Lot Nr. 124


Pelagio Palagi


Pelagio Palagi - Alte Meister

(Bologna 1775–1860 Turin)
Herakles kämpft gegen Thanatos, um Alkestis aus dem Hades zu befreien,
Öl auf Leinwand, 161 x 227 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Bologna;
dort durch den jetzigen Besitzer erworben

Wir danken Fernando Mazzocca, der die Zuschreibung bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Das vorliegende Gemälde stellt eine bedeutende Ergänzung zum Œuvre Pelagio Palagis dar und trägt zum Wissen über die Produktion des Künstlers sowie die figurative Malerei des italienischen Neoklassizismus bei. Palagi war ein Künstler der kultivierten Raffinesse, wie seine Bibliothek beweist, die er dem Archiginnasio di Bologna vermachte, wo sie bis heute erhalten ist. Im Lauf seiner Karriere, die sich zwischen Rom, Mailand und Turin entfaltete, beschäftigte er sich mit vielen Bereichen der Historienmalerei, wobei die Bandbreite der Darstellungen von mythologischen Themen bis zu Motiven der antiken und modernen Geschichte reichte, womit Palagi sich als führender Protagonist der letzten Phase des Neoklassizismus und der Frühzeit der Romantik behauptete (siehe C. Poppi [Hg.], Pelagio Palagi pittore. Dipinti dalle raccolte del Comune di Bologna, Ausstellungskatalog, Mailand 1996).

Obgleich das vorliegende Gemälde in keiner der bekannten Quellen genannt wird, ist es stilistisch eindeutig aus Palagis Hand und hat darüber hinaus einen klaren Bezugspunkt in Form einer kleineren Version, die unverkennbar das Bozzetto oder die Studie für das vorliegende Werk ist, das einige kleinere kompositorische Abweichungen in der Darstellung der kleinen Figuren im Hintergrund aufweist. Der Hauptunterschied zwischen der Studie und dem endgültigen Werk liegt jedoch in der Präsentation der gegen den Helden kämpfenden Figur, die uns in der Skizze, wie um die Immaterialität ihrer Personifikation zu betonen, als fast durchscheinende Göttin des Todes (vielleicht eine der Moiren) entgegentritt, während im vorliegenden Gemälde die männliche Figur des Thanatos oder personifizierten Todes mit solidem Realismus wiedergegeben wird: Sein Körper zeichnet sich durch sein lebendig gestaltetes graues Fleisch aus, das in erschreckendem Kontrast zu dem der athletischen Figur des Herkules steht. Im endgültigen Gemälde ist auch die Stellung der Figuren dank ihrer größeren Dynamik und ihrer präziser definierten Gesten vollständiger ausgeführt.

Der Geschichte von Alkestis, der Frau des Argonauten Admetos, des Königs von Pherai in Thessalien, wurde in der Form, in der sie von Euripides in seiner frühesten bekannten Tragödie Alkestis erzählt wurde, beträchtlicher Ruhm zuteil. Sie wurde daraufhin auch von mehreren anderen klassischen Schriftstellern wie Apollodor, Diodorus Siculus und Hyginus in seinen Fabulae sowie von Pausanias wiedergegeben. In der Neuzeit wurde sie von Vittorio Alfieri in seinem gefeierten Drama Alceste von 1798 und von Christoph Willibald Gluck in der Oper Alceste aufgegriffen, die 1767 in der Wiener Hofburg uraufgeführt wurde. Aus derselben Epoche stammen auch die weniger bekannten Opern von Giovanni Battista Lampugnani, die man 1774 in London präsentierte, und von Antonio Marcos Portugal, die 1799 in Venedig aufgeführt wurde. In der Malerei ist die am häufigsten dargestellte Episode der Geschichte der Heldin ihr Tod, wie ihn uns zum Beispiel das Gemälde von Jean François Peyron von 1785 vor Augen stellt, das im Louvre aufbewahrt wird.

Der Mythos stieß offensichtlich auf beträchtliches Interesse, und das nicht zuletzt wegen der Auflösung der Geschichte, wonach Alkestis dank des Eingreifens von Herkules dem Tod entrissen wird. Apollon, der von Zeus dazu verurteilt worden war, ein ganzes Jahr lang einem sterblichen Mann zu dienen, hatte seine Zeit im Dienst von Admetos als Hüter von dessen Herden verbracht. Da der König ihn mit Respekt behandelt hatte, half ihm der Gott, Alkestis’ Gunst zu erlangen. Am Tag ihrer Hochzeit vergaß Admetos jedoch, Artemis ein Opfer zu bringen, weshalb die Göttin ihn Schlangen in seinem Bett finden ließ, um ihn vor seinem bevorstehenden Tod zu warnen. Als seine letzte Stunde gekommen war, gelang es Apollon, von den Parzen das Versprechen zu erlangen, dass sein Schützling weiterleben könne, wenn jemand bereit sei, sich zu opfern und an seiner Stelle den Tod auf sich zu nehmen. Niemand ‒ nicht einmal die bereit alten Eltern Admetos’ ‒ bot sich an, das zu tun, weshalb Alkestis beschloss, an Stelle ihres Mannes den Tod auf sich zu nehmen und damit ein Beispiel ehelicher Hingabe zu geben. In diesem Moment griff Herkules ein, der damals Admetos’ Gast war. Er verwickelte Thanatos in einen schrecklichen Kampf, schaffte es, Alkestis vor dem Tod zu retten, und brachte sie Admetos aus dem Hades zurück.

Statt, was am naheliegendsten gewesen wäre, sich dem Tod von Alkestis zu widmen, wie Peyron es getan hatte, entschied sich Palagi dafür, den Kampf zwischen Herkules und Thanatos darzustellen, der hier nicht als abstrakter Geist, sondern als erschreckende Gottheit mit infernalischem Blick und einem ausgezehrten, leichenähnlichen Körper dargestellt wird, dessen Nacktheit nur das Fell eines wilden Tieres bedeckt. Sowohl die in einer ungewöhnlichen energiegeladenen Pose festgehalte Figur des Herkules als auch die in einer ungeheure Spannung in sich bergenden Bewegung erfasste Figur des Thanatos können mit einem anderen der griechischen Tragödie entlehnten und vom Künstler häufig behandelten Thema in Beziehung gesetzt werden: das des Orestes, der von den Furien verfolgt wird, nachdem er seinen Vater Agamemnon getötet hat. Die Stellungen der beiden Figuren finden sich in einer Reihe prächtiger Zeichnungen wieder, von denen die am weitesten ausgeführte von Francesco Rosaspina gestochen wurde (die Druckgrafik tauchte am 11. Oktober 2017 in einer Auktion bei Gonelli in Florenz auf; zu den Zeichnungen siehe C. Poppi [Hg.], L’Ombra di Core. Disegni del fondo Palagi della Biblioteca dell’Archiginnasio, Ausstellungskatalog, Casalecchio di Reno 1988, S. 76 f., 122‒125). Was die Figur des Herkules angeht, lässt sich mit den Athleten in Aktion ein weiterer kompositorischer Vergleich ziehen, die das heute verschollene Fresko La Lotta in der Sala della Lanterna des Palazzo Reale Mailand vor Augen stellte, das zwischen 1821 und 1822 entstand und heute nur durch vorbereitende Zeichnungen und dokumentarische Fotografien bekannt ist. Das vorliegende Gemälde ist aufgrund der Komplexität der Komposition und der hohen Qualität der Ausführung in diese Jahre zu datieren, die Palagis Reifezeit ankündigen. Die Schlacht zwischen Herkules und Thanatos ist ein Bild für den ständigen Kampf zwischen Leben und Tod: Im Zentrum der komplexen Anlage werden die Figuren von der umgebenden All’antica-Architektur, die sich als Silhouette gegen den Himmel abhebt, und den Hintergrundfiguren ‒ darunter links Alkestis an der Schwelle des Todes ‒ elegant gerahmt, die eine ähnliche Rolle wie der Chor in der Inszenierung einer griechischen Tragödie spielen.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

10.11.2020 - 16:00

Schätzwert:
EUR 50.000,- bis EUR 70.000,-

Pelagio Palagi


(Bologna 1775–1860 Turin)
Herakles kämpft gegen Thanatos, um Alkestis aus dem Hades zu befreien,
Öl auf Leinwand, 161 x 227 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Bologna;
dort durch den jetzigen Besitzer erworben

Wir danken Fernando Mazzocca, der die Zuschreibung bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Das vorliegende Gemälde stellt eine bedeutende Ergänzung zum Œuvre Pelagio Palagis dar und trägt zum Wissen über die Produktion des Künstlers sowie die figurative Malerei des italienischen Neoklassizismus bei. Palagi war ein Künstler der kultivierten Raffinesse, wie seine Bibliothek beweist, die er dem Archiginnasio di Bologna vermachte, wo sie bis heute erhalten ist. Im Lauf seiner Karriere, die sich zwischen Rom, Mailand und Turin entfaltete, beschäftigte er sich mit vielen Bereichen der Historienmalerei, wobei die Bandbreite der Darstellungen von mythologischen Themen bis zu Motiven der antiken und modernen Geschichte reichte, womit Palagi sich als führender Protagonist der letzten Phase des Neoklassizismus und der Frühzeit der Romantik behauptete (siehe C. Poppi [Hg.], Pelagio Palagi pittore. Dipinti dalle raccolte del Comune di Bologna, Ausstellungskatalog, Mailand 1996).

Obgleich das vorliegende Gemälde in keiner der bekannten Quellen genannt wird, ist es stilistisch eindeutig aus Palagis Hand und hat darüber hinaus einen klaren Bezugspunkt in Form einer kleineren Version, die unverkennbar das Bozzetto oder die Studie für das vorliegende Werk ist, das einige kleinere kompositorische Abweichungen in der Darstellung der kleinen Figuren im Hintergrund aufweist. Der Hauptunterschied zwischen der Studie und dem endgültigen Werk liegt jedoch in der Präsentation der gegen den Helden kämpfenden Figur, die uns in der Skizze, wie um die Immaterialität ihrer Personifikation zu betonen, als fast durchscheinende Göttin des Todes (vielleicht eine der Moiren) entgegentritt, während im vorliegenden Gemälde die männliche Figur des Thanatos oder personifizierten Todes mit solidem Realismus wiedergegeben wird: Sein Körper zeichnet sich durch sein lebendig gestaltetes graues Fleisch aus, das in erschreckendem Kontrast zu dem der athletischen Figur des Herkules steht. Im endgültigen Gemälde ist auch die Stellung der Figuren dank ihrer größeren Dynamik und ihrer präziser definierten Gesten vollständiger ausgeführt.

Der Geschichte von Alkestis, der Frau des Argonauten Admetos, des Königs von Pherai in Thessalien, wurde in der Form, in der sie von Euripides in seiner frühesten bekannten Tragödie Alkestis erzählt wurde, beträchtlicher Ruhm zuteil. Sie wurde daraufhin auch von mehreren anderen klassischen Schriftstellern wie Apollodor, Diodorus Siculus und Hyginus in seinen Fabulae sowie von Pausanias wiedergegeben. In der Neuzeit wurde sie von Vittorio Alfieri in seinem gefeierten Drama Alceste von 1798 und von Christoph Willibald Gluck in der Oper Alceste aufgegriffen, die 1767 in der Wiener Hofburg uraufgeführt wurde. Aus derselben Epoche stammen auch die weniger bekannten Opern von Giovanni Battista Lampugnani, die man 1774 in London präsentierte, und von Antonio Marcos Portugal, die 1799 in Venedig aufgeführt wurde. In der Malerei ist die am häufigsten dargestellte Episode der Geschichte der Heldin ihr Tod, wie ihn uns zum Beispiel das Gemälde von Jean François Peyron von 1785 vor Augen stellt, das im Louvre aufbewahrt wird.

Der Mythos stieß offensichtlich auf beträchtliches Interesse, und das nicht zuletzt wegen der Auflösung der Geschichte, wonach Alkestis dank des Eingreifens von Herkules dem Tod entrissen wird. Apollon, der von Zeus dazu verurteilt worden war, ein ganzes Jahr lang einem sterblichen Mann zu dienen, hatte seine Zeit im Dienst von Admetos als Hüter von dessen Herden verbracht. Da der König ihn mit Respekt behandelt hatte, half ihm der Gott, Alkestis’ Gunst zu erlangen. Am Tag ihrer Hochzeit vergaß Admetos jedoch, Artemis ein Opfer zu bringen, weshalb die Göttin ihn Schlangen in seinem Bett finden ließ, um ihn vor seinem bevorstehenden Tod zu warnen. Als seine letzte Stunde gekommen war, gelang es Apollon, von den Parzen das Versprechen zu erlangen, dass sein Schützling weiterleben könne, wenn jemand bereit sei, sich zu opfern und an seiner Stelle den Tod auf sich zu nehmen. Niemand ‒ nicht einmal die bereit alten Eltern Admetos’ ‒ bot sich an, das zu tun, weshalb Alkestis beschloss, an Stelle ihres Mannes den Tod auf sich zu nehmen und damit ein Beispiel ehelicher Hingabe zu geben. In diesem Moment griff Herkules ein, der damals Admetos’ Gast war. Er verwickelte Thanatos in einen schrecklichen Kampf, schaffte es, Alkestis vor dem Tod zu retten, und brachte sie Admetos aus dem Hades zurück.

Statt, was am naheliegendsten gewesen wäre, sich dem Tod von Alkestis zu widmen, wie Peyron es getan hatte, entschied sich Palagi dafür, den Kampf zwischen Herkules und Thanatos darzustellen, der hier nicht als abstrakter Geist, sondern als erschreckende Gottheit mit infernalischem Blick und einem ausgezehrten, leichenähnlichen Körper dargestellt wird, dessen Nacktheit nur das Fell eines wilden Tieres bedeckt. Sowohl die in einer ungewöhnlichen energiegeladenen Pose festgehalte Figur des Herkules als auch die in einer ungeheure Spannung in sich bergenden Bewegung erfasste Figur des Thanatos können mit einem anderen der griechischen Tragödie entlehnten und vom Künstler häufig behandelten Thema in Beziehung gesetzt werden: das des Orestes, der von den Furien verfolgt wird, nachdem er seinen Vater Agamemnon getötet hat. Die Stellungen der beiden Figuren finden sich in einer Reihe prächtiger Zeichnungen wieder, von denen die am weitesten ausgeführte von Francesco Rosaspina gestochen wurde (die Druckgrafik tauchte am 11. Oktober 2017 in einer Auktion bei Gonelli in Florenz auf; zu den Zeichnungen siehe C. Poppi [Hg.], L’Ombra di Core. Disegni del fondo Palagi della Biblioteca dell’Archiginnasio, Ausstellungskatalog, Casalecchio di Reno 1988, S. 76 f., 122‒125). Was die Figur des Herkules angeht, lässt sich mit den Athleten in Aktion ein weiterer kompositorischer Vergleich ziehen, die das heute verschollene Fresko La Lotta in der Sala della Lanterna des Palazzo Reale Mailand vor Augen stellte, das zwischen 1821 und 1822 entstand und heute nur durch vorbereitende Zeichnungen und dokumentarische Fotografien bekannt ist. Das vorliegende Gemälde ist aufgrund der Komplexität der Komposition und der hohen Qualität der Ausführung in diese Jahre zu datieren, die Palagis Reifezeit ankündigen. Die Schlacht zwischen Herkules und Thanatos ist ein Bild für den ständigen Kampf zwischen Leben und Tod: Im Zentrum der komplexen Anlage werden die Figuren von der umgebenden All’antica-Architektur, die sich als Silhouette gegen den Himmel abhebt, und den Hintergrundfiguren ‒ darunter links Alkestis an der Schwelle des Todes ‒ elegant gerahmt, die eine ähnliche Rolle wie der Chor in der Inszenierung einer griechischen Tragödie spielen.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 04.11. - 10.11.2020

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