Lot Nr. 285


Alessandro Turchi, gen. L’Orbetto


Alessandro Turchi, gen. L’Orbetto - Alte Meister

(Verona 1578–1649 Rom)
Die heilige Maria Magdalena,
Öl auf Leinwand, achteckig, 74,5 x 56,5 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Sammlung des Charles de Créquy, französischer Feldmarschall und Botschafter von König Ludwig XIII. in Rom;
vermutlich Sammlung von Kardinal Richelieu;
vermutlich Weitergabe im Erbgang an dessen Nichte, die Herzogin von Aiguillon;
Auktion, Hôtel Drouot, Paris, 12. November 2015, Lot 28 (als Alessandro Turchi zugeschrieben);
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Wir danken Daniela Scaglietti Kelescian, die die Zuschreibung auf Grundlage einer Digitalfotografie bestätigt hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung. Sie wird das vorliegende Gemälde in ihre in Vorbereitung befindliche Monografie über den Künstler aufnehmen.

Dargestellt ist hier die heilige Maria Magdalena, wie sie die Perlenkette um ihren Hals als Zeichen ihres Entschlusses abreißt, den weltlichen Eitelkeiten zu entsagen und stattdessen nach dem Guten im Geiste zu streben.

Bei diesem Gemälde handelt es sich um das einzige bekannte Werk des Künstlers von achteckigem Format. Dieses mag jedoch von einer späteren Anpassung der Bildgröße herrühren, bedingt durch die Einfügung des Gemäldes in eine Gruppe anderer oktogonaler Werke. Aufgrund des Bildformats hat Scaglietti Kelescian allerdings eine mögliche Provenienz des vorliegenden Gemäldes in Erwägung gezogen. Zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert sind in Frankreich vier Maria Magdalena darstellende Werke Alessandro Turchis belegt, von denen eine diesem charakteristischen Format entsprochen haben zu scheint.

Um die Mitte des 17. Jahrhunderts besaß eine der interessantesten Kunstsammlungen in Paris Charles de Créquy, französischer Feldmarschall und Oberkammerherr des Königs, den Ludwig XIII. zum französischen Botschafter in Rom ernannte (Juni 1633 bis Juli 1634). Als kultivierter und an Kunst interessierter Mann hatte er in kürzester Zeit eine eindrucksvolle Sammlung von 160 Gemälden der wichtigsten während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Italien tätigen Künstler zusammengetragen. Seinem Nachlassinventar von 1638 zufolge befanden sich zwei Gemälde von Alessandro Turchi in seinem Besitz, eine Mystische Vermählung der heiligen Katharina, heute im Louvre (Inv.-Nr. 159), und eine auf Leinwand gemalte Maria Magdalena (siehe N. Mandarano, Dipinti di Alessandro Turchi nelle collezioni parigine negli anni Trenta e Quaranta del Seicento, in: Rome – Paris 1640, hrsg. von M. Bayard, Rom 2008, S. 402–404). Letztere tauchte bald darauf im Inventar von Kardinal Richelieu auf, das die Maler Simon Vouet und Laurent de la Hyre 1643 erstellt hatten („deux piedz de hault sur un pied e demy de large“). 1675 begegnet man ihm wieder in der Sammlung der Nichte des Kardinals, der Herzogin von Aiguillon, in 1675, wo von „d’un tableau octogone“ die Rede ist (siehe J. C. Boyer, I. Volf, Rome à Paris: les tableaux du maréchal de Créquy 1638, in: Revue de l’Art, Nr. 79, 1988, S. 27, Nr. XVIII). Damit mag das vorliegende Gemälde gemeint sein.

Es wurde erwogen, dass dieses Gemälde um 1625 entstanden ist und als Pendant zu einer Heiligen Katharina von Alexandrien von Simon Vouet, ebenfalls von oktogonalem Format ähnlicher Größe, konzipiert war (Auktion, Sotheby’s, 25. Januar 2017, Lot 39; 74 x 58,5 cm). Träfe dies zu, wäre der Vouet später gemalt worden und hätte als Vorlage für die mögliche Größenanpassung des vorliegenden Bildes von Turchi gedient.

Das schöne, in seine mystische Bekehrung versunkene Modell, auf das Turchi hier zurückgegriffen hat, lässt sich mit andern Heiligen und Heldinnen mit ähnlichen Gesichtszügen vergleichen, die der Künstler ab den frühen 1630er-Jahren malte, etwa in der Ekstase der heiligen Maria Magdalena (einst bei Finarte, Mailand, Lot 188) oder im Selbstmord der Kleopatra (Dorotheum, Wien, 22. Oktober 2019, Lot 187). Ebenfalls erkennbar ist im vorliegenden Werk, dass sich der Künstler von antiken römischen Skulpturen hat anregen lassen, insbesondere von der ihre jüngste Tochter beschützenden Niobe der im Besitz der Medici befindlichen Niobe-Gruppe, die sich heute in den Uffizien in Florenz befindet. Von dort hat er nahezu wortwörtlich die Züge und die Handhaltung der ergriffenen Heiligen entlehnt, die hier im Begriff ist, ihre Perlenkette zu durchreißen.

Als das Brustbild der Maria Magdalena 2015 auf dem Pariser Kunstmarkt mit einer Zuschreibung an Alessandro Turchi auftauchte, war sie mit einem Umhang bedeckt, der im Zuge der Restaurierung entfernt wurde. Wahrscheinlich wurde das Kleidungsstück aus Gründen moralischer Zensur im 19. Jahrhundert hinzugefügt.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

09.06.2020 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 10.000,-
Schätzwert:
EUR 12.000,- bis EUR 15.000,-

Alessandro Turchi, gen. L’Orbetto


(Verona 1578–1649 Rom)
Die heilige Maria Magdalena,
Öl auf Leinwand, achteckig, 74,5 x 56,5 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Sammlung des Charles de Créquy, französischer Feldmarschall und Botschafter von König Ludwig XIII. in Rom;
vermutlich Sammlung von Kardinal Richelieu;
vermutlich Weitergabe im Erbgang an dessen Nichte, die Herzogin von Aiguillon;
Auktion, Hôtel Drouot, Paris, 12. November 2015, Lot 28 (als Alessandro Turchi zugeschrieben);
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Wir danken Daniela Scaglietti Kelescian, die die Zuschreibung auf Grundlage einer Digitalfotografie bestätigt hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung. Sie wird das vorliegende Gemälde in ihre in Vorbereitung befindliche Monografie über den Künstler aufnehmen.

Dargestellt ist hier die heilige Maria Magdalena, wie sie die Perlenkette um ihren Hals als Zeichen ihres Entschlusses abreißt, den weltlichen Eitelkeiten zu entsagen und stattdessen nach dem Guten im Geiste zu streben.

Bei diesem Gemälde handelt es sich um das einzige bekannte Werk des Künstlers von achteckigem Format. Dieses mag jedoch von einer späteren Anpassung der Bildgröße herrühren, bedingt durch die Einfügung des Gemäldes in eine Gruppe anderer oktogonaler Werke. Aufgrund des Bildformats hat Scaglietti Kelescian allerdings eine mögliche Provenienz des vorliegenden Gemäldes in Erwägung gezogen. Zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert sind in Frankreich vier Maria Magdalena darstellende Werke Alessandro Turchis belegt, von denen eine diesem charakteristischen Format entsprochen haben zu scheint.

Um die Mitte des 17. Jahrhunderts besaß eine der interessantesten Kunstsammlungen in Paris Charles de Créquy, französischer Feldmarschall und Oberkammerherr des Königs, den Ludwig XIII. zum französischen Botschafter in Rom ernannte (Juni 1633 bis Juli 1634). Als kultivierter und an Kunst interessierter Mann hatte er in kürzester Zeit eine eindrucksvolle Sammlung von 160 Gemälden der wichtigsten während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Italien tätigen Künstler zusammengetragen. Seinem Nachlassinventar von 1638 zufolge befanden sich zwei Gemälde von Alessandro Turchi in seinem Besitz, eine Mystische Vermählung der heiligen Katharina, heute im Louvre (Inv.-Nr. 159), und eine auf Leinwand gemalte Maria Magdalena (siehe N. Mandarano, Dipinti di Alessandro Turchi nelle collezioni parigine negli anni Trenta e Quaranta del Seicento, in: Rome – Paris 1640, hrsg. von M. Bayard, Rom 2008, S. 402–404). Letztere tauchte bald darauf im Inventar von Kardinal Richelieu auf, das die Maler Simon Vouet und Laurent de la Hyre 1643 erstellt hatten („deux piedz de hault sur un pied e demy de large“). 1675 begegnet man ihm wieder in der Sammlung der Nichte des Kardinals, der Herzogin von Aiguillon, in 1675, wo von „d’un tableau octogone“ die Rede ist (siehe J. C. Boyer, I. Volf, Rome à Paris: les tableaux du maréchal de Créquy 1638, in: Revue de l’Art, Nr. 79, 1988, S. 27, Nr. XVIII). Damit mag das vorliegende Gemälde gemeint sein.

Es wurde erwogen, dass dieses Gemälde um 1625 entstanden ist und als Pendant zu einer Heiligen Katharina von Alexandrien von Simon Vouet, ebenfalls von oktogonalem Format ähnlicher Größe, konzipiert war (Auktion, Sotheby’s, 25. Januar 2017, Lot 39; 74 x 58,5 cm). Träfe dies zu, wäre der Vouet später gemalt worden und hätte als Vorlage für die mögliche Größenanpassung des vorliegenden Bildes von Turchi gedient.

Das schöne, in seine mystische Bekehrung versunkene Modell, auf das Turchi hier zurückgegriffen hat, lässt sich mit andern Heiligen und Heldinnen mit ähnlichen Gesichtszügen vergleichen, die der Künstler ab den frühen 1630er-Jahren malte, etwa in der Ekstase der heiligen Maria Magdalena (einst bei Finarte, Mailand, Lot 188) oder im Selbstmord der Kleopatra (Dorotheum, Wien, 22. Oktober 2019, Lot 187). Ebenfalls erkennbar ist im vorliegenden Werk, dass sich der Künstler von antiken römischen Skulpturen hat anregen lassen, insbesondere von der ihre jüngste Tochter beschützenden Niobe der im Besitz der Medici befindlichen Niobe-Gruppe, die sich heute in den Uffizien in Florenz befindet. Von dort hat er nahezu wortwörtlich die Züge und die Handhaltung der ergriffenen Heiligen entlehnt, die hier im Begriff ist, ihre Perlenkette zu durchreißen.

Als das Brustbild der Maria Magdalena 2015 auf dem Pariser Kunstmarkt mit einer Zuschreibung an Alessandro Turchi auftauchte, war sie mit einem Umhang bedeckt, der im Zuge der Restaurierung entfernt wurde. Wahrscheinlich wurde das Kleidungsstück aus Gründen moralischer Zensur im 19. Jahrhundert hinzugefügt.

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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 09.06.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 02.06. - 09.06.2020


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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