Lot Nr. 201


Emilio Vedova *


(Venedig 1919–2006)
Per una protesta Nr. 6 - Dal ciclo della protesta, 1953, auf der Rückseite signiert, datiert und mit Vedova 1953 Italia bezeichnet, Öl auf Leinwand, 140 x 190 cm, gerahmt

Provenienz:
Familie Vedova, Venedig
Galerie Günther Franke, München
Sammlung Langen, seit Februar 1956 - dort erworben

Ausgestellt:
São Paulo – II.a Biennale del Museo d’arte Moderna di São Paulo 1953–1954 (2 Ausstellungsetiketten am Keilrahmen)
Venedig - Galleria del Cavallino, Vedova (1954)
München - Galerie Günther Franke, Emilio Vedova (1955- 1956), Nr. 25 (am Keilrahmen Galerieaufkleber)
Kassel - documenta II (1959) (Ausstellungsetikett am Keilrahmen)
Venedig - XXXI Biennale Internationale d’Arte di Venezia (1962), Nr. 908 (Ausstellungsetikett am Keilrahmen)
London - Arts Council of Great Britain, Contemporary Italian Art, Nr. 91 (Ausstellungsetikett am Keilrahmen)

Literatur:
Germano Celant, Vedova 1935–1984, Mailand 1984, Nr. 88 (mit Abb.)
V.& M. Langen, Sammlung Victor & Marianne Langen, Kunst des 20ten Jahrhunderts, Bd. I, Ascona 1986, S. 346 (mit Abb.)

Ab den vierziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts drücken die Künstler ihre Befreiung von jeglichen Zwängen und Gräueln durch die Abstraktion ihrer Werke aus. Mit dem Action Painting und dem Abstract Expressionism sind die amerikanischen Künstler die Vorreiter der neuen Kunstrichtung, denen ab 1947 in Europa die informellen Künstler folgen. Die in Nuancen unterschiedlichen Strömungen der abstrakten Kunst entwickeln sich dann weltweit ab 1950 unter den verschiedensten Voraussetzungen. Von allen Künstlern wird ein hoher Anspruch auf Wahrhaftigkeit und Authentizität formuliert, häufig äußern sie sich auf großformatigen Leinwänden, die von einer bisher nicht gekannten Unmittelbarkeit und körperlicher Direktheit in ihrer Malerei zeugen. Jeder Künstler entwickelt allein schon durch seine Biographie seinen ganz eigenen Stil. Für sie alle ist der Verzicht auf das bildnerische Kompositionsprinzip, wie auch auf realistische Motive von großer Bedeutung. Durch die haptische und physische Eigenschaft von Farbe und Bildträger lassen die Maler die Materialität sprechen und machen sie sich für ihr Werk zu eigen. Der Künstler insistiert auf seine offensiv vorgetragene gestische Handschrift und appelliert mit der eminent physischen Malerei einzig und allein an seine eigene Persönlichkeit. Die Hand malt von selbst – die Künstler des Informel verarbeiten aus dem Unterbewusstsein heraus auf ihren Leinwänden das Gesehene und Erlebte aus der Zeit des Krieges, der Résistance und der Gefangenschaft. Emilio Vedova begann als Autodidakt in den 1930er Jahren mit der Malerei und arbeitete bei einem Fotografen und Restaurator. Seine Aufmerksamkeit galt von Anfang an dem Kontrast zwischen Hell und Dunkel, von Raum und Fläche als einem Mittel der nichtlinearen Raumbildung. Der Ausgangspunkt für Emilio Vedovas künstlerisches Oeuvre ist der „Venezianische Impuls“, seine intensive Beschäftigung mit den Architekturen und der Natur in und um seine Heimatstadt Venedig.
„Aus dieser historischen Substanz mußte ich das herausholen, was unabhängig ist und ihre wechselnden Anschauungen. Proportionen als Geometrie, aber als eine andere Geometrie als bei Platon. Proportionen sind ja nicht nur Zahlenverhältnisse, nur Ordnungs- und Gliederungssysteme eines Bauwerkes oder seiner Fassade, das ist vielmehr ein emotionaler Faktor, eine Ausdrucksstruktur, die unmittelbar den Menschen anspricht, auf ihn einwirkt – das ist heute so lebendig wie je.“ Emilio Vedova in: Bemerkungen auf Gängen, durch Gassen und über Plätze Venedigs, Wedewer S. 252
Mit der gestischen Auflösung der realen Räume in ein expressives Strichwerk beginnt Emilio Vedova bereits in den späten dreißiger Jahren. Seine Gemälde zeugen nicht nur von seiner tiefen Verbundenheit zu Venedig, sondern auch davon, was er in der Zeit der Résistance gesehen und durchlebt hat. In seine Arbeiten fließen vor allem seine Erfahrungen in unmittelbar gestischem Ausdruck ein. Im Jahr 1942 trat er der Corrente bei, einer Gruppierung von Künstlern, die sich gegen die faschistische Kunst aussprachen. Von 1944 bis 1945 engagierte er sich als Antifaschist im Widerstand und unterzeichnete 1946 in Mailand das Manifest Beyond Guernica. Gemeinsam mit Künstlern wie Renato Guttuso, Bruno Cassinari und Renato Birolli gründete Emilio Vedova 1946 die Nuova Secessione Artistica Italiana in Venedig. Nach einem Zusammenschluß mit den weiteren Künstlern entstand die Fronte Nuovo delle Arti in Mailand, die bis 1952 bestand. Sein Biennale Debut in Venedig hatte Emilio Vedova 1948, und bereits 1952 wurde seinem Werk ein ganzer Raum gewidmet. In den frühen fünfziger Jahren schuf Emilio Vedova mit Scontro di situazioni, Ciclo della Protesta und Cicli della Natura seine berühmtesten Werk-Zyklen. Die Serie Dal ciclo della protesta aus der das Werk Per una protesta No.6 stammt, zeigt eine deutliche Loslösung Vedovas von der “Schwarzen Geometrie” der späten vierziger Jahre. Mit der zunehmenden Dominanz der Formlosigkeit und nur noch wenigen Anklängen einer geometrischen Ordnung, weißt die Malerei Vedovas deutliche Berührungspunkte mit dem gestischen Informel auf. Die einzelnen Werke der Serie Dal ciclo della protesta zeigen jeweils besondere und eigenständige Varianten einer bestimmten persönlichen Bewusstseinslage, wobei der Titel zum integralen Bestandteil der Arbeiten wird. Die unterschiedlichen Farbformen des Grundes kontrastieren mit den zum Teil noch in geometrischen Formen, zum Teil bereits in ungeordneter gestischer Gitternetzstruktur angeordneten schwarzen Pinselstrichen. „Die sich querenden und durchdringenden Kontraste des Schwarzen und Weißen brechen Durchblicke auf, evozieren bewegte Raumbilder, eine vergitterte apokalyptisch durcheinanderstürzende Räumlichkeit. Die Fläche wird Erscheinungsfeld eines dramatisch ausdrucksvollen Raumgefüges. Wie die Farbe, so wird auch der Raum zum selbständigen Akteur.“
Haftmann, Vedova 1960, Wedewer S. 258

„Kritzeln, kratzen, an der Leinwand schauspielen, schließlich malen, kommen mir als durchaus menschliche Tätigkeiten vor – unmittelbar, spontan und einfach, wie singen, tanzen oder spielen, wie das Laufen der Tiere, auf den Boden stampfen oder sich selbst schütteln. Eine wachsende Pflanze, pulsierendes Blut, alles, was keimt und wächst, Lebensdrang, Lebenskraft, Ausdauer, Schmerz oder Freude können ihre besondere Inkarnation, ihr Zeichen in einer Linie finden, die leicht und flexibel, gekrümmt und stolz, fest und stark ist, in einem schrillen, freudig oder finster gemalten Punkt.“
Hans Hartung. Autoritratto. Fondazione Torino Musei. Turin, 1999

16.05.2018 - 19:00

Erzielter Preis: **
EUR 430.000,-
Schätzwert:
EUR 280.000,- bis EUR 380.000,-

Emilio Vedova *


(Venedig 1919–2006)
Per una protesta Nr. 6 - Dal ciclo della protesta, 1953, auf der Rückseite signiert, datiert und mit Vedova 1953 Italia bezeichnet, Öl auf Leinwand, 140 x 190 cm, gerahmt

Provenienz:
Familie Vedova, Venedig
Galerie Günther Franke, München
Sammlung Langen, seit Februar 1956 - dort erworben

Ausgestellt:
São Paulo – II.a Biennale del Museo d’arte Moderna di São Paulo 1953–1954 (2 Ausstellungsetiketten am Keilrahmen)
Venedig - Galleria del Cavallino, Vedova (1954)
München - Galerie Günther Franke, Emilio Vedova (1955- 1956), Nr. 25 (am Keilrahmen Galerieaufkleber)
Kassel - documenta II (1959) (Ausstellungsetikett am Keilrahmen)
Venedig - XXXI Biennale Internationale d’Arte di Venezia (1962), Nr. 908 (Ausstellungsetikett am Keilrahmen)
London - Arts Council of Great Britain, Contemporary Italian Art, Nr. 91 (Ausstellungsetikett am Keilrahmen)

Literatur:
Germano Celant, Vedova 1935–1984, Mailand 1984, Nr. 88 (mit Abb.)
V.& M. Langen, Sammlung Victor & Marianne Langen, Kunst des 20ten Jahrhunderts, Bd. I, Ascona 1986, S. 346 (mit Abb.)

Ab den vierziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts drücken die Künstler ihre Befreiung von jeglichen Zwängen und Gräueln durch die Abstraktion ihrer Werke aus. Mit dem Action Painting und dem Abstract Expressionism sind die amerikanischen Künstler die Vorreiter der neuen Kunstrichtung, denen ab 1947 in Europa die informellen Künstler folgen. Die in Nuancen unterschiedlichen Strömungen der abstrakten Kunst entwickeln sich dann weltweit ab 1950 unter den verschiedensten Voraussetzungen. Von allen Künstlern wird ein hoher Anspruch auf Wahrhaftigkeit und Authentizität formuliert, häufig äußern sie sich auf großformatigen Leinwänden, die von einer bisher nicht gekannten Unmittelbarkeit und körperlicher Direktheit in ihrer Malerei zeugen. Jeder Künstler entwickelt allein schon durch seine Biographie seinen ganz eigenen Stil. Für sie alle ist der Verzicht auf das bildnerische Kompositionsprinzip, wie auch auf realistische Motive von großer Bedeutung. Durch die haptische und physische Eigenschaft von Farbe und Bildträger lassen die Maler die Materialität sprechen und machen sie sich für ihr Werk zu eigen. Der Künstler insistiert auf seine offensiv vorgetragene gestische Handschrift und appelliert mit der eminent physischen Malerei einzig und allein an seine eigene Persönlichkeit. Die Hand malt von selbst – die Künstler des Informel verarbeiten aus dem Unterbewusstsein heraus auf ihren Leinwänden das Gesehene und Erlebte aus der Zeit des Krieges, der Résistance und der Gefangenschaft. Emilio Vedova begann als Autodidakt in den 1930er Jahren mit der Malerei und arbeitete bei einem Fotografen und Restaurator. Seine Aufmerksamkeit galt von Anfang an dem Kontrast zwischen Hell und Dunkel, von Raum und Fläche als einem Mittel der nichtlinearen Raumbildung. Der Ausgangspunkt für Emilio Vedovas künstlerisches Oeuvre ist der „Venezianische Impuls“, seine intensive Beschäftigung mit den Architekturen und der Natur in und um seine Heimatstadt Venedig.
„Aus dieser historischen Substanz mußte ich das herausholen, was unabhängig ist und ihre wechselnden Anschauungen. Proportionen als Geometrie, aber als eine andere Geometrie als bei Platon. Proportionen sind ja nicht nur Zahlenverhältnisse, nur Ordnungs- und Gliederungssysteme eines Bauwerkes oder seiner Fassade, das ist vielmehr ein emotionaler Faktor, eine Ausdrucksstruktur, die unmittelbar den Menschen anspricht, auf ihn einwirkt – das ist heute so lebendig wie je.“ Emilio Vedova in: Bemerkungen auf Gängen, durch Gassen und über Plätze Venedigs, Wedewer S. 252
Mit der gestischen Auflösung der realen Räume in ein expressives Strichwerk beginnt Emilio Vedova bereits in den späten dreißiger Jahren. Seine Gemälde zeugen nicht nur von seiner tiefen Verbundenheit zu Venedig, sondern auch davon, was er in der Zeit der Résistance gesehen und durchlebt hat. In seine Arbeiten fließen vor allem seine Erfahrungen in unmittelbar gestischem Ausdruck ein. Im Jahr 1942 trat er der Corrente bei, einer Gruppierung von Künstlern, die sich gegen die faschistische Kunst aussprachen. Von 1944 bis 1945 engagierte er sich als Antifaschist im Widerstand und unterzeichnete 1946 in Mailand das Manifest Beyond Guernica. Gemeinsam mit Künstlern wie Renato Guttuso, Bruno Cassinari und Renato Birolli gründete Emilio Vedova 1946 die Nuova Secessione Artistica Italiana in Venedig. Nach einem Zusammenschluß mit den weiteren Künstlern entstand die Fronte Nuovo delle Arti in Mailand, die bis 1952 bestand. Sein Biennale Debut in Venedig hatte Emilio Vedova 1948, und bereits 1952 wurde seinem Werk ein ganzer Raum gewidmet. In den frühen fünfziger Jahren schuf Emilio Vedova mit Scontro di situazioni, Ciclo della Protesta und Cicli della Natura seine berühmtesten Werk-Zyklen. Die Serie Dal ciclo della protesta aus der das Werk Per una protesta No.6 stammt, zeigt eine deutliche Loslösung Vedovas von der “Schwarzen Geometrie” der späten vierziger Jahre. Mit der zunehmenden Dominanz der Formlosigkeit und nur noch wenigen Anklängen einer geometrischen Ordnung, weißt die Malerei Vedovas deutliche Berührungspunkte mit dem gestischen Informel auf. Die einzelnen Werke der Serie Dal ciclo della protesta zeigen jeweils besondere und eigenständige Varianten einer bestimmten persönlichen Bewusstseinslage, wobei der Titel zum integralen Bestandteil der Arbeiten wird. Die unterschiedlichen Farbformen des Grundes kontrastieren mit den zum Teil noch in geometrischen Formen, zum Teil bereits in ungeordneter gestischer Gitternetzstruktur angeordneten schwarzen Pinselstrichen. „Die sich querenden und durchdringenden Kontraste des Schwarzen und Weißen brechen Durchblicke auf, evozieren bewegte Raumbilder, eine vergitterte apokalyptisch durcheinanderstürzende Räumlichkeit. Die Fläche wird Erscheinungsfeld eines dramatisch ausdrucksvollen Raumgefüges. Wie die Farbe, so wird auch der Raum zum selbständigen Akteur.“
Haftmann, Vedova 1960, Wedewer S. 258

„Kritzeln, kratzen, an der Leinwand schauspielen, schließlich malen, kommen mir als durchaus menschliche Tätigkeiten vor – unmittelbar, spontan und einfach, wie singen, tanzen oder spielen, wie das Laufen der Tiere, auf den Boden stampfen oder sich selbst schütteln. Eine wachsende Pflanze, pulsierendes Blut, alles, was keimt und wächst, Lebensdrang, Lebenskraft, Ausdauer, Schmerz oder Freude können ihre besondere Inkarnation, ihr Zeichen in einer Linie finden, die leicht und flexibel, gekrümmt und stolz, fest und stark ist, in einem schrillen, freudig oder finster gemalten Punkt.“
Hans Hartung. Autoritratto. Fondazione Torino Musei. Turin, 1999


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+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst I
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 16.05.2018 - 19:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 05.05. - 16.05.2018


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