Lot Nr. 64


Giuseppe Bartolomeo Chiari


Giuseppe Bartolomeo Chiari - Alte Meister

(Lucca oder Rom 1654–1727 Rom)
Rinaldo und Armida im Zauberwald,
Öl auf Leinwand, 190 x 260 cm, gerahmt

Provenienz:
Europäische Privatsammlung

Wir danken Giancarlo Sestieri für die Zuschreibung und seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Giuseppe Bartolomeo Chiari war ein Schüler Carlo Marattis und eignete sich dessen Malstil an, den er bis weit in die 1720er-Jahre in einer weicheren und eleganteren Ausprägung des Klassizismus pflegte. Pascoli zufolge kam Chiari im Alter von zehn Jahren bei dem Maler und Kunsthändler Carlantonio Galliani in die Lehre, bevor er 1666 in die Werkstatt Marattis in Rom eintrat (siehe L. Pascoli, Vite (1730–1736), II, S. 209–217). Sein erster öffentlicher Auftrag umfasste Gemälde an den Seitenwänden der Kapelle der Marcaccioni in Santa Maria del Suffragio in Rom (Die Geburt Mariens; Die Anbetung der Könige) und war ihm nach dem Tod Niccolò Berrettonis (1637–1682) übertragen worden, der ursprünglich mit deren Ausführung betraut worden war. Dadurch machte sich Chiari einen Ruf und konnte in der Folge zahlreiche römische Adelsfamilien und Rombesucher aus dem Ausland als Auftraggeber gewinnen. In den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts wurde Papst Klemens XI. zu Chiaris wichtigstem Förderer. Päpstliche Aufträge beinhalteten das große Deckenbild im Hauptschiff von San Clemente, das auf Leinwand gemalt wurde und die Verherrlichung des heiligen Klemens (um 1715) darstellt, sowie eines von zwölf Ovalgemälden der Propheten des Alten Testaments, die 1718 für das Mittelschiff von San Giovanni in Laterano beauftragt wurden. Chiari war von 1722 bis 1725 Principe der Accademia di San Luca in Rom.

Die hier dargestellte Szene bezieht sich auf eine Episode in Torquato Tassos Gerusalemme Liberata (Das befreite Jerusalem, XVI: 17–23). Die Protagonisten sind Rinaldo und Armida: Der dem christlichen Glauben angehörige Prinz wird aus Rache von der jungen, schönen Zauberin entführt. Sie wurde von Satan entsandt, der auf Seite der Sarazenen steht. Armida bringt Rinaldo auf die Isola Felice, und die beiden verlieben sich ineinander.

Chiari variiert die übliche Darstellung der Szene, in welcher der Held laut Tassos Erzählung Armida einen Spiegel vorhält, sodass das Paar seine von der Ekstase der Liebe gezeichneten Gesichter betrachten kann. Hier ist stattdessen die am Boden sitzende Armida zu sehen, die ihr Haar mit Perlensträngen schmückt, die ihr ein Putto auf einem Tablett reicht. Rinaldo, der immer noch das Gewand des Kriegers trägt, liegt vor ihr und schenkt ihr einen Edelstein.

Im rechten Vordergrund halten zwei Putten einen mit Pfeilen gefüllten Köcher, dem Symbol der blinden Liebe, die über das junge Paar hereingebrochen ist. Im Blattwerk des Waldes im Hintergrund sehen wir zwei Ritter, die aufgebrochen sind, um Rinaldo zu suchen. Stattdessen finden sie zwei eng umschlungene Liebende an einem Seeufer. Im linken Hintergrund erscheint Armidas Palast. Sehr bald schon wird dieses Idyll abrupt unterbrochen: Der von seinen Kameraden auf die Erde zurückgeholte Rinaldo wird Armida verlassen. Sie wird ihn anflehen zu bleiben, wobei ihre Bitten schließlich in Flüche übergehen.

Die von Torquato Tasso in Abwandlung von Virgils Geschichte von Aeneas und Dido erzählte Episode war ein beliebtes Bildthema in der von einer Begeisterung für „Arkadien“ geprägten Zeit des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts. Dies galt vor allem für Rom, wo Königin Christina von Schweden einen entsprechenden Kult in der Kunst wiederbelebt hatte. Angestrebt wurde eine Rückkehr zur Einfachheit der Natur und zu einer unverdorbenen Menschheit, was 1690 zur Gründung der Accademia dell’Arcadia führte, die derartige Ziele verfolgte.

Die Episode des Liebespaars Rinaldo und Armida auf einer unberührten Insel bot sich als Thema für die Schaffung solch idealisierter Zufluchtsorte auf der Leinwand, fernab der Realität, an. Derartige Gemälde wurden von den kultiviertesten Sammlern der damaligen Zeit, darunter freizügige Geistliche wie die Kardinäle Ottoboni und Spada, hochgeschätzt. In der Galleria Spada in Rom befinden sich vier auf Ovids Metamorphosen beruhende mythologische Themen, die Kardinal Fabrizio Spada Varalli (1642–1717) 1708 bei Chiari in Auftrag gegeben hatte. Sie stehen beispielhaft für Tendenzen in der Kunst und Literatur der damaligen Zeit, für die sich Chiari als vorbildhafter Vermittler erwies.

21.04.2015 - 18:00

Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Giuseppe Bartolomeo Chiari


(Lucca oder Rom 1654–1727 Rom)
Rinaldo und Armida im Zauberwald,
Öl auf Leinwand, 190 x 260 cm, gerahmt

Provenienz:
Europäische Privatsammlung

Wir danken Giancarlo Sestieri für die Zuschreibung und seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Giuseppe Bartolomeo Chiari war ein Schüler Carlo Marattis und eignete sich dessen Malstil an, den er bis weit in die 1720er-Jahre in einer weicheren und eleganteren Ausprägung des Klassizismus pflegte. Pascoli zufolge kam Chiari im Alter von zehn Jahren bei dem Maler und Kunsthändler Carlantonio Galliani in die Lehre, bevor er 1666 in die Werkstatt Marattis in Rom eintrat (siehe L. Pascoli, Vite (1730–1736), II, S. 209–217). Sein erster öffentlicher Auftrag umfasste Gemälde an den Seitenwänden der Kapelle der Marcaccioni in Santa Maria del Suffragio in Rom (Die Geburt Mariens; Die Anbetung der Könige) und war ihm nach dem Tod Niccolò Berrettonis (1637–1682) übertragen worden, der ursprünglich mit deren Ausführung betraut worden war. Dadurch machte sich Chiari einen Ruf und konnte in der Folge zahlreiche römische Adelsfamilien und Rombesucher aus dem Ausland als Auftraggeber gewinnen. In den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts wurde Papst Klemens XI. zu Chiaris wichtigstem Förderer. Päpstliche Aufträge beinhalteten das große Deckenbild im Hauptschiff von San Clemente, das auf Leinwand gemalt wurde und die Verherrlichung des heiligen Klemens (um 1715) darstellt, sowie eines von zwölf Ovalgemälden der Propheten des Alten Testaments, die 1718 für das Mittelschiff von San Giovanni in Laterano beauftragt wurden. Chiari war von 1722 bis 1725 Principe der Accademia di San Luca in Rom.

Die hier dargestellte Szene bezieht sich auf eine Episode in Torquato Tassos Gerusalemme Liberata (Das befreite Jerusalem, XVI: 17–23). Die Protagonisten sind Rinaldo und Armida: Der dem christlichen Glauben angehörige Prinz wird aus Rache von der jungen, schönen Zauberin entführt. Sie wurde von Satan entsandt, der auf Seite der Sarazenen steht. Armida bringt Rinaldo auf die Isola Felice, und die beiden verlieben sich ineinander.

Chiari variiert die übliche Darstellung der Szene, in welcher der Held laut Tassos Erzählung Armida einen Spiegel vorhält, sodass das Paar seine von der Ekstase der Liebe gezeichneten Gesichter betrachten kann. Hier ist stattdessen die am Boden sitzende Armida zu sehen, die ihr Haar mit Perlensträngen schmückt, die ihr ein Putto auf einem Tablett reicht. Rinaldo, der immer noch das Gewand des Kriegers trägt, liegt vor ihr und schenkt ihr einen Edelstein.

Im rechten Vordergrund halten zwei Putten einen mit Pfeilen gefüllten Köcher, dem Symbol der blinden Liebe, die über das junge Paar hereingebrochen ist. Im Blattwerk des Waldes im Hintergrund sehen wir zwei Ritter, die aufgebrochen sind, um Rinaldo zu suchen. Stattdessen finden sie zwei eng umschlungene Liebende an einem Seeufer. Im linken Hintergrund erscheint Armidas Palast. Sehr bald schon wird dieses Idyll abrupt unterbrochen: Der von seinen Kameraden auf die Erde zurückgeholte Rinaldo wird Armida verlassen. Sie wird ihn anflehen zu bleiben, wobei ihre Bitten schließlich in Flüche übergehen.

Die von Torquato Tasso in Abwandlung von Virgils Geschichte von Aeneas und Dido erzählte Episode war ein beliebtes Bildthema in der von einer Begeisterung für „Arkadien“ geprägten Zeit des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts. Dies galt vor allem für Rom, wo Königin Christina von Schweden einen entsprechenden Kult in der Kunst wiederbelebt hatte. Angestrebt wurde eine Rückkehr zur Einfachheit der Natur und zu einer unverdorbenen Menschheit, was 1690 zur Gründung der Accademia dell’Arcadia führte, die derartige Ziele verfolgte.

Die Episode des Liebespaars Rinaldo und Armida auf einer unberührten Insel bot sich als Thema für die Schaffung solch idealisierter Zufluchtsorte auf der Leinwand, fernab der Realität, an. Derartige Gemälde wurden von den kultiviertesten Sammlern der damaligen Zeit, darunter freizügige Geistliche wie die Kardinäle Ottoboni und Spada, hochgeschätzt. In der Galleria Spada in Rom befinden sich vier auf Ovids Metamorphosen beruhende mythologische Themen, die Kardinal Fabrizio Spada Varalli (1642–1717) 1708 bei Chiari in Auftrag gegeben hatte. Sie stehen beispielhaft für Tendenzen in der Kunst und Literatur der damaligen Zeit, für die sich Chiari als vorbildhafter Vermittler erwies.


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old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 21.04.2015 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 11.04. - 21.04.2015

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