Lot Nr. 91


Donato Creti


Donato Creti - Alte Meister

(Cremona 1671-1749 Bologna)
Christus im Haus Marthas und Marias,
Öl auf Leinwand, 120 x 80 cm, gerahmt

Provenienz:
Familie Conti, Bologna (1765);
Galerie Salamon, Mailand (1985);
Privatsammlung, Mailand

Dokumentation:
M. Oretti, Descrizione delle Pitture che sono state esposte nelle strade di Bologna in occasione degli apparati generali del SS. Sacramento, 1759-1786, Bologna, Biblioteca Comunale, ms., B. 105, cc. 39, 54, 237 (siehe Literature, Manni/Negro/Pirondini, 1989, S. 180)

Literatur:
R. Roli, Una insolita „Veronica“ di Donato Creti e altre aggiunte, in: P. Leone de Castris (Hg.), Scritti di storia dell’arte in onore di Raffaello Causa, Neapel 1988, S. 329/330;
G. Manni, E. Negro, M. Pirondini (Hg.), Arte Emiliana dalle raccolte storiche al nuovo collezionismo, Modena 1989, S. 180, Nr. 148;
D. Benati (Hg.), Dipinti e disegni emiliani dal manierismo al neoclassico, Ausstellungskatalog, Bologna 1997, S. 60-62, Nr. 13;
Porro & C, Mostra dipinti antichi, Ausstellungskatalog, Mailand 2015, Nr. 10

Das vorliegende Gemälde zeigt eine Episode aus dem Evangelium nach Lukas (10,31-41), in der Christus die Schwestern des Lazarus besucht. Martha kommt ihren häuslichen Verpflichtungen nach und wird mit einem Zinngeschirr dargestellt, während Maria, die zu Christi Füßen sitzt, über dessen Worte nachsinnt. Im Einklang mit der Tradition der Darstellung der Geschichte, die im Mittelalter ihren Ursprung hat, verkörpern die beiden Frauen das irdische beziehungsweise das geistige Leben.

Das vorliegende Werk wurde einst dem Bild Christus sendet König Abgar sein Abbild als Gegenstück zur Seite gestellt, und die beiden Gemälde finden sich bei Roli (Roli 1988) gemeinsam veröffentlicht. In seiner Komposition und im Einfall des Lichts ist das letztere Gemälde ein fast genaues Spiegelbild von Christus im Haus Marthas und Marias.

Die Gemälde werden im 18. Jahrhundert nicht weniger als dreimal in handschriftlichen Aufzeichnungen des Gelehrten Marcello Oretti erwähnt, die sich in der Biblioteca Comunale in Bologna erhalten haben (siehe Dokumentation). Das betreffende Dokument beschreibt die Zurschaustellung der Bilder in Bologna als Teil der Dekoration anlässlich des Festes des heiligen Sakraments. Diese temporären Dekorationen oder addobbi wurden als Teil der Festlichkeiten zu den alle zehn Jahre wiederkehrenden liturgischen Feiertagen an den Fassaden der Kirchen der Stadt, auf Plätzen, an Säulenvorbauten von Gebäuden sowie an den Fassaden von Palästen angebracht. Zur decennale eucaristica, zum zehnten Jahrestags der Eucharistie, der Kirche Santa Maria Maddalena im Jahr 1765 vermerkte Oretti, dass die Familie Conti „i due quadri con Re Abgaro con la immagine del sudario e Christo con la Maddalena è di mano di Donato Creti“ („die beiden Gemälde Donato Cretis von Abgar und dem Abbild Christi und von Christus und Magdalena“ gezeigt habe (siehe Dokumentation). Im darauffolgenden Jahr und 1776 wurden die beiden Gemälde anlässlich des decennale der Pfarrkirche San Matteo delle Pescherie präsentiert. Im Rahmen seiner Beschreibung des Ereignisses im Jahr 1776 ging Oretti genauer auf das vorliegende Gemälde ein: „Christo in casa di Marta e di Maddalena che là discorrono, quadro simile pure del Creti“ („Christus im Haus von Martha und [Maria] Magdalena im Gespräch, ein ähnliches Bild, ebenfalls von Creti“) (siehe Dokumentation).

In der Royal Library in Windsor findet sich ein Blatt mit Figurenstudien Cretis (siehe R. Roli, Donato Creti. 46 disegni inediti, Bologna 1973, Nr. 24), darunter allem Anschein nach einer Skizze für den Kopf Christi und einen der Cherubim des vorliegenden Gemäldes. Ein weiteres Blatt zeigt eine Studie für den Kopf eines alten Mannes, der mit einer der Gesandtenfiguren auf dem Gegenstück, dem Abgar-Bild, in Verbindung stehen dürfte.

Renato Roli schlägt vor, das vorliegende Gemälde in Donato Cretis reife Periode der 1740er-Jahre zu datieren, in denen der Künstler wichtige Altargemälde für die großen Kirchen von Bologna schuf, jener Stadt, in der sich seine gesamte Laufbahn abspielte. Unter diesen hervorzuheben sind Der hl. Karl Borromäus verteilt Almosen für die Kathedrale San Pietro und Maria mit Kind in der Glorie mit Heiligen sowie Krönung der Jungfrau Maria mit Heiligen für das Santuario della Beata Vergine di San Luca.

Das Thema Christus im Haus Marthas und Marias hatte der Künstler bereits auf zwei ovalen Leinwänden bearbeitet, die sich heute in der Biblioteca Civica di San Giovanni in Persiceto beziehungsweise in einer Privatsammlung befinden (Roli 1988), Christus allerdings stehend zeigen. Im vorliegenden Werk ist Christus sitzend dargestellt, etwas erhöht über den Frauen auf einem Podest, was seine Göttlichkeit betont. Die erdigen Farben des Hintergrunds und des Gewands von Martha heben sich von der vielleicht an die Reise des Künstlers zu Beginn des Jahrhunderts nach Venedig erinnernden Palette strahlender Töne ab, welche für die Protagonisten im Vordergrund Verwendung fanden und gewissermaßen die Bedeutung der biblischen Episode unterstreichen. Christus preist die eine „gute Rolle“ einnehmende Maria ja für ihre Bindung an ein geistiges Leben, wohingegen er Martha in weltlichen Anliegen verhaftet zeigt.

Das vorliegende Werk zeichnet sich durch seine außergewöhnliche malerische Qualität aus: Die präzise ausgewogene und elegante Komposition sowie die Virtuosität, mit der die zerknitterten Falten der Draperie ausgeführt sind, belegen Donato Cretis Stellung als eines der führenden Vertreter des Klassizismus des frühen 18. Jahrhunderts.

23.10.2018 - 18:00

Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Donato Creti


(Cremona 1671-1749 Bologna)
Christus im Haus Marthas und Marias,
Öl auf Leinwand, 120 x 80 cm, gerahmt

Provenienz:
Familie Conti, Bologna (1765);
Galerie Salamon, Mailand (1985);
Privatsammlung, Mailand

Dokumentation:
M. Oretti, Descrizione delle Pitture che sono state esposte nelle strade di Bologna in occasione degli apparati generali del SS. Sacramento, 1759-1786, Bologna, Biblioteca Comunale, ms., B. 105, cc. 39, 54, 237 (siehe Literature, Manni/Negro/Pirondini, 1989, S. 180)

Literatur:
R. Roli, Una insolita „Veronica“ di Donato Creti e altre aggiunte, in: P. Leone de Castris (Hg.), Scritti di storia dell’arte in onore di Raffaello Causa, Neapel 1988, S. 329/330;
G. Manni, E. Negro, M. Pirondini (Hg.), Arte Emiliana dalle raccolte storiche al nuovo collezionismo, Modena 1989, S. 180, Nr. 148;
D. Benati (Hg.), Dipinti e disegni emiliani dal manierismo al neoclassico, Ausstellungskatalog, Bologna 1997, S. 60-62, Nr. 13;
Porro & C, Mostra dipinti antichi, Ausstellungskatalog, Mailand 2015, Nr. 10

Das vorliegende Gemälde zeigt eine Episode aus dem Evangelium nach Lukas (10,31-41), in der Christus die Schwestern des Lazarus besucht. Martha kommt ihren häuslichen Verpflichtungen nach und wird mit einem Zinngeschirr dargestellt, während Maria, die zu Christi Füßen sitzt, über dessen Worte nachsinnt. Im Einklang mit der Tradition der Darstellung der Geschichte, die im Mittelalter ihren Ursprung hat, verkörpern die beiden Frauen das irdische beziehungsweise das geistige Leben.

Das vorliegende Werk wurde einst dem Bild Christus sendet König Abgar sein Abbild als Gegenstück zur Seite gestellt, und die beiden Gemälde finden sich bei Roli (Roli 1988) gemeinsam veröffentlicht. In seiner Komposition und im Einfall des Lichts ist das letztere Gemälde ein fast genaues Spiegelbild von Christus im Haus Marthas und Marias.

Die Gemälde werden im 18. Jahrhundert nicht weniger als dreimal in handschriftlichen Aufzeichnungen des Gelehrten Marcello Oretti erwähnt, die sich in der Biblioteca Comunale in Bologna erhalten haben (siehe Dokumentation). Das betreffende Dokument beschreibt die Zurschaustellung der Bilder in Bologna als Teil der Dekoration anlässlich des Festes des heiligen Sakraments. Diese temporären Dekorationen oder addobbi wurden als Teil der Festlichkeiten zu den alle zehn Jahre wiederkehrenden liturgischen Feiertagen an den Fassaden der Kirchen der Stadt, auf Plätzen, an Säulenvorbauten von Gebäuden sowie an den Fassaden von Palästen angebracht. Zur decennale eucaristica, zum zehnten Jahrestags der Eucharistie, der Kirche Santa Maria Maddalena im Jahr 1765 vermerkte Oretti, dass die Familie Conti „i due quadri con Re Abgaro con la immagine del sudario e Christo con la Maddalena è di mano di Donato Creti“ („die beiden Gemälde Donato Cretis von Abgar und dem Abbild Christi und von Christus und Magdalena“ gezeigt habe (siehe Dokumentation). Im darauffolgenden Jahr und 1776 wurden die beiden Gemälde anlässlich des decennale der Pfarrkirche San Matteo delle Pescherie präsentiert. Im Rahmen seiner Beschreibung des Ereignisses im Jahr 1776 ging Oretti genauer auf das vorliegende Gemälde ein: „Christo in casa di Marta e di Maddalena che là discorrono, quadro simile pure del Creti“ („Christus im Haus von Martha und [Maria] Magdalena im Gespräch, ein ähnliches Bild, ebenfalls von Creti“) (siehe Dokumentation).

In der Royal Library in Windsor findet sich ein Blatt mit Figurenstudien Cretis (siehe R. Roli, Donato Creti. 46 disegni inediti, Bologna 1973, Nr. 24), darunter allem Anschein nach einer Skizze für den Kopf Christi und einen der Cherubim des vorliegenden Gemäldes. Ein weiteres Blatt zeigt eine Studie für den Kopf eines alten Mannes, der mit einer der Gesandtenfiguren auf dem Gegenstück, dem Abgar-Bild, in Verbindung stehen dürfte.

Renato Roli schlägt vor, das vorliegende Gemälde in Donato Cretis reife Periode der 1740er-Jahre zu datieren, in denen der Künstler wichtige Altargemälde für die großen Kirchen von Bologna schuf, jener Stadt, in der sich seine gesamte Laufbahn abspielte. Unter diesen hervorzuheben sind Der hl. Karl Borromäus verteilt Almosen für die Kathedrale San Pietro und Maria mit Kind in der Glorie mit Heiligen sowie Krönung der Jungfrau Maria mit Heiligen für das Santuario della Beata Vergine di San Luca.

Das Thema Christus im Haus Marthas und Marias hatte der Künstler bereits auf zwei ovalen Leinwänden bearbeitet, die sich heute in der Biblioteca Civica di San Giovanni in Persiceto beziehungsweise in einer Privatsammlung befinden (Roli 1988), Christus allerdings stehend zeigen. Im vorliegenden Werk ist Christus sitzend dargestellt, etwas erhöht über den Frauen auf einem Podest, was seine Göttlichkeit betont. Die erdigen Farben des Hintergrunds und des Gewands von Martha heben sich von der vielleicht an die Reise des Künstlers zu Beginn des Jahrhunderts nach Venedig erinnernden Palette strahlender Töne ab, welche für die Protagonisten im Vordergrund Verwendung fanden und gewissermaßen die Bedeutung der biblischen Episode unterstreichen. Christus preist die eine „gute Rolle“ einnehmende Maria ja für ihre Bindung an ein geistiges Leben, wohingegen er Martha in weltlichen Anliegen verhaftet zeigt.

Das vorliegende Werk zeichnet sich durch seine außergewöhnliche malerische Qualität aus: Die präzise ausgewogene und elegante Komposition sowie die Virtuosität, mit der die zerknitterten Falten der Draperie ausgeführt sind, belegen Donato Cretis Stellung als eines der führenden Vertreter des Klassizismus des frühen 18. Jahrhunderts.


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old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 23.10.2018 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.10. - 23.10.2018

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