Lot Nr. 34 -


Frans Francken II.

[Saleroom Notice]
Frans Francken II. - Alte Meister

(Antwerpen 1581–1642)
Diana und ihre Nymphen beim Bad, mit einer Hirschjagd im Hintergrund,
Öl auf Kupfer, 50 x 66,5 cm, gerahmt

Rückseitig die Antwerpener Stadtmarke und das Zeichen des Tafelmachers Pieter Stas.

Wir danken Ursula Härting, die das vorliegende Gemälde im Original untersucht hat, für die Katalogisierung des Bildes. Ihr Gutachten liegt bei.

Härting schreibt: „Das mir im Original bekannte Gemälde ist eine in der Malerei des frühen 17. Jahrhunderts einzigartige Darstellung der Göttin Diana als dreigestaltige Mondgöttin der Fruchtbarkeit, der Jagd und der Hexerei aus der Hand des bedeutenden Kleinfigurenmalers Frans Francken d. J. Seine außergewöhnliche Nachtszene entstand um 1606 im katholischen Antwerpen.

Frans II gehörte zu einer Dynastie von Malern und führte in Antwerpen ein großes Atelier mit Hilfe seiner Söhne und Brüder. Kleinfigurige, kleinformatige Kabinettbilder, wie dieses hier, waren seine Spezialität. Auf Kupfer gemalte Szenen erhöhen die Intensität der Farben und gehörten seit dem Ende des 16. Jahrhunderts zu den gemalten Kostbarkeiten. Gerade in Franckens Frühzeit, um seine Freimeisterschaft im Jahr 1605 herum, entwickelte Frans II. außergewöhnliche, bis dahin ikonographisch unbekannte Darstellungen. Hervorzuheben sind Sujets von Innenräumen, Ballgesellschaften, Affen- und Hexenküchen, Szenen vom Hexensabbat und vor allem gemalte Galerieinterieurs. Franckens Nähe zu den in Brüssel residierenden Habsburgern, den Erzherzögen Albrecht und Isabella, dokumentiert nicht zuletzt sein Ball am Brüsseler Hof der Erzherzöge aus der Zeit um 1610 mit Porträts der Regenten und ihrer Gäste (Mauritshuis, Den Haag). Nachweislich hatte Frans II. im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts Kontakte zu den Brüsseler Hofmalern, darunter Peter Paul Rubens, und zum Hofmaler Jan Brueghel I., beide wie Frans II. in Antwerpen ansässig.

Der Blick fällt im Gemälde wohl zuerst auf die fast nackte Göttin Diana am Ufer eines Bachlaufs. Kennzeichnend ist die Mondsichel auf ihrem Haupt, ungewöhnlich für die Zeit der Entstehung des Bildes trägt sie ihre Haare offen und lang. Ihre Scham ist keusch mit einem Tuch bedeckt. Umgeben ist sie von ihren badenden Nymphen, die seit der Antike ihr Gefolge im Wald darstellen. Neben ihr sitzt eine luxuriös gekleidete Frau, allerdings offenbart sie ihr Dekolleté weniger keusch. Musikinstrumente liegen ihr zu Füßen. Rechts am Bildrand beginnt eine junge Frau sich zu entkleiden, wie es hinter ihr eine weitere bereits getan hat, sie ist nackt und streift im Sitzen ihre Strümpfe ab, am Bildrand entledigt sich eine weitere ihres weißen Hemds, sie kehrt uns den Rücken zu. Links gegenüber, am Bildrand, erleben zwei Frauen in luxuriösen Kostümen der Zeit und in Begleitung ihrer Hunde diese höchst ungewöhnliche Szene. Die gedeckte Tafel entspricht mit blumengeschmückten Topfkuchen, diversen Pasteten, einem großen Geflügel, Austern und Zuckerzeug luxuriösen Speisen zu Franckens Lebzeiten. Im dichten waldigen Hintergrund hetzen Jäger und Jagdhunde einen Hirsch. Über der Staffage am Bachlauf streuen Putten Blumen.

Seit der Antike wurden in Italien der Göttin Diana Tempel errichtet. Votivgaben fand man insbesondere aus dem Bereich der Frauenwünsche. In der Kunst behauptete Diana sich allerdings als Göttin der Jagd, wogegen man über Jahrhunderte in ihr die Göttin dreier Bereiche sah und eben diese führt Frans Francken d. J. dem Betrachter hier vor Augen. Dianas Domizil, in das kein Mann eindringen sollte, waren Wälder und Haine. Die Jagd in ihrem Hain war ihr vorbehalten. So hält sie hier im Gemälde einen Pfeil in der Hand, zwei Jagdhunde sitzen neben ihr. Ebenso wie die Waldfolie des Bildraums entspricht auch die Lage am Bach ihrem Element und dem ihrer Nymphen. Dort beim Baden erspähte Aktäon sie, den sie, wie in Ovids Metamorphosen nachzulesen ist, rücksichtslos in einen Hirsch verwandelte, den daraufhin seine eigenen Hunde zerrissen. Diese dunkle, zügellose Seite ihres Charakters deutet auch das Symbol der Nacht an, mit der Mondsichel auf ihrem gelösten Haar. Nächte bringen Unheil mit sich, so die geläufige Meinung unter Franckens Zeitgenossen. Neben Diana sitzt in blau changierendem Kleid mit großzügigem Dekolleté mit hohem Spitzenkragen die barbusige gegürtete junge Frau mit Musikinstrumenten. Melodien verführen im Licht der Zeit Männer genauso wie ihre offenherzige Kleidung. Doch repräsentiert sie nicht allein die Verführungskunst, sie gehört zu einem weiteren Kontext im Gemälde, ist sie doch ein Succubus, ein Dämon.

Die sogenannte Katholische Enzyclopaedia (Erstauflage 1599 in Leuven) des Jesuiten Martin Delrio (1561–1608) geht im Kapitel Quaestio 15 auf solch eine häretische Erscheinung eines Dämons ausführlich ein. Succubi und Incubi wären demnach in weiblich und männlich verwandelte Hexen, die Schlafende vergewaltigen, um sich zu vermehren, damit sie vom katholischen Glauben abfallen und sich zu Satan und Magie bekehren. Dabei wurden die dämonischen Vorstellungen von weiblichen Succubi seit dem Mittelalter europaweit tradiert. Delrios zu Franckens Lebzeit erschienene fundamentale Schrift zu Riten und Verfolgung der Hexen Disquisitionum Magicarum libri sex erfuhr nicht nur weitere Editionen, sondern wurde zur Basis eines andauernden Hexenglaubens, insbesondere im katholischen Belgien. Delrio stimmte auch mit den althergebrachten Glaubensvorstellungen der Diana als Dea Paganorum überein, der heidnischen Göttin, der unzählige Frauen folgen würden, multitudine mulierum. Er zitierte die kanonischen Aussagen zum Nachtflug, wonach Diana es ihren Anhängerinnen ermöglichte, kraft einer Salbe, die auf ihren Rücken aufgetragen wurde, des Nachts zu fliegen.
Ebenso finden sich seit der Antike bis in die frühe Neuzeit Hinweise auf eine Societas Dianae oder eine Sodalität der Göttin. Nur Frauen würden solch einer Gesellschaft aus Teufelsjüngerinnen angehören, die nach dem Canon Episcopi Zaubermittel zubereiteten, die unter anderem den Hass von Menschen in Liebe umwandeln könnten und umgekehrt. Wer nicht an Hexen glaubt, so Delrio, ist kein Katholik. 1606 erließen Albrecht und Isabella, die erzkatholischen Regenten, ein Dekret zur Hexenverfolgung.

Anhand dieser Quellenlage ist es ein Leichtes, das vorliegende Gemälde zu entschlüsseln. Zudem finden sich etwa zur gleichen Zeit wie das erwähnte Dekret im Oeuvre von Frans II. diverse magisch dämonische Hexenszenen. Das Sujet dieser Szenen ist seine Erfindung, so signierte er diverse Male neben seinem Namen auch mit einem Invenit. Zu den Stereotypen seiner gemalten Hexenküchen gehören das Entkleiden, das Ausziehen der Beinlinge und der nackte Rücken, den alte Vetteln mit Flugsalbe einreiben. Die nächtliche Szene am Wald mit Nacktbadenden verführt genauso wie ausgelassene Tanzmusik zu sündiger, unkeuscher Liebe, insbesondere zur Nacht. Die jungen Damen am linken Bildrand, durch den Bachlauf von den dunklen Seiten Dianas getrennt und näher am Betrachter, gehören zu einer sog. Diana-Gesellschaft, die die positive Seite Dianas verkörpert. Sie spielen auf die besonderen Anliegen junger Frauen an, etwa auf einen Kinderwunsch, eine leichte Entbindung oder eine gute Ehe – Wünsche, deren Erfüllung sie sich von Diana erhofften. Societas oder Sodalität sind die tradierten Titel dieser Gesellschaft. Namen, die in Antwerpen ganz real eine Gesellschaft meinten – die der unverheirateten Männer, der Freimeister, der Jesuiten oder Laienbrüder, deren Zusammenkünfte von ausgiebigem, gemeinsamem Tafeln und Trinken geprägt waren. Frans deutet hier den traditionellen, literarischen Begriff der Societas Dianae zeitgenössisch um, versetzt ihn anschaulich in seine eigene Realität. Frans II. führt hier vor Augen, wofür man Diana, die Mondgöttin, für zuständig hielt: sie ist offensichtlich Jägerin, Herrscherin der Hexen, aber auch Göttin der Fruchtbarkeit.

Die Datierung der Kupfertafel um 1606 resultiert nicht allein aus der Schlagmarke des Tafelmachers Pieter Stas, der diese Marke bis dahin einsetzte. Franckens kurz nach 1604/05 anzusetzende Kupfertafel einer Hexe in einer ebensolchen Küche aus Privatbesitz weist eine äußerst ähnliche Kopfhaltung und Physiognomie mit dem hier dekolletierten Succubus auf. Auch in der Londoner Hexenküche aus dem Jahr 1606 findet sich eine vergleichbare Stilstufe in Physiognomie und im Gewand mit weißlich pastoser Höhung wie hier im weiblichen Dämon.

Insgesamt erweist sich die nächtliche Szene heute wie damals unter Kennern der Francken’schen Hexenszenen als leicht lesbar. Auch wenn die Hexenverfolgung zu Franckens Lebzeiten ungebrochen war und durch Delrios Editionen von 1599 und 1604 geradezu angeheizt wurde, die erotische Ausstrahlung der vielen nackten Nymphen wird den Betrachter damals wie heute sicher erfreut haben. Solch einer sichtlich harmonischen Ebene gehören die Blumen streuenden Putten an, die zurzeit noch nicht eindeutig ikonographisch deutbar sind. Diskurse vor Gemälden durch Kunstkenner gehörten damals zur Aufgabe solch kenntnisreicher, im besten Sinne anregenden Kompositionen.

Wer der Auftraggeber dieser exzeptionellen Vorstellung der Diana war, bleibt offen. Er scheint mir jedoch aus einem humanistisch gebildeten Umfeld zu stammen. Da wären die Theologen, vor allem die Antwerpener Jesuiten, zum anderen eine Persönlichkeit des Brüsseler Hofes. Letzteres ist eine Einschätzung, die auf den bekannten, am Hof gepflegten Theater- und Musikaufführungen beruht. So wie Frans Francken II. einen Ball am Brüsseler Hof mit den Erzherzögen dokumentierte, mehr oder weniger korrekt, so mag auch das vorliegende einzigartige Gemälde eine solche Aufführung summarisch im Bild festhalten, anhand der demonstrativ vorgeführten Instrumente. Damit wären vor allem die Putten als eine Art memorierende, glorifizierende, bildlich resümierende Darstellung eines musikalischen Theaterspiels zu deuten, an Isabellas Hof, deren eigener sehnlicher Kinderwunsch nie in Erfüllung ging.“

Klaus Ertz schlägt eine Zuschreibung dieses Bildes an Adriaen van Stalbemt vor. Er wird es in seinem in Vorbereitung befindlichen Werkverzeichnis als eigenhändige Arbeit Stalbemts publizieren.

Saleroom Notice:

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

17.10.2017 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 95.584,-
Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Frans Francken II.

[Saleroom Notice]

(Antwerpen 1581–1642)
Diana und ihre Nymphen beim Bad, mit einer Hirschjagd im Hintergrund,
Öl auf Kupfer, 50 x 66,5 cm, gerahmt

Rückseitig die Antwerpener Stadtmarke und das Zeichen des Tafelmachers Pieter Stas.

Wir danken Ursula Härting, die das vorliegende Gemälde im Original untersucht hat, für die Katalogisierung des Bildes. Ihr Gutachten liegt bei.

Härting schreibt: „Das mir im Original bekannte Gemälde ist eine in der Malerei des frühen 17. Jahrhunderts einzigartige Darstellung der Göttin Diana als dreigestaltige Mondgöttin der Fruchtbarkeit, der Jagd und der Hexerei aus der Hand des bedeutenden Kleinfigurenmalers Frans Francken d. J. Seine außergewöhnliche Nachtszene entstand um 1606 im katholischen Antwerpen.

Frans II gehörte zu einer Dynastie von Malern und führte in Antwerpen ein großes Atelier mit Hilfe seiner Söhne und Brüder. Kleinfigurige, kleinformatige Kabinettbilder, wie dieses hier, waren seine Spezialität. Auf Kupfer gemalte Szenen erhöhen die Intensität der Farben und gehörten seit dem Ende des 16. Jahrhunderts zu den gemalten Kostbarkeiten. Gerade in Franckens Frühzeit, um seine Freimeisterschaft im Jahr 1605 herum, entwickelte Frans II. außergewöhnliche, bis dahin ikonographisch unbekannte Darstellungen. Hervorzuheben sind Sujets von Innenräumen, Ballgesellschaften, Affen- und Hexenküchen, Szenen vom Hexensabbat und vor allem gemalte Galerieinterieurs. Franckens Nähe zu den in Brüssel residierenden Habsburgern, den Erzherzögen Albrecht und Isabella, dokumentiert nicht zuletzt sein Ball am Brüsseler Hof der Erzherzöge aus der Zeit um 1610 mit Porträts der Regenten und ihrer Gäste (Mauritshuis, Den Haag). Nachweislich hatte Frans II. im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts Kontakte zu den Brüsseler Hofmalern, darunter Peter Paul Rubens, und zum Hofmaler Jan Brueghel I., beide wie Frans II. in Antwerpen ansässig.

Der Blick fällt im Gemälde wohl zuerst auf die fast nackte Göttin Diana am Ufer eines Bachlaufs. Kennzeichnend ist die Mondsichel auf ihrem Haupt, ungewöhnlich für die Zeit der Entstehung des Bildes trägt sie ihre Haare offen und lang. Ihre Scham ist keusch mit einem Tuch bedeckt. Umgeben ist sie von ihren badenden Nymphen, die seit der Antike ihr Gefolge im Wald darstellen. Neben ihr sitzt eine luxuriös gekleidete Frau, allerdings offenbart sie ihr Dekolleté weniger keusch. Musikinstrumente liegen ihr zu Füßen. Rechts am Bildrand beginnt eine junge Frau sich zu entkleiden, wie es hinter ihr eine weitere bereits getan hat, sie ist nackt und streift im Sitzen ihre Strümpfe ab, am Bildrand entledigt sich eine weitere ihres weißen Hemds, sie kehrt uns den Rücken zu. Links gegenüber, am Bildrand, erleben zwei Frauen in luxuriösen Kostümen der Zeit und in Begleitung ihrer Hunde diese höchst ungewöhnliche Szene. Die gedeckte Tafel entspricht mit blumengeschmückten Topfkuchen, diversen Pasteten, einem großen Geflügel, Austern und Zuckerzeug luxuriösen Speisen zu Franckens Lebzeiten. Im dichten waldigen Hintergrund hetzen Jäger und Jagdhunde einen Hirsch. Über der Staffage am Bachlauf streuen Putten Blumen.

Seit der Antike wurden in Italien der Göttin Diana Tempel errichtet. Votivgaben fand man insbesondere aus dem Bereich der Frauenwünsche. In der Kunst behauptete Diana sich allerdings als Göttin der Jagd, wogegen man über Jahrhunderte in ihr die Göttin dreier Bereiche sah und eben diese führt Frans Francken d. J. dem Betrachter hier vor Augen. Dianas Domizil, in das kein Mann eindringen sollte, waren Wälder und Haine. Die Jagd in ihrem Hain war ihr vorbehalten. So hält sie hier im Gemälde einen Pfeil in der Hand, zwei Jagdhunde sitzen neben ihr. Ebenso wie die Waldfolie des Bildraums entspricht auch die Lage am Bach ihrem Element und dem ihrer Nymphen. Dort beim Baden erspähte Aktäon sie, den sie, wie in Ovids Metamorphosen nachzulesen ist, rücksichtslos in einen Hirsch verwandelte, den daraufhin seine eigenen Hunde zerrissen. Diese dunkle, zügellose Seite ihres Charakters deutet auch das Symbol der Nacht an, mit der Mondsichel auf ihrem gelösten Haar. Nächte bringen Unheil mit sich, so die geläufige Meinung unter Franckens Zeitgenossen. Neben Diana sitzt in blau changierendem Kleid mit großzügigem Dekolleté mit hohem Spitzenkragen die barbusige gegürtete junge Frau mit Musikinstrumenten. Melodien verführen im Licht der Zeit Männer genauso wie ihre offenherzige Kleidung. Doch repräsentiert sie nicht allein die Verführungskunst, sie gehört zu einem weiteren Kontext im Gemälde, ist sie doch ein Succubus, ein Dämon.

Die sogenannte Katholische Enzyclopaedia (Erstauflage 1599 in Leuven) des Jesuiten Martin Delrio (1561–1608) geht im Kapitel Quaestio 15 auf solch eine häretische Erscheinung eines Dämons ausführlich ein. Succubi und Incubi wären demnach in weiblich und männlich verwandelte Hexen, die Schlafende vergewaltigen, um sich zu vermehren, damit sie vom katholischen Glauben abfallen und sich zu Satan und Magie bekehren. Dabei wurden die dämonischen Vorstellungen von weiblichen Succubi seit dem Mittelalter europaweit tradiert. Delrios zu Franckens Lebzeit erschienene fundamentale Schrift zu Riten und Verfolgung der Hexen Disquisitionum Magicarum libri sex erfuhr nicht nur weitere Editionen, sondern wurde zur Basis eines andauernden Hexenglaubens, insbesondere im katholischen Belgien. Delrio stimmte auch mit den althergebrachten Glaubensvorstellungen der Diana als Dea Paganorum überein, der heidnischen Göttin, der unzählige Frauen folgen würden, multitudine mulierum. Er zitierte die kanonischen Aussagen zum Nachtflug, wonach Diana es ihren Anhängerinnen ermöglichte, kraft einer Salbe, die auf ihren Rücken aufgetragen wurde, des Nachts zu fliegen.
Ebenso finden sich seit der Antike bis in die frühe Neuzeit Hinweise auf eine Societas Dianae oder eine Sodalität der Göttin. Nur Frauen würden solch einer Gesellschaft aus Teufelsjüngerinnen angehören, die nach dem Canon Episcopi Zaubermittel zubereiteten, die unter anderem den Hass von Menschen in Liebe umwandeln könnten und umgekehrt. Wer nicht an Hexen glaubt, so Delrio, ist kein Katholik. 1606 erließen Albrecht und Isabella, die erzkatholischen Regenten, ein Dekret zur Hexenverfolgung.

Anhand dieser Quellenlage ist es ein Leichtes, das vorliegende Gemälde zu entschlüsseln. Zudem finden sich etwa zur gleichen Zeit wie das erwähnte Dekret im Oeuvre von Frans II. diverse magisch dämonische Hexenszenen. Das Sujet dieser Szenen ist seine Erfindung, so signierte er diverse Male neben seinem Namen auch mit einem Invenit. Zu den Stereotypen seiner gemalten Hexenküchen gehören das Entkleiden, das Ausziehen der Beinlinge und der nackte Rücken, den alte Vetteln mit Flugsalbe einreiben. Die nächtliche Szene am Wald mit Nacktbadenden verführt genauso wie ausgelassene Tanzmusik zu sündiger, unkeuscher Liebe, insbesondere zur Nacht. Die jungen Damen am linken Bildrand, durch den Bachlauf von den dunklen Seiten Dianas getrennt und näher am Betrachter, gehören zu einer sog. Diana-Gesellschaft, die die positive Seite Dianas verkörpert. Sie spielen auf die besonderen Anliegen junger Frauen an, etwa auf einen Kinderwunsch, eine leichte Entbindung oder eine gute Ehe – Wünsche, deren Erfüllung sie sich von Diana erhofften. Societas oder Sodalität sind die tradierten Titel dieser Gesellschaft. Namen, die in Antwerpen ganz real eine Gesellschaft meinten – die der unverheirateten Männer, der Freimeister, der Jesuiten oder Laienbrüder, deren Zusammenkünfte von ausgiebigem, gemeinsamem Tafeln und Trinken geprägt waren. Frans deutet hier den traditionellen, literarischen Begriff der Societas Dianae zeitgenössisch um, versetzt ihn anschaulich in seine eigene Realität. Frans II. führt hier vor Augen, wofür man Diana, die Mondgöttin, für zuständig hielt: sie ist offensichtlich Jägerin, Herrscherin der Hexen, aber auch Göttin der Fruchtbarkeit.

Die Datierung der Kupfertafel um 1606 resultiert nicht allein aus der Schlagmarke des Tafelmachers Pieter Stas, der diese Marke bis dahin einsetzte. Franckens kurz nach 1604/05 anzusetzende Kupfertafel einer Hexe in einer ebensolchen Küche aus Privatbesitz weist eine äußerst ähnliche Kopfhaltung und Physiognomie mit dem hier dekolletierten Succubus auf. Auch in der Londoner Hexenküche aus dem Jahr 1606 findet sich eine vergleichbare Stilstufe in Physiognomie und im Gewand mit weißlich pastoser Höhung wie hier im weiblichen Dämon.

Insgesamt erweist sich die nächtliche Szene heute wie damals unter Kennern der Francken’schen Hexenszenen als leicht lesbar. Auch wenn die Hexenverfolgung zu Franckens Lebzeiten ungebrochen war und durch Delrios Editionen von 1599 und 1604 geradezu angeheizt wurde, die erotische Ausstrahlung der vielen nackten Nymphen wird den Betrachter damals wie heute sicher erfreut haben. Solch einer sichtlich harmonischen Ebene gehören die Blumen streuenden Putten an, die zurzeit noch nicht eindeutig ikonographisch deutbar sind. Diskurse vor Gemälden durch Kunstkenner gehörten damals zur Aufgabe solch kenntnisreicher, im besten Sinne anregenden Kompositionen.

Wer der Auftraggeber dieser exzeptionellen Vorstellung der Diana war, bleibt offen. Er scheint mir jedoch aus einem humanistisch gebildeten Umfeld zu stammen. Da wären die Theologen, vor allem die Antwerpener Jesuiten, zum anderen eine Persönlichkeit des Brüsseler Hofes. Letzteres ist eine Einschätzung, die auf den bekannten, am Hof gepflegten Theater- und Musikaufführungen beruht. So wie Frans Francken II. einen Ball am Brüsseler Hof mit den Erzherzögen dokumentierte, mehr oder weniger korrekt, so mag auch das vorliegende einzigartige Gemälde eine solche Aufführung summarisch im Bild festhalten, anhand der demonstrativ vorgeführten Instrumente. Damit wären vor allem die Putten als eine Art memorierende, glorifizierende, bildlich resümierende Darstellung eines musikalischen Theaterspiels zu deuten, an Isabellas Hof, deren eigener sehnlicher Kinderwunsch nie in Erfüllung ging.“

Klaus Ertz schlägt eine Zuschreibung dieses Bildes an Adriaen van Stalbemt vor. Er wird es in seinem in Vorbereitung befindlichen Werkverzeichnis als eigenhändige Arbeit Stalbemts publizieren.

Saleroom Notice:

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 17.10.2017 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 07.10. - 17.10.2017


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.

Warum bei myDOROTHEUM registrieren?

Die kostenlose Registrierung bei myDOROTHEUM ermöglicht Ihnen die komplette Nutzung folgender Funktionen:

Katalog Benachrichtigungen sobald ein neuer Auktionskatalog online ist.
Auktionstermin Erinnerung zwei Tage vor Auktionsbeginn.
Mitbieten Bieten Sie auf Ihre Lieblingsstücke und ersteigern Sie neue Meisterwerke!
Suchservice Sie suchen nach einem bestimmten Künstler oder einer bestimmten Marke? Speichern Sie Ihre Suche ab und werden Sie automatisch informiert, sobald diese in einer Auktion angeboten werden!