Lot Nr. 43


Elisabetta Sirani


Elisabetta Sirani - Alte Meister

(Bologna 1638–1665)
Salvator Mundi, möglicherweise ein Selbstporträt der Künstlerin,
Öl auf Leinwand, 36 x 28 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Kloster San Domenico, Bologna, spätes 18. Jahrhundert;
Privatsammlung, Bologna;
europäische Privatsammlung, bis 2017;
dort durch den jetzigen Besitzer erworben

Wir danken Adelina Modesti, die die Zuschreibung bestätigt hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Das vorliegende kleinformatige Andachtsbild – ein quadretto da letto – ist unpubliziert und kann der berühmten Bologneser Künstlerin Elisabetta Sirani zugeschrieben werden. Das Gemälde ist ein typisches Beispiel ihrer frühen Schaffenszeit, in der sich der Einfluss von Guido Renis klassizistischer Manier bemerkbar macht. Damals begann sich auch Siranis persönliche Handschrift – die ausdrucksstarke Pinselführung, die feine Farbigkeit und das ausgewogene Helldunkel – zu manifestieren, was sich hier insbesondere in der Malweise des Haars Christi mit den herabfallenden blonden Locken zeigt.

Das vorliegende Gemälde kann mit einer Reihe von Bildern des Salvator Mundi in Verbindung gebracht werden, die die Künstlerin ab 1658 schuf, als sie erstmals in ihrem Arbeitstagebuch, welches von ihrem Biografen Malvasia veröffentlicht wurde, festhielt: „Una mezza figura d’un Salvatore, per donare al mio maestro da suonare“ (C. C. Malvasia, Nota delle Pitture fatte da me Elisabetta Sirani, in: Felsina Pittrice. Vite de’Pittori Bolognesi, Bologna 1678, hg. von G. Zanotti, Bologna 1841, 2 Bde. [Bologna 1967], 11, S. 394). Diese Beschreibung trifft auf ein auf Leinwand gemaltes Bild zu, das sich heute in der Fondazione della Cassa di Risparmio in Bologna befindet.

Im selben Jahr malte Sirani zwei „testin[e] di un Salvatorino“, einen für „Padre Roffeni di San Paolo“, den anderen für einen nicht näher bekannten dominikanischen Ordensbruder. Marcello Oretti vermerkte diesen in den ausgehenden 1700er-Jahren als im „Convento di San Domenico“ in Bologna befindlich (BCAB0, Marcello Oretti, Ms B30, fol. 205.). Dabei könnte es sich um den vorliegenden Salvator Mundi gehandelt haben. Dies ist insofern von Bedeutung, als sich das Gemälde einst in einer Privatsammlung in Bologna befand.

Weiters vergleichbar ist Elisabetta Siranis Redentore benedicente in der Pinacoteca Nazionale di Bologna. Das Bild ist rückseitig mit „Elisabetta Sirani f. 1664“ signiert und datiert und gelangte 1883/1884 zusammen mit seinem Pendant, der Madonna in preghiera, aus der Sammlung Zambeccari in das Museum (siehe A. Modesti, Elisabetta Sirani „Virtuosa“. Women’s Cultural Production in Early Modern Bologna, Turnhout 2014, Kat.-Nr. 121, S. 345f.).

Als Modell für diese anderen Fassungen des Bildthemas diente höchstwahrscheinlich Elisabettas jüngerer Bruder Antonio Maria Sirani (geb. 1649), was die farbige Zeichnung Kopf eines Jünglings im Gabinetto di Disegni e Stampe der Uffizien in Florenz (Nr. 6299F) nahelegt, die Elisabetta Fürst Leopoldo de’ Medici von Florenz 1662 zum Geschenk machte. Was den vorliegenden Salvator Mundi jedoch so einzigartig macht, ist der Anschein, dass Elisabetta hier Christus ihre eigenen Züge gegeben hat, was als selbstbewusste und gewagte Geste der jungen Künstlerin zu werten ist. Ein in ihrer Jugendzeit um 1655 entstandenes Selbstporträt der Königlichen Sammlungen auf Schloss Windsor, auf dem sie sich aus demselben schrägen Blickwinkel dargestellt hat wie Christus auf dem vorliegenden Gemälde, zeigt ein ähnliches vollrundes Gesicht mit neugierigen Augen unter dünnen, gebogten Brauen, einer langen Nase und einem zurückweichenden Kinn. Das Gemälde spricht auch für die ungebrochene Popularität von Siranis Darstellungen des jungen Christus unter ihren vornehmen Bologneser Auftraggebern, die diese Bilder zu Andachtszwecken in ihren eigenen Heimen aufhängten. Das Thema des jugendlichen Christus als Welterlöser mit Reichsapfel oder im Segensgestus spiegelt seine wachsende Anbetung wider. Der Kult erreichte im 17. Jahrhundert seinen Höhepunkt in Italien und Spanien, was sich in einer auf intime Darstellungen der Madonna mit Kind sowie des Jesusknaben als Salvator Mundi oder junger Cristo Redentore fokussierenden Ikonografie äußerte. Diese kleinformatigen Andachtsbilder finden sich zahlreich in Elisabetta Siranis Oeuvre und trugen ihr zurecht Ruhm ein.

Bei dem vorliegenden Salvator Mundi handelt es sich nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Selbstporträts um eine wichtige Hinzufügung zum Schaffen Elisabetta Siranis. Das Bild kann als das früheste Beispiel des beliebten Bildthemas von Christus als Erlöser gelten, das die Künstlerin umgesetzt hat.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

10.11.2020 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 20.300,-
Schätzwert:
EUR 15.000,- bis EUR 20.000,-

Elisabetta Sirani


(Bologna 1638–1665)
Salvator Mundi, möglicherweise ein Selbstporträt der Künstlerin,
Öl auf Leinwand, 36 x 28 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Kloster San Domenico, Bologna, spätes 18. Jahrhundert;
Privatsammlung, Bologna;
europäische Privatsammlung, bis 2017;
dort durch den jetzigen Besitzer erworben

Wir danken Adelina Modesti, die die Zuschreibung bestätigt hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Das vorliegende kleinformatige Andachtsbild – ein quadretto da letto – ist unpubliziert und kann der berühmten Bologneser Künstlerin Elisabetta Sirani zugeschrieben werden. Das Gemälde ist ein typisches Beispiel ihrer frühen Schaffenszeit, in der sich der Einfluss von Guido Renis klassizistischer Manier bemerkbar macht. Damals begann sich auch Siranis persönliche Handschrift – die ausdrucksstarke Pinselführung, die feine Farbigkeit und das ausgewogene Helldunkel – zu manifestieren, was sich hier insbesondere in der Malweise des Haars Christi mit den herabfallenden blonden Locken zeigt.

Das vorliegende Gemälde kann mit einer Reihe von Bildern des Salvator Mundi in Verbindung gebracht werden, die die Künstlerin ab 1658 schuf, als sie erstmals in ihrem Arbeitstagebuch, welches von ihrem Biografen Malvasia veröffentlicht wurde, festhielt: „Una mezza figura d’un Salvatore, per donare al mio maestro da suonare“ (C. C. Malvasia, Nota delle Pitture fatte da me Elisabetta Sirani, in: Felsina Pittrice. Vite de’Pittori Bolognesi, Bologna 1678, hg. von G. Zanotti, Bologna 1841, 2 Bde. [Bologna 1967], 11, S. 394). Diese Beschreibung trifft auf ein auf Leinwand gemaltes Bild zu, das sich heute in der Fondazione della Cassa di Risparmio in Bologna befindet.

Im selben Jahr malte Sirani zwei „testin[e] di un Salvatorino“, einen für „Padre Roffeni di San Paolo“, den anderen für einen nicht näher bekannten dominikanischen Ordensbruder. Marcello Oretti vermerkte diesen in den ausgehenden 1700er-Jahren als im „Convento di San Domenico“ in Bologna befindlich (BCAB0, Marcello Oretti, Ms B30, fol. 205.). Dabei könnte es sich um den vorliegenden Salvator Mundi gehandelt haben. Dies ist insofern von Bedeutung, als sich das Gemälde einst in einer Privatsammlung in Bologna befand.

Weiters vergleichbar ist Elisabetta Siranis Redentore benedicente in der Pinacoteca Nazionale di Bologna. Das Bild ist rückseitig mit „Elisabetta Sirani f. 1664“ signiert und datiert und gelangte 1883/1884 zusammen mit seinem Pendant, der Madonna in preghiera, aus der Sammlung Zambeccari in das Museum (siehe A. Modesti, Elisabetta Sirani „Virtuosa“. Women’s Cultural Production in Early Modern Bologna, Turnhout 2014, Kat.-Nr. 121, S. 345f.).

Als Modell für diese anderen Fassungen des Bildthemas diente höchstwahrscheinlich Elisabettas jüngerer Bruder Antonio Maria Sirani (geb. 1649), was die farbige Zeichnung Kopf eines Jünglings im Gabinetto di Disegni e Stampe der Uffizien in Florenz (Nr. 6299F) nahelegt, die Elisabetta Fürst Leopoldo de’ Medici von Florenz 1662 zum Geschenk machte. Was den vorliegenden Salvator Mundi jedoch so einzigartig macht, ist der Anschein, dass Elisabetta hier Christus ihre eigenen Züge gegeben hat, was als selbstbewusste und gewagte Geste der jungen Künstlerin zu werten ist. Ein in ihrer Jugendzeit um 1655 entstandenes Selbstporträt der Königlichen Sammlungen auf Schloss Windsor, auf dem sie sich aus demselben schrägen Blickwinkel dargestellt hat wie Christus auf dem vorliegenden Gemälde, zeigt ein ähnliches vollrundes Gesicht mit neugierigen Augen unter dünnen, gebogten Brauen, einer langen Nase und einem zurückweichenden Kinn. Das Gemälde spricht auch für die ungebrochene Popularität von Siranis Darstellungen des jungen Christus unter ihren vornehmen Bologneser Auftraggebern, die diese Bilder zu Andachtszwecken in ihren eigenen Heimen aufhängten. Das Thema des jugendlichen Christus als Welterlöser mit Reichsapfel oder im Segensgestus spiegelt seine wachsende Anbetung wider. Der Kult erreichte im 17. Jahrhundert seinen Höhepunkt in Italien und Spanien, was sich in einer auf intime Darstellungen der Madonna mit Kind sowie des Jesusknaben als Salvator Mundi oder junger Cristo Redentore fokussierenden Ikonografie äußerte. Diese kleinformatigen Andachtsbilder finden sich zahlreich in Elisabetta Siranis Oeuvre und trugen ihr zurecht Ruhm ein.

Bei dem vorliegenden Salvator Mundi handelt es sich nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Selbstporträts um eine wichtige Hinzufügung zum Schaffen Elisabetta Siranis. Das Bild kann als das früheste Beispiel des beliebten Bildthemas von Christus als Erlöser gelten, das die Künstlerin umgesetzt hat.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 04.11. - 10.11.2020


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.

Warum bei myDOROTHEUM registrieren?

Die kostenlose Registrierung bei myDOROTHEUM ermöglicht Ihnen die komplette Nutzung folgender Funktionen:

Katalog Benachrichtigungen sobald ein neuer Auktionskatalog online ist.
Auktionstermin Erinnerung zwei Tage vor Auktionsbeginn.
Mitbieten Bieten Sie auf Ihre Lieblingsstücke und ersteigern Sie neue Meisterwerke!
Suchservice Sie suchen nach einem bestimmten Künstler oder einer bestimmten Marke? Speichern Sie Ihre Suche ab und werden Sie automatisch informiert, sobald diese in einer Auktion angeboten werden!