Lot Nr. 37


Lavinia Fontana


Lavinia Fontana - Alte Meister

(Bologna 1552–1614 Rom)
Dreiviertelporträt des Gerardo Giavarini,
bezeichnet links unten entlang der Tischkante: AETATIS SUAE ANNORUM XXV,
bezeichnet und datiert rechts oben: GERADO GIAVARI/ NI CAVALLIERE./ CONTE PALATINO/ E PAGGIO DI PAPA/ CLEMENTE VIII/ MENTRE DIMORO/ IN BOLOGNA L’ANNO/ 1598,
Öl auf Leinwand, 130 x 103,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Wales, spätestens ab 1927;
Kunsthandel, London;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Wir danken Maria Teresa Cantaro, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes auf Grundlage einer hochaufgelösten Digitalfotografie bestätigt hat.

Dargestellt ist ein junger Mann, der laut der auf dem Teppich entlang der Tischkante sichtbaren Inschrift 25 Jahre alt ist. Laut Beschriftung rechts oben, die auch die Umstände um die Entstehung des Werks festhält, handelt es dich um Gerardo Giavarini. Im Jahr 1598 machte Papst Clemens VIII., nachdem er Ferrara dem Kirchenstaat einverleibt hatte, auf seiner Reise nach Rom in Bologna Halt. Um die Bologneser für ihren Empfang und ihre Loyalität zu belohnen, wählte der Papst mehrere junge Männer, unter ihnen Grafen und Pagen, aus, um sie zum Ritter zu schlagen. Einer von ihnen war Gerardo Giavarini.

Ein derartiges Ereignis gab Anlass zu Stolz, und so gedachten einige der jungen Männer ihrer Investitur mit einem Porträt. Lavinia Fontana, damals eine der angesehensten Porträtistinnen ihrer Zeit, schuf auch ein weiteres vergleichbares Porträt, das Bildnis des Orazio Verardinio, das nur in Form einer Druckgrafik überliefert ist. Die Komposition gleicht jener des vorliegenden Gemäldes und zeigt die Dreiviertelfigur eines stehenden jungen Mannes samt Beschriftung (siehe M. T. Cantaro, Lavinia Fontana bolognese „pittora singolare“, Mailand 1989, S. 191, Nr. 4a.86).

Gerardo Giavarini ist als stehende Dreiviertelfigur dargestellt, sein stolzer Blick dem Betrachter zugewendet. Zu seiner Rechten befindet sich ein Tisch, der mit einem geometrisch gemusterten roten Teppich bedeckt ist, auf dem ein federgeschmückter Ritterhelm liegt. Der Dargestellte zeigt auf ein kleines Bild neben dem Helm mit einer Darstellung von Venus und Amor. Lavinia Fontana stellte dieses Bildthema bei mehreren Gelegenheiten dar, wobei die vorliegende Version auf einer ihrer eigenen Bildfindungen zu beruhen scheint. Das amouröse Sujet des Bildchens mag eine Anspielung darauf sein, dass das vorliegende Porträt als Widmung an die junge Frau intendiert war, die Giavarini als Gemahlin versprochen war.

Laivina Fontana lernte zunächst bei ihrem Vater, dem Manieristen Prospero Fontana, in Bologna. Ihre frühesten bekannten Werke datieren aus den 1570er-Jahren. Es handelt sich um kleine auf Kupfer oder Holz gemalte Andachtsbilder, darunter die Heilige Familie der Dresdener Gemäldegalerie. Später wurde sie in Bologna zur angesehenen Porträtistin. Zu den entsprechenden Werke zählen des Selbstporträt am Cembalo in der Galleria dell´Accademia di San Luca oder das Bildnis des Senators Orsini. In ihrem Porträtstil spiegeln sich die strenge Formensprache mittelitalienischer Vorbilder sowie die naturalistischen Tendenzen der norditalienischen Tradition.

Als von ihrem Vater Prospero ausgebildete Malerin war Lavinia eine ungewöhnliche Frau. In mancher Hinsicht ließ sie sich von Sofonisba Anguissuola leiten, die damals als vorbildhafte Künstlerin galt. Sofonisbas Ruhm und tugendhaftes Leben – sie lebte eine Zeitlang auch am spanischen Hof – machten es für andere Frauen schicklich, eine künstlerische Laufbahn einzuschlagen. Dies traf vor allem auf Bologna zu, eine Stadt, die empfänglich war für weibliche Kreativität, was vor allem dem Beispiel der Caterina de‘ Vigri oder Katharina von Bologna (1413–1463), der Äbtissin der Klarissen, zuzuschreiben war. Sie war eine gefeierte Amateurmalerin, die vom Kloster aus arbeitete, aber auch spirituelles Vorbild. 1712 wurde sie heiliggesprochen.

Eine Frau hatte tugendhaft zu sein und sich den Konventionen zu unterwerfen, strebte sie einen Beruf außerhalb des häuslichen Umfelds an. Eigentlich hätte der Biograf Carlo Cesare Malvesia auf diese Tugenden ehrenhafter Damen hinweisen müssen, als er Lavinia 1678 beschrieb: Trotzdem sie großen Ruhm genoss, wurde sie von der hochrangingen Gesellschaft Bolognas, die auf sie aufmerksam geworden war und von ihr porträtiert werden wollte, wie eine Prinzessin behandelt (siehe L. Ruiz A Tale of Two Women Painters, Sofinisba Anguissola and Lavinia Fontana, Ausstellungskatalog, Madrid, 2019).

In Rom stand sie unter dem Schutz der Familie von Papst Gregor XIII. (1502–1585). Sie gehörte zu den ersten Frauen, die großformatige und öffentlich beauftragte figürliche Darstellungen ausführten, wozu ihr ihr Prestige als Porträtistin verhalf. Auch das vorliegende Werk spricht für ihren Ruhm, der sie mit ihren männlichen Kollegen in Konkurrenz treten ließ. Malvasia verglich ihren Erfolg als Porträtistin mit jenem van Dycks (siehe M. T. Cantaro, Lavinia Fontana bolgnese, Rom 1989, S. 323). Lavinia war die erste Malerin, die in der Ausübung ihrer Profession anerkannt wurde und der es gelang, die Frauen damals auferlegten Grenzen zu überschreiten.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

09.06.2020 - 16:00

Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Lavinia Fontana


(Bologna 1552–1614 Rom)
Dreiviertelporträt des Gerardo Giavarini,
bezeichnet links unten entlang der Tischkante: AETATIS SUAE ANNORUM XXV,
bezeichnet und datiert rechts oben: GERADO GIAVARI/ NI CAVALLIERE./ CONTE PALATINO/ E PAGGIO DI PAPA/ CLEMENTE VIII/ MENTRE DIMORO/ IN BOLOGNA L’ANNO/ 1598,
Öl auf Leinwand, 130 x 103,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Wales, spätestens ab 1927;
Kunsthandel, London;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Wir danken Maria Teresa Cantaro, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes auf Grundlage einer hochaufgelösten Digitalfotografie bestätigt hat.

Dargestellt ist ein junger Mann, der laut der auf dem Teppich entlang der Tischkante sichtbaren Inschrift 25 Jahre alt ist. Laut Beschriftung rechts oben, die auch die Umstände um die Entstehung des Werks festhält, handelt es dich um Gerardo Giavarini. Im Jahr 1598 machte Papst Clemens VIII., nachdem er Ferrara dem Kirchenstaat einverleibt hatte, auf seiner Reise nach Rom in Bologna Halt. Um die Bologneser für ihren Empfang und ihre Loyalität zu belohnen, wählte der Papst mehrere junge Männer, unter ihnen Grafen und Pagen, aus, um sie zum Ritter zu schlagen. Einer von ihnen war Gerardo Giavarini.

Ein derartiges Ereignis gab Anlass zu Stolz, und so gedachten einige der jungen Männer ihrer Investitur mit einem Porträt. Lavinia Fontana, damals eine der angesehensten Porträtistinnen ihrer Zeit, schuf auch ein weiteres vergleichbares Porträt, das Bildnis des Orazio Verardinio, das nur in Form einer Druckgrafik überliefert ist. Die Komposition gleicht jener des vorliegenden Gemäldes und zeigt die Dreiviertelfigur eines stehenden jungen Mannes samt Beschriftung (siehe M. T. Cantaro, Lavinia Fontana bolognese „pittora singolare“, Mailand 1989, S. 191, Nr. 4a.86).

Gerardo Giavarini ist als stehende Dreiviertelfigur dargestellt, sein stolzer Blick dem Betrachter zugewendet. Zu seiner Rechten befindet sich ein Tisch, der mit einem geometrisch gemusterten roten Teppich bedeckt ist, auf dem ein federgeschmückter Ritterhelm liegt. Der Dargestellte zeigt auf ein kleines Bild neben dem Helm mit einer Darstellung von Venus und Amor. Lavinia Fontana stellte dieses Bildthema bei mehreren Gelegenheiten dar, wobei die vorliegende Version auf einer ihrer eigenen Bildfindungen zu beruhen scheint. Das amouröse Sujet des Bildchens mag eine Anspielung darauf sein, dass das vorliegende Porträt als Widmung an die junge Frau intendiert war, die Giavarini als Gemahlin versprochen war.

Laivina Fontana lernte zunächst bei ihrem Vater, dem Manieristen Prospero Fontana, in Bologna. Ihre frühesten bekannten Werke datieren aus den 1570er-Jahren. Es handelt sich um kleine auf Kupfer oder Holz gemalte Andachtsbilder, darunter die Heilige Familie der Dresdener Gemäldegalerie. Später wurde sie in Bologna zur angesehenen Porträtistin. Zu den entsprechenden Werke zählen des Selbstporträt am Cembalo in der Galleria dell´Accademia di San Luca oder das Bildnis des Senators Orsini. In ihrem Porträtstil spiegeln sich die strenge Formensprache mittelitalienischer Vorbilder sowie die naturalistischen Tendenzen der norditalienischen Tradition.

Als von ihrem Vater Prospero ausgebildete Malerin war Lavinia eine ungewöhnliche Frau. In mancher Hinsicht ließ sie sich von Sofonisba Anguissuola leiten, die damals als vorbildhafte Künstlerin galt. Sofonisbas Ruhm und tugendhaftes Leben – sie lebte eine Zeitlang auch am spanischen Hof – machten es für andere Frauen schicklich, eine künstlerische Laufbahn einzuschlagen. Dies traf vor allem auf Bologna zu, eine Stadt, die empfänglich war für weibliche Kreativität, was vor allem dem Beispiel der Caterina de‘ Vigri oder Katharina von Bologna (1413–1463), der Äbtissin der Klarissen, zuzuschreiben war. Sie war eine gefeierte Amateurmalerin, die vom Kloster aus arbeitete, aber auch spirituelles Vorbild. 1712 wurde sie heiliggesprochen.

Eine Frau hatte tugendhaft zu sein und sich den Konventionen zu unterwerfen, strebte sie einen Beruf außerhalb des häuslichen Umfelds an. Eigentlich hätte der Biograf Carlo Cesare Malvesia auf diese Tugenden ehrenhafter Damen hinweisen müssen, als er Lavinia 1678 beschrieb: Trotzdem sie großen Ruhm genoss, wurde sie von der hochrangingen Gesellschaft Bolognas, die auf sie aufmerksam geworden war und von ihr porträtiert werden wollte, wie eine Prinzessin behandelt (siehe L. Ruiz A Tale of Two Women Painters, Sofinisba Anguissola and Lavinia Fontana, Ausstellungskatalog, Madrid, 2019).

In Rom stand sie unter dem Schutz der Familie von Papst Gregor XIII. (1502–1585). Sie gehörte zu den ersten Frauen, die großformatige und öffentlich beauftragte figürliche Darstellungen ausführten, wozu ihr ihr Prestige als Porträtistin verhalf. Auch das vorliegende Werk spricht für ihren Ruhm, der sie mit ihren männlichen Kollegen in Konkurrenz treten ließ. Malvasia verglich ihren Erfolg als Porträtistin mit jenem van Dycks (siehe M. T. Cantaro, Lavinia Fontana bolgnese, Rom 1989, S. 323). Lavinia war die erste Malerin, die in der Ausübung ihrer Profession anerkannt wurde und der es gelang, die Frauen damals auferlegten Grenzen zu überschreiten.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 09.06.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 02.06. - 09.06.2020

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