Lot Nr. 107


Alexis Simon Belle und Werkstatt


Alexis Simon Belle und Werkstatt - Alte Meister

(Paris 1674–1734)
Porträt von James Francis Edward Stuart, „The Old Pretender“,
Öl auf Leinwand, 136,5 x 104 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Belgien

Ausgestellt:
Musée de Dinant, Exposition d’une collection de Tableaux de Maitres Anciens, 1. August – 1. Oktober 1935, als Hyacinthe Rigaud (lt. rückseitigem Klebezettel)

Wir danken Alastair Laing, der die Zuschreibung auf Grundlage einer Digitalfotografie vorgeschlagen hat.

Das vorliegende Porträt zeigt Prinz James Francis Edward Stuart, den ältesten Sohn Jakobs II. von England bzw. Jakobs VII. von Schottland. Es ist verbunden mit einer wichtigen Episode in der Geschichte Britanniens und Irlands. Nach dem Tod von König Karl II. 1685 bestieg sein jüngerer Bruder James Stuart (1633–1701) den Thron und regierte als Jakob II. von England und Jakob VII. von Schottland. Als überzeugter Katholik liebäugelte er mit Frankreich, und als er unerwartet einen männlichen Erben, den hier dargestellten James Francis Edward Stuart (1688–1766), in die Welt setzte, wandte sich die englische Aristokratie, entsetzt von der Aussicht „päpstlicher Tyrannei“, an Wilhelm von Oranien, den Statthalter der Niederlande und Schwiegersohn von König Jakob II. Wilhelm von Oranien erreichte England 1688 an der Spitze einer Armee, und Jakob II. war gezwungen, nach Frankreich zu fliehen. Später schmuggelte Prinzessin Maria von Modena als Wäscherin verkleidet den jungen Thronerben James Francis Edward, den Prinzen von Wales, nach Frankreich. Sie ließen sich auf Schoss Saint-Germain-en-Laye bei Versailles nieder, das ihnen Cousin König Ludwig XIV. zur Verfügung stellte.

Im Exil nahm der Hof der Stuarts ein Leben nach französischer Manier auf. Die englischen Monarchen wurden häufig in Versailles, Marly und Fontainebleau empfangen, gingen mit dem König von Frankreich und seinem Sohn, dem Grand Dauphin, auf die Jagd und wohnten den Festivitäten am französischen Hof bei. Eine Reihe von Künstlern fand sich in Saint-Germain ein, um Jakob II., Maria von Modena, den jungen James Francis Edward Stuart als Prinzen von Wales und bald danach auch die 1692 geborene Prinzessin Louise Maria zu malen. Diese Werke, die in großer Zahl für die königstreuen Familien (die sogenannten Jakobiten) kopiert wurden, wurden von den besten Porträtisten des französischen Königshofs ausgeführt: Pierre Mignard (1612–1695), François de Troy (1645–1730), Nicolas de Largillière (1656–1746) und Hyacinthe Rigaud (1659–1743).

Als Schüler von François de Troy wurde Alexis-Simon Belle (1674–1734) praktisch zum offiziellen Maler der Jakobiten (siehe La Cour des Stuarts à Saint-Germain-en-Laye au temps de Louis XIV, Ausstellungskatalog, Musée des Antiquités nationales de Saint-Germain-en-Laye, 1992).

Der exilierte Hof der Stuarts beauftragte ständig Porträts, deren Zweck im Grunde rein politisch war, zumal die Bilder wichtiger Teil einer groß angelegten Propagandakampagne waren, die die abgesetzte Königsfamilie ab 1689 bis in die späten 1740er-Jahre führte. Schon immer waren Porträtmaler beschäftigt worden, um ein Image nach außen zu tragen und das Ansehen des Monarchen zu stärken; ihre Bedeutung für eine Königsfamilie im Exil, die darauf bedacht war, nicht in Vergessenheit zu geraten, war sogar noch größer (siehe E. Corp, The King over the Water, Portraits of the Stuarts in Exile after 1689, Scottish National Portrait Gallery, 2001). Der Hof der Stuarts beauftragte im Exil Porträts in Form von Gemälden und Stichen, um die Menschen daran zu erinnern oder davon zu überzeugen, dass sie immer noch die rechtmäßigen Herrscher von England, Schottland und Irland waren. Machthaber des 17. Jahrhunderts waren sich dessen bewusst, dass dynastische Loyalität visueller Stimulation bedurfte. Porträts wurden als Waffen in diesem besonderen Krieg eingesetzt, der an mehreren Fronten gekämpft wurde. Das vorliegende Gemälde ist dafür ein schönes Beispiel. Eine weitere Fassung davon befindet sich im Scotland Office, Dover House, Whitehall (136 x 107 cm).

Die lange Reihe jakobitischer Invasionen, Aufstände und Verschwörungen wurde zum Teil dadurch ermöglicht, dass die Menschen wussten, für wen sie sich einsetzten. Sie konnten die Monarchen, für die sie ihr Leben aufs Spiel setzten, visualisieren. Die Stuarts hatten das Glück, einige der besten Porträtisten ihrer Zeit zu beschäftigen. Die Künstler des französischen Königshofs waren zweifellos talentierter als jene, die damals in England tätig waren.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

09.06.2020 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 50.300,-
Schätzwert:
EUR 30.000,- bis EUR 40.000,-

Alexis Simon Belle und Werkstatt


(Paris 1674–1734)
Porträt von James Francis Edward Stuart, „The Old Pretender“,
Öl auf Leinwand, 136,5 x 104 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Belgien

Ausgestellt:
Musée de Dinant, Exposition d’une collection de Tableaux de Maitres Anciens, 1. August – 1. Oktober 1935, als Hyacinthe Rigaud (lt. rückseitigem Klebezettel)

Wir danken Alastair Laing, der die Zuschreibung auf Grundlage einer Digitalfotografie vorgeschlagen hat.

Das vorliegende Porträt zeigt Prinz James Francis Edward Stuart, den ältesten Sohn Jakobs II. von England bzw. Jakobs VII. von Schottland. Es ist verbunden mit einer wichtigen Episode in der Geschichte Britanniens und Irlands. Nach dem Tod von König Karl II. 1685 bestieg sein jüngerer Bruder James Stuart (1633–1701) den Thron und regierte als Jakob II. von England und Jakob VII. von Schottland. Als überzeugter Katholik liebäugelte er mit Frankreich, und als er unerwartet einen männlichen Erben, den hier dargestellten James Francis Edward Stuart (1688–1766), in die Welt setzte, wandte sich die englische Aristokratie, entsetzt von der Aussicht „päpstlicher Tyrannei“, an Wilhelm von Oranien, den Statthalter der Niederlande und Schwiegersohn von König Jakob II. Wilhelm von Oranien erreichte England 1688 an der Spitze einer Armee, und Jakob II. war gezwungen, nach Frankreich zu fliehen. Später schmuggelte Prinzessin Maria von Modena als Wäscherin verkleidet den jungen Thronerben James Francis Edward, den Prinzen von Wales, nach Frankreich. Sie ließen sich auf Schoss Saint-Germain-en-Laye bei Versailles nieder, das ihnen Cousin König Ludwig XIV. zur Verfügung stellte.

Im Exil nahm der Hof der Stuarts ein Leben nach französischer Manier auf. Die englischen Monarchen wurden häufig in Versailles, Marly und Fontainebleau empfangen, gingen mit dem König von Frankreich und seinem Sohn, dem Grand Dauphin, auf die Jagd und wohnten den Festivitäten am französischen Hof bei. Eine Reihe von Künstlern fand sich in Saint-Germain ein, um Jakob II., Maria von Modena, den jungen James Francis Edward Stuart als Prinzen von Wales und bald danach auch die 1692 geborene Prinzessin Louise Maria zu malen. Diese Werke, die in großer Zahl für die königstreuen Familien (die sogenannten Jakobiten) kopiert wurden, wurden von den besten Porträtisten des französischen Königshofs ausgeführt: Pierre Mignard (1612–1695), François de Troy (1645–1730), Nicolas de Largillière (1656–1746) und Hyacinthe Rigaud (1659–1743).

Als Schüler von François de Troy wurde Alexis-Simon Belle (1674–1734) praktisch zum offiziellen Maler der Jakobiten (siehe La Cour des Stuarts à Saint-Germain-en-Laye au temps de Louis XIV, Ausstellungskatalog, Musée des Antiquités nationales de Saint-Germain-en-Laye, 1992).

Der exilierte Hof der Stuarts beauftragte ständig Porträts, deren Zweck im Grunde rein politisch war, zumal die Bilder wichtiger Teil einer groß angelegten Propagandakampagne waren, die die abgesetzte Königsfamilie ab 1689 bis in die späten 1740er-Jahre führte. Schon immer waren Porträtmaler beschäftigt worden, um ein Image nach außen zu tragen und das Ansehen des Monarchen zu stärken; ihre Bedeutung für eine Königsfamilie im Exil, die darauf bedacht war, nicht in Vergessenheit zu geraten, war sogar noch größer (siehe E. Corp, The King over the Water, Portraits of the Stuarts in Exile after 1689, Scottish National Portrait Gallery, 2001). Der Hof der Stuarts beauftragte im Exil Porträts in Form von Gemälden und Stichen, um die Menschen daran zu erinnern oder davon zu überzeugen, dass sie immer noch die rechtmäßigen Herrscher von England, Schottland und Irland waren. Machthaber des 17. Jahrhunderts waren sich dessen bewusst, dass dynastische Loyalität visueller Stimulation bedurfte. Porträts wurden als Waffen in diesem besonderen Krieg eingesetzt, der an mehreren Fronten gekämpft wurde. Das vorliegende Gemälde ist dafür ein schönes Beispiel. Eine weitere Fassung davon befindet sich im Scotland Office, Dover House, Whitehall (136 x 107 cm).

Die lange Reihe jakobitischer Invasionen, Aufstände und Verschwörungen wurde zum Teil dadurch ermöglicht, dass die Menschen wussten, für wen sie sich einsetzten. Sie konnten die Monarchen, für die sie ihr Leben aufs Spiel setzten, visualisieren. Die Stuarts hatten das Glück, einige der besten Porträtisten ihrer Zeit zu beschäftigen. Die Künstler des französischen Königshofs waren zweifellos talentierter als jene, die damals in England tätig waren.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 09.06.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 02.06. - 09.06.2020


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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