Lot Nr. 34


Günther Uecker *


Günther Uecker * - Post-War und Zeitgenössische Kunst I

(Wendorf 1930 geb.)
Johannes, 6 Teile, 1995, die fünf Papierarbeiten auf der Rückseite signiert, datiert, betitelt, nummeriert Uecker 95 Johannes 0–4 und Das Evangelium nach Johannes Kapitel 1, Vers 1–10 auf Blatt 4, Nagelrelief auf der Rückseite datiert und signiert Uecker 95, Asche, Kleber auf Papier (1), Graphit auf Papier (4), Nägel, Latexfarbe, Leinwand auf Holz (1), alle Blätter werden mittels 4 separater Nägel (120 mm) an die Wand geheftet, jeweils 60 x 40 cm, Gesamtgröße 60 x 240 cm

Dieses Werk ist im Uecker Archiv registriert unter der Nummer GU.13.001/ GU.84.015/ GU.95.005 und wird vorgemerkt für die Aufnahme in das entstehende Uecker Werkverzeichnis.

Provenienz:
Galerie Löhrl, Mönchengladbach
Privatsammlung, Deutschland - dort in der 2. Hälfte der 1990er Jahre erworben.

Literatur:
Günther Uecker, Anschlag, Zum Schweigen der Schrift, Galerie Löhrl, Mönchengladbach 1997, S. 17
Britta Julia Dombrowe, Bd. I, Werkverzeichnis der bibliophilen Werke von Günther Uecker, Dissertation, Universität Köln, S. 53
Dorothea und Martin van der Koelen (Hrsg.) Günther Uecker, Opus Liber, Verzeichnis der bibliophilen Bücher und Werke 1960–2005, Mainz 2007, S. 420f, Nr. L 9504 (farbige Abb.)

Ausgestellt:
Galerie Löhrl, Mönchengladbach, Anschlag - Zum Schweigen der Schrift, 02.03.-07.05.1997
Kunstmuseum Bochum, doing identity - Die Sammlung Reydan Weiss, 25.11.17–4.2.18

Günther Uecker’s „Johannes“ (1995) gehört zu seinen bibliophilen Werken. Es sind dies eine Gruppe von Arbeiten - darunter Kunstmappen, Bücher, großformatige Objektinstallationen - die Sprache, politische, religiöse und fiktionale Texte zum Thema haben, wobei die Texte selbst entweder das Werk bilden oder dessen fester integrativer Bestandteil sind.
In „Johannes“ werden zwei Bilder – das eine aus Asche, das andere aus Nägeln – links und rechts von den Versen 1 bis 9 aus dem ersten Kapitel des Johannes-Evangeliums aufgehängt. Der Text ist integrativer Bestandteil des Gesamtwerkes und wird neben den flankierenden Arbeiten zum Kunstwerk erhoben. „Wenn man die Wörter abschreibt erfolgt so etwas wie eine Verinnerlichung im Sinne eines Gebetes. Und wenn ich mich diesen Wörtern zuwende, dann ist bildnerisch Handeln und lesbar Schreiben ein ganz wichtiger Prozess, um auf die Ursprünglichkeit und auch auf den Ethischen Ausdruck der Schrift zu kommen. Es muss auf mich übergehen, sonst würde ich nur wie ein Schreiberling abschreiben und nicht verstehen, was ich schreibe.“ (Britta Julia Dombrowe, Köln 2006, S. 100)
Mit den Asche-Bildern, die vor allem in der Zeit nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl entstanden, setzt Günther Uecker ein politisches Statement und kritisiert die Zerstörung der Umwelt und des Menschen durch den Menschen. Zugleich sieht er die Asche aber nicht nur als Hinterlassenschaft der Vernichtung, sondern auch als Symbol des Neuanfangs, das gleichsam für Zerstörung und Heilung, wie auch Ende und Anfang steht. Der Beginn des Johannes-Evangeliums „Im Anfang war das Wort…“ stellt somit einen direkten Bezug zu dem Asche-Bild dar, das bei Johannes den Anfang symbolisiert.
Die seit Mitte der 60er Jahre entstehenden Nagel-Felder sind mit ihrer stark optischen Wirkung auf positive Erfahrungen Ueckers zurückzuführen. Die in einem freien Rhythmus eingeschlagenen Nägel suggerieren dem Betrachter auf ein sich im Wind wiegendes Kornfeld zu blicken. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die changierende Oberfläche der nur an den Köpfen weiß getünchten Nägel. Günther Uecker verknüpft mit den Nagelfeldern seine positiven Erinnerungen an seine Kindheit an der Ostsee, als er mit großem Vergnügen und überaus akribisch die Felder bestellen durfte.
Mit dem Nagel markiert Günther Uecker einen Punkt zwischen den polaren Prinzipien von Licht und Schatten, die wiederum für permanente Heilung, Neuschöpfung und Reinheit, aber auch für Vernichtung, Tod und Dunkelheit stehen. Mit dem Nagelbild, als letztem Element des bibliophilen Werkes Johannes, nimmt Günther Uecker die Worte aus Vers 9 des Kapitel 1 des Evangelium nach Johannes auf und verdeutlicht Licht und Schatten als sich bewegendes Feld und dem immer unterschiedlichen Schatten der Nägel auf Wand und Blättern. Die Sprache geht mit dem Kunstwerk einher und ist der komplementäre Kommentar zu den sie flankierenden bildnerischen Arbeiten.
Die künstlerische Handlung, mit der die Textblätter mit Hilfe der Nägel an die Wand gebracht werden, enthält eine weitere sprachliche Mitteilung und ist zugleich eine neue Ueckersche Information, die in den Gesamtkontext des Werkes eingebracht wird.
Die Asche und die Nägel werden zu chiffrenhaften Informationsträgern, die mit der zum Kunstwerk erhobenen Schrift zum bibliophilen Gesamtwerk zusammenfließen. Günther Uecker möchte uns, als Betrachter, sensibilisieren, dass letztlich alle Materialien in kommunikativer Weise zusammenwirken können und damit gewährt er uns einen intimen Einblick in seine Arbeits- und Gedankenwelt.

Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen, und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht begriffen. Es ward der Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes. Dieser kam zum Zeugnis, das er von dem Licht erzeugte, auf daß sie alle durch ihn glaubten. Er war nicht das Licht, sondern daß er zeugte von dem Licht. Das war das wahrhafte Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Es war in der Welt und die Welt ist durch dasselbe gemacht, und die Welt erkannte es nicht.
Das Evangelium des Johannes, Kapitel 1, Vers 1-9, Übersetzung Lutherbibel 1912

27.11.2018 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 344.600,-
Schätzwert:
EUR 200.000,- bis EUR 300.000,-

Günther Uecker *


(Wendorf 1930 geb.)
Johannes, 6 Teile, 1995, die fünf Papierarbeiten auf der Rückseite signiert, datiert, betitelt, nummeriert Uecker 95 Johannes 0–4 und Das Evangelium nach Johannes Kapitel 1, Vers 1–10 auf Blatt 4, Nagelrelief auf der Rückseite datiert und signiert Uecker 95, Asche, Kleber auf Papier (1), Graphit auf Papier (4), Nägel, Latexfarbe, Leinwand auf Holz (1), alle Blätter werden mittels 4 separater Nägel (120 mm) an die Wand geheftet, jeweils 60 x 40 cm, Gesamtgröße 60 x 240 cm

Dieses Werk ist im Uecker Archiv registriert unter der Nummer GU.13.001/ GU.84.015/ GU.95.005 und wird vorgemerkt für die Aufnahme in das entstehende Uecker Werkverzeichnis.

Provenienz:
Galerie Löhrl, Mönchengladbach
Privatsammlung, Deutschland - dort in der 2. Hälfte der 1990er Jahre erworben.

Literatur:
Günther Uecker, Anschlag, Zum Schweigen der Schrift, Galerie Löhrl, Mönchengladbach 1997, S. 17
Britta Julia Dombrowe, Bd. I, Werkverzeichnis der bibliophilen Werke von Günther Uecker, Dissertation, Universität Köln, S. 53
Dorothea und Martin van der Koelen (Hrsg.) Günther Uecker, Opus Liber, Verzeichnis der bibliophilen Bücher und Werke 1960–2005, Mainz 2007, S. 420f, Nr. L 9504 (farbige Abb.)

Ausgestellt:
Galerie Löhrl, Mönchengladbach, Anschlag - Zum Schweigen der Schrift, 02.03.-07.05.1997
Kunstmuseum Bochum, doing identity - Die Sammlung Reydan Weiss, 25.11.17–4.2.18

Günther Uecker’s „Johannes“ (1995) gehört zu seinen bibliophilen Werken. Es sind dies eine Gruppe von Arbeiten - darunter Kunstmappen, Bücher, großformatige Objektinstallationen - die Sprache, politische, religiöse und fiktionale Texte zum Thema haben, wobei die Texte selbst entweder das Werk bilden oder dessen fester integrativer Bestandteil sind.
In „Johannes“ werden zwei Bilder – das eine aus Asche, das andere aus Nägeln – links und rechts von den Versen 1 bis 9 aus dem ersten Kapitel des Johannes-Evangeliums aufgehängt. Der Text ist integrativer Bestandteil des Gesamtwerkes und wird neben den flankierenden Arbeiten zum Kunstwerk erhoben. „Wenn man die Wörter abschreibt erfolgt so etwas wie eine Verinnerlichung im Sinne eines Gebetes. Und wenn ich mich diesen Wörtern zuwende, dann ist bildnerisch Handeln und lesbar Schreiben ein ganz wichtiger Prozess, um auf die Ursprünglichkeit und auch auf den Ethischen Ausdruck der Schrift zu kommen. Es muss auf mich übergehen, sonst würde ich nur wie ein Schreiberling abschreiben und nicht verstehen, was ich schreibe.“ (Britta Julia Dombrowe, Köln 2006, S. 100)
Mit den Asche-Bildern, die vor allem in der Zeit nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl entstanden, setzt Günther Uecker ein politisches Statement und kritisiert die Zerstörung der Umwelt und des Menschen durch den Menschen. Zugleich sieht er die Asche aber nicht nur als Hinterlassenschaft der Vernichtung, sondern auch als Symbol des Neuanfangs, das gleichsam für Zerstörung und Heilung, wie auch Ende und Anfang steht. Der Beginn des Johannes-Evangeliums „Im Anfang war das Wort…“ stellt somit einen direkten Bezug zu dem Asche-Bild dar, das bei Johannes den Anfang symbolisiert.
Die seit Mitte der 60er Jahre entstehenden Nagel-Felder sind mit ihrer stark optischen Wirkung auf positive Erfahrungen Ueckers zurückzuführen. Die in einem freien Rhythmus eingeschlagenen Nägel suggerieren dem Betrachter auf ein sich im Wind wiegendes Kornfeld zu blicken. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die changierende Oberfläche der nur an den Köpfen weiß getünchten Nägel. Günther Uecker verknüpft mit den Nagelfeldern seine positiven Erinnerungen an seine Kindheit an der Ostsee, als er mit großem Vergnügen und überaus akribisch die Felder bestellen durfte.
Mit dem Nagel markiert Günther Uecker einen Punkt zwischen den polaren Prinzipien von Licht und Schatten, die wiederum für permanente Heilung, Neuschöpfung und Reinheit, aber auch für Vernichtung, Tod und Dunkelheit stehen. Mit dem Nagelbild, als letztem Element des bibliophilen Werkes Johannes, nimmt Günther Uecker die Worte aus Vers 9 des Kapitel 1 des Evangelium nach Johannes auf und verdeutlicht Licht und Schatten als sich bewegendes Feld und dem immer unterschiedlichen Schatten der Nägel auf Wand und Blättern. Die Sprache geht mit dem Kunstwerk einher und ist der komplementäre Kommentar zu den sie flankierenden bildnerischen Arbeiten.
Die künstlerische Handlung, mit der die Textblätter mit Hilfe der Nägel an die Wand gebracht werden, enthält eine weitere sprachliche Mitteilung und ist zugleich eine neue Ueckersche Information, die in den Gesamtkontext des Werkes eingebracht wird.
Die Asche und die Nägel werden zu chiffrenhaften Informationsträgern, die mit der zum Kunstwerk erhobenen Schrift zum bibliophilen Gesamtwerk zusammenfließen. Günther Uecker möchte uns, als Betrachter, sensibilisieren, dass letztlich alle Materialien in kommunikativer Weise zusammenwirken können und damit gewährt er uns einen intimen Einblick in seine Arbeits- und Gedankenwelt.

Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen, und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht begriffen. Es ward der Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes. Dieser kam zum Zeugnis, das er von dem Licht erzeugte, auf daß sie alle durch ihn glaubten. Er war nicht das Licht, sondern daß er zeugte von dem Licht. Das war das wahrhafte Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Es war in der Welt und die Welt ist durch dasselbe gemacht, und die Welt erkannte es nicht.
Das Evangelium des Johannes, Kapitel 1, Vers 1-9, Übersetzung Lutherbibel 1912


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kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Post-War und Zeitgenössische Kunst I
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 27.11.2018 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 17.11. - 27.11.2018


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