Lot Nr. 28 -


Pieter de Witte, gen. Peter Candid, Werkstatt


Pieter de Witte, gen. Peter Candid, Werkstatt - Alte Meister I

(Brügge um 1540–1628 München)
Allegorie des Monats Februar,
Öl auf Leinwand, 131 x 180 cm, gerahmt

Pieter de Witte, gen. Pietro Candido oder Peter Candid, war ein vielseitiger Künstler, der nicht nur als Maler, sondern auch als Entwerfer von Tapisserien, Druckgrafiker und Bildhauer tätig war. In seinem späteren Schaffen fand er zu einem Übergangsstil zwischen Spätrenaissance und Frühbarock.

Candid war ein wichtiger Entwerfer der von Herzog Maximilian I. von Bayern in München eingerichteten Weberei, die vom flämischen Weber Hans van der Biest geleitet wurde. Die dort produzierten Tapisserien waren in erster Linie für die Münchner Residenz bestimmt. Trotz der bescheidenen Größe des Mitarbeiterstabs von etwa 20 Webern entstanden in der Werkstatt Tapisserien von ausgezeichneter Qualität, die sich durch lebendige Farben, bewegte Szenerien und unterhaltsame Details auszeichneten. Die Werkstatt blieb bis 1615 in Betrieb.

Candid schuf Kartons für drei Tapisserienserien der Werkstatt. Er entwarf eine Reihe von zwölf Grotesken, eine Serie mit elf Szenen zur Geschichte des Otto von Wittelsbach, des Begründers des Hauses Wittelsbach, sowie achtzehn Tapisserien mit Darstellungen der Monate, der Jahreszeiten und von Tag und Nacht. Die in München nach den Entwürfen Candids gewobenen Tapisserien gehörten zu den feinsten und innovativsten Erzeugnissen europäischer Tapisserienproduktion des frühen 17. Jahrhunderts. Candid führte eine große Werkstatt und beschäftigte zahlreiche Schüler, darunter Hans Käppler, Hans Brüderl und Christoph Zimmermann sowie seinen eigenen Sohn Wilhelm.

Das vorliegende Gemälde beruht auf Candids Karton für die Tapisserie zum Monat Februar. Die Vermutung liegt nahe, dass Candids Werkstatt auf Grundlage der Kartons eine komplette Gemäldeserie aller zwölf Monate schuf, worauf mehrere bekannte Beispiele schließen lassen.

Eines davon, offenbar von derselben Hand ausgeführt und von ungefähr gleicher Größe, gelangte vor Kurzem im deutschen Kunsthandel zum Verkauf (Auktion, Lempertz, Köln, 19. November 2011, Lot 1223, als Werkstatt Pieter de Witte). Zu weiteren Gemälden der Serie, die alle von derselben Hand zu stammen scheinen, gehören: Sommer (Auktion, Weinmüller, München, 23.–25. Juni 1965, Lot 1466, 1467, als Sebastian Vrancx), Apriljäger (Auktion, Weinmüller, München, 23.–25. Juni 1965, Lot 1466, 1467, als Sebastian Vrancx) und Die Arbeiten des März (Auktion, Sotheby’s, London, 8. Juli 1992, Lot 28, als Werkstatt Pieter de Witte, gen. Candid). Eine Vorzeichnung Candids für den Monat September befindet sich heute in München (Staatliche Graphische Sammlung München, Inv.-Nr. 41467).

Während mehrere Werke der Serie Szenen des Landlebens darstellen, zeichnen sich andere, darunter das vorliegende, durch eine höfische Atmosphäre aus. Zu sehen ist hier eine wunderbar detailreich dargestellte Spielszene vor einem lodernden Feuer, das in einem beeindruckenden manieristischen Kamin in einem Palastgebäude brennt. Im rechten Hintergrund sehen wir eine fröhliche höfische Gesellschaft auf einem Pferdeschlitten, die über den Hauptplatz einer bayerischen Stadt, möglicherweise München, gezogen wird. In den Wolken erscheint das Sternzeichen der Fische. Im linken Hintergrund sieht man einen Mann in einem vereisten Garten beim Holzsammeln. Auf köstliche Weise kontrastiert die Kälte im Freien mit der Wärme eines spätwinterlichen Interieurs. Die Spielszene selbst scheint voller ikonografischer Hinweise, darunter die von einigen Spielern abgenommenen Masken.

Pieter de Witte wurde zwischen 1540 und 1548 in Brügge geboren. Sein Vater Elias war Tapisserienweber und für die neu eröffnete Weberei der Medici, die Arazzeria Medicea, tätig, die von dem flämischen Meister Jan Rost geleitet wurde. Während der 1560er Jahre hielt er sich in Florenz auf, wo er in der Werkstatt von Giorgio Vasari tätig war, mit dem er an mehreren Aufträgen für die Medici zusammenarbeitete. Bei dem frühesten durch seine Bezahlung dokumentierten Werk Candids handelt es sich um ein 1569 in Florenz ausgeführtes Fresko.

Der Künstler scheint im Jahr 1576 als Mitglied der Accademia delle Arti del Disegno auf. Zusammen mit Vasari reise er nach Rom, wo er mit den neuesten Entwicklungen toskanisch-römischer Manieristen in Berührung kam. Der flämische Künstlerbiograf des 16. Jahrhunderts Karel van Mander, der Candid bei seinem Italienbesuch kennengelernt hatte, berichtete, dass Candid mit Giorgio Vasari in der Sala Regia im Vatikan und in der Kuppel des Doms von Florenz zusammenarbeitete.

Spätestens 1586 wurde er auf Empfehlung des Bildhauers Giambologna an den Herzogshof nach München berufen. Er sollte dort die nächsten 42 Jahre, bis zu seinem Tod 1628, bleiben – als Hofmaler von Herzog Wilhelm V. und danach von Maximilian I. Für den Herzog und Kurfürsten Maximilian schuf Candid mehrere Freskenzyklen in zahlreichen Bauten, darunter das Antiquarium und die Prunkräume der Münchner Herzogsresidenz und die Prunkräume von Schloss Schleißheim, sowie die Deckenentwürfe für den Goldenen Saal im Augsburger Rathaus. Zwischen 1600 und 1628 war Candid der führende Künstler Münchens. Er war auch als Kunsthändler tätig und machte Geschäfte mit Philipp Hainhofer, einem Augsburger Händler, Bankier, Diplomaten und Sammler, der u. a. ob seiner Wunderkammern in Erinnerung geblieben ist. De Wittes Werke standen hinsichtlich Form und Farbigkeit unter dem Einfluss des toskanischen Manierismus. Durch ihn erfasste die Vorliebe für diesen Stil auch den bayerischen Hof und beeinflusste das künstlerische Schaffen der Region.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

11.05.2022 - 16:00

Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Pieter de Witte, gen. Peter Candid, Werkstatt


(Brügge um 1540–1628 München)
Allegorie des Monats Februar,
Öl auf Leinwand, 131 x 180 cm, gerahmt

Pieter de Witte, gen. Pietro Candido oder Peter Candid, war ein vielseitiger Künstler, der nicht nur als Maler, sondern auch als Entwerfer von Tapisserien, Druckgrafiker und Bildhauer tätig war. In seinem späteren Schaffen fand er zu einem Übergangsstil zwischen Spätrenaissance und Frühbarock.

Candid war ein wichtiger Entwerfer der von Herzog Maximilian I. von Bayern in München eingerichteten Weberei, die vom flämischen Weber Hans van der Biest geleitet wurde. Die dort produzierten Tapisserien waren in erster Linie für die Münchner Residenz bestimmt. Trotz der bescheidenen Größe des Mitarbeiterstabs von etwa 20 Webern entstanden in der Werkstatt Tapisserien von ausgezeichneter Qualität, die sich durch lebendige Farben, bewegte Szenerien und unterhaltsame Details auszeichneten. Die Werkstatt blieb bis 1615 in Betrieb.

Candid schuf Kartons für drei Tapisserienserien der Werkstatt. Er entwarf eine Reihe von zwölf Grotesken, eine Serie mit elf Szenen zur Geschichte des Otto von Wittelsbach, des Begründers des Hauses Wittelsbach, sowie achtzehn Tapisserien mit Darstellungen der Monate, der Jahreszeiten und von Tag und Nacht. Die in München nach den Entwürfen Candids gewobenen Tapisserien gehörten zu den feinsten und innovativsten Erzeugnissen europäischer Tapisserienproduktion des frühen 17. Jahrhunderts. Candid führte eine große Werkstatt und beschäftigte zahlreiche Schüler, darunter Hans Käppler, Hans Brüderl und Christoph Zimmermann sowie seinen eigenen Sohn Wilhelm.

Das vorliegende Gemälde beruht auf Candids Karton für die Tapisserie zum Monat Februar. Die Vermutung liegt nahe, dass Candids Werkstatt auf Grundlage der Kartons eine komplette Gemäldeserie aller zwölf Monate schuf, worauf mehrere bekannte Beispiele schließen lassen.

Eines davon, offenbar von derselben Hand ausgeführt und von ungefähr gleicher Größe, gelangte vor Kurzem im deutschen Kunsthandel zum Verkauf (Auktion, Lempertz, Köln, 19. November 2011, Lot 1223, als Werkstatt Pieter de Witte). Zu weiteren Gemälden der Serie, die alle von derselben Hand zu stammen scheinen, gehören: Sommer (Auktion, Weinmüller, München, 23.–25. Juni 1965, Lot 1466, 1467, als Sebastian Vrancx), Apriljäger (Auktion, Weinmüller, München, 23.–25. Juni 1965, Lot 1466, 1467, als Sebastian Vrancx) und Die Arbeiten des März (Auktion, Sotheby’s, London, 8. Juli 1992, Lot 28, als Werkstatt Pieter de Witte, gen. Candid). Eine Vorzeichnung Candids für den Monat September befindet sich heute in München (Staatliche Graphische Sammlung München, Inv.-Nr. 41467).

Während mehrere Werke der Serie Szenen des Landlebens darstellen, zeichnen sich andere, darunter das vorliegende, durch eine höfische Atmosphäre aus. Zu sehen ist hier eine wunderbar detailreich dargestellte Spielszene vor einem lodernden Feuer, das in einem beeindruckenden manieristischen Kamin in einem Palastgebäude brennt. Im rechten Hintergrund sehen wir eine fröhliche höfische Gesellschaft auf einem Pferdeschlitten, die über den Hauptplatz einer bayerischen Stadt, möglicherweise München, gezogen wird. In den Wolken erscheint das Sternzeichen der Fische. Im linken Hintergrund sieht man einen Mann in einem vereisten Garten beim Holzsammeln. Auf köstliche Weise kontrastiert die Kälte im Freien mit der Wärme eines spätwinterlichen Interieurs. Die Spielszene selbst scheint voller ikonografischer Hinweise, darunter die von einigen Spielern abgenommenen Masken.

Pieter de Witte wurde zwischen 1540 und 1548 in Brügge geboren. Sein Vater Elias war Tapisserienweber und für die neu eröffnete Weberei der Medici, die Arazzeria Medicea, tätig, die von dem flämischen Meister Jan Rost geleitet wurde. Während der 1560er Jahre hielt er sich in Florenz auf, wo er in der Werkstatt von Giorgio Vasari tätig war, mit dem er an mehreren Aufträgen für die Medici zusammenarbeitete. Bei dem frühesten durch seine Bezahlung dokumentierten Werk Candids handelt es sich um ein 1569 in Florenz ausgeführtes Fresko.

Der Künstler scheint im Jahr 1576 als Mitglied der Accademia delle Arti del Disegno auf. Zusammen mit Vasari reise er nach Rom, wo er mit den neuesten Entwicklungen toskanisch-römischer Manieristen in Berührung kam. Der flämische Künstlerbiograf des 16. Jahrhunderts Karel van Mander, der Candid bei seinem Italienbesuch kennengelernt hatte, berichtete, dass Candid mit Giorgio Vasari in der Sala Regia im Vatikan und in der Kuppel des Doms von Florenz zusammenarbeitete.

Spätestens 1586 wurde er auf Empfehlung des Bildhauers Giambologna an den Herzogshof nach München berufen. Er sollte dort die nächsten 42 Jahre, bis zu seinem Tod 1628, bleiben – als Hofmaler von Herzog Wilhelm V. und danach von Maximilian I. Für den Herzog und Kurfürsten Maximilian schuf Candid mehrere Freskenzyklen in zahlreichen Bauten, darunter das Antiquarium und die Prunkräume der Münchner Herzogsresidenz und die Prunkräume von Schloss Schleißheim, sowie die Deckenentwürfe für den Goldenen Saal im Augsburger Rathaus. Zwischen 1600 und 1628 war Candid der führende Künstler Münchens. Er war auch als Kunsthändler tätig und machte Geschäfte mit Philipp Hainhofer, einem Augsburger Händler, Bankier, Diplomaten und Sammler, der u. a. ob seiner Wunderkammern in Erinnerung geblieben ist. De Wittes Werke standen hinsichtlich Form und Farbigkeit unter dem Einfluss des toskanischen Manierismus. Durch ihn erfasste die Vorliebe für diesen Stil auch den bayerischen Hof und beeinflusste das künstlerische Schaffen der Region.

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Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 11.05.2022 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 30.04. - 11.05.2022

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