Lot Nr. 52


Lavinia Fontana


Lavinia Fontana - Alte Meister

(Bologna 1552–1614 Rom)
Bildnis des Raffaele Riario,
im Brief bezeichnet: Da Monaco a¯ xvj. d. Gen.r, 15…/A piacr.s Vrt.s /Il Duca di Baviera/S.r Riari,
Öl auf Leinwand, 161 x 123,5 cm, gerahmt

Provenienz:
möglicherweise Sammlung Riario Sforza, Rom;
Auktion, Minerva, Rom, 23. Mai 2017, Lot 34 (als lombardische Schule, spätes 16. Jahrhundert);
durch den heutigen Besitzer erworben

Wir danken Daniele Benati, der die Zuschreibung an Lavinia Fontana auf Grundlage einer hochaufgelösten Digitalfotografie vorgeschlagen hat.
Darüber hinaus danken wir Maria Teresa Cantaro, die die Zuschreibung an Lavinia Fontana nach Untersuchung des Gemäldes im Original unabhängig von Benati bestätigt hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Dargestellt ist ein stehender Mann im Dreiviertelprofil. Der Raum um ihn wird von einem Tisch, über den eine rote Samtdecke gebreitet ist, und von einem grünen Vorhang mit Goldfransenborte, der mit seinem lichtreflektierenden Faltenwurf die rechte obere Ecke ausfüllt, bestimmt. Der Porträtierte trägt einen eleganten schwarzen Samtanzug, den geometrische Seidenornamente zieren. Seine weißen Rüschenmanschetten und sein weißer Rüschenkragen unterbrechen die gedämpfte Farbigkeit des Anzugs, der vor dunklem Hintergrund erscheint.

Der narrative und trockene Malstil, die elegante Umsetzung, der feinfühlige Umgang mit Farbe und Helldunkel sowie die Gesamtanlage der Komposition sind Cantaro zufolge typisch für Lavinia Fontanas Männerporträts, bei denen sie sich einer formalen Strenge in der Darstellung bedient, die keinen Raum für überflüssige beschreibende Details lässt, sondern sich ganz auf die Wiedergabe der wesenhaften Gesichtszüge und der sozialen Stellung des Porträtierten konzentriert.

Auch im vorliegende Gemälde findet diese Kompositionsformel Anwendung, um den Dargestellten und seinen gesellschaftlichen Rang zu definieren. Das Werk lässt sich mit von Lavinia Fontana zwischen 1577 und 1601 ausgeführten Porträts vergleichen, die Senatoren, Ritter, Gelehrte, Geistliche und Adelige darstellen (siehe M. T. Cantaro, Lavinia Fontana „pittora singolare“, Rom 1989, S. 75, 83–85, 90/91, 106–108, 104, 131–133, 169/170, 176/177, 203/204; C. Murphy, Lavinia Fontana. A Painter and Her Patrons in Sixtheenth-Century Bologna, New Haven/London 2003, S. 59–70). Das vorliegende Werk ist insbesondere mit Bildnissen aus den 1580er-Jahren vergleichbar, etwa dem signierten Porträt des sog. Orsini-Senators, das nach 1577 zu datieren ist und sich im Musée des Beaux-Arts in Bordeaux befindet.

Der im vorliegenden Gemälde dargestellte elegante Herr hält einen geöffneten Brief in der rechten Hand. Die ersten Zeilen enthalten Schriftzeichen, die zwar auf eine handschriftliche Nachricht deuten, aber keinen Sinn ergeben. Den letzten drei Zeilen ist jedoch die Unterschrift des Absenders, des Herzogs von Bayern, zu entnehmen, ebenso der Ort München und der Anfang eines Datums sowie der Nachname des Empfängers, der ihn als Mitglied der Familie Riario ausweist.

Auf dem Tisch rechts ist eine fein gravierte Taschenuhr aus Messing und Silber zu sehen, als eine der ersten in Süddeutschland im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts hergestellten tragbaren mechanischen Uhren offenkundig ein besonders rarer Gegenstand. Auf demselben Tisch befindet sich auch ein zartes Spitzengebilde, auf dem das Zeichen des Jesuitenordens IHS zu lesen ist und das mit großer Sicherheit sowohl für Riario als auch für den Herzog von Bayern von Bedeutung war. Zudem ist am Anzug des Dargestellten eine sorgfältig aufgewickelte und mit einem Häkchen befestigte Silberkette zu erkennen, an der sich in der Mitte ein Lilienendenkreuz aus roter Koralle befindet, dessen Längsbalken unten in einer Schwertspitze endet: dem Zeichen des Ordens des heiligen Jakob vom Schwert.

Dieses letztgenannte Detail hat Cartaro zur Überzeugung geführt, dass es sich bei dem Dargestellten des vorliegenden Gemäldes um den Edelmann und Senator Raffaele Riario handelt, das einzige Mitglied des Bologneser Zweigs der Familie, der zum Ritter des Ordens des heiligen Jakob vom Schwert geschlagen wurde. Als Bruder des berühmteren Kardinals Alessandro (1543–1585) war Raffaele Riario 1571 Befehlshaber der spanischen Infanterie und wurde 1584 zum Ritter des besagten Ordens sowie 1585 zum Senator Bolognas ernannt; schließlich wurde er 1591 Bolognas päpstlicher Gesandter. Er starb 1592. Raffaele war zudem zumindest seit 1589 mit Lavinia Fontana befreundet, als er neben der Gemahlin von Graf Giulio Pepoli als Taufpate ihres neunten Kindes Prospero fungierte. Dies geht aus der von Lavinias Ehemann Giampaolo Zappi erstellten Lista di baptismo hervor, die sich in der Biblioteca Comunale di Imola befindet (siehe M. T. Cantaro, op. cit., 1989, S. 104/105, sowie C. P. Murphy, op. cit., 2003, S. 63, 91, 171). Beim Herzog von Bayern, der als Unterzeichner des Briefes in Erscheinung tritt, handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Wilhelm V. den Frommen (1548–1626). Er war von 1579 bis 1597 regierender Herzog und wurde in der Jesuitenkirche St. Michael in München beigesetzt, deren Bau er selbst beauftragt hatte und die zwischen 1583 und 1597 errichtet worden war. Wilhelm war von den Jesuiten, zu denen er die Verbindung aufrecht erhielt und deren Etablierung in Bayern er förderte, religiös erzogen worden. Die Bande zwischen der Familie Riario und der bayerischen Herzogsfamilie gehen auf den Februar des Jahres 1530 zurück, als Letztere anlässlich der Krönung Karls V. bei der Familie Riario in Bologna zu Gast war. Es liegt nahe, dass die beiden Familien seit damals miteinander in Kontakt standen.

Lavinia Fontana schuf das vorliegende Gemälde vermutlich anlässlich einer besonderen Begebenheit, die sowohl Raffaele Riario als auch Herzog Wilhelm V. von Bayern betraf. Das Bild entstand mit Sicherheit nach Riarios Ernennung zum Ritter des Ordens des heiligen Jakob vom Schwert und stand angesichts der augenfälligen Bezugnahme des Gemäldes auf den Jesuitenorden möglicherweise in Verbindung mit der Errichtung von St. Michael in München. Das Gemälde ist daher zwischen 1584 und 1589 zu datieren – jenes Jahr, als die Verbindung Lavinia Fontanas zu Riario besonders eng war.

24.04.2018 - 17:00

Schätzwert:
EUR 20.000,- bis EUR 30.000,-

Lavinia Fontana


(Bologna 1552–1614 Rom)
Bildnis des Raffaele Riario,
im Brief bezeichnet: Da Monaco a¯ xvj. d. Gen.r, 15…/A piacr.s Vrt.s /Il Duca di Baviera/S.r Riari,
Öl auf Leinwand, 161 x 123,5 cm, gerahmt

Provenienz:
möglicherweise Sammlung Riario Sforza, Rom;
Auktion, Minerva, Rom, 23. Mai 2017, Lot 34 (als lombardische Schule, spätes 16. Jahrhundert);
durch den heutigen Besitzer erworben

Wir danken Daniele Benati, der die Zuschreibung an Lavinia Fontana auf Grundlage einer hochaufgelösten Digitalfotografie vorgeschlagen hat.
Darüber hinaus danken wir Maria Teresa Cantaro, die die Zuschreibung an Lavinia Fontana nach Untersuchung des Gemäldes im Original unabhängig von Benati bestätigt hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Dargestellt ist ein stehender Mann im Dreiviertelprofil. Der Raum um ihn wird von einem Tisch, über den eine rote Samtdecke gebreitet ist, und von einem grünen Vorhang mit Goldfransenborte, der mit seinem lichtreflektierenden Faltenwurf die rechte obere Ecke ausfüllt, bestimmt. Der Porträtierte trägt einen eleganten schwarzen Samtanzug, den geometrische Seidenornamente zieren. Seine weißen Rüschenmanschetten und sein weißer Rüschenkragen unterbrechen die gedämpfte Farbigkeit des Anzugs, der vor dunklem Hintergrund erscheint.

Der narrative und trockene Malstil, die elegante Umsetzung, der feinfühlige Umgang mit Farbe und Helldunkel sowie die Gesamtanlage der Komposition sind Cantaro zufolge typisch für Lavinia Fontanas Männerporträts, bei denen sie sich einer formalen Strenge in der Darstellung bedient, die keinen Raum für überflüssige beschreibende Details lässt, sondern sich ganz auf die Wiedergabe der wesenhaften Gesichtszüge und der sozialen Stellung des Porträtierten konzentriert.

Auch im vorliegende Gemälde findet diese Kompositionsformel Anwendung, um den Dargestellten und seinen gesellschaftlichen Rang zu definieren. Das Werk lässt sich mit von Lavinia Fontana zwischen 1577 und 1601 ausgeführten Porträts vergleichen, die Senatoren, Ritter, Gelehrte, Geistliche und Adelige darstellen (siehe M. T. Cantaro, Lavinia Fontana „pittora singolare“, Rom 1989, S. 75, 83–85, 90/91, 106–108, 104, 131–133, 169/170, 176/177, 203/204; C. Murphy, Lavinia Fontana. A Painter and Her Patrons in Sixtheenth-Century Bologna, New Haven/London 2003, S. 59–70). Das vorliegende Werk ist insbesondere mit Bildnissen aus den 1580er-Jahren vergleichbar, etwa dem signierten Porträt des sog. Orsini-Senators, das nach 1577 zu datieren ist und sich im Musée des Beaux-Arts in Bordeaux befindet.

Der im vorliegenden Gemälde dargestellte elegante Herr hält einen geöffneten Brief in der rechten Hand. Die ersten Zeilen enthalten Schriftzeichen, die zwar auf eine handschriftliche Nachricht deuten, aber keinen Sinn ergeben. Den letzten drei Zeilen ist jedoch die Unterschrift des Absenders, des Herzogs von Bayern, zu entnehmen, ebenso der Ort München und der Anfang eines Datums sowie der Nachname des Empfängers, der ihn als Mitglied der Familie Riario ausweist.

Auf dem Tisch rechts ist eine fein gravierte Taschenuhr aus Messing und Silber zu sehen, als eine der ersten in Süddeutschland im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts hergestellten tragbaren mechanischen Uhren offenkundig ein besonders rarer Gegenstand. Auf demselben Tisch befindet sich auch ein zartes Spitzengebilde, auf dem das Zeichen des Jesuitenordens IHS zu lesen ist und das mit großer Sicherheit sowohl für Riario als auch für den Herzog von Bayern von Bedeutung war. Zudem ist am Anzug des Dargestellten eine sorgfältig aufgewickelte und mit einem Häkchen befestigte Silberkette zu erkennen, an der sich in der Mitte ein Lilienendenkreuz aus roter Koralle befindet, dessen Längsbalken unten in einer Schwertspitze endet: dem Zeichen des Ordens des heiligen Jakob vom Schwert.

Dieses letztgenannte Detail hat Cartaro zur Überzeugung geführt, dass es sich bei dem Dargestellten des vorliegenden Gemäldes um den Edelmann und Senator Raffaele Riario handelt, das einzige Mitglied des Bologneser Zweigs der Familie, der zum Ritter des Ordens des heiligen Jakob vom Schwert geschlagen wurde. Als Bruder des berühmteren Kardinals Alessandro (1543–1585) war Raffaele Riario 1571 Befehlshaber der spanischen Infanterie und wurde 1584 zum Ritter des besagten Ordens sowie 1585 zum Senator Bolognas ernannt; schließlich wurde er 1591 Bolognas päpstlicher Gesandter. Er starb 1592. Raffaele war zudem zumindest seit 1589 mit Lavinia Fontana befreundet, als er neben der Gemahlin von Graf Giulio Pepoli als Taufpate ihres neunten Kindes Prospero fungierte. Dies geht aus der von Lavinias Ehemann Giampaolo Zappi erstellten Lista di baptismo hervor, die sich in der Biblioteca Comunale di Imola befindet (siehe M. T. Cantaro, op. cit., 1989, S. 104/105, sowie C. P. Murphy, op. cit., 2003, S. 63, 91, 171). Beim Herzog von Bayern, der als Unterzeichner des Briefes in Erscheinung tritt, handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Wilhelm V. den Frommen (1548–1626). Er war von 1579 bis 1597 regierender Herzog und wurde in der Jesuitenkirche St. Michael in München beigesetzt, deren Bau er selbst beauftragt hatte und die zwischen 1583 und 1597 errichtet worden war. Wilhelm war von den Jesuiten, zu denen er die Verbindung aufrecht erhielt und deren Etablierung in Bayern er förderte, religiös erzogen worden. Die Bande zwischen der Familie Riario und der bayerischen Herzogsfamilie gehen auf den Februar des Jahres 1530 zurück, als Letztere anlässlich der Krönung Karls V. bei der Familie Riario in Bologna zu Gast war. Es liegt nahe, dass die beiden Familien seit damals miteinander in Kontakt standen.

Lavinia Fontana schuf das vorliegende Gemälde vermutlich anlässlich einer besonderen Begebenheit, die sowohl Raffaele Riario als auch Herzog Wilhelm V. von Bayern betraf. Das Bild entstand mit Sicherheit nach Riarios Ernennung zum Ritter des Ordens des heiligen Jakob vom Schwert und stand angesichts der augenfälligen Bezugnahme des Gemäldes auf den Jesuitenorden möglicherweise in Verbindung mit der Errichtung von St. Michael in München. Das Gemälde ist daher zwischen 1584 und 1589 zu datieren – jenes Jahr, als die Verbindung Lavinia Fontanas zu Riario besonders eng war.


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old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 24.04.2018 - 17:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 14.04. - 24.04.2018

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