Lot Nr. 75 V


1928 Steyr XII 6/30 PS Kommerzwagen


1928 Steyr XII 6/30 PS Kommerzwagen - Klassische Fahrzeuge

Aus der Sammlung Dr. Max Reisch (1912-1985)
Ausgeliefert an Prof. Dr. Burghard Breitner
Seit 1956 im Besitz von Dr. Max Reisch
Restauriert im Steyr-Werk
Matching Numbers


Nach der großen Zäsur 1919 schien Mitte der 1920er ein klein wenig Aufschwung in Österreich ins Land zu ziehen. So polarisiert sich die politischen Kräfte gegenüberstanden und so gravierend es an den einfachsten Strukturen fehlte, so wurde doch wieder ein klein wenig Geld verdient. Mit dem neuen Schilling versuchte man 1925 der galoppierenden Inflation Herr zu werden. Im Oktober des Jahres wagten sich zwei große, österreichische Namen aufs internationale Parkett zurück. Austro Daimler und Steyr zeigten ihr Können erstmals seit 1918 wieder auf der London Motor Show. Die Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft, wie die Steyr-Werke noch bis Jänner 1926 hießen, präsentierten ihre neue, zweite Automobil-Generation. Dazu zählte der Typ XII, der abseits von Luxus und Dekadenz, dem glücklosen Typ IV folgen und dem Automobil den Weg in die breite Masse ebnen sollte.

Mit Ing. Anton Honsig hatte gerade erst ein junger Chefkonstrukteur Ledwinkas großes Erbe angetreten. Unter dem hatte er zuvor in der Rennabteilung seine Sporen verdient. Der Typ XII ging maßgeblich auf Honsig zurück, auch wenn Ledwinka noch beratend zur Seite stand. Honsigs Patent war die neue Hinterachse mit Schwingachsen an einem festen Differenzial. Die sorgte für beste Straßenlage bei gleichzeitig großem Komfort. Außergewöhnlich war auch der laufruhige, rollengelagerte Sechszylinder mit obenliegender Nockenwelle. Aus gut anderthalb Litern schöpfte der ganze 30 Pferdestärken, die dem 12er zu überzeugenden Fahrleistungen verhalfen. Überzeugt waren auch Fachpublikum und -presse, die den neuen Steyrer mit Lob überhäuften. Als Aufbau gab es neben dem Innenlenker, ein Taxi-Landaulet, ein zweitüriges Luxus-Cabriolet und natürlich den offenen Double-Phaeton. Ein Sonderfall von letzterem war der Kommerzwagen, der neben einer vorderen Sitzbank anstelle der Einzelsitze ein mit wenigen Griffen zur Ladefläche umwandelbares Heckteil besaß. Der Typ XII war der erste der in Steyr ganz nach Vorbild aus Übersee am Fließband gefertigt wurde. Damit ließ sich trotz aufwendiger Mechanik ein attraktiver Preis realisieren, was auch die Kundschaft zu goutieren wusste. 11.124 Steyr XII entstanden bis 1929, als mit dem XX der Nachfolger fertig war. Honsig war da gerade von Dannen gezogen, hatte man ihm doch Professor Porsche vor die Nase gesetzt.

Dieser Steyr XII ist einer der eingangs erwähnten Kommerzwagen. Nur zwei Besitzer hatte er bis zum heutigen Tag und beide sind alles andere als Unbekannte. Erster war Professor Dr. Burkhard Breitner. Der 1884 geborene Sohn eines Archäologen und Schriftstellers aus dem salzburgerischen Mattsee sollte später als der „Engel von Sibirien“ Bekanntheit finden. Die Medizin hatte sich gegen die Schriftstellerei durchgesetzt und nach dem Abschluss sub auspiciis führte ihn der Weltkrieg in den Osten und in die russische Kriegsgefangenschaft, wo ihm seine Arbeit als Lagerarzt zu besagtem Beinamen verhalf. Seine Forschung widmete er der Bluttransfusion, der Sexual- und Sportmedizin, vom Primar an der Rudolfstiftung wurde er 1932 zum Vorstand der Chirurgischen Universitätsklinik Innsbruck. Auch der Politik war Breitner zugetan. Stets dem Deutschnationalen verpflichtet, versuchte er sich 1951 für den VdU als Kandidat zur ersten Wahl eines Bundespräsidenten. Mit 15,4% endete seine Karriere so schnell wie sie begonnen hatte.

1928 kaufte Prof. Breitner diesen Steyr XII bei der Innsbrucker Niederlassung Rüthy u. Wiedner. Noch heute existieren die originalen Papiere von 1939, mit denen der Wagen auch nach dem Krieg 1947 wieder zugelassen wurde. Mit seinem Faible für den Automobilismus hatte der Professor in Dr. Max Reisch einen Verwandten im Geiste gefunden. Dem hatte er versprochen, dass der Steyr nach dem Tod der seine werden sollte. So wechselte der Wagen 1956 den Besitzer. Noch heute liegt das Gutachten des Sachverständigen vor, dass den Zustand des 12ers wenig schmeichelhaft beschreibt: Verschiedene Blechschäden, Polsterung schadhaft, Karosserie total faul. Auf 1.000 Schilling schätzte er den Wert.

Max Reisch begann unmittelbar mit der Restaurierung, bzw. ließ er beginnen und zwar dort, wo der Steyr ursprünglich herkam. In der Lehrwerkstätte der Steyr-Werke wurde dem Typ 12 bis 1964 wieder zu neuem Glanz verholfen. Das Ergebnis bezeichnete Reisch als sehr zufriedenstellend und ab den 1970er Jahren fand der Steyr XII im Zeughaus des Tiroler Landesmuseums ein neues Zuhause in der verkehrsgeschichtlichen Abteilung, wo er gemeinsam mit Reischs Steyr Typ IV und dem Weltreisewagen Steyr 100 ausgestellt war. 1986 war in Innsbruck Land unter und auch der 12er soff im Zeughaus ab. Der Trockenlegung folgte eine mechanische Restauration, wobei ein anderer Kühler eingepasst wurde. 1988 war schließlich wieder ein originaler gefunden. Ende der 1990er Jahre übersiedelte das gesamte Reisch-Archiv an den Familiensitz nach Bozen. Weil sich Peter Reisch nun auf des Vaters Expeditionsfahrzeuge konzentriert, kommt als letztes nun der Steyr XII in neue Hände und damit auch hoffentlich bald wieder auf die Straße, wo er hingehört.

Chassis: Z 6902,
Motor: Z 6902,
Papiere: Kraftfahrzeugbrief von 1939, Schätzurkunde durch Ing. Walter Harm von 1956 und Prüfungszeugnis für Kraftfahrzeugführer von Dr. Burghard Breitner Nr. 14.991 ex 1914

17.10.2020 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 92.000,-
Schätzwert:
EUR 35.000,- bis EUR 45.000,-

1928 Steyr XII 6/30 PS Kommerzwagen


Aus der Sammlung Dr. Max Reisch (1912-1985)
Ausgeliefert an Prof. Dr. Burghard Breitner
Seit 1956 im Besitz von Dr. Max Reisch
Restauriert im Steyr-Werk
Matching Numbers


Nach der großen Zäsur 1919 schien Mitte der 1920er ein klein wenig Aufschwung in Österreich ins Land zu ziehen. So polarisiert sich die politischen Kräfte gegenüberstanden und so gravierend es an den einfachsten Strukturen fehlte, so wurde doch wieder ein klein wenig Geld verdient. Mit dem neuen Schilling versuchte man 1925 der galoppierenden Inflation Herr zu werden. Im Oktober des Jahres wagten sich zwei große, österreichische Namen aufs internationale Parkett zurück. Austro Daimler und Steyr zeigten ihr Können erstmals seit 1918 wieder auf der London Motor Show. Die Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft, wie die Steyr-Werke noch bis Jänner 1926 hießen, präsentierten ihre neue, zweite Automobil-Generation. Dazu zählte der Typ XII, der abseits von Luxus und Dekadenz, dem glücklosen Typ IV folgen und dem Automobil den Weg in die breite Masse ebnen sollte.

Mit Ing. Anton Honsig hatte gerade erst ein junger Chefkonstrukteur Ledwinkas großes Erbe angetreten. Unter dem hatte er zuvor in der Rennabteilung seine Sporen verdient. Der Typ XII ging maßgeblich auf Honsig zurück, auch wenn Ledwinka noch beratend zur Seite stand. Honsigs Patent war die neue Hinterachse mit Schwingachsen an einem festen Differenzial. Die sorgte für beste Straßenlage bei gleichzeitig großem Komfort. Außergewöhnlich war auch der laufruhige, rollengelagerte Sechszylinder mit obenliegender Nockenwelle. Aus gut anderthalb Litern schöpfte der ganze 30 Pferdestärken, die dem 12er zu überzeugenden Fahrleistungen verhalfen. Überzeugt waren auch Fachpublikum und -presse, die den neuen Steyrer mit Lob überhäuften. Als Aufbau gab es neben dem Innenlenker, ein Taxi-Landaulet, ein zweitüriges Luxus-Cabriolet und natürlich den offenen Double-Phaeton. Ein Sonderfall von letzterem war der Kommerzwagen, der neben einer vorderen Sitzbank anstelle der Einzelsitze ein mit wenigen Griffen zur Ladefläche umwandelbares Heckteil besaß. Der Typ XII war der erste der in Steyr ganz nach Vorbild aus Übersee am Fließband gefertigt wurde. Damit ließ sich trotz aufwendiger Mechanik ein attraktiver Preis realisieren, was auch die Kundschaft zu goutieren wusste. 11.124 Steyr XII entstanden bis 1929, als mit dem XX der Nachfolger fertig war. Honsig war da gerade von Dannen gezogen, hatte man ihm doch Professor Porsche vor die Nase gesetzt.

Dieser Steyr XII ist einer der eingangs erwähnten Kommerzwagen. Nur zwei Besitzer hatte er bis zum heutigen Tag und beide sind alles andere als Unbekannte. Erster war Professor Dr. Burkhard Breitner. Der 1884 geborene Sohn eines Archäologen und Schriftstellers aus dem salzburgerischen Mattsee sollte später als der „Engel von Sibirien“ Bekanntheit finden. Die Medizin hatte sich gegen die Schriftstellerei durchgesetzt und nach dem Abschluss sub auspiciis führte ihn der Weltkrieg in den Osten und in die russische Kriegsgefangenschaft, wo ihm seine Arbeit als Lagerarzt zu besagtem Beinamen verhalf. Seine Forschung widmete er der Bluttransfusion, der Sexual- und Sportmedizin, vom Primar an der Rudolfstiftung wurde er 1932 zum Vorstand der Chirurgischen Universitätsklinik Innsbruck. Auch der Politik war Breitner zugetan. Stets dem Deutschnationalen verpflichtet, versuchte er sich 1951 für den VdU als Kandidat zur ersten Wahl eines Bundespräsidenten. Mit 15,4% endete seine Karriere so schnell wie sie begonnen hatte.

1928 kaufte Prof. Breitner diesen Steyr XII bei der Innsbrucker Niederlassung Rüthy u. Wiedner. Noch heute existieren die originalen Papiere von 1939, mit denen der Wagen auch nach dem Krieg 1947 wieder zugelassen wurde. Mit seinem Faible für den Automobilismus hatte der Professor in Dr. Max Reisch einen Verwandten im Geiste gefunden. Dem hatte er versprochen, dass der Steyr nach dem Tod der seine werden sollte. So wechselte der Wagen 1956 den Besitzer. Noch heute liegt das Gutachten des Sachverständigen vor, dass den Zustand des 12ers wenig schmeichelhaft beschreibt: Verschiedene Blechschäden, Polsterung schadhaft, Karosserie total faul. Auf 1.000 Schilling schätzte er den Wert.

Max Reisch begann unmittelbar mit der Restaurierung, bzw. ließ er beginnen und zwar dort, wo der Steyr ursprünglich herkam. In der Lehrwerkstätte der Steyr-Werke wurde dem Typ 12 bis 1964 wieder zu neuem Glanz verholfen. Das Ergebnis bezeichnete Reisch als sehr zufriedenstellend und ab den 1970er Jahren fand der Steyr XII im Zeughaus des Tiroler Landesmuseums ein neues Zuhause in der verkehrsgeschichtlichen Abteilung, wo er gemeinsam mit Reischs Steyr Typ IV und dem Weltreisewagen Steyr 100 ausgestellt war. 1986 war in Innsbruck Land unter und auch der 12er soff im Zeughaus ab. Der Trockenlegung folgte eine mechanische Restauration, wobei ein anderer Kühler eingepasst wurde. 1988 war schließlich wieder ein originaler gefunden. Ende der 1990er Jahre übersiedelte das gesamte Reisch-Archiv an den Familiensitz nach Bozen. Weil sich Peter Reisch nun auf des Vaters Expeditionsfahrzeuge konzentriert, kommt als letztes nun der Steyr XII in neue Hände und damit auch hoffentlich bald wieder auf die Straße, wo er hingehört.

Chassis: Z 6902,
Motor: Z 6902,
Papiere: Kraftfahrzeugbrief von 1939, Schätzurkunde durch Ing. Walter Harm von 1956 und Prüfungszeugnis für Kraftfahrzeugführer von Dr. Burghard Breitner Nr. 14.991 ex 1914


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 16.00
oldtimer@dorotheum.at

+43 1 515 60 428
Auktion: Klassische Fahrzeuge
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 17.10.2020 - 16:00
Auktionsort: Messezentrum Salzburg
Besichtigung: 16.10. - 17.10.2020


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.