Lot Nr. 39 -


Leonardo Grazia, gen. Leonardo da Pistoia


Leonardo Grazia, gen. Leonardo da Pistoia - Alte Meister

(Pistoia 1503 – nach 1548? Neapel)
Venus,
Öl auf Leinwand, 100 x 75 cm, gerahmt

Wir danken Louis Waldman, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes bestätigt hat.

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um eine bedeutende Hinzufügung zum Oeuvre von Leonardo Grazia, gen. Leonardo da Pistoia. Der 1503 in Pistoia geborene Künstler begab sich nach Rom. Giorgio Vasari erwähnt ihn in seiner Lebensbeschreibung von Leonardo Grazias Lehrmeister Giovan Francesco Penni, wo er berichtet, dass Grazia Zeit in Rom verbrachte, und ihn „Lionardo detto il Pistoia“ nannte. Dies würde den deutlich erkennbaren Widerhall von Künstlern wie Raffael, mit dem Penni zusammenarbeitete, und Giulio Romano in Leonardo Grazias Bildern in der Galleria Borghese erklären. 1528, nach dem Sacco di Roma 1527, ist Leonardo Grazia in Pistoia dokumentiert. Sein Eintritt in die Compagnia di San Luca in Rom 1534 markiert das Ende seines Verbleibs in seiner Geburtsstadt. In Rom nahm Leonardo Grazia den Einfluss Raffaels und seiner Nachfolger auf, während er auch unter den Eindruck der damals vorherrschenden künstlerischen Strömung der sogenannten maniera geriet, deren Anmut und sinnliche Künstlichkeit seine Werke bestimmen. Zuletzt ist er in Neapel dokumentiert, wo er offensichtlich zum Zeitpunkt seines Todes um 1548 lebte.

In Neapel richtete Leonardo Grazia seine eigene florierende Werkstatt ein. Während dieser Zeit erhielt er mehrere wichtige Aufträge, etwa das große Altarbild in Altamura, Apulien, das ihn dazu veranlasste, sich selbst als „lo nobile maestro Leonardo Gratia da Pistoia“ zu bezeichnen. Grazias künstlerisches Schaffen steht zweifellos in der Schuld der verfeinerten Linearität Perino del Vagas, Giulio Romanos und Bronzinos. Dabei gelang es ihm, sich seinen eigenen, unverkennbaren Stil zu bewahren, der sich vor allem in den idealisierten Gesichtszügen seiner Figuren äußert.

Grazias elegante Kompositionen waren beim neapolitanischen Adel stark nachgefragt (siehe A. Nesi, Leonardo Grazia e Benedetto Pagni: echi dello stile di Giulio Romano tra Pistoia e Pescia, in: Arte Cristiana, XCIII, 2005, S. 183; P. Leone de Castris, Pittura del Cinquecento a Napoli 1540–1573, ebd., S. 85–107, 331f.). Er scheint mit unterschiedlichen Maltechniken und Bildträgern wie Schiefer und Leinwand experimentiert zu haben. Die in Neapel entstandenen Werke, insbesondere seine großen Altarbilder, sind auf Leinwand gemalt, ebenso kleinere einfigurige Kompositionen. Das vorliegende Gemälde scheint aus seiner Spätzeit in Neapel zu stammen und steht stilistisch der Venus im Museo di Capodimonte in Neapel nahe.

Leonardo variierte häufig erfolgreiche Kompositionen, insbesondere in seinen späten Jahren in Neapel. Dies war etwa bei den zahlreichen Fassungen der Kleopatra der Fall, von der es u. a. ein Beispiel auf Schiefer im Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie de Troyes und ein weiteres auf Holz gibt, das 2004 bei Christie’s versteigert wurde (siehe M. Corso, Le opere e i giorni di Leonardo Grazia da Pistoia tra Lucca, Roma e Napoli, in: Proporzioni, Florenz 2018, nicht gedruckt, S. 56, Abb. 21); gleiches lässt sich von dem das Gemälde im Capodimonte variierenden Sujet Venus und Amor sagen, von dem in den letzten Jahren zumindest zwei Fassungen auf dem Kunstmarkt aufgetaucht sind (Pandolfini, Florenz, 6. Oktober 2009, Lot 204, und Millon, Paris, 16. März 2018, Lot 22). Von Leonardos Kreuztragung, einer seitenverkehrten Abwandlung von Sebastiano del Piombos berühmter Komposition, sind zahlreiche eigenhändige Fassungen bekannt, darunter eine in Rom in der Galleria Doria-Pamphilj, eine in Greenville im Bob Jones University Museum and Gallery und eine weitere, die bei Sotheby’s zur Versteigerung kam (siehe Corso 2018, S. 56, Abb. 25, 26). Eine weitere Version des vorliegenden Gemäldes befindet sich in Rom in der Galleria Borghese (Inv.-Nr. 92, siehe Corso 2018, S. 56, 67, Abb. 20), deren augenfälligste Abwandlung die hellblaue Farbe des über den Arm gefaltete Schleiers ist. Die Borghese-Fassung wurde stellenweise übermalt, wie alte Fotografien in der Fondazione Zeri zeigen (Nr. 37593); diese Veränderungen wurden kürzlich entfernt. Ein Tuch bedeckte den Schoß der Venus in dem zweifellos späteren tridentinischen Versuch, den erotischen Unterton vieler Kompositionen weitestgehend zu verbergen.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

10.11.2020 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 106.843,-
Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Leonardo Grazia, gen. Leonardo da Pistoia


(Pistoia 1503 – nach 1548? Neapel)
Venus,
Öl auf Leinwand, 100 x 75 cm, gerahmt

Wir danken Louis Waldman, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes bestätigt hat.

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um eine bedeutende Hinzufügung zum Oeuvre von Leonardo Grazia, gen. Leonardo da Pistoia. Der 1503 in Pistoia geborene Künstler begab sich nach Rom. Giorgio Vasari erwähnt ihn in seiner Lebensbeschreibung von Leonardo Grazias Lehrmeister Giovan Francesco Penni, wo er berichtet, dass Grazia Zeit in Rom verbrachte, und ihn „Lionardo detto il Pistoia“ nannte. Dies würde den deutlich erkennbaren Widerhall von Künstlern wie Raffael, mit dem Penni zusammenarbeitete, und Giulio Romano in Leonardo Grazias Bildern in der Galleria Borghese erklären. 1528, nach dem Sacco di Roma 1527, ist Leonardo Grazia in Pistoia dokumentiert. Sein Eintritt in die Compagnia di San Luca in Rom 1534 markiert das Ende seines Verbleibs in seiner Geburtsstadt. In Rom nahm Leonardo Grazia den Einfluss Raffaels und seiner Nachfolger auf, während er auch unter den Eindruck der damals vorherrschenden künstlerischen Strömung der sogenannten maniera geriet, deren Anmut und sinnliche Künstlichkeit seine Werke bestimmen. Zuletzt ist er in Neapel dokumentiert, wo er offensichtlich zum Zeitpunkt seines Todes um 1548 lebte.

In Neapel richtete Leonardo Grazia seine eigene florierende Werkstatt ein. Während dieser Zeit erhielt er mehrere wichtige Aufträge, etwa das große Altarbild in Altamura, Apulien, das ihn dazu veranlasste, sich selbst als „lo nobile maestro Leonardo Gratia da Pistoia“ zu bezeichnen. Grazias künstlerisches Schaffen steht zweifellos in der Schuld der verfeinerten Linearität Perino del Vagas, Giulio Romanos und Bronzinos. Dabei gelang es ihm, sich seinen eigenen, unverkennbaren Stil zu bewahren, der sich vor allem in den idealisierten Gesichtszügen seiner Figuren äußert.

Grazias elegante Kompositionen waren beim neapolitanischen Adel stark nachgefragt (siehe A. Nesi, Leonardo Grazia e Benedetto Pagni: echi dello stile di Giulio Romano tra Pistoia e Pescia, in: Arte Cristiana, XCIII, 2005, S. 183; P. Leone de Castris, Pittura del Cinquecento a Napoli 1540–1573, ebd., S. 85–107, 331f.). Er scheint mit unterschiedlichen Maltechniken und Bildträgern wie Schiefer und Leinwand experimentiert zu haben. Die in Neapel entstandenen Werke, insbesondere seine großen Altarbilder, sind auf Leinwand gemalt, ebenso kleinere einfigurige Kompositionen. Das vorliegende Gemälde scheint aus seiner Spätzeit in Neapel zu stammen und steht stilistisch der Venus im Museo di Capodimonte in Neapel nahe.

Leonardo variierte häufig erfolgreiche Kompositionen, insbesondere in seinen späten Jahren in Neapel. Dies war etwa bei den zahlreichen Fassungen der Kleopatra der Fall, von der es u. a. ein Beispiel auf Schiefer im Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie de Troyes und ein weiteres auf Holz gibt, das 2004 bei Christie’s versteigert wurde (siehe M. Corso, Le opere e i giorni di Leonardo Grazia da Pistoia tra Lucca, Roma e Napoli, in: Proporzioni, Florenz 2018, nicht gedruckt, S. 56, Abb. 21); gleiches lässt sich von dem das Gemälde im Capodimonte variierenden Sujet Venus und Amor sagen, von dem in den letzten Jahren zumindest zwei Fassungen auf dem Kunstmarkt aufgetaucht sind (Pandolfini, Florenz, 6. Oktober 2009, Lot 204, und Millon, Paris, 16. März 2018, Lot 22). Von Leonardos Kreuztragung, einer seitenverkehrten Abwandlung von Sebastiano del Piombos berühmter Komposition, sind zahlreiche eigenhändige Fassungen bekannt, darunter eine in Rom in der Galleria Doria-Pamphilj, eine in Greenville im Bob Jones University Museum and Gallery und eine weitere, die bei Sotheby’s zur Versteigerung kam (siehe Corso 2018, S. 56, Abb. 25, 26). Eine weitere Version des vorliegenden Gemäldes befindet sich in Rom in der Galleria Borghese (Inv.-Nr. 92, siehe Corso 2018, S. 56, 67, Abb. 20), deren augenfälligste Abwandlung die hellblaue Farbe des über den Arm gefaltete Schleiers ist. Die Borghese-Fassung wurde stellenweise übermalt, wie alte Fotografien in der Fondazione Zeri zeigen (Nr. 37593); diese Veränderungen wurden kürzlich entfernt. Ein Tuch bedeckte den Schoß der Venus in dem zweifellos späteren tridentinischen Versuch, den erotischen Unterton vieler Kompositionen weitestgehend zu verbergen.

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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 04.11. - 10.11.2020


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

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