Lot Nr. 72


Albrecht Dürer


(1471-1528) Nachfolger/ Follower "Das kleine Glück", am linken unteren Rand das Monogramm AD, Feder in Braun, auf Papier, 23,8 x 9,3 cm, die unteren beiden Ecken ergänzt, gebräunt, Passep., o. R., (Sch)

Bei dem vorliegenden Blatt handelt es sich vermutlich um eine Kopie nach Albrech tDürers gleichnamigem Kupferstich (Bartsch 78), den Dürer nach seinem ersten venezianischen Aufenthalt um 1495/96 anfertigte. Im Gegensatz zum "Großen Glück" (Bartsch 77) tritt "Das kleine Glück" nicht als komplexe Allegorie, sondern mit dem bescheidenen Anspruch einer Aktstudie auf. Nur das Attribut der Kugel weist die Rückenfigur als Glücksgöttin Fortuna aus. Auf ihr vollführt die vom Rücken umrissene, nackte Frauengestalt einen schwierigen Balanceakt; um das Gleichgewicht zu halten, stützt sie sich mit der Linken auf einen langen Stab. Sie hält dabei einen Distelzweig in der Hand, das im Frühwerk Dürers häufig als Liebessymbol verwendete "Eryngium" (Mannstreu), dessen aphrodisische Eigenschaft von Plinius bis hin zu den spätmittelalterlichen Herbaren beschrieben wurde. Es definiert Fortuna hier als Verkörperung des schwankenden Liebesglücks. Zum Eindruck der Wandelbarkeit trägt auch die spiralige Körperdrehung bei, aus der die junge Frau ihr Gesicht mit den niedergeschlagenen Augen ins Profil nach links wendet. Dürer war offenbar der erste, der die Kugel - anstelle des mittelalterlichen Glücksrades- zum Attribut der Fortuna erhob. Als literarische Quelle für diese ikonographische Neuerung kommt vor allem die sog. "Tabula Cebetis" infrage, ein moralphilosophischer Dialog, den die Humanisten dem Sokrates-Schüler Kebes zuschrieben und den Willibald Pirckheimer erstmals ins Deutsche übertragen hatte. Hier wird Fortuna als blinde weibliche Gestalt auf einer steinernen Kugel beschrieben. Im Gegensatz zu dem Kupferstich hält Fortuna in unserer Zeichnung den Arm näher zum Körper hingezogen, wobei auch der Stab nicht mehr parallel sondern diagonal zum Bildrand verläuft. Dass es sich bei dem uns vorliegenden Blatt um eine Vorzeichnung Dürers für diesen Kupferstich handelt, kann jedoch aufgrund der technischen Mängel ausgeschlossen werden; im Vergleich zu den Vorzeichnungen Dürers für andere druckgraphische Blätter, sind diese meist kompositorisch freier und in der Linienführung spontaner ausgeführt. Auch erscheint die Figur in unserer Zeichnung etwas steif und in den Proportionen zu wenig überzeugend, als dass Dürer als Autor dieser Zeichnung in Frage käme. Viel wahrscheinlicher ist, dass ein Schüler den Kupferstich kopierte, und dass ursprünglich neben dem "Kleinen Glück" noch mehr Figuren auf dem Blatt versammelt waren; die starke Beschneidung des Blattes am linken Rand u d den unteren beiden Ecken könnten darauf ein Hinweis sein. Provenienz: Wiener Privatsammlung.Literatur: Rainer Schoch (Hrsg.), Albrecht Dürer: das druckgraphische Werk, München 2001, Kat. 5, S.36; Fejda Anzelewsky (Hrsg.), Albrecht Dürer. Kritischer Katalog der Zeichnungen, Berlin 1984.

Expertin: Mag. Astrid-Christina Schierz Mag. Astrid-Christina Schierz
+43-1-515 60-546

astrid.schierz@dorotheum.at

02.06.2010 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 2.250,-
Schätzwert:
EUR 2.500,- bis EUR 3.000,-

Albrecht Dürer


(1471-1528) Nachfolger/ Follower "Das kleine Glück", am linken unteren Rand das Monogramm AD, Feder in Braun, auf Papier, 23,8 x 9,3 cm, die unteren beiden Ecken ergänzt, gebräunt, Passep., o. R., (Sch)

Bei dem vorliegenden Blatt handelt es sich vermutlich um eine Kopie nach Albrech tDürers gleichnamigem Kupferstich (Bartsch 78), den Dürer nach seinem ersten venezianischen Aufenthalt um 1495/96 anfertigte. Im Gegensatz zum "Großen Glück" (Bartsch 77) tritt "Das kleine Glück" nicht als komplexe Allegorie, sondern mit dem bescheidenen Anspruch einer Aktstudie auf. Nur das Attribut der Kugel weist die Rückenfigur als Glücksgöttin Fortuna aus. Auf ihr vollführt die vom Rücken umrissene, nackte Frauengestalt einen schwierigen Balanceakt; um das Gleichgewicht zu halten, stützt sie sich mit der Linken auf einen langen Stab. Sie hält dabei einen Distelzweig in der Hand, das im Frühwerk Dürers häufig als Liebessymbol verwendete "Eryngium" (Mannstreu), dessen aphrodisische Eigenschaft von Plinius bis hin zu den spätmittelalterlichen Herbaren beschrieben wurde. Es definiert Fortuna hier als Verkörperung des schwankenden Liebesglücks. Zum Eindruck der Wandelbarkeit trägt auch die spiralige Körperdrehung bei, aus der die junge Frau ihr Gesicht mit den niedergeschlagenen Augen ins Profil nach links wendet. Dürer war offenbar der erste, der die Kugel - anstelle des mittelalterlichen Glücksrades- zum Attribut der Fortuna erhob. Als literarische Quelle für diese ikonographische Neuerung kommt vor allem die sog. "Tabula Cebetis" infrage, ein moralphilosophischer Dialog, den die Humanisten dem Sokrates-Schüler Kebes zuschrieben und den Willibald Pirckheimer erstmals ins Deutsche übertragen hatte. Hier wird Fortuna als blinde weibliche Gestalt auf einer steinernen Kugel beschrieben. Im Gegensatz zu dem Kupferstich hält Fortuna in unserer Zeichnung den Arm näher zum Körper hingezogen, wobei auch der Stab nicht mehr parallel sondern diagonal zum Bildrand verläuft. Dass es sich bei dem uns vorliegenden Blatt um eine Vorzeichnung Dürers für diesen Kupferstich handelt, kann jedoch aufgrund der technischen Mängel ausgeschlossen werden; im Vergleich zu den Vorzeichnungen Dürers für andere druckgraphische Blätter, sind diese meist kompositorisch freier und in der Linienführung spontaner ausgeführt. Auch erscheint die Figur in unserer Zeichnung etwas steif und in den Proportionen zu wenig überzeugend, als dass Dürer als Autor dieser Zeichnung in Frage käme. Viel wahrscheinlicher ist, dass ein Schüler den Kupferstich kopierte, und dass ursprünglich neben dem "Kleinen Glück" noch mehr Figuren auf dem Blatt versammelt waren; die starke Beschneidung des Blattes am linken Rand u d den unteren beiden Ecken könnten darauf ein Hinweis sein. Provenienz: Wiener Privatsammlung.Literatur: Rainer Schoch (Hrsg.), Albrecht Dürer: das druckgraphische Werk, München 2001, Kat. 5, S.36; Fejda Anzelewsky (Hrsg.), Albrecht Dürer. Kritischer Katalog der Zeichnungen, Berlin 1984.

Expertin: Mag. Astrid-Christina Schierz Mag. Astrid-Christina Schierz
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astrid.schierz@dorotheum.at


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Meisterzeichnungen, Druckgraphik bis 1900, Aquarelle und Miniaturen
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 02.06.2010 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 27.05. - 02.06.2010


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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