Lot Nr. 83


Zugeschrieben an Jacopo da Pontormo und Werkstatt


Zugeschrieben an Jacopo da Pontormo und Werkstatt - Alte Meister

(Pontormo 1494–1556 Florenz)
Madonna mit Kind, der Heiligen Elisabeth und dem Johannesknaben, ca. 1518,
Öl auf Holz, 121 x 93,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Severino Spinelli, Florenz, bis 1928;
Auktion Spinelli, Galleria Bellini, Florenz, 23.–26. April 1934, Kat. Nr. 150;
vom Großvater des heutigen Besitzers 1934 erworben;
seitdem im Erbgang innerhalb einer österreichischen Privatsammlung

Literatur:
A. Venturi, Storia dell’Arte Italiana, 1967, Bd. IX, Teil V, S. 119 (als Pontormo);
J. Cox-Rearick, The Drawings of Pontormo: A Catalogue Raisonné with Notes on the Paintings, New York 1981, Kat. Nr. 72, Abb. 76 (als Gemälde in der Art Pontormos)
P. Costamagna, Pontormo, Mailand 1994, Kat. Nr. A56, S. 295 (mit falscher Abbildung und falschem Aufbewahrungsort)

Wir danken Elizabeth Pilliod, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes an Pontormo und dessen Werkstatt nach Prüfung des Originals vorgeschlagen und den Katalogeintrag verfasst hat. Zudem danken wir Vilmos Tátrai, der unabhängig davon die Zuschreibung an Jacopo da Pontormo unterstützt.

Seit seiner Wiederentdeckung im frühen 20. Jahrhundert gilt das vorliegende Gemälde als ein wichtiges Werk aus Pontormos Frühzeit, doch hat der Zustand bisher jede Einigung über die Zuschreibung vereitelt. (1) Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung der Tafel u. a. mit Infrarotreflektografie hat eine großflächige Unterzeichnung zutage gebracht, die stilistisch mit anderen Gemälden Pontormos des betreffenden Zeitraums im Einklang steht. (2) Die einförmigen, gleichmäßigen Linien in Bereichen wie dem linken Bein des Jesuskindes und die kürzelhaften Linien und die Art der Verkürzungen seiner Oberlippe lassen auf die Verwendung eines Kartons schließen. In einem zweiten Schritt hat Pontormo einige der Umrisslinien mit typischen locker und rasch gesetzten Strichen angepasst. Diese Korrekturen in der Unterzeichnung sind generell in den Faltenwürfen und den Händen und Gesichtern der Figuren erkennbar. So wurden die durchgepausten Umrisse der rechten Hand der Madonna, ihr Kinn und ihre Kleidung mit ein paar eigenständigen sichtbaren Kreidestrichen verändert. Darüber hinaus gibt es auch zahlreiche Abweichung von der Unterzeichnung selbst. Die Unterzeichnung des weißen Faltenwurfs, der den Hals der Madonna umspielt, lässt erkennen, dass das Tuch ursprünglich weiter unten über der Brust in einer ausgeprägten mittig platzierten V-Form fallen sollte. Die drei Finger des Täufers, die sich um den Rücken des Christusknaben biegen, wurden überhaupt ohne Unterzeichnung gemalt; dies gilt ebenso für die stilllebenartigen Elemente wie Becher und Kreuz.

Am auffälligsten ist die Veränderung des Gesichts der Heiligen Elisabeth. Die Unterzeichnung zeigt dort die Linie eines Faltenwurfs, wo sich jetzt die linke Wange befindet, und eine weitere Linie lässt erkennen, dass ihr Gesicht eigentlich bis zu jenem Bereich reichen sollte, der jetzt von ihrem taubengrauen Schleier bedeckt ist. Tatsächlich scheint Pontormo ihr Gesicht in dieser veränderten Haltung gemalt oder zumindest die Unterzeichnung dafür angelegt zu haben. Ursprünglich erschien Elisabeth im Dreiviertelprofil der Madonna zugewendet, wobei ihre Lippen geöffnet waren, als würde sie zum Sprechen ansetzen. Diese meisterhaft durchgeführte Abänderung auf die nunmehrige Kopfhaltung, die den feierlichen und vorausschauenden Blick der Figur unter-streicht, ist eine der besser erhaltenen und wunderschön gemalten Passagen des Bildes. Die ausgesprochen malerische Ausführung ihres Antlitzes mit den deutlich erkennbaren Übergängen von Beige, Braun, Cremefarben und Rosa gleicht jener des Gesichts des gealterten Cosimo il Vecchio in Pontormos Bildnis des Cosimo de’ Medici als Pater Patriae von 1518/19 in den Uffizien.Das Motiv der ineinandergreifenden Figuren des Täufers und des Jesuskindes, das letztendlich auf Leonardo zurückgeht, war im Florenz des ersten Viertels des 16. Jahrhunderts sehr beliebt. Zwei Werke, bei denen dieses wichtige Motiv eine Rolle spielt, wurden mit dem vorliegenden Gemälde in Zusammenhang gebracht: eine Pontormo zugeschriebene Skulptur im Bode-Museum in Berlin (3) und eine um 1516–1518 entstandene Zeichnung Pontormos in Paris (École des Beaux-Arts, siehe Abb. 1).(4) Der Vergleich mit dem ehemals in der Sammlung Spinelli befindlichen Gemälde sowie einem weiteren Werk drängt sich auf. Über die Datierung und Zuschreibung der Bode-Skulptur, die auseinander-gebrochen und wieder zusammengesetzt wurde, sodass sich vielleicht Änderungen in den Winkeln der Umarmung der beiden Kindsgestalten ergeben haben, wird immer noch diskutiert. Das Problem wird durch die bemerkenswerte Ähnlichkeit kompliziert, die zwischen der Figurengruppe im Bode-Museum und einer Zeichnung im Louvre aus dem Kreis des Fra Bartolomeo (Louvre 213r) besteht, welche um 1520 datiert wird. Abgesehen von ihrer Nacktheit scheinen die vier Figuren der Bode-Skulptur beinahe identisch mit jenen der Louvre-Zeichnung. Die beiden einander umarmenden Kinder der Bode-Skulptur und der Louvre-Zeichnung gleichen einander besonders stark: Die geraden Beine des Christus-knaben sind eng aneinandergepresst, und die Kinder sind einander zugewandt.

Die Kinder in dem Bild aus der Sammlung Spinelli unterscheiden sich hingegen deutlich von jenen der Bode-Skulptur und der Louvre-Zeichnung. Insbesondere ihre Beine sind anders positioniert, und ihre Köpfe in anderen Winkeln gedreht. Und während bei der Bode-Skulptur und in der Louvre-Zeichnung die Hand des Christusknaben unter den Arm des Täufers gleitet, liegt sie auf der Spinelli-Tafel auf dessen Schulter. All dies legt nahe, dass die Bode-Skulptur und die Louvre-Zeichnung zusammenzusehen sind, wohingegen ihr Zusammenhang zum Spinelli-Bild nicht so groß ist wie es auf den ersten Blick scheinen mag. (5) Andererseits stammt die Zeichnung der École des Beaux-Arts (siehe Abb. 1) eindeutig von Pontormo; sie lässt sich um 1516–1518 datieren, zumal sie Studien für zwei seiner Frühwerke enthält: die verlorene Pietà aus Dublin und das Pucci-Altargemälde für die Kirche San Michele Visdomini in Florenz. In der Pariser Zeichnung erscheinen die beiden einander umarmenden Kinder im linken Bereich des Blattes skizziert. Das oberhalb platzierte Kind blickt nach links oben, während das unterhalb erscheinende Kind nach rechts blickt, ganz wie im Visdomini-Altarbild. Der allgemeine Eindruck, den die Kinder erwecken, ist jenem des Visdomini-Altarbilds sehr ähnlich; dennoch unter-scheidet sich die Pariser Zeichnung von letzterem in mehreren wichtigen Punkten. Das Motiv der Umarmung ist im Visdomini-Bild, auf dem die beiden Kinder getrennt und auf versetzten Ebenen erscheinen, nicht gegeben. Beide Kinder, vor allem Johannes der Täufer, erscheinen auf dem Altarbild älter. Und schließlich ist die Beinhaltung des Täufers ganz anders als auf dem Visdomini-Altarbild.

Hingegen weist die Pariser Zeichnung starke Gemeinsamkeiten mit unserer Madonna mit Kind, Heiligen Elisabeth und Johannes dem Täufer auf. Die Kinder umarmen einander auf dem Gemälde in genau derselben Art und Weise wie auf der Zeichnung. Es ist vielleicht von Bedeutung, dass die linke Hand Christi auf der Zeichnung um den Rücken des Täufers vorbeiführt und dahinter kaum sichtbar hervorblitzt. Obwohl dieses Detail im Gemälde durch den Faltenwurf im Armbereich der Heiligen Elisabeth ausgeblendet wird, geht eindeutig hervor, dass die Handhaltung Christi genau jener der Zeichnung entsprechen muss. Die andere Hand Christi ruht leicht auf der Schulter des Täufers und wurde direkt von der Zeichnung übernommen. Die Beinhaltung des Johannesknaben der Zeichnung ist jener des vorliegenden Bildes viel ähnlicher: Das nach rückwärts gerichtete rechte Bein verschwindet in der Tiefe, während das ausgestreckte linke Bein zu einem kleinen, zugespitzten Fuß zusammenläuft. Auf der Zeichnung ist das gebeugte rechte Knie des Johannes bis zum Knie sichtbar, wo es vom linken Bein Christi verdeckt wird. Letzteres ist auf dem Gemälde in ähnlicher Weise vertikal ausgerichtet, doch die unteren Körperhälften der beiden Kinder erscheinen leicht auseinandergezogen. Die Beinhaltungen wurden somit von der Pariser Zeichnung übernommen, wurden jedoch an die Erfordernisse der übrigen Komposition angepasst. Das Pariser Studienblatt diente höchstwahrscheinlich zur Vorbereitung des vorliegenden Gemäldes. Der Gesichtstypus der Madonna erinnert mit dem undifferenzierten ovalen Haupt, der langen, geraden Nase und den runden Augen an andere Madonnengestalten, die Pontormo um 1517/18 malte. (6) Auch die Farbigkeit des Bildes ist typisch für diese Schaffensperiode, ebenso die Tendenz zu dicken, helmartigen Haartrachten und auffällig schweren Faltenwürden, die häufig in ausgeklügelten Mustern arrangiert sind, sowie der Kontrast zwischen den stoischen Erwachsenen und den lebhaften, ja miteinander sprechenden Kindern. Bei der Untersuchung des Gemäldes wurde eine sehr schwache Zeichnung in schwarzer Kreide vom Kopf eines Knaben entdeckt. Auch auf anderen Tafelgemälden Pontormos hat man solche Kreidezeichnungen gefunden, etwa die Gemälde mit dem Hl. Michael und dem Evangelisten Johannes im Museo della Collegiata in Empoli (1519), das Altarbild der Familie Pucci in San Michele Visdomini (1518) sowie eine Reihe unbemalter Tafeln, die man im Kapitelhaus von San Lorenzo in Florenz gefunden hat.Auch wenn sich das vorliegende Gemälde mit keinem bekannten Auftrag oder Auftraggeber in Verbindung bringen lässt, entspricht es in jeder Hinsicht Pontormos Werken der Zeit um 1517/18. Eine zu aggressive Reinigung mag die plastische Wirkung der Faltenwürfe abgeschwächt und das Gesicht der Madonna verunklärt haben. Es bleibt offen, ob das Erscheinungsbild der Frauenkörper ausschließlich auf den Zustand zurückzuführen ist oder ob es sich um Bereiche handelt, die Pontormo unvollendet gelassen hat und einem Gehilfen zur Ausführung übertragen hat.

Wir danken Elizabeth Pilliod für die Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Anmerkungen:
1 Die traditionelle Zuschreibung an Pontormo, die mit der ersten Veröffentlichung des Gemäldes ihren Ausgang nahm (Severino Spinelli, Galleria Pesaro, Mailand, 11.–14. Juni 1928), wurde in der Folge von Adolfo Venturi (Storia dell’Arte Italiana, 1967, Bd. IX, Teil V, S. 119) bestätigt. Janet Cox-Rearick hat das Bild jedoch einem Nachfolger zugewiesen (Janet Cox-Rearick, The Drawings of Pontormo: A Catalogue Raisonné with Notes on the Paintings, New York 1981, Kat.-Nr. 72, Abb. 76; siehe auch Philippe Costamagna, Pontormo, Mailand 1994, Kat.-Nr. A56, S. 295, wo das vorliegende Gemälde anhand einer falschen Abbildung besprochen wird).
2 Wissenschaftlicher Bericht der nicht-invasiven Untersuchung, Gianluca Poldi, Juni 2014. Auf Anfrage verfügbar.
3 Jüngst besprochen von Volker Krahn, in: „Bozzetti und Pseudo-Bozzetti aus Terrakotta in der Berliner Skulptursammlung“, Techne 36 (2012), S. 37–39.
4 Siehe Cox-Rearick, The Drawings of Pontormo: A Catalogue Raisonné with Notes on the Paintings, New York 1981, Kat.-Nr. 72.
5 Die komprimierte gebückte männliche Gestalt, die großen Proportionen der Frau und ihre anachronistische Haartracht in der Bode-Skulptur sind viel ausgeprägter als auf der Louvre-Zeichnung und legen nahe, dass die Skulptur eine spätere manieristische Kopie nach der Zeichnung im Stil Fra Bartolomeos ist. Wenn man davon ausgeht, dass die Louvre-Zeichnung, die um 1520 entstanden sein mag, womöglich als Anregung für die Bode-Skulptur diente und dass der Figurenstil der Skulptur der Manier Pontormos entspricht, datiert die Skulptur wahrscheinlich aus dem späten 16. Jahrhundert, als das Interesse an Pontormos Kunst wieder auflebte. Vergleiche der Bode-Skulptur oder der Louvre-Zeichnung mit dem ehemals in der Sammlung Spinelli befindlichen Gemälde sind daher nicht zielführend.
6 Zum Beispiel Madonna mit Jesuskind und Johannesknaben (Elizabeth Cropper, in: L’officina della maniera, Venedig 1996, Kat.-Nr. 100), Madonna mit Kind (Philippe Costamagna, ebd., Kat.-Nr. 103), und Heilige Familie mit Johannesknaben in der Eremitage (Carlo Falciani, ebd., Kat.-Nr. 106).

Technische Analyse

Durch die Untersuchung des vorliegenden Gemäldes mit Infrarotreflektografie war es möglich, die Unterzeichnung und die Technik, mit der die Tafel vorbereitet wurde, zu bestimmen. Es zeigt sich eine klare lineare und detaillierte Unterzeichnung, die die Figuren, die Faltenwürfe und die Gesichter umreißt. Sie scheint beinahe eingeritzt und besteht aus dünnen schwarzen Linien, die auf die Zuhilfenahme eines Kartons schließen lassen, der möglicherweise durch eine Art Kopier- oder Pauspapier übertragen wurde. Es sind keinerlei Zeichen einer Quadrierung oder Durchgriffelung feststellbar. Wichtige Merkmale der Zeichnung sind die eigenartige Kantigkeit und die Darstellung der dünnen Finger mit offen gelassenen Kuppen. Sie sind typisch für Pontormo und zeigen sich in vielen seiner Zeichnungen auf Papier sowie in weiteren bekannten Unterzeichnungen, etwa in der Pala Pucci. Einige Fresken Pontormos weisen ähnliche geritzte Linien auf, zum Beispiel die Madonna di San Ruffillo, Florenz, Santissima Annunziata (1514).

Veränderungen in der Komposition (Pentimenti)

Die bedeutendste Veränderung in der Komposition betrifft, wie aus dem IRR-Scan hervorgeht, den Kopf der Heiligen Elisabeth: Der Maler beschloss, das Gesicht, das ursprünglich im Dreiviertelprofil der Madonna zugewandt war und dessen Lippen geöffnet waren, in Richtung des Betrachters zu drehen, dem es nun entgegenblickt. Die in den Licht- und Schattenpartien sehr sorgfältig gemalten Passagen, die vor allem in den Lichtern ein gutes Gespür für die Form verraten, lassen das Gesicht mit einer Zeichnung in den Uffizien (GDSU, Inv. 451; Cox Rearick, Nr. 28) vergleichen, die den verschleierten Kopf einer alten Frau zeigt und von der angenommen wird, dass es sich um eine Studie für die Frau des Pharaos der Josefslegende im Hochzeitszimmer von Pier Francesco Borgherini handelt.

Farben und Pigmente

Der Mantel der Madonna ist ausschließlich mit Azurit, zum Teil versetzt mit Bleiweiß (biacca), gemalt. Das Rot des Kleides der Madonna weist eine herkömmliche Zinnober-Struktur auf, während die Schatten mit Karminlack erzielt wurden, der wie der oben erwähnte Farbstoff tierischen Ursprungs ist. Ein weiteres Rot kam – in Verbindung mit Zinnober – für das Kleid der Heiligen Elisabeth zum Einsatz: ein roter Erdton, bei dem es sich um dieselbe Art handelt, die Pontormo bei seinen Fresken verwendete. Gelb, brauner Ocker und Erdfarben wurden mit geringen Hinzufügungen von Zinnober für die Brauntöne verwendet. Die Verwendung von Azurit anstelle von Ultramarin ist auch für einige Gemälde Pontormos dokumentiert, etwa die Madonna mit Kind des „Tondo Capponi“. Azurit scheint größtenteils beim Mantel der Madonna in der Heiligen Familie der Eremitage, der Corsini-Madonna und der Madonna mit Kind in Mexiko-Stadt (Costamagna, 1994, A77, schreibt sie Jacone zu) verwendet worden zu sein. Bei allen diesen Gemälden ist der Hintergrund dunkel, während die Kleidung der Madonna wie im vorliegenden Fall kräftige Rottöne aufweist. Weitere Merkmale der Madonna mit Kind in Mexiko-Stadt sind mit jenen unseres Gemäldes vergleichbar: die mit einer gelben und roten Linie gestalteten Heiligenscheine, der Gesichtsausdruck des Jesuskinds, der grau-violette Schleier über rotem Grund.

Diese Feststellungen zur Farbpalette und die allgemeine Intonation des Gemäldes lassen in Verbindung mit den zur Unterzeichnung erzielten Ergebnissen darauf schließen, dass das vorliegende Gemälde vermutlich im Zeitraum zwischen 1519 und 1525 entstanden ist, bevor sich Pontormos Palette aufhellte und er zu ungewöhnlichen rosafarbenen und roten Farblacken – im Grunde Pastelltönen – griff, wie etwa in der Kreuzabnahme für Santa Felicita.

Verso: Kopf eines Knaben

Die Rückseite der dicken Holztafel ist original erhalten, mit zwei Querstreben, zahlreichen Wurmlöchern und Spuren von Verschmutzung und Feuchtigkeitseinwirkung. Im oberen Bereich, oberhalb der Verstrebung, ist die Zeichnung eines Knabenkopfes erkennbar, der beinahe bis zur Unkenntlichkeit verblasst ist (siehe Abb. 2). Er blickt dem Betrachter frontal entgegen und ist in einem dunklen Medium, vermutlich Kohle, ausgeführt. Der ovale Umriss ist rasch skizziert, wobei die Betonung auf den Augen und dem Mund liegt, die als dunkle Flecken wiedergegeben sind. Das rechte Auge und ein Teil der Nase scheinen fast zur Gänze verloren. Die Zeichnung steht offenbar in keinem Zusammenhang mit dem Thema des Gemäldes. Eine ähnliche Synthese besteht im Fall der Zeichnung eines sitzenden Kindes (Florenz, GDSU, Inv. 6554; Cox Rearick, Nr. 79), die mit 1517–1519 datiert wird.

Eine vergleichbare schwarze Zeichnung Pontormos wurde erst kürzlich (2012) auf dem Verso der Pala Pucci entdeckt; sie stellt möglicherweise einen Schüler in Rückenansicht dar.

Der vollständige Bericht der technischen Untersuchung ist auf Anfrage erhältlich.

Wir danken Gianluca Poldi für die technische Untersuchung des vorliegenden Gemäldes.

 

Zusatzabbildungen:
Infrarotreflektografie, Details
Jacopo da Pontormo, Etudes d’hommes nus, 1515, Rötel, Abzug, Papier, 26,4 x 40,2 cm, Paris, École nationale supérieure des Beaux-arts
© bpk / RMN - Grand Palais / Paris, École nationale supérieure des Beaux-arts

21.10.2014 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 222.600,-
Schätzwert:
EUR 200.000,- bis EUR 300.000,-

Zugeschrieben an Jacopo da Pontormo und Werkstatt


(Pontormo 1494–1556 Florenz)
Madonna mit Kind, der Heiligen Elisabeth und dem Johannesknaben, ca. 1518,
Öl auf Holz, 121 x 93,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Severino Spinelli, Florenz, bis 1928;
Auktion Spinelli, Galleria Bellini, Florenz, 23.–26. April 1934, Kat. Nr. 150;
vom Großvater des heutigen Besitzers 1934 erworben;
seitdem im Erbgang innerhalb einer österreichischen Privatsammlung

Literatur:
A. Venturi, Storia dell’Arte Italiana, 1967, Bd. IX, Teil V, S. 119 (als Pontormo);
J. Cox-Rearick, The Drawings of Pontormo: A Catalogue Raisonné with Notes on the Paintings, New York 1981, Kat. Nr. 72, Abb. 76 (als Gemälde in der Art Pontormos)
P. Costamagna, Pontormo, Mailand 1994, Kat. Nr. A56, S. 295 (mit falscher Abbildung und falschem Aufbewahrungsort)

Wir danken Elizabeth Pilliod, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes an Pontormo und dessen Werkstatt nach Prüfung des Originals vorgeschlagen und den Katalogeintrag verfasst hat. Zudem danken wir Vilmos Tátrai, der unabhängig davon die Zuschreibung an Jacopo da Pontormo unterstützt.

Seit seiner Wiederentdeckung im frühen 20. Jahrhundert gilt das vorliegende Gemälde als ein wichtiges Werk aus Pontormos Frühzeit, doch hat der Zustand bisher jede Einigung über die Zuschreibung vereitelt. (1) Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung der Tafel u. a. mit Infrarotreflektografie hat eine großflächige Unterzeichnung zutage gebracht, die stilistisch mit anderen Gemälden Pontormos des betreffenden Zeitraums im Einklang steht. (2) Die einförmigen, gleichmäßigen Linien in Bereichen wie dem linken Bein des Jesuskindes und die kürzelhaften Linien und die Art der Verkürzungen seiner Oberlippe lassen auf die Verwendung eines Kartons schließen. In einem zweiten Schritt hat Pontormo einige der Umrisslinien mit typischen locker und rasch gesetzten Strichen angepasst. Diese Korrekturen in der Unterzeichnung sind generell in den Faltenwürfen und den Händen und Gesichtern der Figuren erkennbar. So wurden die durchgepausten Umrisse der rechten Hand der Madonna, ihr Kinn und ihre Kleidung mit ein paar eigenständigen sichtbaren Kreidestrichen verändert. Darüber hinaus gibt es auch zahlreiche Abweichung von der Unterzeichnung selbst. Die Unterzeichnung des weißen Faltenwurfs, der den Hals der Madonna umspielt, lässt erkennen, dass das Tuch ursprünglich weiter unten über der Brust in einer ausgeprägten mittig platzierten V-Form fallen sollte. Die drei Finger des Täufers, die sich um den Rücken des Christusknaben biegen, wurden überhaupt ohne Unterzeichnung gemalt; dies gilt ebenso für die stilllebenartigen Elemente wie Becher und Kreuz.

Am auffälligsten ist die Veränderung des Gesichts der Heiligen Elisabeth. Die Unterzeichnung zeigt dort die Linie eines Faltenwurfs, wo sich jetzt die linke Wange befindet, und eine weitere Linie lässt erkennen, dass ihr Gesicht eigentlich bis zu jenem Bereich reichen sollte, der jetzt von ihrem taubengrauen Schleier bedeckt ist. Tatsächlich scheint Pontormo ihr Gesicht in dieser veränderten Haltung gemalt oder zumindest die Unterzeichnung dafür angelegt zu haben. Ursprünglich erschien Elisabeth im Dreiviertelprofil der Madonna zugewendet, wobei ihre Lippen geöffnet waren, als würde sie zum Sprechen ansetzen. Diese meisterhaft durchgeführte Abänderung auf die nunmehrige Kopfhaltung, die den feierlichen und vorausschauenden Blick der Figur unter-streicht, ist eine der besser erhaltenen und wunderschön gemalten Passagen des Bildes. Die ausgesprochen malerische Ausführung ihres Antlitzes mit den deutlich erkennbaren Übergängen von Beige, Braun, Cremefarben und Rosa gleicht jener des Gesichts des gealterten Cosimo il Vecchio in Pontormos Bildnis des Cosimo de’ Medici als Pater Patriae von 1518/19 in den Uffizien.Das Motiv der ineinandergreifenden Figuren des Täufers und des Jesuskindes, das letztendlich auf Leonardo zurückgeht, war im Florenz des ersten Viertels des 16. Jahrhunderts sehr beliebt. Zwei Werke, bei denen dieses wichtige Motiv eine Rolle spielt, wurden mit dem vorliegenden Gemälde in Zusammenhang gebracht: eine Pontormo zugeschriebene Skulptur im Bode-Museum in Berlin (3) und eine um 1516–1518 entstandene Zeichnung Pontormos in Paris (École des Beaux-Arts, siehe Abb. 1).(4) Der Vergleich mit dem ehemals in der Sammlung Spinelli befindlichen Gemälde sowie einem weiteren Werk drängt sich auf. Über die Datierung und Zuschreibung der Bode-Skulptur, die auseinander-gebrochen und wieder zusammengesetzt wurde, sodass sich vielleicht Änderungen in den Winkeln der Umarmung der beiden Kindsgestalten ergeben haben, wird immer noch diskutiert. Das Problem wird durch die bemerkenswerte Ähnlichkeit kompliziert, die zwischen der Figurengruppe im Bode-Museum und einer Zeichnung im Louvre aus dem Kreis des Fra Bartolomeo (Louvre 213r) besteht, welche um 1520 datiert wird. Abgesehen von ihrer Nacktheit scheinen die vier Figuren der Bode-Skulptur beinahe identisch mit jenen der Louvre-Zeichnung. Die beiden einander umarmenden Kinder der Bode-Skulptur und der Louvre-Zeichnung gleichen einander besonders stark: Die geraden Beine des Christus-knaben sind eng aneinandergepresst, und die Kinder sind einander zugewandt.

Die Kinder in dem Bild aus der Sammlung Spinelli unterscheiden sich hingegen deutlich von jenen der Bode-Skulptur und der Louvre-Zeichnung. Insbesondere ihre Beine sind anders positioniert, und ihre Köpfe in anderen Winkeln gedreht. Und während bei der Bode-Skulptur und in der Louvre-Zeichnung die Hand des Christusknaben unter den Arm des Täufers gleitet, liegt sie auf der Spinelli-Tafel auf dessen Schulter. All dies legt nahe, dass die Bode-Skulptur und die Louvre-Zeichnung zusammenzusehen sind, wohingegen ihr Zusammenhang zum Spinelli-Bild nicht so groß ist wie es auf den ersten Blick scheinen mag. (5) Andererseits stammt die Zeichnung der École des Beaux-Arts (siehe Abb. 1) eindeutig von Pontormo; sie lässt sich um 1516–1518 datieren, zumal sie Studien für zwei seiner Frühwerke enthält: die verlorene Pietà aus Dublin und das Pucci-Altargemälde für die Kirche San Michele Visdomini in Florenz. In der Pariser Zeichnung erscheinen die beiden einander umarmenden Kinder im linken Bereich des Blattes skizziert. Das oberhalb platzierte Kind blickt nach links oben, während das unterhalb erscheinende Kind nach rechts blickt, ganz wie im Visdomini-Altarbild. Der allgemeine Eindruck, den die Kinder erwecken, ist jenem des Visdomini-Altarbilds sehr ähnlich; dennoch unter-scheidet sich die Pariser Zeichnung von letzterem in mehreren wichtigen Punkten. Das Motiv der Umarmung ist im Visdomini-Bild, auf dem die beiden Kinder getrennt und auf versetzten Ebenen erscheinen, nicht gegeben. Beide Kinder, vor allem Johannes der Täufer, erscheinen auf dem Altarbild älter. Und schließlich ist die Beinhaltung des Täufers ganz anders als auf dem Visdomini-Altarbild.

Hingegen weist die Pariser Zeichnung starke Gemeinsamkeiten mit unserer Madonna mit Kind, Heiligen Elisabeth und Johannes dem Täufer auf. Die Kinder umarmen einander auf dem Gemälde in genau derselben Art und Weise wie auf der Zeichnung. Es ist vielleicht von Bedeutung, dass die linke Hand Christi auf der Zeichnung um den Rücken des Täufers vorbeiführt und dahinter kaum sichtbar hervorblitzt. Obwohl dieses Detail im Gemälde durch den Faltenwurf im Armbereich der Heiligen Elisabeth ausgeblendet wird, geht eindeutig hervor, dass die Handhaltung Christi genau jener der Zeichnung entsprechen muss. Die andere Hand Christi ruht leicht auf der Schulter des Täufers und wurde direkt von der Zeichnung übernommen. Die Beinhaltung des Johannesknaben der Zeichnung ist jener des vorliegenden Bildes viel ähnlicher: Das nach rückwärts gerichtete rechte Bein verschwindet in der Tiefe, während das ausgestreckte linke Bein zu einem kleinen, zugespitzten Fuß zusammenläuft. Auf der Zeichnung ist das gebeugte rechte Knie des Johannes bis zum Knie sichtbar, wo es vom linken Bein Christi verdeckt wird. Letzteres ist auf dem Gemälde in ähnlicher Weise vertikal ausgerichtet, doch die unteren Körperhälften der beiden Kinder erscheinen leicht auseinandergezogen. Die Beinhaltungen wurden somit von der Pariser Zeichnung übernommen, wurden jedoch an die Erfordernisse der übrigen Komposition angepasst. Das Pariser Studienblatt diente höchstwahrscheinlich zur Vorbereitung des vorliegenden Gemäldes. Der Gesichtstypus der Madonna erinnert mit dem undifferenzierten ovalen Haupt, der langen, geraden Nase und den runden Augen an andere Madonnengestalten, die Pontormo um 1517/18 malte. (6) Auch die Farbigkeit des Bildes ist typisch für diese Schaffensperiode, ebenso die Tendenz zu dicken, helmartigen Haartrachten und auffällig schweren Faltenwürden, die häufig in ausgeklügelten Mustern arrangiert sind, sowie der Kontrast zwischen den stoischen Erwachsenen und den lebhaften, ja miteinander sprechenden Kindern. Bei der Untersuchung des Gemäldes wurde eine sehr schwache Zeichnung in schwarzer Kreide vom Kopf eines Knaben entdeckt. Auch auf anderen Tafelgemälden Pontormos hat man solche Kreidezeichnungen gefunden, etwa die Gemälde mit dem Hl. Michael und dem Evangelisten Johannes im Museo della Collegiata in Empoli (1519), das Altarbild der Familie Pucci in San Michele Visdomini (1518) sowie eine Reihe unbemalter Tafeln, die man im Kapitelhaus von San Lorenzo in Florenz gefunden hat.Auch wenn sich das vorliegende Gemälde mit keinem bekannten Auftrag oder Auftraggeber in Verbindung bringen lässt, entspricht es in jeder Hinsicht Pontormos Werken der Zeit um 1517/18. Eine zu aggressive Reinigung mag die plastische Wirkung der Faltenwürfe abgeschwächt und das Gesicht der Madonna verunklärt haben. Es bleibt offen, ob das Erscheinungsbild der Frauenkörper ausschließlich auf den Zustand zurückzuführen ist oder ob es sich um Bereiche handelt, die Pontormo unvollendet gelassen hat und einem Gehilfen zur Ausführung übertragen hat.

Wir danken Elizabeth Pilliod für die Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Anmerkungen:
1 Die traditionelle Zuschreibung an Pontormo, die mit der ersten Veröffentlichung des Gemäldes ihren Ausgang nahm (Severino Spinelli, Galleria Pesaro, Mailand, 11.–14. Juni 1928), wurde in der Folge von Adolfo Venturi (Storia dell’Arte Italiana, 1967, Bd. IX, Teil V, S. 119) bestätigt. Janet Cox-Rearick hat das Bild jedoch einem Nachfolger zugewiesen (Janet Cox-Rearick, The Drawings of Pontormo: A Catalogue Raisonné with Notes on the Paintings, New York 1981, Kat.-Nr. 72, Abb. 76; siehe auch Philippe Costamagna, Pontormo, Mailand 1994, Kat.-Nr. A56, S. 295, wo das vorliegende Gemälde anhand einer falschen Abbildung besprochen wird).
2 Wissenschaftlicher Bericht der nicht-invasiven Untersuchung, Gianluca Poldi, Juni 2014. Auf Anfrage verfügbar.
3 Jüngst besprochen von Volker Krahn, in: „Bozzetti und Pseudo-Bozzetti aus Terrakotta in der Berliner Skulptursammlung“, Techne 36 (2012), S. 37–39.
4 Siehe Cox-Rearick, The Drawings of Pontormo: A Catalogue Raisonné with Notes on the Paintings, New York 1981, Kat.-Nr. 72.
5 Die komprimierte gebückte männliche Gestalt, die großen Proportionen der Frau und ihre anachronistische Haartracht in der Bode-Skulptur sind viel ausgeprägter als auf der Louvre-Zeichnung und legen nahe, dass die Skulptur eine spätere manieristische Kopie nach der Zeichnung im Stil Fra Bartolomeos ist. Wenn man davon ausgeht, dass die Louvre-Zeichnung, die um 1520 entstanden sein mag, womöglich als Anregung für die Bode-Skulptur diente und dass der Figurenstil der Skulptur der Manier Pontormos entspricht, datiert die Skulptur wahrscheinlich aus dem späten 16. Jahrhundert, als das Interesse an Pontormos Kunst wieder auflebte. Vergleiche der Bode-Skulptur oder der Louvre-Zeichnung mit dem ehemals in der Sammlung Spinelli befindlichen Gemälde sind daher nicht zielführend.
6 Zum Beispiel Madonna mit Jesuskind und Johannesknaben (Elizabeth Cropper, in: L’officina della maniera, Venedig 1996, Kat.-Nr. 100), Madonna mit Kind (Philippe Costamagna, ebd., Kat.-Nr. 103), und Heilige Familie mit Johannesknaben in der Eremitage (Carlo Falciani, ebd., Kat.-Nr. 106).

Technische Analyse

Durch die Untersuchung des vorliegenden Gemäldes mit Infrarotreflektografie war es möglich, die Unterzeichnung und die Technik, mit der die Tafel vorbereitet wurde, zu bestimmen. Es zeigt sich eine klare lineare und detaillierte Unterzeichnung, die die Figuren, die Faltenwürfe und die Gesichter umreißt. Sie scheint beinahe eingeritzt und besteht aus dünnen schwarzen Linien, die auf die Zuhilfenahme eines Kartons schließen lassen, der möglicherweise durch eine Art Kopier- oder Pauspapier übertragen wurde. Es sind keinerlei Zeichen einer Quadrierung oder Durchgriffelung feststellbar. Wichtige Merkmale der Zeichnung sind die eigenartige Kantigkeit und die Darstellung der dünnen Finger mit offen gelassenen Kuppen. Sie sind typisch für Pontormo und zeigen sich in vielen seiner Zeichnungen auf Papier sowie in weiteren bekannten Unterzeichnungen, etwa in der Pala Pucci. Einige Fresken Pontormos weisen ähnliche geritzte Linien auf, zum Beispiel die Madonna di San Ruffillo, Florenz, Santissima Annunziata (1514).

Veränderungen in der Komposition (Pentimenti)

Die bedeutendste Veränderung in der Komposition betrifft, wie aus dem IRR-Scan hervorgeht, den Kopf der Heiligen Elisabeth: Der Maler beschloss, das Gesicht, das ursprünglich im Dreiviertelprofil der Madonna zugewandt war und dessen Lippen geöffnet waren, in Richtung des Betrachters zu drehen, dem es nun entgegenblickt. Die in den Licht- und Schattenpartien sehr sorgfältig gemalten Passagen, die vor allem in den Lichtern ein gutes Gespür für die Form verraten, lassen das Gesicht mit einer Zeichnung in den Uffizien (GDSU, Inv. 451; Cox Rearick, Nr. 28) vergleichen, die den verschleierten Kopf einer alten Frau zeigt und von der angenommen wird, dass es sich um eine Studie für die Frau des Pharaos der Josefslegende im Hochzeitszimmer von Pier Francesco Borgherini handelt.

Farben und Pigmente

Der Mantel der Madonna ist ausschließlich mit Azurit, zum Teil versetzt mit Bleiweiß (biacca), gemalt. Das Rot des Kleides der Madonna weist eine herkömmliche Zinnober-Struktur auf, während die Schatten mit Karminlack erzielt wurden, der wie der oben erwähnte Farbstoff tierischen Ursprungs ist. Ein weiteres Rot kam – in Verbindung mit Zinnober – für das Kleid der Heiligen Elisabeth zum Einsatz: ein roter Erdton, bei dem es sich um dieselbe Art handelt, die Pontormo bei seinen Fresken verwendete. Gelb, brauner Ocker und Erdfarben wurden mit geringen Hinzufügungen von Zinnober für die Brauntöne verwendet. Die Verwendung von Azurit anstelle von Ultramarin ist auch für einige Gemälde Pontormos dokumentiert, etwa die Madonna mit Kind des „Tondo Capponi“. Azurit scheint größtenteils beim Mantel der Madonna in der Heiligen Familie der Eremitage, der Corsini-Madonna und der Madonna mit Kind in Mexiko-Stadt (Costamagna, 1994, A77, schreibt sie Jacone zu) verwendet worden zu sein. Bei allen diesen Gemälden ist der Hintergrund dunkel, während die Kleidung der Madonna wie im vorliegenden Fall kräftige Rottöne aufweist. Weitere Merkmale der Madonna mit Kind in Mexiko-Stadt sind mit jenen unseres Gemäldes vergleichbar: die mit einer gelben und roten Linie gestalteten Heiligenscheine, der Gesichtsausdruck des Jesuskinds, der grau-violette Schleier über rotem Grund.

Diese Feststellungen zur Farbpalette und die allgemeine Intonation des Gemäldes lassen in Verbindung mit den zur Unterzeichnung erzielten Ergebnissen darauf schließen, dass das vorliegende Gemälde vermutlich im Zeitraum zwischen 1519 und 1525 entstanden ist, bevor sich Pontormos Palette aufhellte und er zu ungewöhnlichen rosafarbenen und roten Farblacken – im Grunde Pastelltönen – griff, wie etwa in der Kreuzabnahme für Santa Felicita.

Verso: Kopf eines Knaben

Die Rückseite der dicken Holztafel ist original erhalten, mit zwei Querstreben, zahlreichen Wurmlöchern und Spuren von Verschmutzung und Feuchtigkeitseinwirkung. Im oberen Bereich, oberhalb der Verstrebung, ist die Zeichnung eines Knabenkopfes erkennbar, der beinahe bis zur Unkenntlichkeit verblasst ist (siehe Abb. 2). Er blickt dem Betrachter frontal entgegen und ist in einem dunklen Medium, vermutlich Kohle, ausgeführt. Der ovale Umriss ist rasch skizziert, wobei die Betonung auf den Augen und dem Mund liegt, die als dunkle Flecken wiedergegeben sind. Das rechte Auge und ein Teil der Nase scheinen fast zur Gänze verloren. Die Zeichnung steht offenbar in keinem Zusammenhang mit dem Thema des Gemäldes. Eine ähnliche Synthese besteht im Fall der Zeichnung eines sitzenden Kindes (Florenz, GDSU, Inv. 6554; Cox Rearick, Nr. 79), die mit 1517–1519 datiert wird.

Eine vergleichbare schwarze Zeichnung Pontormos wurde erst kürzlich (2012) auf dem Verso der Pala Pucci entdeckt; sie stellt möglicherweise einen Schüler in Rückenansicht dar.

Der vollständige Bericht der technischen Untersuchung ist auf Anfrage erhältlich.

Wir danken Gianluca Poldi für die technische Untersuchung des vorliegenden Gemäldes.

 

Zusatzabbildungen:
Infrarotreflektografie, Details
Jacopo da Pontormo, Etudes d’hommes nus, 1515, Rötel, Abzug, Papier, 26,4 x 40,2 cm, Paris, École nationale supérieure des Beaux-arts
© bpk / RMN - Grand Palais / Paris, École nationale supérieure des Beaux-arts


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old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 21.10.2014 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 11.10. - 21.10.2014


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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