Lot Nr. 601


Lombardische Schule, 18. Jahrhundert


Lombardische Schule, 18. Jahrhundert - Alte Meister

Familienszene in einem Interieur,
Öl auf Leinwand, 127,5 x 119,3 cm

Literatur:
V. Sgarbi, Dell’uomo e della sua fine. Da Antonello a Pirandello, in: La ricerca dell’identità da Antonello a De Chirico, hg. von V. Sgarbi, Kat. Ausst., Mailand 2003, S. 53-54, S. 149, Abb. 64, S. 282, Nr. 64 (als Giacomo Ceruti);
S. Pierguidi, in: La ricerca dell’identità da Tiziano a De Chirico, hg. von V. Sgarbi, Kat. Ausst., Mailand 2004, S. 248, Nr. 60, S. 149, Abb. 60 (als Giacomo Ceruti)

Nach Untersuchung des vorliegenden Gemäldes im Original hat Cristina Geddo vorgeschlagen, es zur Gänze Giacomo Ceruti (Mailand 1698–1767) zuzuschreiben. Diese Einschätzung wird ihrer Meinung nach durch Malstil und typologische Merkmale sowie durch das Genrethema und dessen konsequente bildnerische Umsetzung untermauert.

Dargestellt ist eine Szene aus dem Alltagsleben, angesiedelt in einem häuslichen Interieur, das zum Teil durch ein Bleiglasfenster rechts erleuchtet wird. Der Esstisch im Vordergrund, an dem zwei der Protagonisten sitzen, der Schrank im Hintergrund und die Druckgrafik an der Wand, auf der eine Frau in der Manier Pittonis zu sehen ist, entsprechen dem sozialen Status der Familie. Zwei Eier, ein Weinkännchen und ein Glas auf dem Schrank sowie ein Milchkrug und der in der linken oberen Ecke hängende Kürbis unterstreichen die nüchterne Alltagsstimmung. Von ebenso schlichter Würde ist die Kleidung der drei Figuren, vor allem die des im Profil dargestellten stehenden jungen Mannes, der über einer rot gefütterten grauen Weste einen rostbraunen Schoßrock trägt; die weiße Schürze und Kopfbedeckung deuten auf seine berufliche Zugehörigkeit zur Handwerkerzunft (der Bäcker, Köche oder dergleichen) hin. Der junge Mann richtet seinen Blick auf die über den Tisch gebeugte Frau, deren Kopf in ihrem Arm verborgen ist. Eine Hand des Mannes ruht auf dem Kopf des Kindes neben ihm, das mit seinem Blick die andere Hand, die auf die Frau deutet, fixiert.
Die Bedeutung der Szene könnte leicht missverstanden werden, wüsste man nicht um den Topos des Schläfers bzw. der Schläferin in der flämischen und holländischen Genremalerei. Die locker vom Tisch herabhängende Hand der Frau und die Geste des Kindes, das den Finger an den Mund hält, um zum Stillsein zu gemahnen, machen deutlich, dass die Frau nicht von tiefem Schmerz erfüllt ist, sondern einfach nur schläft.
In dieser Hinsicht vergleichbar ist Nicolaes Maes’ Schläfer mit Taschendieben in der Sammlung Van Otterloo (um 1655). Obgleich die Frau möglicherweise nach einem langen Arbeitstag ihrer Erschöpfung erlegen und ihr Schlaf daher frei von Schuld ist, ist dennoch ein kritischer Unterton spürbar, mit dem das Laster der Faulheit verurteilt wird. Zum einen spielt darauf die Druckgrafik an, auf der eine Frau beim Streicheln einer Katze dargestellt ist – seit jeher ein Symbol für Faulheit, dem man auch in Maes’ Gemälde Die untätige Dienerin (um 1655) in der National Gallery in London begegnet, andererseits sind da der erstaunte Blick des Mannes und seine entschiedene Geste: bei seiner Heimkehr von der Arbeit findet er die Frau schlafend und das Kind vernachlässigt vor. Der Künstler distanziert sich jedoch von den moralisierenden, heiteren und spielerischen Versionen, die für flämische und holländische Genremaler und das Werk Keilhaus typisch sind, und erfüllt die Szene mit einer bisher ungekannten dramatischen Spannung. Über die wunderbare Bilderfindung stellt er einen Dialog zwischen den beiden Protagonisten her. Diese und andere Details – etwa die Ausmaße der Leinwand, die natürlichen Größenverhältnisse der Figuren und die strenge, auf einem System vertikaler, diagonaler und elliptischer Linien basierende Komposition – verleihen dem Genrebild hier eine dem Historienbild ebenbürtige Würde. Der Tisch, der parallel zur unteren Ebene der Komposition verläuft, verbindet den fiktionalen Raum des Gemäldes mit der Wirklichkeit, indem er dem Betrachter von einem erhöhten Standpunkt nahe an die Szene heranrückt, als stünde er auf der anderen Seite desselben Tisches. Der leere Raum in der Mitte des Bildes mit dem unauffälligen, frugalen Stillleben bringt die dramatische Distanz zwischen den beiden Figuren zum Ausdruck und richtet die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die unschuldig glänzenden saphirblauen Augen des Kindes, welches das emotionale Zentrum der Szene bildet. Auch die Verteilung des Lichtes spielt eine Schlüsselrolle: Die kräftigen Strahlen der Mittagssonne, die durch das seitliche Fenster einfallen und das Halbdunkel des Innenraums durchdringen, erhellen zum Teil die Gesichter des jungen Mannes und des Kindes. Dabei verweist das Spiel von warmen Hell- und Dunkeltönen deutlich auf den Einfluss Piazzettas. Das Profil des jungen Mannes scheint auch direkt aus dessen Gemälde Bauernknabe auf dem Markt von ca. 1715–1720 (Museum of Fine Arts, Boston) entnommen (siehe A. Mariuz, L’opera completa del Piazzetta, Mailand 1982, S. 78, Nr. 14), ursprünglich das Gegenstück zum Schlafenden Bauernmädchen in der Residenzgalerie in Salzburg.
Sowohl die Bezugnahme auf Piazzetta, dem Ceruti zweifellos in Venedig begegnet war (möglicherweise durch die Vermittlung von Marschall Schulenburg, der bei beiden Künstlern Werke in Auftrag gab), als auch der Charakter und das soziale Umfeld der Szene erlauben eine Datierung des vorliegenden Gemäldes nach Cerutis Aufenthalt in Venedig 1736, mit dem die große brescianische Periode des Malers, die sich durch Darstellungen Armer und Bettler (pitocchi) auszeichnete, ein Ende fand (vgl. C. Geddo, Collezionisti e pittori di genere nel Settecento a Milano e nel Lombardo-Veneto, in: Da Caravaggio a Ceruti. La scena di genere e l’immagine dei “pitocchi” nella pittura italiana, hg. von F. Porzio, Kat. Ausst., Mailand 1998, S. 109–111).

In den 1740er-Jahren erweiterte Ceruti das Spektrum seines bildnerischen Ausdrucks und schuf eine lombardische Version zeitgenössischer französischer, englischer und venezianischer Konversationsstücke, die bei den mit der internationalen Kunstszene immer vertrauteren Auftraggebern hoch im Kurs standen. Dies zeigt sich deutlich in zahlreichen Werken Cerutis, etwa in dem Familienbildnis um einen Tisch im Kunstmuseum in Basel, vergleichbar Pietro Longhis Concertino von 1741 (vgl. M. Gregori, Giacomo Ceruti, Bergamo 1982, S. 459, Nr. 167, Taf. 167); in den vier bäuerlichen und bürgerlichen Szenerien – Tanzende Bauern, Abend auf dem Dorfplatz, Frauen bei der Arbeit in einem Interieur und Familienszene – aus dem Palazzo Busseti in Tortona (ebd., Taf. 186, 195, 199, 224), die vermutlich während des Aufenthalts des Künstlers in Piacenza im Zeitraum zwischen 1744 und 1746 entstanden sind; im Kartenspiel im North Carolina Museum of Art in Raleigh (ebd., Taf. 166), das wohl aus der Zeit nach der Rückkehr des Künstlers nach Mailand 1747 datiert (zu Cerutis Reisen siehe V. Caprara, Regesto, in: Giacomo Ceruti, il Pitocchetto, Kat. Ausst., Mailand 1987, S. 202–213).
Trotz Gemeinsamkeiten mit den oben erwähnten Werken zeigt das vorliegende Gemälde weder den Realismus des Baseler Familienbildnisses noch den unterhaltsamen Unterton des Tortona-Zyklus und dessen Bezugnahmen auf Todeschini, noch die raffinierte Farbigkeit und verzauberte Atmosphäre des Kartenspiels in Raleigh. Dies legt die Vermutung nahe, dass das Gemälde früher, während Cerutis Zeit in Padua (um 1737–1741) und damit vor seinen Jahren in Mailand (1742–1744), entstanden ist. Dies scheint durch stilistische und typologische Ähnlichkeiten zu den 1738 und um 1740–1743 in Padua geschaffenen Altarbildern (Gregori, 1982, Taf. 123–123a, 140–140a) sowie zu dem für die Pfarrkirche von Rivergaro (Piacenza) entstandenen Altarbild, das um 1740 datiert werden kann, bestätigt (siehe M. Lucco, in: Giacomo Ceruti, 1987, S. 189, Nr. 68, Taf. 68). Weitere Elemente, die auf eine Entstehung des Gemäldes während der Zeit in Padua verweisen, sind die hellen Farben und blendenden Weißtöne, beides Anregungen zur Erweiterung seiner Farbpalette, die der Künstler aus Venedig bezogen hat sowie die nahezu greifbare Weichheit der Formgebung der Figuren und die für den Künstler typische Pastosität der Formen und Texturen, vor allem in der ausgeprägten Plastizität des Hutes zu bemerken, die im Gegensatz zum ebenmäßigen und flachen Farbauftrag des Hintergrundes steht.

Aufgrund der hier ausgeführten Überlegungen wäre die vorliegende Familienszene in einem Interieur in den Zeitraum zwischen die späten 1730er- und frühen 1740er-Jahre zu datieren. Das Werk wäre somit ein wertvolles Zeugnis einer von Experimenten geprägten Übergangsphase von den traditionellen, an Keilhau und Cipper orientierten Genreszenen hin zu modernen Milieustudien mit anekdotischem Inhalt, angesiedelt in einem bürgerlichen Ambiente.
Wir danken Cristina Geddo für ihre Unterstützung bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

09.04.2014 - 18:00

Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Lombardische Schule, 18. Jahrhundert


Familienszene in einem Interieur,
Öl auf Leinwand, 127,5 x 119,3 cm

Literatur:
V. Sgarbi, Dell’uomo e della sua fine. Da Antonello a Pirandello, in: La ricerca dell’identità da Antonello a De Chirico, hg. von V. Sgarbi, Kat. Ausst., Mailand 2003, S. 53-54, S. 149, Abb. 64, S. 282, Nr. 64 (als Giacomo Ceruti);
S. Pierguidi, in: La ricerca dell’identità da Tiziano a De Chirico, hg. von V. Sgarbi, Kat. Ausst., Mailand 2004, S. 248, Nr. 60, S. 149, Abb. 60 (als Giacomo Ceruti)

Nach Untersuchung des vorliegenden Gemäldes im Original hat Cristina Geddo vorgeschlagen, es zur Gänze Giacomo Ceruti (Mailand 1698–1767) zuzuschreiben. Diese Einschätzung wird ihrer Meinung nach durch Malstil und typologische Merkmale sowie durch das Genrethema und dessen konsequente bildnerische Umsetzung untermauert.

Dargestellt ist eine Szene aus dem Alltagsleben, angesiedelt in einem häuslichen Interieur, das zum Teil durch ein Bleiglasfenster rechts erleuchtet wird. Der Esstisch im Vordergrund, an dem zwei der Protagonisten sitzen, der Schrank im Hintergrund und die Druckgrafik an der Wand, auf der eine Frau in der Manier Pittonis zu sehen ist, entsprechen dem sozialen Status der Familie. Zwei Eier, ein Weinkännchen und ein Glas auf dem Schrank sowie ein Milchkrug und der in der linken oberen Ecke hängende Kürbis unterstreichen die nüchterne Alltagsstimmung. Von ebenso schlichter Würde ist die Kleidung der drei Figuren, vor allem die des im Profil dargestellten stehenden jungen Mannes, der über einer rot gefütterten grauen Weste einen rostbraunen Schoßrock trägt; die weiße Schürze und Kopfbedeckung deuten auf seine berufliche Zugehörigkeit zur Handwerkerzunft (der Bäcker, Köche oder dergleichen) hin. Der junge Mann richtet seinen Blick auf die über den Tisch gebeugte Frau, deren Kopf in ihrem Arm verborgen ist. Eine Hand des Mannes ruht auf dem Kopf des Kindes neben ihm, das mit seinem Blick die andere Hand, die auf die Frau deutet, fixiert.
Die Bedeutung der Szene könnte leicht missverstanden werden, wüsste man nicht um den Topos des Schläfers bzw. der Schläferin in der flämischen und holländischen Genremalerei. Die locker vom Tisch herabhängende Hand der Frau und die Geste des Kindes, das den Finger an den Mund hält, um zum Stillsein zu gemahnen, machen deutlich, dass die Frau nicht von tiefem Schmerz erfüllt ist, sondern einfach nur schläft.
In dieser Hinsicht vergleichbar ist Nicolaes Maes’ Schläfer mit Taschendieben in der Sammlung Van Otterloo (um 1655). Obgleich die Frau möglicherweise nach einem langen Arbeitstag ihrer Erschöpfung erlegen und ihr Schlaf daher frei von Schuld ist, ist dennoch ein kritischer Unterton spürbar, mit dem das Laster der Faulheit verurteilt wird. Zum einen spielt darauf die Druckgrafik an, auf der eine Frau beim Streicheln einer Katze dargestellt ist – seit jeher ein Symbol für Faulheit, dem man auch in Maes’ Gemälde Die untätige Dienerin (um 1655) in der National Gallery in London begegnet, andererseits sind da der erstaunte Blick des Mannes und seine entschiedene Geste: bei seiner Heimkehr von der Arbeit findet er die Frau schlafend und das Kind vernachlässigt vor. Der Künstler distanziert sich jedoch von den moralisierenden, heiteren und spielerischen Versionen, die für flämische und holländische Genremaler und das Werk Keilhaus typisch sind, und erfüllt die Szene mit einer bisher ungekannten dramatischen Spannung. Über die wunderbare Bilderfindung stellt er einen Dialog zwischen den beiden Protagonisten her. Diese und andere Details – etwa die Ausmaße der Leinwand, die natürlichen Größenverhältnisse der Figuren und die strenge, auf einem System vertikaler, diagonaler und elliptischer Linien basierende Komposition – verleihen dem Genrebild hier eine dem Historienbild ebenbürtige Würde. Der Tisch, der parallel zur unteren Ebene der Komposition verläuft, verbindet den fiktionalen Raum des Gemäldes mit der Wirklichkeit, indem er dem Betrachter von einem erhöhten Standpunkt nahe an die Szene heranrückt, als stünde er auf der anderen Seite desselben Tisches. Der leere Raum in der Mitte des Bildes mit dem unauffälligen, frugalen Stillleben bringt die dramatische Distanz zwischen den beiden Figuren zum Ausdruck und richtet die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die unschuldig glänzenden saphirblauen Augen des Kindes, welches das emotionale Zentrum der Szene bildet. Auch die Verteilung des Lichtes spielt eine Schlüsselrolle: Die kräftigen Strahlen der Mittagssonne, die durch das seitliche Fenster einfallen und das Halbdunkel des Innenraums durchdringen, erhellen zum Teil die Gesichter des jungen Mannes und des Kindes. Dabei verweist das Spiel von warmen Hell- und Dunkeltönen deutlich auf den Einfluss Piazzettas. Das Profil des jungen Mannes scheint auch direkt aus dessen Gemälde Bauernknabe auf dem Markt von ca. 1715–1720 (Museum of Fine Arts, Boston) entnommen (siehe A. Mariuz, L’opera completa del Piazzetta, Mailand 1982, S. 78, Nr. 14), ursprünglich das Gegenstück zum Schlafenden Bauernmädchen in der Residenzgalerie in Salzburg.
Sowohl die Bezugnahme auf Piazzetta, dem Ceruti zweifellos in Venedig begegnet war (möglicherweise durch die Vermittlung von Marschall Schulenburg, der bei beiden Künstlern Werke in Auftrag gab), als auch der Charakter und das soziale Umfeld der Szene erlauben eine Datierung des vorliegenden Gemäldes nach Cerutis Aufenthalt in Venedig 1736, mit dem die große brescianische Periode des Malers, die sich durch Darstellungen Armer und Bettler (pitocchi) auszeichnete, ein Ende fand (vgl. C. Geddo, Collezionisti e pittori di genere nel Settecento a Milano e nel Lombardo-Veneto, in: Da Caravaggio a Ceruti. La scena di genere e l’immagine dei “pitocchi” nella pittura italiana, hg. von F. Porzio, Kat. Ausst., Mailand 1998, S. 109–111).

In den 1740er-Jahren erweiterte Ceruti das Spektrum seines bildnerischen Ausdrucks und schuf eine lombardische Version zeitgenössischer französischer, englischer und venezianischer Konversationsstücke, die bei den mit der internationalen Kunstszene immer vertrauteren Auftraggebern hoch im Kurs standen. Dies zeigt sich deutlich in zahlreichen Werken Cerutis, etwa in dem Familienbildnis um einen Tisch im Kunstmuseum in Basel, vergleichbar Pietro Longhis Concertino von 1741 (vgl. M. Gregori, Giacomo Ceruti, Bergamo 1982, S. 459, Nr. 167, Taf. 167); in den vier bäuerlichen und bürgerlichen Szenerien – Tanzende Bauern, Abend auf dem Dorfplatz, Frauen bei der Arbeit in einem Interieur und Familienszene – aus dem Palazzo Busseti in Tortona (ebd., Taf. 186, 195, 199, 224), die vermutlich während des Aufenthalts des Künstlers in Piacenza im Zeitraum zwischen 1744 und 1746 entstanden sind; im Kartenspiel im North Carolina Museum of Art in Raleigh (ebd., Taf. 166), das wohl aus der Zeit nach der Rückkehr des Künstlers nach Mailand 1747 datiert (zu Cerutis Reisen siehe V. Caprara, Regesto, in: Giacomo Ceruti, il Pitocchetto, Kat. Ausst., Mailand 1987, S. 202–213).
Trotz Gemeinsamkeiten mit den oben erwähnten Werken zeigt das vorliegende Gemälde weder den Realismus des Baseler Familienbildnisses noch den unterhaltsamen Unterton des Tortona-Zyklus und dessen Bezugnahmen auf Todeschini, noch die raffinierte Farbigkeit und verzauberte Atmosphäre des Kartenspiels in Raleigh. Dies legt die Vermutung nahe, dass das Gemälde früher, während Cerutis Zeit in Padua (um 1737–1741) und damit vor seinen Jahren in Mailand (1742–1744), entstanden ist. Dies scheint durch stilistische und typologische Ähnlichkeiten zu den 1738 und um 1740–1743 in Padua geschaffenen Altarbildern (Gregori, 1982, Taf. 123–123a, 140–140a) sowie zu dem für die Pfarrkirche von Rivergaro (Piacenza) entstandenen Altarbild, das um 1740 datiert werden kann, bestätigt (siehe M. Lucco, in: Giacomo Ceruti, 1987, S. 189, Nr. 68, Taf. 68). Weitere Elemente, die auf eine Entstehung des Gemäldes während der Zeit in Padua verweisen, sind die hellen Farben und blendenden Weißtöne, beides Anregungen zur Erweiterung seiner Farbpalette, die der Künstler aus Venedig bezogen hat sowie die nahezu greifbare Weichheit der Formgebung der Figuren und die für den Künstler typische Pastosität der Formen und Texturen, vor allem in der ausgeprägten Plastizität des Hutes zu bemerken, die im Gegensatz zum ebenmäßigen und flachen Farbauftrag des Hintergrundes steht.

Aufgrund der hier ausgeführten Überlegungen wäre die vorliegende Familienszene in einem Interieur in den Zeitraum zwischen die späten 1730er- und frühen 1740er-Jahre zu datieren. Das Werk wäre somit ein wertvolles Zeugnis einer von Experimenten geprägten Übergangsphase von den traditionellen, an Keilhau und Cipper orientierten Genreszenen hin zu modernen Milieustudien mit anekdotischem Inhalt, angesiedelt in einem bürgerlichen Ambiente.
Wir danken Cristina Geddo für ihre Unterstützung bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.


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+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 09.04.2014 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 29.03. - 09.04.2014

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