Figur größtenteils bekleidet, und beide Brüste sind bedeckt; die Grotte, in der sie erscheint, ist weniger bedrückend und öffnet sich rechts zu einer wenn auch nicht immer kultivierten, so doch relativ einladenden Landschaft. Vom zweiten Typus, an dem Tizian über einen Zeitraum von mehr als einem Viertel Jahrhundert festhielt, gibt es bedeutend mehr Beispiele als vom ersten. Das letzte datiert aus dem Jahr 1573.

Das Bild der vorliegenden büßenden Magdalena weist eine geringere Höhe auf als alle anderen Fassungen des zweiten Typus, obgleich es nicht beschnitten erscheint; das nächst höhere ist die ehemals in der Sammlung Candiani befindliche Fassung. Der auffälligste Unterschied gegenüber allen anderen Versionen des zweiten Typus besteht darin, dass das Buch nicht auf einem Totenschädel aufliegt; obgleich in der Röntgenuntersuchung deutlich wird, dass es in diesem Bereich einige Modifikationen gegeben hat, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob ein Totenschädel vorgesehen war und dann weggelassen wurde. Nichtsdestotrotz hat Tizian in diesem Bereich Veränderungen vorgenommen, sodass es nachvollziehbar wäre, wenn er sich hier auf die Suche nach der besten Lösung begeben hätte.Das vorliegende Bild ist zudem schmäler als alle anderen Versionen des zweiten Typus. Tizian scheint dem Rechnung getragen zu haben, indem er die Vase links im Gegensatz zu allen anderen Fassungen gelängt und schmal zulaufend dargestellt hat.

Die Leinwand scheint viel gröber und weniger dicht gewebt als die der anderen Beispiele der büßenden Magdalena Tizians, und die Pinselführung ist entsprechend lockerer und pastoser. Als ein relativ kleinformatiges Gemälde auf einer Leinwand von einer Grobheit, die man eigentlich für ein großes Altarbild erwarten würde, ist diese Magdalenendarstellung Tizians ein ziemlich experimentelles Werk im Schaffen des Künstlers. Der Malgrund lässt sich jedoch exakt mit jenem des Bildnis eines bärtigen Mannes im Kunsthistorisches Museum (Inv. 76) vergleichen, das traditionell fälschlicherweise als Werk Roberto Strozzis identifiziert worden ist und das allgemein um 1560 datiert wird – also in ungefähr jenen Zeitraum, den Joannides für die vorliegende Maria Magdalena vorgeschlagen hat. Im Porträt des Kunsthistorischen Museums wurde die Leinwand offenbar so verwendet, dass der Faden vertikal läuft; hier verläuft er überraschenderweise horizontal. Da die Höhe des vorliegenden Gemäldes ungefähr der Breite des Porträts im Kunsthistorischen Museum entspricht, ist es möglich, dass die beiden Leinwände von demselben Ballen stammen – eine Hypothese, die jedoch durch eine technische Untersuchung zu belegen oder zu widerlegen wäre.

Nur wenige von Tizians Darstellungen der büßenden Magdalena lassen sich mit bestimmten Aufträgen in Verbindung bringen, was auch auf das vorliegende Bild zutrifft. Joannides vermutet in ihm ein zur Gänze eigenhändiges Werk, das wohl in Mitleidenschaft gezogen wurde, wobei die Gesichtszüge der Heiligen durch eine Restaurierung beeinträchtigt zu sein scheinen. Klarerweise lässt sich bei keinem Werk, von dem Tizian und seine Werkstatt eine derartige Vielzahl an Fassungen produziert haben, eine Werkstattbeteiligung ausschließen.

Für die Bezeichnung oder Signatur wurde statt TITIANUS die Schreibweise TICIANUS gewählt – eine Form, die Tizian um 1534 aufgegeben hatte. Dies könnte auch auf eine ungenaue Restaurierung zurückzuführen sein, außer man argumentiert, dass es sich um eine Bezeichnung von fremder Hand und nicht um eine Signatur handelt.

Die Landschaft unterscheidet sich relativ stark von jener der anderen Fassungen. Joannides schlägt vor, das Bild gleich nach der relativ nüchternen Version einzuordnen, die Ende 1561 an Philipp II. geschickt wurde (sie ist heute verloren, aber durch Kopien bekannt), kurz vor der freieren und opulenteren Candiani-Fassung, die sich mit einiger Sicherheit um 1563–1565 datieren lässt und offenbar eine sinnlichere Behandlung des Themas einleitet. Die Anordnung der Streifen unten links steht übrigens jener im verlorenen Gemälde für Philipp relativ nahe.

Die Infrarotuntersuchung zeigt ein kleines Pentiment im Zeigefinger der rechten Hand der Heiligen, der ursprünglich in einer etwas anderen Position erscheinen sollte. Auch bezüglich des Verhältnisses zwischen rechter Hand und Gewand scheint es an Entschlossenheit gemangelt zu haben. Der lila Ton des Bucheinbands unterscheidet sich in der Farbe ebenfalls von allen anderen Fassungen. Auf der vom Betrachter aus gesehen rechten Seite des Kopfes der Heiligen erscheint ein dunkler Schatten, der in der technischen Untersuchung nicht feststellbar ist. In diesem Bereich scheint es eine Untermalung mit einem Malmittel gegeben zu haben, das weder auf Röntgenstrahlen noch auf Infrarotlicht reagiert. Tizian mag daran gedacht haben, den Felsen hinter der Heiligen weiter nach rechts zu erweitern, wie in der in Neapel befindlichen Version des Jahres 1567.

Wir danken Paul Joannides für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Zusatzabbildung:
Infrarot reflectograph
<auf der="" infrarotabbildung="" ist="" ein="" kleines="" pentimento="" im="" bereich="" des="" zeigefingers="" rechten="" hand="" heiligen="" zu="" erkennen,="" zuvor="" in="" einer="" geringfügig="" veränderten="" position="" angelegt="" wurde.="" zudem="" scheint="" es="" kleine="" unklarheiten="" bezüglich="" anlage="" und="" darunterliegenden="" draperie="" geben.="" helle="" violett-ton="" bucheinbands="" unterscheidet="" sich="" ebenfalls="" von="" den="" anderen="" versionen.="" dunkler="" schatten="" erscheint="" neben="" vom="" betrachter="" aus="" seite="" kopfes="" heiligen;="" die="" technische="" analyse="" lässt="" jedoch="" nichts="" sodass="" dieser="" möglicherweise="" mit="" einem="" röntgen-="" infrarotstrahlen="" unempfänglichen="" material="" untermalt="" worden="" sein="" könnte:="" besteht="" möglichkeit,="" dass="" tizian,="" wie="" auch="" neapolitanischen="" version="" 1567,="" fels="" hinter="" magdalena="" weiter="" rechts="" auszudehnen="" gedachte.<br="">© ]a[ NTK 2015 Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. M. Schreiner</auf>


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 20.10.2015 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 10.10. - 20.10.2015


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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