Lot Nr. 90


Marcantonio Franceschini


Marcantonio Franceschini - Alte Meister

(Bologna 1648-1729)
Narziss,
Öl auf Leinwand, 77,5 x 108 cm, gerahmt

Rückseitig auf der Originalleinwand bezeichnet: „Sign Ferdo: Leopo“ sowie die Reste eines Aufklebers der Sammlung Liechtenstein

Provenienz:
vermutlich beauftragt durch Johann Adam Andreas von Liechtenstein (1657-1712) für das Gartenpalais in Wien;
Sammlung Liechtenstein, Wien;
verkauft am 11. Juni 1920 an Glückselig, Wien;
Auktion, Piguet, Genf, 13. Dezember 2017, Lot 1007 (als Marcantonio Franceschini zugeschrieben)

Literatur:
V. Fanti, Descrizzione completa di tutto ciò che ritrovasi nella galleria di pittura e scultura di sua altezza Giuseppe Wenceslao del S.R.I. principe regnante della casa di Lichtenstein…, Wien 1767, S. 52, Nr. 295;
V. Fanti, Description des tableaux et des piéces de sculpture, que renferme la gallerie de son altesse François Joseph chef et prince regnant de la maison de Liechtenstein etc. etc., Wien 1780, S. 87, Nr. 247;
J. v. Falke, Katalog der Fürstlich Liechtensteinischen Bildergalerie im Gartenpalais der Rossau zu Wien, Wien 1873, S. 72, Nr. 617;
D. C. Miller, Marcantonio Franceschini and the Liechtensteins, Prince Johann Adam Andreas and the Decoration of the Liechtenstein Garden Palace at Rossau-Vienna, Cambridge 1991, S. 55 und S. 107, Nr. 43 (Aufenthaltsort unbekannt);
D. C. Miller, Marcantonio Franceschini, Turin 2001, S. 272, Nr. 165.43 (Aufenthaltsort unbekannt)

Wir danken Daniele Benati, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes auf Grundlage einer hochaufgelösten Digitalfotografie bestätigt hat.

Das vorliegende Werk befand sich einst im Besitz der Fürsten von Liechtenstein und ist seit 1767 in mehreren ihrer Kataloge dokumentiert (siehe Literatur). Im Katalog von 1780 wird es poetisch beschrieben: „Franceschini. Narcisse se mirant dans les eaux. Il est assis sur les bords d’une eau claire et tranquille, le corps nu, à la reserve d’une draperie bleue, qui lui passe sur les reins, et le couvre en partie. Il tient le corps penché vers l’eau, ou il se mire, en marquant la surprise, qu’excite en lui son image réfléchie, qu’il prend pour celle d’une Nimphe, dont il devient amoureux. Deux petits Amours au fecond plan attentifs à cette action paroissent s’amuser de son illusion, et de son erreur. Ce tableau est d’une composition simple et gracieuse, et d’un coloris agréable.“

Das Gemälde wurde von den Fürsten von Liechtenstein 1920 verkauft, und man kannte die Komposition nur durch einen Stich A. Geigers und eine kleine Replik auf Leinwand (20 × 30 cm), die sich im Burghley House in Stamford erhalten hat. Diese Replik in der englischen Sammlung wurde als Carlo Maratta katalogisiert, ehe sie mit gebotener Vorsicht von Miller an Franceschini zugeschrieben wurde (Miller 2001). Eine Kopie des vorliegenden Gemäldes befindet sich auf Schloss Valtice in der Tschechischen Republik, das einst im Besitz des Hauses Liechtenstein war.

Das Gemälde beschäftigt sich mit dem Mythos des Narziss und stellt genau jenen Augenblick in seiner Geschichte dar, in dem er, von zwei Putten beobachtet, sein Ebenbild im Wasser bewundert. Wie Ovid in den Metamorphosen schildert, ereilte den hübschen Jüngling, Sohn der Leiriope und des Flussgottes Kephissos, der göttliche Fluch, sich in sein Spiegelbild zu verlieben. Schließlich ertrank der von dieser Liebe Gequälte.

Das vorliegende Gemälde wurde höchstwahrscheinlich von Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein (1657-1712), dem aktivsten Förderer und Kunstsammler des Hauses, in Auftrag gegeben. Franceschini arbeitete von 1691 bis 1709 an der Ausschmückung von fünf Räumen des fürstlichen Gartenpalais in der Rossau bei Wien: Das vorliegende Werk könnte Teil dieses Zyklus gewesen sein. Häufig beriet der Künstler auch den Fürsten, wenn es um Ankäufe von Gemälden in Bologna ging. Deutlich tritt in der erhaltenen ausführlichen Korrespondenz zwischen den beiden Männern die Sammellust des Fürsten zutage, mit der sich Dwight Miller in einer Studie befasst hat (Miller 1991).

Da das hier vorliegende Gemälde in keinem der bekannten Briefe zwischen Franceschini und Fürst Johann Erwähnung findet, sollte es, wenn es tatsächlich von Letzterem in Auftrag gegeben wurde, wie Miller meint (Miller 1991), in die Jahre zwischen 1695 und 1698 datiert werden, für welche die Korrespondenz verloren gegangen ist. Eine andere ins Spiel gebrachte Möglichkeit ist, dass das Bild erst später von einem anderen Mitglied der Familie Liechtenstein erworben wurde und es daher in der Wiener Sammlung erst ab 1767 dokumentiert ist (siehe Literatur).

Der große Ausstattungsauftrag für Wien stellte eine bedeutende künstlerische Leistung im Schaffen Marcantonio Franceschinis dar. Wir wissen nicht, wie der Künstler mit Fürst Johann in Kontakt kam. Wahrscheinlich hat ihn jedoch, wie Miller meint, ursprünglich sein Lehrer Carlo Cignani dem Fürsten empfohlen. Cignani erfreute sich eines internationalen Rufs und war einer von Johanns italienischen Lieblingskünstlern. Vielleicht verzichtete Cignani sogar zugunsten seines Schülers Franceschini auf das ehrgeizige Wiener Projekt. Dieser war in den frühen 1690er-Jahren aufgrund seiner intensiven Bemühungen, in deren Rahmen er sich im Jahrzehnt zuvor an großen Projekten in der Emilia beteiligt hatte, zu einem etablierten und unabhängigen Künstler geworden.

23.10.2018 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 45.000,-
Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Marcantonio Franceschini


(Bologna 1648-1729)
Narziss,
Öl auf Leinwand, 77,5 x 108 cm, gerahmt

Rückseitig auf der Originalleinwand bezeichnet: „Sign Ferdo: Leopo“ sowie die Reste eines Aufklebers der Sammlung Liechtenstein

Provenienz:
vermutlich beauftragt durch Johann Adam Andreas von Liechtenstein (1657-1712) für das Gartenpalais in Wien;
Sammlung Liechtenstein, Wien;
verkauft am 11. Juni 1920 an Glückselig, Wien;
Auktion, Piguet, Genf, 13. Dezember 2017, Lot 1007 (als Marcantonio Franceschini zugeschrieben)

Literatur:
V. Fanti, Descrizzione completa di tutto ciò che ritrovasi nella galleria di pittura e scultura di sua altezza Giuseppe Wenceslao del S.R.I. principe regnante della casa di Lichtenstein…, Wien 1767, S. 52, Nr. 295;
V. Fanti, Description des tableaux et des piéces de sculpture, que renferme la gallerie de son altesse François Joseph chef et prince regnant de la maison de Liechtenstein etc. etc., Wien 1780, S. 87, Nr. 247;
J. v. Falke, Katalog der Fürstlich Liechtensteinischen Bildergalerie im Gartenpalais der Rossau zu Wien, Wien 1873, S. 72, Nr. 617;
D. C. Miller, Marcantonio Franceschini and the Liechtensteins, Prince Johann Adam Andreas and the Decoration of the Liechtenstein Garden Palace at Rossau-Vienna, Cambridge 1991, S. 55 und S. 107, Nr. 43 (Aufenthaltsort unbekannt);
D. C. Miller, Marcantonio Franceschini, Turin 2001, S. 272, Nr. 165.43 (Aufenthaltsort unbekannt)

Wir danken Daniele Benati, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes auf Grundlage einer hochaufgelösten Digitalfotografie bestätigt hat.

Das vorliegende Werk befand sich einst im Besitz der Fürsten von Liechtenstein und ist seit 1767 in mehreren ihrer Kataloge dokumentiert (siehe Literatur). Im Katalog von 1780 wird es poetisch beschrieben: „Franceschini. Narcisse se mirant dans les eaux. Il est assis sur les bords d’une eau claire et tranquille, le corps nu, à la reserve d’une draperie bleue, qui lui passe sur les reins, et le couvre en partie. Il tient le corps penché vers l’eau, ou il se mire, en marquant la surprise, qu’excite en lui son image réfléchie, qu’il prend pour celle d’une Nimphe, dont il devient amoureux. Deux petits Amours au fecond plan attentifs à cette action paroissent s’amuser de son illusion, et de son erreur. Ce tableau est d’une composition simple et gracieuse, et d’un coloris agréable.“

Das Gemälde wurde von den Fürsten von Liechtenstein 1920 verkauft, und man kannte die Komposition nur durch einen Stich A. Geigers und eine kleine Replik auf Leinwand (20 × 30 cm), die sich im Burghley House in Stamford erhalten hat. Diese Replik in der englischen Sammlung wurde als Carlo Maratta katalogisiert, ehe sie mit gebotener Vorsicht von Miller an Franceschini zugeschrieben wurde (Miller 2001). Eine Kopie des vorliegenden Gemäldes befindet sich auf Schloss Valtice in der Tschechischen Republik, das einst im Besitz des Hauses Liechtenstein war.

Das Gemälde beschäftigt sich mit dem Mythos des Narziss und stellt genau jenen Augenblick in seiner Geschichte dar, in dem er, von zwei Putten beobachtet, sein Ebenbild im Wasser bewundert. Wie Ovid in den Metamorphosen schildert, ereilte den hübschen Jüngling, Sohn der Leiriope und des Flussgottes Kephissos, der göttliche Fluch, sich in sein Spiegelbild zu verlieben. Schließlich ertrank der von dieser Liebe Gequälte.

Das vorliegende Gemälde wurde höchstwahrscheinlich von Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein (1657-1712), dem aktivsten Förderer und Kunstsammler des Hauses, in Auftrag gegeben. Franceschini arbeitete von 1691 bis 1709 an der Ausschmückung von fünf Räumen des fürstlichen Gartenpalais in der Rossau bei Wien: Das vorliegende Werk könnte Teil dieses Zyklus gewesen sein. Häufig beriet der Künstler auch den Fürsten, wenn es um Ankäufe von Gemälden in Bologna ging. Deutlich tritt in der erhaltenen ausführlichen Korrespondenz zwischen den beiden Männern die Sammellust des Fürsten zutage, mit der sich Dwight Miller in einer Studie befasst hat (Miller 1991).

Da das hier vorliegende Gemälde in keinem der bekannten Briefe zwischen Franceschini und Fürst Johann Erwähnung findet, sollte es, wenn es tatsächlich von Letzterem in Auftrag gegeben wurde, wie Miller meint (Miller 1991), in die Jahre zwischen 1695 und 1698 datiert werden, für welche die Korrespondenz verloren gegangen ist. Eine andere ins Spiel gebrachte Möglichkeit ist, dass das Bild erst später von einem anderen Mitglied der Familie Liechtenstein erworben wurde und es daher in der Wiener Sammlung erst ab 1767 dokumentiert ist (siehe Literatur).

Der große Ausstattungsauftrag für Wien stellte eine bedeutende künstlerische Leistung im Schaffen Marcantonio Franceschinis dar. Wir wissen nicht, wie der Künstler mit Fürst Johann in Kontakt kam. Wahrscheinlich hat ihn jedoch, wie Miller meint, ursprünglich sein Lehrer Carlo Cignani dem Fürsten empfohlen. Cignani erfreute sich eines internationalen Rufs und war einer von Johanns italienischen Lieblingskünstlern. Vielleicht verzichtete Cignani sogar zugunsten seines Schülers Franceschini auf das ehrgeizige Wiener Projekt. Dieser war in den frühen 1690er-Jahren aufgrund seiner intensiven Bemühungen, in deren Rahmen er sich im Jahrzehnt zuvor an großen Projekten in der Emilia beteiligt hatte, zu einem etablierten und unabhängigen Künstler geworden.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 23.10.2018 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.10. - 23.10.2018


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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