Lot Nr. 228 -


David Smith


(Decatur, Indiana 1906-1965 Bennington, Vermont)
Ohne Titel, um 1955, Stahl, H: ca. 55 cm inkl. Sockel (Sockel 1 x 11,1 x 10,2 cm)

Provenienz:
Nachlass des Künstlers
Marlborough Gallery, New York
Galerie Thomas, München, 1980 - dort erworben
Privatsammlung, Bayern, 1980 - dort erworben

Literatur:
Rosalind E. Krauss: Sculpture of David Smith: A catalogue raisonné, New York, London 1977, Nr. 306 - Krauss datiert das Werk 1953
Christoph Lyon (Hrsg.), David Smith - Sculpture, A catalogue raisonné 1932-1965, Bd. III, New Haven/London 2021, S. 32 (Abb.), S. 33. Nr. 402

„Die Bildhauerei ist so frei wie der Geist, so komplex wie das Leben“
David Smith, 1951, in: „Abstract Expressionism", 1990, S. 159

„Das Material Eisen oder Stahl, ist mir sehr wichtig. Was es an ökonomischer Formgebung leisten kann, das kann kein anderes Material ... Die Assoziationen, die es besitzt, sind die dieses Jahrhunderts: Kraft, Struktur, Bewegung, Fortschritt, Aufhängung, Zerstörung, Brutalität.“ David Smith, 1951, in: „Abstract Expressionism“, 1990, S. 41

David Smith war einer der bekanntesten Bildhauer seiner Generation, der zur Revolutionierung der amerikanischen Bildhauerei beitrug, indem er die Prinzipien des Kubismus, des Surrealismus und des abstrakten Expressionismus auf das dreidimensionale Medium der Skulptur übertrug. Mit einem Schweißbrenner wandte er die Prinzipien auf Eisen und Stahl an.

Smith, der in seinen jungen Jahren als Schweißer in einer Autowerkstatt ausgeholfen hatte, begann Mitte der 1930er Jahre mit der Herstellung von geschweißten Eisenskulpturen. Die intensive Auseinandersetzung mit dem bildhauerischen Werk von Pablo Picasso und den Arbeiten von Julio González bestärkte ihn in dieser Arbeitsweise. Er verwendete meist zufällig gefundenes Material, wie Werkzeug- und Maschinenteile. Später bestellte er bestimmte Einzelteile aus Katalogen, die ihn von der Form her interessierten.

„Sie können mit jeder Idee beginnen. Sie können mit einem gefundenen Objekt beginnen, sie können mit keinem Objekt beginnen, sie können manchmal sogar beginnen, wenn ich den Boden fege und ich stolpere und ein paar Teile trete, die zufällig in eine Anordnung fallen, die mich zum Nachdenken anregt und eine Vision auslöst, wie es sein würde, wenn alles diese Art von zufälliger Schönheit hätte. Ich möchte in gewisser Weise wie ein Dichter sein.“ (David Smith in einem Interview mit dem Autor und Kunstkritiker David Sylvester, 1960, zitiert in: David Smith sculpture, A Catalogue Raisonné, 1932-1965, 2021, Bd. I, S. 75)

Für Smith konnte Metall, das in der Werkstatt verstreut oder auf dem Boden verteilt war, einen absichtlich ungeplanten Ausgangspunkt darstellen; natürliche Formen, die er in der Landschaft des Adirondack Gebirges gesehen und gefunden hatte, wie Vögel, Fische, Bäume und Knochen, wurden zu abstrakten Elementen einer visuellen Sprache. Der Künstler folgte weder einem strengen, linearen Produktionsmuster, noch fühlte er sich an Gesetze der Logik oder der Tradition gebunden. Stattdessen schuf er Skulpturen, wie er träumte, und glaubte - im Gegensatz zu seinen methodischeren Europäischen Kollegen -, dass jede Idee, die ihm in den Sinn kam, gültig war. Das machte sein Werk eklektischer und unberechenbarer, rauer und weniger zurückhaltend.

Die hier beschriebene Skulptur entstand zu einer Zeit, als Smith begann, an einigen seiner wichtigsten Serien zu arbeiten, den Agricola, den Tanktotems und den Sentinels. Es sind meist stehende Figuren, deren geschwungene Einzelteile der Schwerkraft trotzend nach oben streben (in spannendem Kontrast zu ihren oft schweren Materialien) und die beim Betrachter häufig figurative Assoziationen wecken. Eines der auffallendsten Merkmale seines Schaffens in jenen Jahren war seine Fähigkeit, sich geschickt zwischen dem Figurativen und der Abstraktion zu bewegen, eine Eigenschaft, die er mit seinen Zeitgenossen des Abstrakten Expressionismus, Jackson Pollock und Willem de Kooning, teilte, mit denen er einen intensiven künstlerischen Austausch über kompositorische Fähigkeiten führte. Obwohl viele Künstler und Kritiker der Avantgarde das Figürliche als akademisch und rückschrittlich ablehnten, betrachtete Smith es als zentral und nutzte es, um seine Techniken zu verfeinern und sich in die große Tradition des Kunstschaffens einzureihen. Aus demselben Grund zeichnete er jeden Tag unnachgiebig, sei es nach Fotografien oder nach lebenden Modellen. Seine tiefe Auseinandersetzung mit der Figur war auch ein Katalysator für die abstrakten Reflexionen und die starken figuralen Bezüge in seinen Werken. Diese vorbereitenden Skizzen ähneln sehr stark einer fertigen Skulptur oder Teilen davon. Ein Ergebnis dieser Arbeitsweise ist die Überwindung der Zentriertheit seiner skulpturalen Werke, die meist nicht mehr um einen „Kern“ herum entstehen, sondern sich - wie das vorliegende Werk - frei im Raum entfalten.

Siehe Carmen Giménez, David Smith A Centennial, Guggenheim Museum, New York 2006, S. 70 ff.

„Ich werde einen Fehler nicht ändern, wenn er sich richtig anfühlt, denn der Fehler ist menschlicher als die Perfektion. Ich suche nicht nach Antworten. Ich habe diesem Werk weder einen Namen gegeben noch darüber nachgedacht, wohin es gehen soll.

Ich habe nicht darüber nachgedacht, wozu es gut ist, außer dass es gemacht ist, um gesehen zu werden. Ich habe es gemacht, weil es näher daran ist zu sagen, wer ich bin, als jede andere Methode, die ich anwenden kann. Dieses Werk ist meine Identität“. David Smith 1950er Jahre, „Tradition und Identität“ (1959)

Expertin: Dr. Petra Maria Schäpers Dr. Petra Maria Schäpers
+49 211 2107747

petra.schaepers@dorotheum.de

01.06.2022 - 17:00

Schätzwert:
EUR 160.000,- bis EUR 180.000,-

David Smith


(Decatur, Indiana 1906-1965 Bennington, Vermont)
Ohne Titel, um 1955, Stahl, H: ca. 55 cm inkl. Sockel (Sockel 1 x 11,1 x 10,2 cm)

Provenienz:
Nachlass des Künstlers
Marlborough Gallery, New York
Galerie Thomas, München, 1980 - dort erworben
Privatsammlung, Bayern, 1980 - dort erworben

Literatur:
Rosalind E. Krauss: Sculpture of David Smith: A catalogue raisonné, New York, London 1977, Nr. 306 - Krauss datiert das Werk 1953
Christoph Lyon (Hrsg.), David Smith - Sculpture, A catalogue raisonné 1932-1965, Bd. III, New Haven/London 2021, S. 32 (Abb.), S. 33. Nr. 402

„Die Bildhauerei ist so frei wie der Geist, so komplex wie das Leben“
David Smith, 1951, in: „Abstract Expressionism", 1990, S. 159

„Das Material Eisen oder Stahl, ist mir sehr wichtig. Was es an ökonomischer Formgebung leisten kann, das kann kein anderes Material ... Die Assoziationen, die es besitzt, sind die dieses Jahrhunderts: Kraft, Struktur, Bewegung, Fortschritt, Aufhängung, Zerstörung, Brutalität.“ David Smith, 1951, in: „Abstract Expressionism“, 1990, S. 41

David Smith war einer der bekanntesten Bildhauer seiner Generation, der zur Revolutionierung der amerikanischen Bildhauerei beitrug, indem er die Prinzipien des Kubismus, des Surrealismus und des abstrakten Expressionismus auf das dreidimensionale Medium der Skulptur übertrug. Mit einem Schweißbrenner wandte er die Prinzipien auf Eisen und Stahl an.

Smith, der in seinen jungen Jahren als Schweißer in einer Autowerkstatt ausgeholfen hatte, begann Mitte der 1930er Jahre mit der Herstellung von geschweißten Eisenskulpturen. Die intensive Auseinandersetzung mit dem bildhauerischen Werk von Pablo Picasso und den Arbeiten von Julio González bestärkte ihn in dieser Arbeitsweise. Er verwendete meist zufällig gefundenes Material, wie Werkzeug- und Maschinenteile. Später bestellte er bestimmte Einzelteile aus Katalogen, die ihn von der Form her interessierten.

„Sie können mit jeder Idee beginnen. Sie können mit einem gefundenen Objekt beginnen, sie können mit keinem Objekt beginnen, sie können manchmal sogar beginnen, wenn ich den Boden fege und ich stolpere und ein paar Teile trete, die zufällig in eine Anordnung fallen, die mich zum Nachdenken anregt und eine Vision auslöst, wie es sein würde, wenn alles diese Art von zufälliger Schönheit hätte. Ich möchte in gewisser Weise wie ein Dichter sein.“ (David Smith in einem Interview mit dem Autor und Kunstkritiker David Sylvester, 1960, zitiert in: David Smith sculpture, A Catalogue Raisonné, 1932-1965, 2021, Bd. I, S. 75)

Für Smith konnte Metall, das in der Werkstatt verstreut oder auf dem Boden verteilt war, einen absichtlich ungeplanten Ausgangspunkt darstellen; natürliche Formen, die er in der Landschaft des Adirondack Gebirges gesehen und gefunden hatte, wie Vögel, Fische, Bäume und Knochen, wurden zu abstrakten Elementen einer visuellen Sprache. Der Künstler folgte weder einem strengen, linearen Produktionsmuster, noch fühlte er sich an Gesetze der Logik oder der Tradition gebunden. Stattdessen schuf er Skulpturen, wie er träumte, und glaubte - im Gegensatz zu seinen methodischeren Europäischen Kollegen -, dass jede Idee, die ihm in den Sinn kam, gültig war. Das machte sein Werk eklektischer und unberechenbarer, rauer und weniger zurückhaltend.

Die hier beschriebene Skulptur entstand zu einer Zeit, als Smith begann, an einigen seiner wichtigsten Serien zu arbeiten, den Agricola, den Tanktotems und den Sentinels. Es sind meist stehende Figuren, deren geschwungene Einzelteile der Schwerkraft trotzend nach oben streben (in spannendem Kontrast zu ihren oft schweren Materialien) und die beim Betrachter häufig figurative Assoziationen wecken. Eines der auffallendsten Merkmale seines Schaffens in jenen Jahren war seine Fähigkeit, sich geschickt zwischen dem Figurativen und der Abstraktion zu bewegen, eine Eigenschaft, die er mit seinen Zeitgenossen des Abstrakten Expressionismus, Jackson Pollock und Willem de Kooning, teilte, mit denen er einen intensiven künstlerischen Austausch über kompositorische Fähigkeiten führte. Obwohl viele Künstler und Kritiker der Avantgarde das Figürliche als akademisch und rückschrittlich ablehnten, betrachtete Smith es als zentral und nutzte es, um seine Techniken zu verfeinern und sich in die große Tradition des Kunstschaffens einzureihen. Aus demselben Grund zeichnete er jeden Tag unnachgiebig, sei es nach Fotografien oder nach lebenden Modellen. Seine tiefe Auseinandersetzung mit der Figur war auch ein Katalysator für die abstrakten Reflexionen und die starken figuralen Bezüge in seinen Werken. Diese vorbereitenden Skizzen ähneln sehr stark einer fertigen Skulptur oder Teilen davon. Ein Ergebnis dieser Arbeitsweise ist die Überwindung der Zentriertheit seiner skulpturalen Werke, die meist nicht mehr um einen „Kern“ herum entstehen, sondern sich - wie das vorliegende Werk - frei im Raum entfalten.

Siehe Carmen Giménez, David Smith A Centennial, Guggenheim Museum, New York 2006, S. 70 ff.

„Ich werde einen Fehler nicht ändern, wenn er sich richtig anfühlt, denn der Fehler ist menschlicher als die Perfektion. Ich suche nicht nach Antworten. Ich habe diesem Werk weder einen Namen gegeben noch darüber nachgedacht, wohin es gehen soll.

Ich habe nicht darüber nachgedacht, wozu es gut ist, außer dass es gemacht ist, um gesehen zu werden. Ich habe es gemacht, weil es näher daran ist zu sagen, wer ich bin, als jede andere Methode, die ich anwenden kann. Dieses Werk ist meine Identität“. David Smith 1950er Jahre, „Tradition und Identität“ (1959)

Expertin: Dr. Petra Maria Schäpers Dr. Petra Maria Schäpers
+49 211 2107747

petra.schaepers@dorotheum.de


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 01.06.2022 - 17:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 21.05. - 01.06.2022

Warum bei myDOROTHEUM registrieren?

Die kostenlose Registrierung bei myDOROTHEUM ermöglicht Ihnen die komplette Nutzung folgender Funktionen:

Katalog Benachrichtigungen sobald ein neuer Auktionskatalog online ist.
Auktionstermin Erinnerung zwei Tage vor Auktionsbeginn.
Mitbieten Bieten Sie auf Ihre Lieblingsstücke und ersteigern Sie neue Meisterwerke!
Suchservice Sie suchen nach einem bestimmten Künstler oder einer bestimmten Marke? Speichern Sie Ihre Suche ab und werden Sie automatisch informiert, sobald diese in einer Auktion angeboten werden!