Lot Nr. 109


Pietro Antonio Rotari


Pietro Antonio Rotari - Alte Meister

(Verona 1707–1762 St. Petersburg)
Idealisiertes Bildnis einer jungen Frau mit Haube,
Öl auf Leinwand, 45 x 34,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion Christies Rom, 8. März 1990, Lot 119;
Europäische Privatsammlung

Das vorliegende Bildnis zählt zu den Darstellungen junger Frauen, durch die Rotari zu europäischem Ruhm gelangte. Für die Höfe in Dresden, Wien und Sankt Petersburg schuf der Künstler zahlreiche solcher typenhafter Kopfstudien, die gleichermaßen wegen ihres Sentiments und ihrer malerischen Brillanz begeisterten. Bereits in seinen Apostelköpfen aus frühen Jahren bemühte sich der Künstler um eine Differenziertheit in der Darstellung der Temperamente und um eine Vielfalt des Ausdrucks. Die religiöse und Historienmalerei hinter sich lassend entwickelte Rotari ein ganz eigenständiges Genre, ein Spiel der Gefühle, raffiniert, galant, sich immer an die Etikette haltend, geprägt von anmutiger Weiblichkeit. Dies entsprach genau dem ästhetischen Bedürfnis in Russland in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Rotari folgte nach Aufenthalten in Wien und Dresden 1756 einer Einladung nach Russland, angezogen vom Reichtum und Glanz des Petersburger Hofes, dem „neuen Byzanz“, reicher als Dresden und noch im Aufbau begriffen. Er wurde Hofmaler Zarin Elisabeths I., die keine Ausgaben scheute, ihn am Hof zu halten. Rotari erhielt den Auftrag, für das Kabinett der Moden und Grazien Bildnisse junger Frauen anzufertigen, welche die Vielfalt der Völker Russlands abbilden sollten. Im Zuge dieses Auftrages schuf Rotaris nicht nur 360 Bilder bürgerlicher Russinnen für Elisabeth, sondern außerdem zusätzliche 50, die sie an die Petersburger Akademie der Künste verschenkte. Elisabeths Bilder waren für Schloss Peterhof bestimmt, heute finden sich ca. 40 der Werke in Schloss Archangelskoje (siehe Abb. 1, Lot 110). Auch bei Peter III. und Katharina II. war er in Gunst - er porträtierte sie und sie kaufte später seine Porträtserien, um damit einen Saal in Peterhof auszuschmücken. Die idealisierten Porträts beeindruckten durch ihr Vermögen, alle Schattierungen der Seele gemeinsam mit einer delikaten Mondanität auszudrücken. Die Dekoration des zentrales Galasaals in Schloss Peterhof war eine Idee würdig einer jungen und brillanten Monarchin, die an ihrem eigenen Hof die raffinierte europäische Etikette einführen wollte.

Anders als die Frauenbildnisse Liotards, die alle Porträts sind und auch als jene Rosalba Carrieras, die wiederum Allegorien oder Porträts sind, sind Rotaris Dargestellte ohne präzise Identität. Es handelt sich um „Seelenmalerei“, wie sie theoretisch von Charles Le Brun für die französische Akademie im Handwörterbuch der Seelenmahlerei beschrieben wurde. In Russland werden die Bilder dieses neuen Genres „Leidenschaften“ („Настроения“) genannt. Oft drücken die Frauenbildnisse einen Moment im alltäglichen Leben aus: die junge Braut mit einem Orangenzweig im Haar, die Kranke, die Spinnerin, die Näherin, die Schlafende. Aber was sie am meisten charakterisiert und unterscheidet ist der raffinierte und differenzierte Ausdruck im Blick: meist ist die Pupille erweitert, ein Ausdruck reger Anteilnahme im psychologischen Moment. Manchmal ist der Ausdruck tendenziell listig, manchmal schläfrig, kokett, sanft leidend, manchmal ist der Blick fragend oder auf eine vage, angenehme Vision gerichtet. Die graziösen Protagonistinnen sind fast immer nach der Natur in ihrer nationalen Tracht porträtiert und repräsentieren unterschiedliche soziale Schichten: die anmutige Dienerin, die reizende Magd, die Bäuerin in bescheidener Kleidung, das Hoffräulein mit luxuriösem Pelz. Manchmal tragen die Mädchen ein geknotetes Kopftuch, eine Schapka oder eine Haube – wie hier im vorliegenden Bild. Die junge Frau ist in porzellanartiger Malweise in kühlen Farbentönen wiedergegeben, die Kopfbedeckung umspielt das Gesicht, der Blick ist herausfordernd. Die technische und kompositorische Qualität entspricht Rotaris höchstem Schaffensniveau. Ähnlichkeiten zum vorliegenden Bild finden sich in der Jungen Frau mit Haube und Halsband, Eremitage, St. Petersburg und in einigen Bildnissen junger Frauen in Schloss Peterhof (vgl. M. Polazzo, Pietro Rotari, pittore veronese del settecento [1707–1762], Negrar, 1990, S. 88-126).

Pietro Rotari stammte aus einer vornehmen adligen Familie und studierte zunächst Malerei nur zum Zeitvertreib. Er nahm Unterricht bei Antonio Balestra in Verona, später reiste er nach Venedig und Rom, wo er Schüler Francesco Trevisanis wurde. Zwischen 1731 und 1734 war er in Neapel in der Werkstatt Francesco Solimenas. Zurückgekehrt nach Verona gründete er eine eigene Werkstatt und verdiente sich einen Ruf als Maler vielfiguriger Altartafeln, in die er Einflüsse der römischen und neapolitanischen Malerei des 17. Jahrhunderts einfließen ließ. Um 1751 reiste er nach Wien, wo er die Werke Jean-Etienne Liotards studieren konnte, dessen klare, malerische Glätte ihn beeindruckte und seine nachfolgenden Arbeiten nachhaltig beeinflusste. Er schuf dort Porträts für Mitglieder des Hauses Sachsen und Gemälde für die Kaiserin Maria Theresia. Von Wien aus reiste er weiter nach Dresden an den Hof von Friedrich August III., der gleichzeitig König von Polen war. Rotari spezialisierte sich auf Porträts und in dieser Zeit treten die „Charakterköpfe“ in Erscheinung, für die der Künstler heute vor allem bekannt ist. Nach Dresden reiste er weiter an den russischen Hof. Das Haus Rotaris in St. Petersburg wurde innerhalb kurzer Zeit zu einer Sehenswürdigkeit und die Besichtigung seines Wohnsitzes war Teil des Besichtigungsprogrammes der Hauptstadt für Gäste hohen Ranges. Er übte großen Einfluss auf die russische Porträtmalerei aus und gründete eine Privatschule, wo er Schüler unterrichtete, unter anderem den französischen Maler Louis Tocqué und die russischen Maler Fjodor Rokotov und Alexej Antropov.

Provenienz:
Auktion Christies Rom, 8. März 1990, Lot 119;
Europäische Privatsammlung
Das vorliegende Bildnis zählt zu den Darstellungen junger Frauen, durch die Rotari zu europäischem Ruhm gelangte. Für die Höfe in Dresden, Wien und

21.10.2014 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 87.500,-
Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Pietro Antonio Rotari


(Verona 1707–1762 St. Petersburg)
Idealisiertes Bildnis einer jungen Frau mit Haube,
Öl auf Leinwand, 45 x 34,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion Christies Rom, 8. März 1990, Lot 119;
Europäische Privatsammlung

Das vorliegende Bildnis zählt zu den Darstellungen junger Frauen, durch die Rotari zu europäischem Ruhm gelangte. Für die Höfe in Dresden, Wien und Sankt Petersburg schuf der Künstler zahlreiche solcher typenhafter Kopfstudien, die gleichermaßen wegen ihres Sentiments und ihrer malerischen Brillanz begeisterten. Bereits in seinen Apostelköpfen aus frühen Jahren bemühte sich der Künstler um eine Differenziertheit in der Darstellung der Temperamente und um eine Vielfalt des Ausdrucks. Die religiöse und Historienmalerei hinter sich lassend entwickelte Rotari ein ganz eigenständiges Genre, ein Spiel der Gefühle, raffiniert, galant, sich immer an die Etikette haltend, geprägt von anmutiger Weiblichkeit. Dies entsprach genau dem ästhetischen Bedürfnis in Russland in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Rotari folgte nach Aufenthalten in Wien und Dresden 1756 einer Einladung nach Russland, angezogen vom Reichtum und Glanz des Petersburger Hofes, dem „neuen Byzanz“, reicher als Dresden und noch im Aufbau begriffen. Er wurde Hofmaler Zarin Elisabeths I., die keine Ausgaben scheute, ihn am Hof zu halten. Rotari erhielt den Auftrag, für das Kabinett der Moden und Grazien Bildnisse junger Frauen anzufertigen, welche die Vielfalt der Völker Russlands abbilden sollten. Im Zuge dieses Auftrages schuf Rotaris nicht nur 360 Bilder bürgerlicher Russinnen für Elisabeth, sondern außerdem zusätzliche 50, die sie an die Petersburger Akademie der Künste verschenkte. Elisabeths Bilder waren für Schloss Peterhof bestimmt, heute finden sich ca. 40 der Werke in Schloss Archangelskoje (siehe Abb. 1, Lot 110). Auch bei Peter III. und Katharina II. war er in Gunst - er porträtierte sie und sie kaufte später seine Porträtserien, um damit einen Saal in Peterhof auszuschmücken. Die idealisierten Porträts beeindruckten durch ihr Vermögen, alle Schattierungen der Seele gemeinsam mit einer delikaten Mondanität auszudrücken. Die Dekoration des zentrales Galasaals in Schloss Peterhof war eine Idee würdig einer jungen und brillanten Monarchin, die an ihrem eigenen Hof die raffinierte europäische Etikette einführen wollte.

Anders als die Frauenbildnisse Liotards, die alle Porträts sind und auch als jene Rosalba Carrieras, die wiederum Allegorien oder Porträts sind, sind Rotaris Dargestellte ohne präzise Identität. Es handelt sich um „Seelenmalerei“, wie sie theoretisch von Charles Le Brun für die französische Akademie im Handwörterbuch der Seelenmahlerei beschrieben wurde. In Russland werden die Bilder dieses neuen Genres „Leidenschaften“ („Настроения“) genannt. Oft drücken die Frauenbildnisse einen Moment im alltäglichen Leben aus: die junge Braut mit einem Orangenzweig im Haar, die Kranke, die Spinnerin, die Näherin, die Schlafende. Aber was sie am meisten charakterisiert und unterscheidet ist der raffinierte und differenzierte Ausdruck im Blick: meist ist die Pupille erweitert, ein Ausdruck reger Anteilnahme im psychologischen Moment. Manchmal ist der Ausdruck tendenziell listig, manchmal schläfrig, kokett, sanft leidend, manchmal ist der Blick fragend oder auf eine vage, angenehme Vision gerichtet. Die graziösen Protagonistinnen sind fast immer nach der Natur in ihrer nationalen Tracht porträtiert und repräsentieren unterschiedliche soziale Schichten: die anmutige Dienerin, die reizende Magd, die Bäuerin in bescheidener Kleidung, das Hoffräulein mit luxuriösem Pelz. Manchmal tragen die Mädchen ein geknotetes Kopftuch, eine Schapka oder eine Haube – wie hier im vorliegenden Bild. Die junge Frau ist in porzellanartiger Malweise in kühlen Farbentönen wiedergegeben, die Kopfbedeckung umspielt das Gesicht, der Blick ist herausfordernd. Die technische und kompositorische Qualität entspricht Rotaris höchstem Schaffensniveau. Ähnlichkeiten zum vorliegenden Bild finden sich in der Jungen Frau mit Haube und Halsband, Eremitage, St. Petersburg und in einigen Bildnissen junger Frauen in Schloss Peterhof (vgl. M. Polazzo, Pietro Rotari, pittore veronese del settecento [1707–1762], Negrar, 1990, S. 88-126).

Pietro Rotari stammte aus einer vornehmen adligen Familie und studierte zunächst Malerei nur zum Zeitvertreib. Er nahm Unterricht bei Antonio Balestra in Verona, später reiste er nach Venedig und Rom, wo er Schüler Francesco Trevisanis wurde. Zwischen 1731 und 1734 war er in Neapel in der Werkstatt Francesco Solimenas. Zurückgekehrt nach Verona gründete er eine eigene Werkstatt und verdiente sich einen Ruf als Maler vielfiguriger Altartafeln, in die er Einflüsse der römischen und neapolitanischen Malerei des 17. Jahrhunderts einfließen ließ. Um 1751 reiste er nach Wien, wo er die Werke Jean-Etienne Liotards studieren konnte, dessen klare, malerische Glätte ihn beeindruckte und seine nachfolgenden Arbeiten nachhaltig beeinflusste. Er schuf dort Porträts für Mitglieder des Hauses Sachsen und Gemälde für die Kaiserin Maria Theresia. Von Wien aus reiste er weiter nach Dresden an den Hof von Friedrich August III., der gleichzeitig König von Polen war. Rotari spezialisierte sich auf Porträts und in dieser Zeit treten die „Charakterköpfe“ in Erscheinung, für die der Künstler heute vor allem bekannt ist. Nach Dresden reiste er weiter an den russischen Hof. Das Haus Rotaris in St. Petersburg wurde innerhalb kurzer Zeit zu einer Sehenswürdigkeit und die Besichtigung seines Wohnsitzes war Teil des Besichtigungsprogrammes der Hauptstadt für Gäste hohen Ranges. Er übte großen Einfluss auf die russische Porträtmalerei aus und gründete eine Privatschule, wo er Schüler unterrichtete, unter anderem den französischen Maler Louis Tocqué und die russischen Maler Fjodor Rokotov und Alexej Antropov.

Provenienz:
Auktion Christies Rom, 8. März 1990, Lot 119;
Europäische Privatsammlung
Das vorliegende Bildnis zählt zu den Darstellungen junger Frauen, durch die Rotari zu europäischem Ruhm gelangte. Für die Höfe in Dresden, Wien und


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old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 21.10.2014 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 11.10. - 21.10.2014


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