Lot Nr. 100 -


Meister der Verkündigung an die Hirten


Meister der Verkündigung an die Hirten - Alte Meister I

(tätig in Neapel um 1625–1650)
Ein Philosoph,
Öl auf Leinwand, 62 x 52 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Madrid, bis 2017;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
G. Papi, Cuatro caravaggistas, Bassetti, Borgianni, Caracciolo y Ribera, Ausstellungskatalog, Barcelona 2017, S. 38–41 (als Ribera)

Wir danken Nicola Spinosa, der die Zuschreibung und eine Datierung um 1645 nach Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original vorgeschlagen hat.

Dieses Werk zeichnet sich durch einen hohen Grad an Naturalismus und durch seine Konzentration auf eine psychologische Erkundung des Protagonisten aus. Das Bild zeigt einen alten Mann, der ein Buch hält und den Betrachter direkt anblickt. Der Künstler hat den Pinsel geschickt eingesetzt, um die Falten, die Backenknochen und die Nase zu modellieren. Die schnell gemalten und präzise angebrachten Lichter heben den Bart und das Haar hervor und rahmen das stechende dunkle Augenpaar im Zentrum der Komposition. Der tiefe, eindringliche Blick verwandelt die Gesichtszüge des gebrechlich scheinenden Mannes in die einer feierlich, beinahe prophetisch dreinschauenden Gestalt, die aus dem Dunklen hervortritt.

Der Mann ist mit einem der Attribute dargestellt, das oft Gelehrten und Philosophen beigegeben ist – ein in Leder gebundenes Buch. Bemerkenswert ist die Hand, die auf dem Buch ruht und die Vertrautheit einer natürlichen, sich oft wiederholenden Geste vermittelt. Doch trotz des subtilen Hinweises kann kein Element in dem Gemälde präzise Hinweise über die Identität des dargestellten Protagonisten geben. Dies scheint eine bewusste Entscheidung des Künstlers gewesen zu sein; das vorliegende Gemälde mag einem Porträt näherstehen als einer Allegorie oder historischen Darstellung. Der geneigte Kopf, der geschwungene, leicht geöffnete Mund und die hochgezogenen Brauen sind nicht jene eines glatten, idealisierten Motivs. Sie drücken Not und Leid in Form eines echten Menschen aus, wie es Caravaggio eingeführt hat, dessen strenger, den Geist der Barockmalerei verkörpernder Naturalismus bald auch von seiner über Süditalien hinausgehenden Anhängerschaft beherrscht wurde.

Wegen seiner hohen malerischen Qualität war das Gemälde früher Jusepe de Ribera (1591–1652) zugeschrieben. Das meisterhaft umgesetzte Helldunkel und die emotionale Intensität können tatsächlich mit den Aposteln von Ribera, wie beispielsweise dem Heiligen Bartholomäus (1630–1635) im Prado in Madrid oder auch mit dem Diogenes (1637) der Gemäldegalerie in Dresden verglichen werden. Während Affinitäten sicherlich evident sind, wurde das vorliegende Bild jedoch einem Werkkomplex zugeschrieben, der im vierten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts vom sogenannten Meister der Verkündigung an die Hirten geschaffen wurde.

Der Maler, dessen Identität noch immer unbekannt ist, war zwischen 1625 und 1650 in Neapel aktiv. Sein Name ist der Verkündigung an die Hirten des Birmingham Museum and Art Gallery entlehnt. Um dieses Werk, das man kürzlich Diego Velazquez zugeschrieben hat, wurde eine umfangreiche Zahl an Gemälden gruppiert. Pietro Beato und besonders Bartolomeo Passante scheinen dem Werkkomplex, für den mehrere Künstler als Autoren in Frage kommen, am nächsten zu stehen. Obwohl er schon in jungen Jahren zum Maler ausgebildet wurde, war Passante erst 30 Jahre alt, als er nach relativ kurzer Laufbahn 1648 starb.

Es wurde darauf hingewiesen, dass Ribera die Ausgestoßenen Neapels gemalt hatte, während Künstler wie Bartolomeo Passante und der Meister der Verkündigung an die Hirten Modelle vom Land, aus der Umgebung Neapels, herangezogen hatten, wenn sie ärmliche, oft raue Manieren an den Tag legende Figuren ausführten, die aber in der Lage waren, ehrliche Gefühle zu empfinden und zu kommunizieren. Vielleicht war es eines dieser Modelle des neapolitanischen Umlandes, dessen Ernst und Würde der Künstler für seinen Philosophen als geeignet erachtet hat: mit den tiefen, durch die Jahre und die unbarmherzige südliche Sonne entstandenen Falten und dem festen Blick eines Mannes, der viele Winter gesehen hat und sich auf den kommenden und möglicherweise letzten vorbereitet.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

11.05.2022 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 76.656,-
Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Meister der Verkündigung an die Hirten


(tätig in Neapel um 1625–1650)
Ein Philosoph,
Öl auf Leinwand, 62 x 52 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Madrid, bis 2017;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
G. Papi, Cuatro caravaggistas, Bassetti, Borgianni, Caracciolo y Ribera, Ausstellungskatalog, Barcelona 2017, S. 38–41 (als Ribera)

Wir danken Nicola Spinosa, der die Zuschreibung und eine Datierung um 1645 nach Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original vorgeschlagen hat.

Dieses Werk zeichnet sich durch einen hohen Grad an Naturalismus und durch seine Konzentration auf eine psychologische Erkundung des Protagonisten aus. Das Bild zeigt einen alten Mann, der ein Buch hält und den Betrachter direkt anblickt. Der Künstler hat den Pinsel geschickt eingesetzt, um die Falten, die Backenknochen und die Nase zu modellieren. Die schnell gemalten und präzise angebrachten Lichter heben den Bart und das Haar hervor und rahmen das stechende dunkle Augenpaar im Zentrum der Komposition. Der tiefe, eindringliche Blick verwandelt die Gesichtszüge des gebrechlich scheinenden Mannes in die einer feierlich, beinahe prophetisch dreinschauenden Gestalt, die aus dem Dunklen hervortritt.

Der Mann ist mit einem der Attribute dargestellt, das oft Gelehrten und Philosophen beigegeben ist – ein in Leder gebundenes Buch. Bemerkenswert ist die Hand, die auf dem Buch ruht und die Vertrautheit einer natürlichen, sich oft wiederholenden Geste vermittelt. Doch trotz des subtilen Hinweises kann kein Element in dem Gemälde präzise Hinweise über die Identität des dargestellten Protagonisten geben. Dies scheint eine bewusste Entscheidung des Künstlers gewesen zu sein; das vorliegende Gemälde mag einem Porträt näherstehen als einer Allegorie oder historischen Darstellung. Der geneigte Kopf, der geschwungene, leicht geöffnete Mund und die hochgezogenen Brauen sind nicht jene eines glatten, idealisierten Motivs. Sie drücken Not und Leid in Form eines echten Menschen aus, wie es Caravaggio eingeführt hat, dessen strenger, den Geist der Barockmalerei verkörpernder Naturalismus bald auch von seiner über Süditalien hinausgehenden Anhängerschaft beherrscht wurde.

Wegen seiner hohen malerischen Qualität war das Gemälde früher Jusepe de Ribera (1591–1652) zugeschrieben. Das meisterhaft umgesetzte Helldunkel und die emotionale Intensität können tatsächlich mit den Aposteln von Ribera, wie beispielsweise dem Heiligen Bartholomäus (1630–1635) im Prado in Madrid oder auch mit dem Diogenes (1637) der Gemäldegalerie in Dresden verglichen werden. Während Affinitäten sicherlich evident sind, wurde das vorliegende Bild jedoch einem Werkkomplex zugeschrieben, der im vierten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts vom sogenannten Meister der Verkündigung an die Hirten geschaffen wurde.

Der Maler, dessen Identität noch immer unbekannt ist, war zwischen 1625 und 1650 in Neapel aktiv. Sein Name ist der Verkündigung an die Hirten des Birmingham Museum and Art Gallery entlehnt. Um dieses Werk, das man kürzlich Diego Velazquez zugeschrieben hat, wurde eine umfangreiche Zahl an Gemälden gruppiert. Pietro Beato und besonders Bartolomeo Passante scheinen dem Werkkomplex, für den mehrere Künstler als Autoren in Frage kommen, am nächsten zu stehen. Obwohl er schon in jungen Jahren zum Maler ausgebildet wurde, war Passante erst 30 Jahre alt, als er nach relativ kurzer Laufbahn 1648 starb.

Es wurde darauf hingewiesen, dass Ribera die Ausgestoßenen Neapels gemalt hatte, während Künstler wie Bartolomeo Passante und der Meister der Verkündigung an die Hirten Modelle vom Land, aus der Umgebung Neapels, herangezogen hatten, wenn sie ärmliche, oft raue Manieren an den Tag legende Figuren ausführten, die aber in der Lage waren, ehrliche Gefühle zu empfinden und zu kommunizieren. Vielleicht war es eines dieser Modelle des neapolitanischen Umlandes, dessen Ernst und Würde der Künstler für seinen Philosophen als geeignet erachtet hat: mit den tiefen, durch die Jahre und die unbarmherzige südliche Sonne entstandenen Falten und dem festen Blick eines Mannes, der viele Winter gesehen hat und sich auf den kommenden und möglicherweise letzten vorbereitet.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 11.05.2022 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 30.04. - 11.05.2022


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

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