Lot Nr. 70


Anthonis van Dyck


Anthonis van Dyck - Alte Meister

(Antwerpen 1599–1640 London)
Kopfstudie eines bärtigen Mannes,
Öl auf Holz, 48,2 x 38 cm, gerahmt

Rückseitig eingeritztes Monogramm des Antwerpener Tafelmachers Michiel Vriendt (tätig 1615–1637) sowie Reste zweier alter Inventarnummern: 51 und 94.

Provenienz:
Privatsammlung, Deutschland;
Auktion, Lempertz, Köln, 17. Mai 1962, Lot 198 (als Peter Paul Rubens);
Privatsammlung, Deutschland;
Privatsammlung, Schweiz;
Auktion, Sotheby’s, New York, 31. Januar 2009, Lot 64 (als „Peter Paul Rubens, Umkreis“);
Privatsammlung, Schweiz;
Privatsammlung, Süddeutschland

Literatur:
Antonio Morassi, Alcune opera del Rubens a Genova, in: Emporium, Nr. 105, 1947, S. 187–195, Taf. 11 (als Peter Paul Rubens)

Wir danken Christopher Brown, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes an Anthonis van Dyck nach Prüfung des Werks im Original bestätigt hat. Er schrieb an den Besitzer (persönliche Mitteilung, Februar 2011): „Ich habe Ihre Ölstudie gesehen und stimme Ihnen zu, dass sie möglicherweise als vorbereitende Studie für van Dycks Vertumnus und Pomona in Genua diente. Das Bild ist zweifellos von der Sicherheit und Gewandtheit, die man von einem eigenhändigen Werk van Dycks erwartet […].“

Diese ausdrucksstarke Studie eines Bärtigen zeichnet sich durch ihre extreme und ungewöhnliche Lichtführung aus. Das Licht kommt beinahe direkt von hinten und fällt breit auf den Hinterkopf, während das Gesicht größtenteils im Schatten liegt. Die auf der Grundierung Nass in Nass ausgeführte schnelle und sichere Pinselführung modelliert eindrucksvoll Kopf und Gesicht. Diese meisterliche skizzenhafte Maltechnik erinnert stark an Rubens, ebenso wie der lebendige Ausdruck des Alten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass das Gemälde ursprünglich als Frühwerk des Antwerpener Meisters aus dessen Zeit in Genua um 1610/1615 publiziert wurde. Während die Zuschreibung an Rubens eine naheliegende Wahl ist, wurde bisher übersehen, dass sich ebenfalls in Genua ein Gemälde seines Schülers Anthonis van Dyck befindet, das auf dem vorliegenden Werk beruht: Vertumnus und Pomona, Galleria di Palazzo Bianco, Genua (Barnes, de Poorter, Millar, Vey, Bd. II, S. 22).

Unser Kopf eines bärtigen Mannes ist ein gutes Beispiel für van Dycks immens ausdrucksstarke Kopfstudien, die er als Vorlage für seine Historiengemälde heranzog. Der Kopf diente als erste vorbereitende Studie für den Gott Vertumnus. Im ausgeführten Gemälde gibt dieser vor, eine Frau zu sein, und trägt demnach in Übereinstimmung mit Ovids Metamorphosen (14: 622–695) ein Kopftuch. In der Geschichte umwirbt Vertumnus, der sein Aussehen willentlich zu ändern vermag, Pomona, eine verführerische, aber hochmütige Nymphe. Sie weist seine Annährungsversuche zurück und sucht in ihrem Garten Zuflucht. Als alte Frau verkleidet, findet Vertumnus endlich Zugang zu Pomona. Auf dem Gemälde in Genua stellt van Dyck ihn dar, wie er sich ihr absichtsvoll im hellen Sonnenlicht nähert, das sein Gesicht und damit seine wahre Identität verunklärt. Der Künstler bediente sich eines älteren Modells, um die außergewöhnliche Lichtsituation sorgfältig „nach der Natur“ zu studieren und dann auf das Gemälde zu übertragen. Im Einklang mit Ovids Text gab van Dyck dem Mann im Gemälde ein klassischeres, jugendlicheres Aussehen.

Der im Profil dargestellte Kopf des Vertumnus beruht zweifelsohne auf der vorliegenden Kopfstudie. Die Umrisse folgen der Skizze genau, ebenso die Verteilung von Licht und Schatten. Zudem weisen die beiden Köpfe ähnliche Gesichtszüge und nahezu identische Ausmaße auf. Die große Nähe zwischen den beiden Werken ist zwar deutlich, wird aber durch den Zustand des Genueser Bildes ein wenig verschleiert. Nichtsdestotrotz ist der Umgang mit Licht und Schatten im Gesicht des Vertumnus jenem der Kopfstudie des alten Mannes sehr ähnlich. Die Beleuchtung des Wangenbeins, der seitlichen Stirn und der Nasenspitze folgt exakt der vorliegenden Ölskizze. Gleiches gilt für die Schatten im Bereich der Wangen, der Stirn und des Nasenrückens. Zudem erscheinen das knochige Kiefer mit dem spärlichen grauen Bartwuchs und der Hals mit dem Adamsapfel im ausgeführten Gemälde nahezu unverändert. Auch der kühne dunkle Pinselstrich, der auf der Studie das Nasenloch bildet, erscheint auf dem Gemälde ähnlich, wenn auch etwas abgeschwächt.

Zu dem Thema existiert auch eine Zeichnung (siehe Anthony van Dyck, Ausstellungskatalog, Washington 1990/91, S. 184, Abb. 4). Vergleicht man den Vertumnus der Zeichnung mit unserem Kopf eines alten Mannes, gibt es im Bereich des Gesichts und des Halses augenfällige Gemeinsamkeiten. Dies ist ein weiteres schlagkräftiges Argument dafür, dass der Kopf des Vertumnus auf der vorliegenden Kopfstudie basiert.

Rückseitig eingeritztes Monogramm des Antwerpener Tafelmachers Michiel Vriendt (tätig 1615–1637) sowie Reste zweier alter Inventarnummern: 51 und 94.

Provenienz:
Privatsammlung, Deutschland;
Auktion, Lempertz, Köln, 17. Mai 1962, Lot 198 (als Peter Paul Rubens);
Privatsammlung, Deutschland;
Privatsammlung, Schweiz;
Auktion, Sotheby’s, New York, 31. Januar 2008, Lot 64 (als „Peter Paul Rubens, Umkreis“);
Privatsammlung, Schweiz;
Privatsammlung, Süddeutschland

Literatur:
Antonio Morassi, Alcune opera del Rubens a Genova, in: Emporium, Nr. 105, 1947, S. 187–195, Taf. 11 (als Peter Paul Rubens)

Wir danken Christopher Brown, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes an Anthonis van Dyck nach Prüfung des Werks im Original bestätigt hat. Er schrieb an den Besitzer (persönliche Mitteilung, Februar 2011): „Ich habe Ihre Ölstudie gesehen und stimme Ihnen zu, dass sie möglicherweise als vorbereitende Studie für van Dycks Vertumnus und Pomona in Genua diente. Das Bild ist zweifellos von der Sicherheit und Gewandtheit, die man von einem eigenhändigen Werk van Dycks erwartet […].“

Diese ausdrucksstarke Studie eines Bärtigen zeichnet sich durch ihre extreme und ungewöhnliche Lichtführung aus. Das Licht kommt beinahe direkt von hinten und fällt breit auf den Hinterkopf, während das Gesicht größtenteils im Schatten liegt. Die auf der Grundierung Nass in Nass ausgeführte schnelle und sichere Pinselführung modelliert eindrucksvoll Kopf und Gesicht. Diese meisterliche skizzenhafte Maltechnik erinnert stark an Rubens, ebenso wie der lebendige Ausdruck des Alten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass das Gemälde ursprünglich als Frühwerk des Antwerpener Meisters aus dessen Zeit in Genua um 1610/1615 publiziert wurde. Während die Zuschreibung an Rubens eine naheliegende Wahl ist, wurde bisher übersehen, dass sich ebenfalls in Genua ein Gemälde seines Schülers Anthonis van Dyck befindet, das auf dem vorliegenden Werk beruht: Vertumnus und Pomona, Galleria di Palazzo Bianco, Genua (Barnes, de Poorter, Millar, Vey, Bd. II, S. 22).

Unser Kopf eines bärtigen Mannes ist ein gutes Beispiel für van Dycks immens ausdrucksstarke Kopfstudien, die er als Vorlage für seine Historiengemälde heranzog. Der Kopf diente als erste vorbereitende Studie für den Gott Vertumnus. Im ausgeführten Gemälde gibt dieser vor, eine Frau zu sein, und trägt demnach in Übereinstimmung mit Ovids Metamorphosen (14: 622–695) ein Kopftuch. In der Geschichte umwirbt Vertumnus, der sein Aussehen willentlich zu ändern vermag, Pomona, eine verführerische, aber hochmütige Nymphe. Sie weist seine Annährungsversuche zurück und sucht in ihrem Garten Zuflucht. Als alte Frau verkleidet, findet Vertumnus endlich Zugang zu Pomona. Auf dem Gemälde in Genua stellt van Dyck ihn dar, wie er sich ihr absichtsvoll im hellen Sonnenlicht nähert, das sein Gesicht und damit seine wahre Identität verunklärt. Der Künstler bediente sich eines älteren Modells, um die außergewöhnliche Lichtsituation sorgfältig „nach der Natur“ zu studieren und dann auf das Gemälde zu übertragen. Im Einklang mit Ovids Text gab van Dyck dem Mann im Gemälde ein klassischeres, jugendlicheres Aussehen.

Der im Profil dargestellte Kopf des Vertumnus beruht zweifelsohne auf der vorliegenden Kopfstudie. Die Umrisse folgen der Skizze genau, ebenso die Verteilung von Licht und Schatten. Zudem weisen die beiden Köpfe ähnliche Gesichtszüge und nahezu identische Ausmaße auf. Die große Nähe zwischen den beiden Werken ist zwar deutlich, wird aber durch den Zustand des Genueser Bildes ein wenig verschleiert. Nichtsdestotrotz ist der Umgang mit Licht und Schatten im Gesicht des Vertumnus jenem der Kopfstudie des alten Mannes sehr ähnlich. Die Beleuchtung des Wangenbeins, der seitlichen Stirn und der Nasenspitze folgt exakt der vorliegenden Ölskizze. Gleiches gilt für die Schatten im Bereich der Wangen, der Stirn und des Nasenrückens. Zudem erscheinen das knochige Kiefer mit dem spärlichen grauen Bartwuchs und der Hals mit dem Adamsapfel im ausgeführten Gemälde nahezu unverändert. Auch der kühne dunkle Pinselstrich, der auf der Studie das Nasenloch bildet, erscheint auf dem Gemälde ähnlich, wenn auch etwas abgeschwächt.

Zu dem Thema existiert auch eine Zeichnung (siehe Anthony van Dyck, Ausstellungskatalog, Washington 1990/91, S. 184, Abb. 4). Vergleicht man den Vertumnus der Zeichnung mit unserem Kopf eines alten Mannes, gibt es im Bereich des Gesichts und des Halses augenfällige Gemeinsamkeiten. Dies ist ein weiteres schlagkräftiges Argument dafür, dass der Kopf des Vertumnus auf der vorliegenden Kopfstudie basiert.

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

24.04.2018 - 17:00

Erzielter Preis: **
EUR 93.750,-
Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Anthonis van Dyck


(Antwerpen 1599–1640 London)
Kopfstudie eines bärtigen Mannes,
Öl auf Holz, 48,2 x 38 cm, gerahmt

Rückseitig eingeritztes Monogramm des Antwerpener Tafelmachers Michiel Vriendt (tätig 1615–1637) sowie Reste zweier alter Inventarnummern: 51 und 94.

Provenienz:
Privatsammlung, Deutschland;
Auktion, Lempertz, Köln, 17. Mai 1962, Lot 198 (als Peter Paul Rubens);
Privatsammlung, Deutschland;
Privatsammlung, Schweiz;
Auktion, Sotheby’s, New York, 31. Januar 2009, Lot 64 (als „Peter Paul Rubens, Umkreis“);
Privatsammlung, Schweiz;
Privatsammlung, Süddeutschland

Literatur:
Antonio Morassi, Alcune opera del Rubens a Genova, in: Emporium, Nr. 105, 1947, S. 187–195, Taf. 11 (als Peter Paul Rubens)

Wir danken Christopher Brown, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes an Anthonis van Dyck nach Prüfung des Werks im Original bestätigt hat. Er schrieb an den Besitzer (persönliche Mitteilung, Februar 2011): „Ich habe Ihre Ölstudie gesehen und stimme Ihnen zu, dass sie möglicherweise als vorbereitende Studie für van Dycks Vertumnus und Pomona in Genua diente. Das Bild ist zweifellos von der Sicherheit und Gewandtheit, die man von einem eigenhändigen Werk van Dycks erwartet […].“

Diese ausdrucksstarke Studie eines Bärtigen zeichnet sich durch ihre extreme und ungewöhnliche Lichtführung aus. Das Licht kommt beinahe direkt von hinten und fällt breit auf den Hinterkopf, während das Gesicht größtenteils im Schatten liegt. Die auf der Grundierung Nass in Nass ausgeführte schnelle und sichere Pinselführung modelliert eindrucksvoll Kopf und Gesicht. Diese meisterliche skizzenhafte Maltechnik erinnert stark an Rubens, ebenso wie der lebendige Ausdruck des Alten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass das Gemälde ursprünglich als Frühwerk des Antwerpener Meisters aus dessen Zeit in Genua um 1610/1615 publiziert wurde. Während die Zuschreibung an Rubens eine naheliegende Wahl ist, wurde bisher übersehen, dass sich ebenfalls in Genua ein Gemälde seines Schülers Anthonis van Dyck befindet, das auf dem vorliegenden Werk beruht: Vertumnus und Pomona, Galleria di Palazzo Bianco, Genua (Barnes, de Poorter, Millar, Vey, Bd. II, S. 22).

Unser Kopf eines bärtigen Mannes ist ein gutes Beispiel für van Dycks immens ausdrucksstarke Kopfstudien, die er als Vorlage für seine Historiengemälde heranzog. Der Kopf diente als erste vorbereitende Studie für den Gott Vertumnus. Im ausgeführten Gemälde gibt dieser vor, eine Frau zu sein, und trägt demnach in Übereinstimmung mit Ovids Metamorphosen (14: 622–695) ein Kopftuch. In der Geschichte umwirbt Vertumnus, der sein Aussehen willentlich zu ändern vermag, Pomona, eine verführerische, aber hochmütige Nymphe. Sie weist seine Annährungsversuche zurück und sucht in ihrem Garten Zuflucht. Als alte Frau verkleidet, findet Vertumnus endlich Zugang zu Pomona. Auf dem Gemälde in Genua stellt van Dyck ihn dar, wie er sich ihr absichtsvoll im hellen Sonnenlicht nähert, das sein Gesicht und damit seine wahre Identität verunklärt. Der Künstler bediente sich eines älteren Modells, um die außergewöhnliche Lichtsituation sorgfältig „nach der Natur“ zu studieren und dann auf das Gemälde zu übertragen. Im Einklang mit Ovids Text gab van Dyck dem Mann im Gemälde ein klassischeres, jugendlicheres Aussehen.

Der im Profil dargestellte Kopf des Vertumnus beruht zweifelsohne auf der vorliegenden Kopfstudie. Die Umrisse folgen der Skizze genau, ebenso die Verteilung von Licht und Schatten. Zudem weisen die beiden Köpfe ähnliche Gesichtszüge und nahezu identische Ausmaße auf. Die große Nähe zwischen den beiden Werken ist zwar deutlich, wird aber durch den Zustand des Genueser Bildes ein wenig verschleiert. Nichtsdestotrotz ist der Umgang mit Licht und Schatten im Gesicht des Vertumnus jenem der Kopfstudie des alten Mannes sehr ähnlich. Die Beleuchtung des Wangenbeins, der seitlichen Stirn und der Nasenspitze folgt exakt der vorliegenden Ölskizze. Gleiches gilt für die Schatten im Bereich der Wangen, der Stirn und des Nasenrückens. Zudem erscheinen das knochige Kiefer mit dem spärlichen grauen Bartwuchs und der Hals mit dem Adamsapfel im ausgeführten Gemälde nahezu unverändert. Auch der kühne dunkle Pinselstrich, der auf der Studie das Nasenloch bildet, erscheint auf dem Gemälde ähnlich, wenn auch etwas abgeschwächt.

Zu dem Thema existiert auch eine Zeichnung (siehe Anthony van Dyck, Ausstellungskatalog, Washington 1990/91, S. 184, Abb. 4). Vergleicht man den Vertumnus der Zeichnung mit unserem Kopf eines alten Mannes, gibt es im Bereich des Gesichts und des Halses augenfällige Gemeinsamkeiten. Dies ist ein weiteres schlagkräftiges Argument dafür, dass der Kopf des Vertumnus auf der vorliegenden Kopfstudie basiert.

Rückseitig eingeritztes Monogramm des Antwerpener Tafelmachers Michiel Vriendt (tätig 1615–1637) sowie Reste zweier alter Inventarnummern: 51 und 94.

Provenienz:
Privatsammlung, Deutschland;
Auktion, Lempertz, Köln, 17. Mai 1962, Lot 198 (als Peter Paul Rubens);
Privatsammlung, Deutschland;
Privatsammlung, Schweiz;
Auktion, Sotheby’s, New York, 31. Januar 2008, Lot 64 (als „Peter Paul Rubens, Umkreis“);
Privatsammlung, Schweiz;
Privatsammlung, Süddeutschland

Literatur:
Antonio Morassi, Alcune opera del Rubens a Genova, in: Emporium, Nr. 105, 1947, S. 187–195, Taf. 11 (als Peter Paul Rubens)

Wir danken Christopher Brown, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes an Anthonis van Dyck nach Prüfung des Werks im Original bestätigt hat. Er schrieb an den Besitzer (persönliche Mitteilung, Februar 2011): „Ich habe Ihre Ölstudie gesehen und stimme Ihnen zu, dass sie möglicherweise als vorbereitende Studie für van Dycks Vertumnus und Pomona in Genua diente. Das Bild ist zweifellos von der Sicherheit und Gewandtheit, die man von einem eigenhändigen Werk van Dycks erwartet […].“

Diese ausdrucksstarke Studie eines Bärtigen zeichnet sich durch ihre extreme und ungewöhnliche Lichtführung aus. Das Licht kommt beinahe direkt von hinten und fällt breit auf den Hinterkopf, während das Gesicht größtenteils im Schatten liegt. Die auf der Grundierung Nass in Nass ausgeführte schnelle und sichere Pinselführung modelliert eindrucksvoll Kopf und Gesicht. Diese meisterliche skizzenhafte Maltechnik erinnert stark an Rubens, ebenso wie der lebendige Ausdruck des Alten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass das Gemälde ursprünglich als Frühwerk des Antwerpener Meisters aus dessen Zeit in Genua um 1610/1615 publiziert wurde. Während die Zuschreibung an Rubens eine naheliegende Wahl ist, wurde bisher übersehen, dass sich ebenfalls in Genua ein Gemälde seines Schülers Anthonis van Dyck befindet, das auf dem vorliegenden Werk beruht: Vertumnus und Pomona, Galleria di Palazzo Bianco, Genua (Barnes, de Poorter, Millar, Vey, Bd. II, S. 22).

Unser Kopf eines bärtigen Mannes ist ein gutes Beispiel für van Dycks immens ausdrucksstarke Kopfstudien, die er als Vorlage für seine Historiengemälde heranzog. Der Kopf diente als erste vorbereitende Studie für den Gott Vertumnus. Im ausgeführten Gemälde gibt dieser vor, eine Frau zu sein, und trägt demnach in Übereinstimmung mit Ovids Metamorphosen (14: 622–695) ein Kopftuch. In der Geschichte umwirbt Vertumnus, der sein Aussehen willentlich zu ändern vermag, Pomona, eine verführerische, aber hochmütige Nymphe. Sie weist seine Annährungsversuche zurück und sucht in ihrem Garten Zuflucht. Als alte Frau verkleidet, findet Vertumnus endlich Zugang zu Pomona. Auf dem Gemälde in Genua stellt van Dyck ihn dar, wie er sich ihr absichtsvoll im hellen Sonnenlicht nähert, das sein Gesicht und damit seine wahre Identität verunklärt. Der Künstler bediente sich eines älteren Modells, um die außergewöhnliche Lichtsituation sorgfältig „nach der Natur“ zu studieren und dann auf das Gemälde zu übertragen. Im Einklang mit Ovids Text gab van Dyck dem Mann im Gemälde ein klassischeres, jugendlicheres Aussehen.

Der im Profil dargestellte Kopf des Vertumnus beruht zweifelsohne auf der vorliegenden Kopfstudie. Die Umrisse folgen der Skizze genau, ebenso die Verteilung von Licht und Schatten. Zudem weisen die beiden Köpfe ähnliche Gesichtszüge und nahezu identische Ausmaße auf. Die große Nähe zwischen den beiden Werken ist zwar deutlich, wird aber durch den Zustand des Genueser Bildes ein wenig verschleiert. Nichtsdestotrotz ist der Umgang mit Licht und Schatten im Gesicht des Vertumnus jenem der Kopfstudie des alten Mannes sehr ähnlich. Die Beleuchtung des Wangenbeins, der seitlichen Stirn und der Nasenspitze folgt exakt der vorliegenden Ölskizze. Gleiches gilt für die Schatten im Bereich der Wangen, der Stirn und des Nasenrückens. Zudem erscheinen das knochige Kiefer mit dem spärlichen grauen Bartwuchs und der Hals mit dem Adamsapfel im ausgeführten Gemälde nahezu unverändert. Auch der kühne dunkle Pinselstrich, der auf der Studie das Nasenloch bildet, erscheint auf dem Gemälde ähnlich, wenn auch etwas abgeschwächt.

Zu dem Thema existiert auch eine Zeichnung (siehe Anthony van Dyck, Ausstellungskatalog, Washington 1990/91, S. 184, Abb. 4). Vergleicht man den Vertumnus der Zeichnung mit unserem Kopf eines alten Mannes, gibt es im Bereich des Gesichts und des Halses augenfällige Gemeinsamkeiten. Dies ist ein weiteres schlagkräftiges Argument dafür, dass der Kopf des Vertumnus auf der vorliegenden Kopfstudie basiert.

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 24.04.2018 - 17:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 14.04. - 24.04.2018


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