Lot Nr. 19


Marcello Venusti

[Saleroom Notice]
Marcello Venusti - Alte Meister

(Mazzo di Valtellina, Sondrio, um 1512–1579 Rom)
Pietà mit zwei Engeln,
signiert Mitte rechts (unter dem Fuß Marias): M.B. INVENTOR / MARCELLVS VENVSTA / .F.,
Öl auf Holz, 123,5 x 89,5 cm, gerahmt

Rückseitig bezeichnet: Orig.le de Michiel Angel Bonarrota sowie Sammlerzeichen des Sebastián Gabriel de Borbón (bekrönte Initialen S. G.)

Saleroom Notice:

Zusätzliche Literatur:
A. Donati, in L'Eterno e il Tempo, Cat. Exh. Paolucci, Mailand, Silvana Editoriale, 2018, S. 191, 361-362, Nr. 3 mit Bibliographie Bibliographie (als Marcello Venusti). 
A. Donati, Vittoria Colonna e l´eredità degli spirituali, Rom, Etgraphiae, 2019,  S. 172-173, mit Abb. Tafel XVII (als Marcello Venusti) 
 

Provenienz:
vermutlich Sammlung José de Madrazo y Agudo (1781–1859);
Sammlung des Infante Sebastián Gabriel de Borbón y Braganza (1811–1875), Madrid;
im Erbgang an dessen Sohn, Pedro de Alcántara de Borbón y Borbón, Herzog von Dúrcal (1862–1892);
dessen Auktion, Hôtel Drouot, Paris, 3. Februar 1890, Lot 51 (als Marcello Venusti);
Sammlung J. Schmidt-Paganini, Basel;
Auktion, Vogler Auktionen, Basel, Herbstauktion 2007, Lot 359 (als Marcello Venusti);
Privatsammlung, Schweiz;
Auktion, Christie’s, New York, 15. April 2008, Lot 10 (als Marcello Venusti);
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Dokumentation:

Archivo General de Palacio, Palacio Real de Madrid, historische Abteilung, 123, Galería de Pinturas del Serenísimo Señor Ynfante Don Sebastian Gabriel, 1835, Nr. 106: „Otro en tabla de 4 pies y 5 pulgadas de alto, por 3 pies y 3 pulgadas de ancho. La Virgen sentada, mirando al cielo y con los brazos aviertos, tiene al Señor muerto en su regazo y sostenido por dos ángeles. Restaurado por don Juan Rivera. Tiene marco tallado y dorado … Marcelus Venusta (firmado)“

Ausgestellt:
Trento, Museo Diocesano Tridentino, L’uomo del concilio, 4. April – 26. Juli 2009, Nr. 29;
Mailand, Castello Sforzesco, D’après Michaelangelo, 30. September 2015 – 10. Januar 2016, Kat.-Nr. 74;
Forlì, Musei San Domenico, L’Eterno e il Tempo, tra Michelangelo e Caravaggio, 10. Februar – 17. Juni 2018, Nr. 33

Literatur:
K. Frey, Die Handzeichnungen des Michelagniolos Buonarroti, Berlin 1909–11, II, S. 59;
C. de Tolnay, Michelangelo’s Pietà: Compositions for Vittoria Colonna, in: Princeton University Art Museum, 1953, 2, 12, S. 44–62, S. 45f., Anm. 3, Nr. 10, S. 53, Abb. 10;
C. de Tolnay, Michelangelo. The Final Period, Princeton 1960, S. 267, Nr. 348, mit Abb.;
G. W. Kamp, Marcello Venusti. Religiöse Kunst im Umfeld Michelangelos, Egelsbach 1993, S. 124, Nr. 34, Abb. S. 257;
J. M. Ruiz Manero, Obras y noticias de Girolamo Muziano, Marcello Venusti y Scipione Pulzone en España, in: Archivo español de arte, 68, 1995, 272, S. 372 und Anm. 37;
M. Forcellino, Michelangelo, Vittoria Colonna e gli „spirituali“. Religiosità e vita artistica a Roma negli anni Quaranta, Rom 2009, S. 119f., S. 154, Erwähnung unter Anm. 208;
R. Pancheri, in: L’uomo del concilio. Il cardinale Giovanni Morone tra Roma e Trento nell’età di Michelangelo, hrsg. von R. Pancheri, D. Primerano, Ausstellungskatalog, Trento 2009, S. 214f., Nr. 29;
A. Forcellino, La Pietà di Ragusa, in: Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa. Classe di lettere e filosofia, 2010, 5, 2/1, S. 127, S. 382, Abb. 36;
K. Herrmann Fiore, in: L’ ultimo Michelangelo. Disegni e rime attorno alla Pietà Rondanini, hrsg. von A. Rovetta, Ausstellungskatalog, Mailand 2011, Erwähnung unter Nr. 3.15, S. 191, Anm. 3;
S. Capelli, Le copie pittoriche della Pietà di Michelangelo per Vittoria Colonna: Marcello Venusti e i copisti anonimi. Attribuzioni e precisazioni, in: Studi Romani, 61, 2013, S. 131–135, Nr. 7, Taf. XIV, Abb. 2;
A. Rovetta, in: D’après Michelangelo, hrsg. von A. Alberti, A. Rovetta, C. Salsi, Ausstellungskatalog, Venedig 2015, S. 289, S. 291, Kat. 74;
Michelangelo a colori. Marcello Venusti, Lelio Orsi, Marco Pino, Jacopino del Conte, hrsg. von F. Parrilla, Ausstellungskatalog, Rom 2019, S. 94f., Abb. 3

Wir danken Francesca Parrilla für die Bestätigung der Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes auf Grundlage einer Digitalfotografie und für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Das vorliegende Gemälde steht mit seinen leichten Abwandlungen in Zusammenhang mit Michelangelos berühmter Zeichnung der Pietà im Isabella Stewart Gardner Museum, Boston (Inv.-Nr. 1.2.o/16). Die Zeichnung wird von Vasari in seiner Lebensbeschreibung des Michelangelo in der Ausgabe der Viten des Jahres 1568 erwähnt; dort hält er fest, dass die Zeichnung als ein Geschenk an Vittoria Colonna übersendet wurde: „[…] e le disegnò Michelagnolo una Pietà in grembo alla Nostra Donna con due angioletti, mirabilissima“ [„und Michelangelo zeichnete für sie eine bewundernswerte Pietà im Schoß der Gottesmutter mit zwei jugendlichen Engeln“] (siehe Vasari 1568, Ausg. 1966–1987, Bd. VI, 1987, S. 112).

Marcello Venusti traf im Laufe der 1540er-Jahre nach einem Aufenthalt in Mantua in Rom ein. Er war im Kreis der Farnese hoch angesehen, insbesondere für seine Fähigkeit, Repliken nach „Erfindungen“ Michelangelos anzufertigen, die er jeweils um persönliche Hinzufügungen bereicherte. Er war in der Lage, unterschiedliche Einflüsse, die ihm während seiner Ausbildung begegnet waren, miteinander zu verbinden: raffaeleske Bezüge, ein aus der Lombardei herrührendes Sentiment sowie eine bei Perino del Vaga entlehnte Eleganz. Dazu gesellten sich während seiner Zeit in Rom neue stilistische Eigenschaften, etwa die Monumentalität Michelangelos, die zuweilen über Sebastiano del Piombo vermittelt wurde.

Auf diesem Gemälde ist die Madonna am Fuße des Kreuzes sitzend dargestellt. Ihre Arme sind erhoben, die Handflächen in einem Gestus tief empfundenen Schmerzes himmelwärts gedreht. Der im Schoß der Mutter liegende Leichnam wird an den Seite von je einem Engel gestützt, der den Arm des Toten hält, wodurch sich eine geometrisch ausgewogene Komposition ergibt. Die den Körper Jesu modellierenden weichen Übergänge von Licht und Schatten sind von skulpturaler Qualität. Die sich hinter den Figuren erstreckende Gebirgslandschaft mit Städten und Dörfern ist eine Erfindung Marcello Venustis. Links sind Häuser um eine Kirche am Fuß der Berge gruppiert, rechts erscheint eine von einer Mauer umgebene Stadt mit einem auffälligen Tor: Elementen wie diesen begegnet man in Venustis Werken immer wieder.

Die Bezeichnung „M.B. INVENTOR / MARCELLVS VENVSTA / .F.“, die bereits 1909 vom Kunsthistoriker Karl Frey erwähnt wird, unterstreicht Venustis Autorenschaft.

Zu den früheren gemalten Repliken von Michelangelos Pietà gehört auch die Fassung in der Galleria Borghese in Rom, die traditionell Marcello Venusti zugeschrieben war, jedoch kürzlich dem Sieneser Maler Marco Pino (1521–1583) gegeben wurde (siehe M. S. Bolzoni, in: Michelangelo a Colori, 2019, Kat. 8).

Provenienz:
Das vorliegende Gemälde wird im Inventar des Infante Don Sebastián Gabriel de Borbón y Braganza (1811–1875) erwähnt; sein Sammlerzeichen, die bekrönten Initialen „SG“, erscheinen auf der Rückseite der Tafel. Die im Inventar des Infante von 1835 angegebenen Maße stimmen mit jenen des vorliegenden Gemäldes überein (siehe Ruiz Manero 1995, S. 372, Anm. 37; Capelli 2013, S. 133). Mit Rat des Malers und künftigen Direktors des Museo del Prado José de Madrazo (1781–1859) trug Sebastián Gabriel eine außergewöhnliche Gemäldesammlung zusammen. Madrazo besaß eine Kreuzigung Venustis nach Michelangelos berühmter Zeichnung, die heute im British Museum aufbewahrt wird. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der spanische Maler dem Infante zum Ankauf des vorliegenden Gemäldes riet. Die Sammlung des Infante wurde nach seinem Tod aufgelöst und versteigert. Damit wurde eine der wichtigsten spanischen Kunstsammlungen des 19. Jahrhunderts zerstreut.

Technische Analyse von Gianluca Poldi:

Das Gemälde ist auf einer dicken Holztafel mit zwei schmalen Querverstrebungen ausgeführt.

In der Infrarotreflektografie zeigt sich trotz der unter Infrarotstrahlung transparent erscheinenden Malschicht als Unterzeichnung nur eine dünne Umrisslinie, wobei keine Veränderungen festgestellt werden konnten. Venusti verwendete vermutlich einen Karton, um die Komposition mittels Durchgriffelung oder Kohlestaub präzise auf den weißen Malgrund zu übertragen. Dabei hat er die Umrisse der Figuren und Bildelemente wohl mit einer Tinte nachgezogen, die sich im Infrarotlicht durchscheinend verhält, beispielsweise Eisengallustinte. Danach scheint er die Spuren der ersten Durchpausung vor dem Auftrag der Farbschichten sorgfältig gelöscht zu haben.

An zahlreichen Stellen durchgeführte nichtinvasive spektroskopische Untersuchungen offenbaren die von Venuti verwendete besonders reichhaltige Farbpalette und seine ungewöhnliche Wahl von Pigmentmischungen. Die Farben umfassen qualitativ hochwertiges natürliches Ultramarin (Lapislazuli) in den Blaubereichen des Himmels, der weit im Hintergrund liegenden Berge und des Mantels der Gottesmutter. Dagegen fand mit etwas bleibasiertem Gelb gemischter Azurit Verwendung, um das Blaugrün der näher gelegenen Berge und der Wiesen zu erzielen, wohingegen in den grün-bräunlichen Bereichen der Felsen und Berge auch etwas Smalte zum Einsatz kam. Verfärbungen, zu denen es hier gekommen ist, sind bei diesem Pigment auf Basis von Kobaltglas in Verbindung mit Sikkativ typisch.

Grünspan fand als Lasur über den Erd- und Ockerpigmenten des Erdreichs Anwendung. Ein Rotlack auf Karminbasis kam im Gewand der Gottesmutter und bei dem rechten Engel zum Einsatz. Zarte Blautupfer wurden in einer speziellen Technik lasierend im Bereich des Gewandes der heiligen Maria gesetzt.

Die Hauttöne basieren auf einer Mischung von Bleiweiß mit Zinnober und Eisenoxiden in Verbindung mit Schwarz in den Schattenzonen, was an die Technik Sebastiano del Piombos erinnert.

Zahlreiche Abtönungen tragen zur erlesenen Farbigkeit dieses Gemäldes auf Holz bei. Erzielt werden sie durch den Wechsel von pastoser und lasierender Maltechniken, wobei es nur ein paar wenige Höhungen gibt, etwa die Lichter des Engelskopfes in der Mitte des Brustgürtels der Gottesmutter.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

09.06.2020 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 94.050,-
Schätzwert:
EUR 50.000,- bis EUR 70.000,-

Marcello Venusti

[Saleroom Notice]

(Mazzo di Valtellina, Sondrio, um 1512–1579 Rom)
Pietà mit zwei Engeln,
signiert Mitte rechts (unter dem Fuß Marias): M.B. INVENTOR / MARCELLVS VENVSTA / .F.,
Öl auf Holz, 123,5 x 89,5 cm, gerahmt

Rückseitig bezeichnet: Orig.le de Michiel Angel Bonarrota sowie Sammlerzeichen des Sebastián Gabriel de Borbón (bekrönte Initialen S. G.)

Saleroom Notice:

Zusätzliche Literatur:
A. Donati, in L'Eterno e il Tempo, Cat. Exh. Paolucci, Mailand, Silvana Editoriale, 2018, S. 191, 361-362, Nr. 3 mit Bibliographie Bibliographie (als Marcello Venusti). 
A. Donati, Vittoria Colonna e l´eredità degli spirituali, Rom, Etgraphiae, 2019,  S. 172-173, mit Abb. Tafel XVII (als Marcello Venusti) 
 

Provenienz:
vermutlich Sammlung José de Madrazo y Agudo (1781–1859);
Sammlung des Infante Sebastián Gabriel de Borbón y Braganza (1811–1875), Madrid;
im Erbgang an dessen Sohn, Pedro de Alcántara de Borbón y Borbón, Herzog von Dúrcal (1862–1892);
dessen Auktion, Hôtel Drouot, Paris, 3. Februar 1890, Lot 51 (als Marcello Venusti);
Sammlung J. Schmidt-Paganini, Basel;
Auktion, Vogler Auktionen, Basel, Herbstauktion 2007, Lot 359 (als Marcello Venusti);
Privatsammlung, Schweiz;
Auktion, Christie’s, New York, 15. April 2008, Lot 10 (als Marcello Venusti);
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Dokumentation:

Archivo General de Palacio, Palacio Real de Madrid, historische Abteilung, 123, Galería de Pinturas del Serenísimo Señor Ynfante Don Sebastian Gabriel, 1835, Nr. 106: „Otro en tabla de 4 pies y 5 pulgadas de alto, por 3 pies y 3 pulgadas de ancho. La Virgen sentada, mirando al cielo y con los brazos aviertos, tiene al Señor muerto en su regazo y sostenido por dos ángeles. Restaurado por don Juan Rivera. Tiene marco tallado y dorado … Marcelus Venusta (firmado)“

Ausgestellt:
Trento, Museo Diocesano Tridentino, L’uomo del concilio, 4. April – 26. Juli 2009, Nr. 29;
Mailand, Castello Sforzesco, D’après Michaelangelo, 30. September 2015 – 10. Januar 2016, Kat.-Nr. 74;
Forlì, Musei San Domenico, L’Eterno e il Tempo, tra Michelangelo e Caravaggio, 10. Februar – 17. Juni 2018, Nr. 33

Literatur:
K. Frey, Die Handzeichnungen des Michelagniolos Buonarroti, Berlin 1909–11, II, S. 59;
C. de Tolnay, Michelangelo’s Pietà: Compositions for Vittoria Colonna, in: Princeton University Art Museum, 1953, 2, 12, S. 44–62, S. 45f., Anm. 3, Nr. 10, S. 53, Abb. 10;
C. de Tolnay, Michelangelo. The Final Period, Princeton 1960, S. 267, Nr. 348, mit Abb.;
G. W. Kamp, Marcello Venusti. Religiöse Kunst im Umfeld Michelangelos, Egelsbach 1993, S. 124, Nr. 34, Abb. S. 257;
J. M. Ruiz Manero, Obras y noticias de Girolamo Muziano, Marcello Venusti y Scipione Pulzone en España, in: Archivo español de arte, 68, 1995, 272, S. 372 und Anm. 37;
M. Forcellino, Michelangelo, Vittoria Colonna e gli „spirituali“. Religiosità e vita artistica a Roma negli anni Quaranta, Rom 2009, S. 119f., S. 154, Erwähnung unter Anm. 208;
R. Pancheri, in: L’uomo del concilio. Il cardinale Giovanni Morone tra Roma e Trento nell’età di Michelangelo, hrsg. von R. Pancheri, D. Primerano, Ausstellungskatalog, Trento 2009, S. 214f., Nr. 29;
A. Forcellino, La Pietà di Ragusa, in: Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa. Classe di lettere e filosofia, 2010, 5, 2/1, S. 127, S. 382, Abb. 36;
K. Herrmann Fiore, in: L’ ultimo Michelangelo. Disegni e rime attorno alla Pietà Rondanini, hrsg. von A. Rovetta, Ausstellungskatalog, Mailand 2011, Erwähnung unter Nr. 3.15, S. 191, Anm. 3;
S. Capelli, Le copie pittoriche della Pietà di Michelangelo per Vittoria Colonna: Marcello Venusti e i copisti anonimi. Attribuzioni e precisazioni, in: Studi Romani, 61, 2013, S. 131–135, Nr. 7, Taf. XIV, Abb. 2;
A. Rovetta, in: D’après Michelangelo, hrsg. von A. Alberti, A. Rovetta, C. Salsi, Ausstellungskatalog, Venedig 2015, S. 289, S. 291, Kat. 74;
Michelangelo a colori. Marcello Venusti, Lelio Orsi, Marco Pino, Jacopino del Conte, hrsg. von F. Parrilla, Ausstellungskatalog, Rom 2019, S. 94f., Abb. 3

Wir danken Francesca Parrilla für die Bestätigung der Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes auf Grundlage einer Digitalfotografie und für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Das vorliegende Gemälde steht mit seinen leichten Abwandlungen in Zusammenhang mit Michelangelos berühmter Zeichnung der Pietà im Isabella Stewart Gardner Museum, Boston (Inv.-Nr. 1.2.o/16). Die Zeichnung wird von Vasari in seiner Lebensbeschreibung des Michelangelo in der Ausgabe der Viten des Jahres 1568 erwähnt; dort hält er fest, dass die Zeichnung als ein Geschenk an Vittoria Colonna übersendet wurde: „[…] e le disegnò Michelagnolo una Pietà in grembo alla Nostra Donna con due angioletti, mirabilissima“ [„und Michelangelo zeichnete für sie eine bewundernswerte Pietà im Schoß der Gottesmutter mit zwei jugendlichen Engeln“] (siehe Vasari 1568, Ausg. 1966–1987, Bd. VI, 1987, S. 112).

Marcello Venusti traf im Laufe der 1540er-Jahre nach einem Aufenthalt in Mantua in Rom ein. Er war im Kreis der Farnese hoch angesehen, insbesondere für seine Fähigkeit, Repliken nach „Erfindungen“ Michelangelos anzufertigen, die er jeweils um persönliche Hinzufügungen bereicherte. Er war in der Lage, unterschiedliche Einflüsse, die ihm während seiner Ausbildung begegnet waren, miteinander zu verbinden: raffaeleske Bezüge, ein aus der Lombardei herrührendes Sentiment sowie eine bei Perino del Vaga entlehnte Eleganz. Dazu gesellten sich während seiner Zeit in Rom neue stilistische Eigenschaften, etwa die Monumentalität Michelangelos, die zuweilen über Sebastiano del Piombo vermittelt wurde.

Auf diesem Gemälde ist die Madonna am Fuße des Kreuzes sitzend dargestellt. Ihre Arme sind erhoben, die Handflächen in einem Gestus tief empfundenen Schmerzes himmelwärts gedreht. Der im Schoß der Mutter liegende Leichnam wird an den Seite von je einem Engel gestützt, der den Arm des Toten hält, wodurch sich eine geometrisch ausgewogene Komposition ergibt. Die den Körper Jesu modellierenden weichen Übergänge von Licht und Schatten sind von skulpturaler Qualität. Die sich hinter den Figuren erstreckende Gebirgslandschaft mit Städten und Dörfern ist eine Erfindung Marcello Venustis. Links sind Häuser um eine Kirche am Fuß der Berge gruppiert, rechts erscheint eine von einer Mauer umgebene Stadt mit einem auffälligen Tor: Elementen wie diesen begegnet man in Venustis Werken immer wieder.

Die Bezeichnung „M.B. INVENTOR / MARCELLVS VENVSTA / .F.“, die bereits 1909 vom Kunsthistoriker Karl Frey erwähnt wird, unterstreicht Venustis Autorenschaft.

Zu den früheren gemalten Repliken von Michelangelos Pietà gehört auch die Fassung in der Galleria Borghese in Rom, die traditionell Marcello Venusti zugeschrieben war, jedoch kürzlich dem Sieneser Maler Marco Pino (1521–1583) gegeben wurde (siehe M. S. Bolzoni, in: Michelangelo a Colori, 2019, Kat. 8).

Provenienz:
Das vorliegende Gemälde wird im Inventar des Infante Don Sebastián Gabriel de Borbón y Braganza (1811–1875) erwähnt; sein Sammlerzeichen, die bekrönten Initialen „SG“, erscheinen auf der Rückseite der Tafel. Die im Inventar des Infante von 1835 angegebenen Maße stimmen mit jenen des vorliegenden Gemäldes überein (siehe Ruiz Manero 1995, S. 372, Anm. 37; Capelli 2013, S. 133). Mit Rat des Malers und künftigen Direktors des Museo del Prado José de Madrazo (1781–1859) trug Sebastián Gabriel eine außergewöhnliche Gemäldesammlung zusammen. Madrazo besaß eine Kreuzigung Venustis nach Michelangelos berühmter Zeichnung, die heute im British Museum aufbewahrt wird. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der spanische Maler dem Infante zum Ankauf des vorliegenden Gemäldes riet. Die Sammlung des Infante wurde nach seinem Tod aufgelöst und versteigert. Damit wurde eine der wichtigsten spanischen Kunstsammlungen des 19. Jahrhunderts zerstreut.

Technische Analyse von Gianluca Poldi:

Das Gemälde ist auf einer dicken Holztafel mit zwei schmalen Querverstrebungen ausgeführt.

In der Infrarotreflektografie zeigt sich trotz der unter Infrarotstrahlung transparent erscheinenden Malschicht als Unterzeichnung nur eine dünne Umrisslinie, wobei keine Veränderungen festgestellt werden konnten. Venusti verwendete vermutlich einen Karton, um die Komposition mittels Durchgriffelung oder Kohlestaub präzise auf den weißen Malgrund zu übertragen. Dabei hat er die Umrisse der Figuren und Bildelemente wohl mit einer Tinte nachgezogen, die sich im Infrarotlicht durchscheinend verhält, beispielsweise Eisengallustinte. Danach scheint er die Spuren der ersten Durchpausung vor dem Auftrag der Farbschichten sorgfältig gelöscht zu haben.

An zahlreichen Stellen durchgeführte nichtinvasive spektroskopische Untersuchungen offenbaren die von Venuti verwendete besonders reichhaltige Farbpalette und seine ungewöhnliche Wahl von Pigmentmischungen. Die Farben umfassen qualitativ hochwertiges natürliches Ultramarin (Lapislazuli) in den Blaubereichen des Himmels, der weit im Hintergrund liegenden Berge und des Mantels der Gottesmutter. Dagegen fand mit etwas bleibasiertem Gelb gemischter Azurit Verwendung, um das Blaugrün der näher gelegenen Berge und der Wiesen zu erzielen, wohingegen in den grün-bräunlichen Bereichen der Felsen und Berge auch etwas Smalte zum Einsatz kam. Verfärbungen, zu denen es hier gekommen ist, sind bei diesem Pigment auf Basis von Kobaltglas in Verbindung mit Sikkativ typisch.

Grünspan fand als Lasur über den Erd- und Ockerpigmenten des Erdreichs Anwendung. Ein Rotlack auf Karminbasis kam im Gewand der Gottesmutter und bei dem rechten Engel zum Einsatz. Zarte Blautupfer wurden in einer speziellen Technik lasierend im Bereich des Gewandes der heiligen Maria gesetzt.

Die Hauttöne basieren auf einer Mischung von Bleiweiß mit Zinnober und Eisenoxiden in Verbindung mit Schwarz in den Schattenzonen, was an die Technik Sebastiano del Piombos erinnert.

Zahlreiche Abtönungen tragen zur erlesenen Farbigkeit dieses Gemäldes auf Holz bei. Erzielt werden sie durch den Wechsel von pastoser und lasierender Maltechniken, wobei es nur ein paar wenige Höhungen gibt, etwa die Lichter des Engelskopfes in der Mitte des Brustgürtels der Gottesmutter.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 09.06.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 02.06. - 09.06.2020


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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