Lot Nr. 22 -


Michele Tosini


Michele Tosini - Alte Meister I

(Florenz 1503–1577)
Halbfiguriges Porträt eines jungen Mannes mit Handschuhen und Schwert,
Öl auf Holz, 98,5 x 64,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Virginia, um 1960;
Kunsthandel, USA;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Wir danken Heidi Hornik, die die Zuschreibung nach Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original bestätigt hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des Lots.

Michele Tosini, auch bekannt als Michele di Ridolfo del Ghirlandaio, leitete von 1560 bis 1577 die Werkstatt Ghirlandaios in Florenz (siehe H. J. Hornik, Michele Tosini and the Ghirlandaio Workshop in Cinquecento Florence, Eastbourne/Portland 2009). Sein guter Freund und Manieristenkollege Giorgio Vasari nennt ihn in der zweiten Ausgabe seiner Ausgabe der Viten von 1568 „Michele di Ridolfo“, um Micheles Verbindung mit der erfolgreichen Ghirlandaio-Werkstatt zu unterstreichen. Vasari bezeichnet Michele Kunstschaffen als „geistvoll und mühelos“. Beide Merkmale offenbaren sich in diesem Porträt und stehen für den Reifestil des Meisters.

Das vorliegende Porträt ist ein elegantes Beispiel der Florentiner Malerei der späten 1560er-Jahre von der Hand Michele Tosinis, als er als capo der Werkstatt Ghirlandaio vorstand. Tosinis Bildnisse aus dieser Periode werden oft mit jenen Francesco Salviatis (1510–1563) verwechselt, der Michele stark beeinflusste (siehe Bildnis eines Florentiner Edelmanns, Saint Louis Art Museum, Inv.-Nr. 415:1943). Ein weiteres Porträt Tosinis im North Carolina Museum of Art (Inv.-Nr. G.55.10.1) bietet sich als maßgeblicher und aufschlussreicher Vergleich an.

Die Werkstatt Ghirlandaios war bekannt für ihre Verlässlichkeit, ihre Produktivität und ihre begabten Maler, zuerst unter Domenico (1448–1494) und später unter seinem Sohn Ridolfo (1483–1561). Michele Tosini wurde von Ridolfo del Ghirlandaio adoptiert und führte die Werkstatt nach Ridolfos Tod 1561 weiter. In den 1530er- und 1540er-Jahren stand Michele in Florenz unter dem Einfluss von Andrea del Sarto (1486–1530) und Francesco Salviati. Vor seinem Eintritt in die Werkstatt Ghirlandaios war Michele in der der Hochrenaissance verpflichteten Werkstatt von Lorenzo di Credi (1459–1537) tätig gewesen. Während Michele in den 1540er- und 1550er-Jahren noch unter Ridolfos Führung arbeitete, führte er nach und nach den neuen „manieristischen“ Stil in die Werkstatt ein (siehe Madonna mit Kind, Johannesknaben, Heiligen und Bischof Bonafede, Museo di San Salvi, Florenz). Ridolfos konservativer Stil der Hochrenaissance wich durch Michele Tosinis Neuerungen der maniera beziehungsweise dem Manierismus (der Spätrenaissance). Nach Micheles Tod im Jahr 1577 bestanden dieser Wille zur Innovation und die Adaption des zeitgenössischen Stils sowie der gute Ruf der Ghirlandaio-Werkstatt unter Micheles Sohn Baccio (1534–1582) fort (siehe H. J. Hornik, The Testament of Michele Tosini, in: Paragone, Bd. 46, Nr. 543–545, 1995, S. 156–167).

In der Vergangenheit wurde Tosinis Schaffen der Reifezeit (1560–1577) ob der Fähigkeit des Künstlers gelobt, Vasari und Michelangelo stilistisch zu imitieren, nicht um seiner Fortschrittlichkeit willen. Tosini ist als gut vernetzter Geschäftsmann und ausgezeichneter Organisator gut dokumentiert. Heidi Horniks jüngst durchgeführte archivalische Forschungen zeigen Tosini als führende Kraft bei wichtigen Projekten und privaten wie öffentlichen Aufträgen in Florenz, Aktivitäten von Bruderschaften und (bisher unbekannt) der Gründung und frühen Leitung der Accademia del Disegno. Tosini und die Ghirlandaio-Werkstatt malten zwischen 1563 und 1565 die Decke der Sala Grande im Palazzo Ducale für Herzog Cosimo I. de’ Medici, wirkten bei der Ausstattung der Begräbnisfeierlichkeiten für Michelangelo 1564 mit und trafen die Vorbereitungen für die apparati anlässlich der Hochzeit von Francesco I. de’ Medici und Johanna von Österreich im Jahr 1565 (nähere Informationen zur Rolle Tosinis und der Ghirlandaio-Werkstatt bei diesen öffentlichen und privaten Projekten bei H. J. Hornik, Michele Tosini and the Ghirlandaio Workshop, S. 34–53). Die Werkstatt Ghirlandaios erhielt auch Aufträge von den Vallombrosaner Benediktinern sowohl in Santa Trinità in Florenz also auch in Badia di Passignano. Jüngst aufgefundene Urkunden belegen zudem Michele Tosinis Bekleidung öffentlicher Führungspositionen in drei der bedeutendsten Bruderschaften im Florenz des 16. Jahrhunderts – der Compagnia di Santa Maria della Croce al Tempio (Neri), Santa Maria del Croce (Tempio) und Gesù Pellegrino (siehe H. J. Hornik, Michele Tosini and the Ghirlandaio Workshop, S. 19–53).

Das vorliegende Porträt entstand um die Jahrhundertmitte, als Michele Tosini, am Höhepunkt seines Einflusses angekommen, bei Auftraggebern besonders gefragt war und mit Mitgliedern der hochrangigsten Familien der Stadt wie den Strozzi und Medici, aber auch der mächtigsten religiösen Orden wie den Vallombrosanern und Dominikanern in regelmäßiger Verbindung stand.

Der grüne Hintergrund ist ganz und gar typisch für die Zeit und unterstreicht das kräftige Rotblond des Bartes und des Haupthaars des Dargestellten. Die Wiedergabe des Kopfes im Dreiviertelprofil sorgt dafür, dass die braunen Augen des Porträtierten unmittelbar mit dem Betrachter Kontakt aufnehmen. Die Position der Augen und die Feinsinnigkeit, mit der sie wiedergegeben sind, offenbaren Tosinis Begabung im disegno. Der Dargestellte, der sich möglicherweise in seinen Dreißigern befindet, trägt eine schwarze runde Kappe, die das rechte Ohr freilässt. Das unterhalb der Kappe etwas zerzauste rote Haupthaar setzt sich an den Gesichtsrändern fort und geht in den Oberlippen- und Backenbart über. Zur Modellierung der linken Gesichtshälfte setzt Tosini Licht und Schatten ein. Die hervorstechende weiße Spitze am Hals rahmt zart das Haupt und lenkt den Blick des Betrachters auf das schwarze Gewand.

Die dunkle Kleidung des Dargestellten besteht aus zwei unterschiedlich texturierten Lagen. Der Umhang oder Mantel besteht aus dickem, schwerem Tuch, das über Schultern und Armen liegt und die Gestalt rundherum einhüllt, wobei das linke Ende ganz wie eine Toga vor der Brust kreuzt. Der Mantel schmiegt sich trotz seiner offensichtlichen Mächtigkeit gut an und lässt die Form von Schultern und Ellenbogen unter den opulenten Falten erkennen. Gesäumte Kanten rahmen das Kleidungsstück und verleihen ihm eine elegante manieristische Linie. Diese Einfassung verläuft sichtbar rechts und links am Halsausschnitt über die linke Schulter hinunter zur Bildmitte und Taille des Dargestellten (wo die Unterbekleidung mit ihrer anderen Stofflichkeit sichtbar wird) sowie entlang der linken Seite des Dargestellten. Stellenweise scheint der Umhang mit Seide gefüttert, was den prächtigen Eindruck verstärkt und den hohen Rang des Dargestellten unterstreicht.

Die Unterbekleidung betrachtet man am besten in situ; auf Abbildungen kommen die Seidenkaros am Hals, unter dem Mantel in der Bildmitte und am linken Ärmel nur unzureichend zur Geltung. Obschon der rechte Arm des Dargestellten zum Großteil vom Umhang bedeckt wird, wird unterhalb des drapierten Mantels am linken Ärmel ein guter Teil des seidenen Untergewandes sichtbar. Der Ellenbogen zeichnet sich unter dem Mantel ab, linker Arm und Handgelenk hingegen sind in einer manieristischen Pose gedreht. Diese linke Hand hält auf gezierte Art und Weise ein Schwert fest. Weiße Spitze säumt die Kanten der Ärmel an den beiden Handgelenken. In der Rechten hält der Edelmann kunstvoll gemalte goldene Handschuhe, die farblich dem Schwertgriff entsprechen. Der Schaden, den das Bild einmal in der rechten unteren Ecke genommen hat, tut der Wirkung der affektierten, für die maniera ganz und gar typischen Handhaltung jedoch keinen Abbruch. Hände wie Gesicht lassen Tosinis Begabung in Zeichnung, Modulation und Farbauftrag erkennen. Das vorliegende Gemälde offenbart somit durchweg die Techniken und Fähigkeiten dieses Künstlers.

Einen aussagekräftigen Vergleich bietet das Bildnis eines Florentiner Edelmanns im North Carolina Museum of Art, gemeinsam mit mehreren weiteren Tosini sicher zuschreibbaren Porträts (siehe auch Auktion, Sotheby’s, London, 7. Juli 2021, Lot 28, als Michele Tosini, Porträt eines sitzenden Mannes mit seinem Hund). Michele Tosini hat einen eigenen Gesichtstypus geschaffen, der sich auch bei mehreren Figuren des mit 1561 datierten und urkundlich belegten Freskenzyklus in der Strozzi-Kapelle in Paolini bei San Casciano außerhalb von Florenz findet (siehe H. J. Hornik, The Strozzi Chapel by Michele Tosini: A Visual Interpretation of Redemptive Epiphany, in: Artibus et Historiae, Bd. 46, 2002, S. 97–118). Das auf Holz gemalte Porträt in North Carolina und das vorliegende Gemälde teilen denselben grünen Hintergrund, das Dreiviertelprofil mit dem direkten Blickkontakt zum Betrachter, die Dreiviertelfigur als Kompositionstypus und die mehrschichtige, elegant drapierte und texturierte schwarze Kleidung als Verweis auf die damalige Mode.

Bei dem vorliegenden Porträt handelt es sich um eine bedeutende Ergänzung zum Schaffen Michele Tosinis, gen. Michele di Ridolfo del Ghirlandaio, der im Florenz der Spätrenaissance lebte und dort erfolgreich tätig war. Das zwischen 1565 und 1570 zu datierende Bildnis stammt aus Tosinis Reifezeit, der produktivsten Periode seiner Laufbahn, als er der angesehenen Werkstatt Ghirlandaios als Vertreter des damals angesagten Stils der maniera vorstand.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

09.11.2022 - 17:00

Erzielter Preis: **
EUR 166.684,-
Schätzwert:
EUR 60.000,- bis EUR 80.000,-

Michele Tosini


(Florenz 1503–1577)
Halbfiguriges Porträt eines jungen Mannes mit Handschuhen und Schwert,
Öl auf Holz, 98,5 x 64,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Virginia, um 1960;
Kunsthandel, USA;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Wir danken Heidi Hornik, die die Zuschreibung nach Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original bestätigt hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des Lots.

Michele Tosini, auch bekannt als Michele di Ridolfo del Ghirlandaio, leitete von 1560 bis 1577 die Werkstatt Ghirlandaios in Florenz (siehe H. J. Hornik, Michele Tosini and the Ghirlandaio Workshop in Cinquecento Florence, Eastbourne/Portland 2009). Sein guter Freund und Manieristenkollege Giorgio Vasari nennt ihn in der zweiten Ausgabe seiner Ausgabe der Viten von 1568 „Michele di Ridolfo“, um Micheles Verbindung mit der erfolgreichen Ghirlandaio-Werkstatt zu unterstreichen. Vasari bezeichnet Michele Kunstschaffen als „geistvoll und mühelos“. Beide Merkmale offenbaren sich in diesem Porträt und stehen für den Reifestil des Meisters.

Das vorliegende Porträt ist ein elegantes Beispiel der Florentiner Malerei der späten 1560er-Jahre von der Hand Michele Tosinis, als er als capo der Werkstatt Ghirlandaio vorstand. Tosinis Bildnisse aus dieser Periode werden oft mit jenen Francesco Salviatis (1510–1563) verwechselt, der Michele stark beeinflusste (siehe Bildnis eines Florentiner Edelmanns, Saint Louis Art Museum, Inv.-Nr. 415:1943). Ein weiteres Porträt Tosinis im North Carolina Museum of Art (Inv.-Nr. G.55.10.1) bietet sich als maßgeblicher und aufschlussreicher Vergleich an.

Die Werkstatt Ghirlandaios war bekannt für ihre Verlässlichkeit, ihre Produktivität und ihre begabten Maler, zuerst unter Domenico (1448–1494) und später unter seinem Sohn Ridolfo (1483–1561). Michele Tosini wurde von Ridolfo del Ghirlandaio adoptiert und führte die Werkstatt nach Ridolfos Tod 1561 weiter. In den 1530er- und 1540er-Jahren stand Michele in Florenz unter dem Einfluss von Andrea del Sarto (1486–1530) und Francesco Salviati. Vor seinem Eintritt in die Werkstatt Ghirlandaios war Michele in der der Hochrenaissance verpflichteten Werkstatt von Lorenzo di Credi (1459–1537) tätig gewesen. Während Michele in den 1540er- und 1550er-Jahren noch unter Ridolfos Führung arbeitete, führte er nach und nach den neuen „manieristischen“ Stil in die Werkstatt ein (siehe Madonna mit Kind, Johannesknaben, Heiligen und Bischof Bonafede, Museo di San Salvi, Florenz). Ridolfos konservativer Stil der Hochrenaissance wich durch Michele Tosinis Neuerungen der maniera beziehungsweise dem Manierismus (der Spätrenaissance). Nach Micheles Tod im Jahr 1577 bestanden dieser Wille zur Innovation und die Adaption des zeitgenössischen Stils sowie der gute Ruf der Ghirlandaio-Werkstatt unter Micheles Sohn Baccio (1534–1582) fort (siehe H. J. Hornik, The Testament of Michele Tosini, in: Paragone, Bd. 46, Nr. 543–545, 1995, S. 156–167).

In der Vergangenheit wurde Tosinis Schaffen der Reifezeit (1560–1577) ob der Fähigkeit des Künstlers gelobt, Vasari und Michelangelo stilistisch zu imitieren, nicht um seiner Fortschrittlichkeit willen. Tosini ist als gut vernetzter Geschäftsmann und ausgezeichneter Organisator gut dokumentiert. Heidi Horniks jüngst durchgeführte archivalische Forschungen zeigen Tosini als führende Kraft bei wichtigen Projekten und privaten wie öffentlichen Aufträgen in Florenz, Aktivitäten von Bruderschaften und (bisher unbekannt) der Gründung und frühen Leitung der Accademia del Disegno. Tosini und die Ghirlandaio-Werkstatt malten zwischen 1563 und 1565 die Decke der Sala Grande im Palazzo Ducale für Herzog Cosimo I. de’ Medici, wirkten bei der Ausstattung der Begräbnisfeierlichkeiten für Michelangelo 1564 mit und trafen die Vorbereitungen für die apparati anlässlich der Hochzeit von Francesco I. de’ Medici und Johanna von Österreich im Jahr 1565 (nähere Informationen zur Rolle Tosinis und der Ghirlandaio-Werkstatt bei diesen öffentlichen und privaten Projekten bei H. J. Hornik, Michele Tosini and the Ghirlandaio Workshop, S. 34–53). Die Werkstatt Ghirlandaios erhielt auch Aufträge von den Vallombrosaner Benediktinern sowohl in Santa Trinità in Florenz also auch in Badia di Passignano. Jüngst aufgefundene Urkunden belegen zudem Michele Tosinis Bekleidung öffentlicher Führungspositionen in drei der bedeutendsten Bruderschaften im Florenz des 16. Jahrhunderts – der Compagnia di Santa Maria della Croce al Tempio (Neri), Santa Maria del Croce (Tempio) und Gesù Pellegrino (siehe H. J. Hornik, Michele Tosini and the Ghirlandaio Workshop, S. 19–53).

Das vorliegende Porträt entstand um die Jahrhundertmitte, als Michele Tosini, am Höhepunkt seines Einflusses angekommen, bei Auftraggebern besonders gefragt war und mit Mitgliedern der hochrangigsten Familien der Stadt wie den Strozzi und Medici, aber auch der mächtigsten religiösen Orden wie den Vallombrosanern und Dominikanern in regelmäßiger Verbindung stand.

Der grüne Hintergrund ist ganz und gar typisch für die Zeit und unterstreicht das kräftige Rotblond des Bartes und des Haupthaars des Dargestellten. Die Wiedergabe des Kopfes im Dreiviertelprofil sorgt dafür, dass die braunen Augen des Porträtierten unmittelbar mit dem Betrachter Kontakt aufnehmen. Die Position der Augen und die Feinsinnigkeit, mit der sie wiedergegeben sind, offenbaren Tosinis Begabung im disegno. Der Dargestellte, der sich möglicherweise in seinen Dreißigern befindet, trägt eine schwarze runde Kappe, die das rechte Ohr freilässt. Das unterhalb der Kappe etwas zerzauste rote Haupthaar setzt sich an den Gesichtsrändern fort und geht in den Oberlippen- und Backenbart über. Zur Modellierung der linken Gesichtshälfte setzt Tosini Licht und Schatten ein. Die hervorstechende weiße Spitze am Hals rahmt zart das Haupt und lenkt den Blick des Betrachters auf das schwarze Gewand.

Die dunkle Kleidung des Dargestellten besteht aus zwei unterschiedlich texturierten Lagen. Der Umhang oder Mantel besteht aus dickem, schwerem Tuch, das über Schultern und Armen liegt und die Gestalt rundherum einhüllt, wobei das linke Ende ganz wie eine Toga vor der Brust kreuzt. Der Mantel schmiegt sich trotz seiner offensichtlichen Mächtigkeit gut an und lässt die Form von Schultern und Ellenbogen unter den opulenten Falten erkennen. Gesäumte Kanten rahmen das Kleidungsstück und verleihen ihm eine elegante manieristische Linie. Diese Einfassung verläuft sichtbar rechts und links am Halsausschnitt über die linke Schulter hinunter zur Bildmitte und Taille des Dargestellten (wo die Unterbekleidung mit ihrer anderen Stofflichkeit sichtbar wird) sowie entlang der linken Seite des Dargestellten. Stellenweise scheint der Umhang mit Seide gefüttert, was den prächtigen Eindruck verstärkt und den hohen Rang des Dargestellten unterstreicht.

Die Unterbekleidung betrachtet man am besten in situ; auf Abbildungen kommen die Seidenkaros am Hals, unter dem Mantel in der Bildmitte und am linken Ärmel nur unzureichend zur Geltung. Obschon der rechte Arm des Dargestellten zum Großteil vom Umhang bedeckt wird, wird unterhalb des drapierten Mantels am linken Ärmel ein guter Teil des seidenen Untergewandes sichtbar. Der Ellenbogen zeichnet sich unter dem Mantel ab, linker Arm und Handgelenk hingegen sind in einer manieristischen Pose gedreht. Diese linke Hand hält auf gezierte Art und Weise ein Schwert fest. Weiße Spitze säumt die Kanten der Ärmel an den beiden Handgelenken. In der Rechten hält der Edelmann kunstvoll gemalte goldene Handschuhe, die farblich dem Schwertgriff entsprechen. Der Schaden, den das Bild einmal in der rechten unteren Ecke genommen hat, tut der Wirkung der affektierten, für die maniera ganz und gar typischen Handhaltung jedoch keinen Abbruch. Hände wie Gesicht lassen Tosinis Begabung in Zeichnung, Modulation und Farbauftrag erkennen. Das vorliegende Gemälde offenbart somit durchweg die Techniken und Fähigkeiten dieses Künstlers.

Einen aussagekräftigen Vergleich bietet das Bildnis eines Florentiner Edelmanns im North Carolina Museum of Art, gemeinsam mit mehreren weiteren Tosini sicher zuschreibbaren Porträts (siehe auch Auktion, Sotheby’s, London, 7. Juli 2021, Lot 28, als Michele Tosini, Porträt eines sitzenden Mannes mit seinem Hund). Michele Tosini hat einen eigenen Gesichtstypus geschaffen, der sich auch bei mehreren Figuren des mit 1561 datierten und urkundlich belegten Freskenzyklus in der Strozzi-Kapelle in Paolini bei San Casciano außerhalb von Florenz findet (siehe H. J. Hornik, The Strozzi Chapel by Michele Tosini: A Visual Interpretation of Redemptive Epiphany, in: Artibus et Historiae, Bd. 46, 2002, S. 97–118). Das auf Holz gemalte Porträt in North Carolina und das vorliegende Gemälde teilen denselben grünen Hintergrund, das Dreiviertelprofil mit dem direkten Blickkontakt zum Betrachter, die Dreiviertelfigur als Kompositionstypus und die mehrschichtige, elegant drapierte und texturierte schwarze Kleidung als Verweis auf die damalige Mode.

Bei dem vorliegenden Porträt handelt es sich um eine bedeutende Ergänzung zum Schaffen Michele Tosinis, gen. Michele di Ridolfo del Ghirlandaio, der im Florenz der Spätrenaissance lebte und dort erfolgreich tätig war. Das zwischen 1565 und 1570 zu datierende Bildnis stammt aus Tosinis Reifezeit, der produktivsten Periode seiner Laufbahn, als er der angesehenen Werkstatt Ghirlandaios als Vertreter des damals angesagten Stils der maniera vorstand.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 09.11.2022 - 17:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 22.10. - 09.11.2022


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