Lot Nr. 59 -


Peter Paul Rubens Werkstatt


Peter Paul Rubens Werkstatt - Alte Meister I

(Siegen 1577–1640 Antwerpen)
Ölskizze König Ludwigs XIII. von Frankreich zu Pferde,
Öl auf Kupfer, 41,5 x 35 cm, gerahmt

Bei dem vorliegenden Werk dürfte es sich um eine Werkstattfassung einer verlorenen Ölskizze Rubens’ handeln, die dieser während seines Parisaufenthalts für die bei ihm beauftragt Maria-de-Medici-Serie schuf. Eine weitere, etwas größere Fassung dieser Komposition findet sich im Ashmolean Museum in Oxford (Öl auf Kupfer, 63 x 50 cm, Zugangsnr. WA1845.18).

Die Stellung des sich aufbäumenden Pferdes des vorliegenden Gemäldes und des Bildes in Oxford geht auf eine berühmte verlorene Studie aus der Werkstatt Rubens’ zurück. Die Studien, auf denen Rubens’ frühe Pferdebilder beruhen, sind bis heute geheimnisumwittert. Drei der von ihm am häufigsten verwendeten Figuren sind durch das heute verschollene Gemälde im Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin bekannt, das traditionell Die Reitschule genannt wurde. Hans Vlieghe erkannte jedoch 1987, dass das Berliner Bild in Wahrheit keine Reitschule zeigen sollte, sondern vermutlich als „Werkstatt-‚Requisit‘ anzusehen ist, das immer dann zum Einsatz kam, wenn ein Reiterporträt gefragt war.“ Das Berliner Bild zeigte drei auf einer einzigen Leinwand vor einem Landschaftshintergrund angeordnete Pferde, die jene drei Figuren zeigen, die Betrachter des 17. Jahrhunderts von Pferden erwartet haben dürften. Das mittlere Pferd war ein halb aufgerichteter Schimmel im Profil, der eine Pesade ausführte. Diesem Pferd begegnen wir auf der um 1616 entstandenen großen Wolfs- und Fuchsjagd von Rubens und seiner Werkstatt (Metropolitan Museum of Art, New York). Rechts war die Rückenansicht eines Schecken zu sehen. Diese offensichtlich weder für Porträts noch für Jagdkompositionen geeignete Stellung hat Rubens nur ein einziges Mal verwendet: im Vordergrund seines Gemäldes Heinrich IV. bei der Belagerung von Amiens von 1630, das sich heute im Besitz des Göteborger Kunstmuseums befindet.

Das Pferd in der Mitte des Bildes diente – in der Gegenrichtung – als Modell für das vorliegende Porträt König Ludwigs XIII. sowie – ebenfalls seitenverkehrt – die Oxforder Fassung. Das Gemälde in Oxford wird im Allgemeinen in die Jahre 1622–1625 datiert und steht wie das vorliegende Werk im Zusammenhang mit Rubens’ damaligen Aufträgen für das französische Königshaus. Einer der wichtigsten Aufträge in Rubens’ künstlerischer Laufbahn war die Serie großformatiger Werke zur Verherrlichung der Herrschaft von Maria de’ Medici, der Königinmutter von Frankreich. Dieser Auftrag machte den flämischen Meister zum angesehensten Maler in Europa. Anfang 1622 unterzeichneten Rubens und die Königin einen Vertrag, der die Ausführung von zwei Zyklen zur Ausschmückung der beiden Galerien des neu errichteten Palais du Luxembourg in Paris vorsah. Ein Zyklus sollte dem Andenken an den 1610 verstorbenen König Heinrich IV. huldigen, der die Herrschaft der Bourbonen in Frankreich begründet hatte. Dieser Zyklus wurde aus verschiedenen Gründen nie vollendet. Der andere Zyklus sollte verschiedene epische Leistungen der Regierungszeit Maria de’ Medicis würdigen, was nicht so einfach war, hatte sie doch während ihrer Regentschaft beinahe einen Bürgerkrieg ausgelöst und zweimal aus Paris fliehen müssen. Dem Wunsch der Königin zufolge sollte der Zyklus vor der Hochzeit ihrer Tochter Henrietta Maria mit dem Prinzen von Wales, dem späteren Karl I., im Jahr 1625 fertiggestellt und aufgehängt werden. Das bedeutete, dass Rubens sehr schnell arbeiten und einen Großteil der Aufgabe seinen Mitarbeitern anvertrauen musste. Das Erreichen der Volljährigkeit Ludwigs XIII. stellt einen der Höhepunkte der Serie dar. Rubens malte auch ein Porträt des jungen Königs, das sich heute im Norton Simon Museum in Pasadena befindet (Öl auf Leinwand, 118,1 x 96,5 cm, Zugangsnr. F.1965.1.060.P.), sowie eine Studie für ein Porträt, dessen Physiognomie dem vorliegenden Gemälde sehr nahekommt (Öl auf Papier auf Tafel, 42,8 x 32,5 cm; Zugangsnummer 315-5).

Unklar ist, ob das vorliegende Porträt und die Ashmolean-Version ein verlorenes Reiterporträt des Meisters selbst wiedergeben. Dies scheint unwahrscheinlich, da sich in den Archiven kein Hinweis auf ein solches Bildnis findet. Höchstwahrscheinlich fertigte Rubens eine Skizze an, die im Atelier gemeinsam mit den Werken wie der Berliner Reitschule entnommenen Figuren der Pferde als Vorlage für Variationen durch Schüler und Mitarbeiter diente, von denen viele zur Ausführung des wichtigen Pariser Auftrags eingesetzt wurden. Man hat Zuschreibungen an Abraham van Diepenbeeck und Jan Boeckhorst vorgeschlagen.

Ludwig XIII., genannt Louis le Juste (1601–1643), regierte von 1610 bis 1643 als König von Frankreich und arbeitete eng mit seinem obersten Minister, Kardinal de Richelieu, zusammen, um Frankreich zu einer führenden europäischen Macht zu machen.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

10.11.2021 - 16:00

Schätzwert:
EUR 20.000,- bis EUR 30.000,-

Peter Paul Rubens Werkstatt


(Siegen 1577–1640 Antwerpen)
Ölskizze König Ludwigs XIII. von Frankreich zu Pferde,
Öl auf Kupfer, 41,5 x 35 cm, gerahmt

Bei dem vorliegenden Werk dürfte es sich um eine Werkstattfassung einer verlorenen Ölskizze Rubens’ handeln, die dieser während seines Parisaufenthalts für die bei ihm beauftragt Maria-de-Medici-Serie schuf. Eine weitere, etwas größere Fassung dieser Komposition findet sich im Ashmolean Museum in Oxford (Öl auf Kupfer, 63 x 50 cm, Zugangsnr. WA1845.18).

Die Stellung des sich aufbäumenden Pferdes des vorliegenden Gemäldes und des Bildes in Oxford geht auf eine berühmte verlorene Studie aus der Werkstatt Rubens’ zurück. Die Studien, auf denen Rubens’ frühe Pferdebilder beruhen, sind bis heute geheimnisumwittert. Drei der von ihm am häufigsten verwendeten Figuren sind durch das heute verschollene Gemälde im Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin bekannt, das traditionell Die Reitschule genannt wurde. Hans Vlieghe erkannte jedoch 1987, dass das Berliner Bild in Wahrheit keine Reitschule zeigen sollte, sondern vermutlich als „Werkstatt-‚Requisit‘ anzusehen ist, das immer dann zum Einsatz kam, wenn ein Reiterporträt gefragt war.“ Das Berliner Bild zeigte drei auf einer einzigen Leinwand vor einem Landschaftshintergrund angeordnete Pferde, die jene drei Figuren zeigen, die Betrachter des 17. Jahrhunderts von Pferden erwartet haben dürften. Das mittlere Pferd war ein halb aufgerichteter Schimmel im Profil, der eine Pesade ausführte. Diesem Pferd begegnen wir auf der um 1616 entstandenen großen Wolfs- und Fuchsjagd von Rubens und seiner Werkstatt (Metropolitan Museum of Art, New York). Rechts war die Rückenansicht eines Schecken zu sehen. Diese offensichtlich weder für Porträts noch für Jagdkompositionen geeignete Stellung hat Rubens nur ein einziges Mal verwendet: im Vordergrund seines Gemäldes Heinrich IV. bei der Belagerung von Amiens von 1630, das sich heute im Besitz des Göteborger Kunstmuseums befindet.

Das Pferd in der Mitte des Bildes diente – in der Gegenrichtung – als Modell für das vorliegende Porträt König Ludwigs XIII. sowie – ebenfalls seitenverkehrt – die Oxforder Fassung. Das Gemälde in Oxford wird im Allgemeinen in die Jahre 1622–1625 datiert und steht wie das vorliegende Werk im Zusammenhang mit Rubens’ damaligen Aufträgen für das französische Königshaus. Einer der wichtigsten Aufträge in Rubens’ künstlerischer Laufbahn war die Serie großformatiger Werke zur Verherrlichung der Herrschaft von Maria de’ Medici, der Königinmutter von Frankreich. Dieser Auftrag machte den flämischen Meister zum angesehensten Maler in Europa. Anfang 1622 unterzeichneten Rubens und die Königin einen Vertrag, der die Ausführung von zwei Zyklen zur Ausschmückung der beiden Galerien des neu errichteten Palais du Luxembourg in Paris vorsah. Ein Zyklus sollte dem Andenken an den 1610 verstorbenen König Heinrich IV. huldigen, der die Herrschaft der Bourbonen in Frankreich begründet hatte. Dieser Zyklus wurde aus verschiedenen Gründen nie vollendet. Der andere Zyklus sollte verschiedene epische Leistungen der Regierungszeit Maria de’ Medicis würdigen, was nicht so einfach war, hatte sie doch während ihrer Regentschaft beinahe einen Bürgerkrieg ausgelöst und zweimal aus Paris fliehen müssen. Dem Wunsch der Königin zufolge sollte der Zyklus vor der Hochzeit ihrer Tochter Henrietta Maria mit dem Prinzen von Wales, dem späteren Karl I., im Jahr 1625 fertiggestellt und aufgehängt werden. Das bedeutete, dass Rubens sehr schnell arbeiten und einen Großteil der Aufgabe seinen Mitarbeitern anvertrauen musste. Das Erreichen der Volljährigkeit Ludwigs XIII. stellt einen der Höhepunkte der Serie dar. Rubens malte auch ein Porträt des jungen Königs, das sich heute im Norton Simon Museum in Pasadena befindet (Öl auf Leinwand, 118,1 x 96,5 cm, Zugangsnr. F.1965.1.060.P.), sowie eine Studie für ein Porträt, dessen Physiognomie dem vorliegenden Gemälde sehr nahekommt (Öl auf Papier auf Tafel, 42,8 x 32,5 cm; Zugangsnummer 315-5).

Unklar ist, ob das vorliegende Porträt und die Ashmolean-Version ein verlorenes Reiterporträt des Meisters selbst wiedergeben. Dies scheint unwahrscheinlich, da sich in den Archiven kein Hinweis auf ein solches Bildnis findet. Höchstwahrscheinlich fertigte Rubens eine Skizze an, die im Atelier gemeinsam mit den Werken wie der Berliner Reitschule entnommenen Figuren der Pferde als Vorlage für Variationen durch Schüler und Mitarbeiter diente, von denen viele zur Ausführung des wichtigen Pariser Auftrags eingesetzt wurden. Man hat Zuschreibungen an Abraham van Diepenbeeck und Jan Boeckhorst vorgeschlagen.

Ludwig XIII., genannt Louis le Juste (1601–1643), regierte von 1610 bis 1643 als König von Frankreich und arbeitete eng mit seinem obersten Minister, Kardinal de Richelieu, zusammen, um Frankreich zu einer führenden europäischen Macht zu machen.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2021 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 29.10. - 10.11.2021

Warum bei myDOROTHEUM registrieren?

Die kostenlose Registrierung bei myDOROTHEUM ermöglicht Ihnen die komplette Nutzung folgender Funktionen:

Katalog Benachrichtigungen sobald ein neuer Auktionskatalog online ist.
Auktionstermin Erinnerung zwei Tage vor Auktionsbeginn.
Mitbieten Bieten Sie auf Ihre Lieblingsstücke und ersteigern Sie neue Meisterwerke!
Suchservice Sie suchen nach einem bestimmten Künstler oder einer bestimmten Marke? Speichern Sie Ihre Suche ab und werden Sie automatisch informiert, sobald diese in einer Auktion angeboten werden!