Lot Nr. 97


Corrado Giaquinto


Corrado Giaquinto - Alte Meister I

(Molfetta 1703–1765 Neapel)
Die Bestrafung des Tityos,
Öl auf Leinwand, 131 x 92,7 cm, gerahmt

Provenienz:
europäische Privatsammlung

Wir danken Riccardo Lattuada, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes auf Grundlage einer Fotografie vorgeschlagen hat.

Das vorliegende Gemälde kam erst kürzlich zum Oeuvre des neapolitanischen Malers Corrado Giaquinto hinzu. Das Hochformat wird fast zur Gänze von der monumentalen Darstellung der männlichen Figur in Ketten beherrscht; in der oberen rechten Ecke wird der Blick auf eine nächtliche Landschaft freigegeben. Das Bildthema der Bestrafung ist von der Figur des Laokoon angeregt: Die berühmte hellenistische Skulptur wurde 1506 am Colle Oppio in Rom entdeckt und war bald danach im Cortile di Belvedere im Vatikan ausgestellt.

Die untere Körperpartie des hier Dargestellten entspricht direkt der Hinterseite der Beine des Laokoon, wohingegen Torso und Arme zwar auf demselben Vorbild beruhen, aber seitenverkehrt übernommen sind. Das Gemälde scheint aus der Verbindung von zwei aus unterschiedlichen Richtungen aufgenommenen Vorstudien zu bestehen, die eine neue Komposition ergeben. Der Künstler hat der Figur Ketten und eine Schlange hinzugefügt: Diese Attribute sind ikonografisch schwer zu interpretieren, mögen jedoch auf eine seltene Version des Mythos von Tityus Bezug nehmen, in dem der Protagonist anstatt von einem Geier von einer Schlange bestraft wird (wie in der Fassung der Fabulae von Hyginus).

Das Gemälde ist frei und flüssig direkt auf ockerfarbenem Grund gemalt. Lagen von unterschiedlichen Grün- und Ockertönen ergeben die Hauttöne der Figur, wobei vertikale Schraffuren und schnell, aber präzise gesetzte Pinselstriche für Textur und Tiefe sorgen. Die Knie, die Ellenbogen, das untere Rückgrat, der linke Oberschenkel und die Zehen sind mit Rot- und Brauntönen modelliert, die sich in dem umgebenden Gestein wiederholen und damit zu einem harmonischen Ganzen beitragen. Die Gestalt ist auf einem mit Moos bewachsenen Felsen platziert, wodurch sich ein komplementärer Farbkontrast zum Hintergrund ergibt.

Das vorliegende Gemälde steht in Zusammenhang mit einer Serie männlicher Akte, die Giaquinto um 1750 für Kardinal Villafalletto malte (siehe M. D’Orsi, Corrado Giaquinto, Rom 1958, S. 143, Nr. 86–88; und R. Lattuada, Corrado Giaquinto e/o Geremia Romani della Parrocchiale di Nettuno e altre opere di Giaquinto inedite a poco note a Poggiardo, Washington e altrove, in: Studi sul Settecento Romano, in Vorbereitung). Insbesondere die Studie eines sitzenden Aktes ist mit dem vorliegenden Gemälde vergleichbar. Ähnlich ist nicht nur die Haltung mit dem abgestützten rechten Arm und dem gebeugten linken Bein, sondern auch die Oberflächengestaltung. Auch die Binnenstrukturen des Körpers finden sich in dieser Aktstudie wieder. Gleiches gilt für die Farbigkeit von Ocker-, Grün- und Brauntönen. Selbst in dieser akademischen Aktstudie, die ihm zur präzisen linearen Festlegung der Formen diente, ging es Giaquinto, einem ausgebildeten Barockmaler, vorrangig um das Studium von Lichteffekten.

Corrado Giaquinto ging gemeinsam mit Francesco de Mura und Giuseppe Bonito in der Werkstatt des neapolitanischen Künstlers Nicola Maria Rossi in die Lehre. 1723 begann Giaquinto in Rom den rustikalen neapolitanischen Stil in Richtung des klassizistischen Geschmacks des Rokokos zu modifizieren. 1740 wurde er in die Accademia di San Luca in Rom aufgenommen. In Folge der Ausmalung der Kirche San Nicola dei Lorenesi 1731 erhielt Giaquinto weitere prestigeträchtige Aufträge, mit denen er sich einen Ruf als führender Maler erwarb und die Aufenthalte in Turin und Spanien nach sich zogen. 1753 rief ihn Ferdinand VI. an den Hof in Madrid, wo der Maler fast ein ganzes Jahrzehnt verbringen sollte. Seine Stellung als herausragende Künstlerpersönlichkeit in dem Land wurde durch seine Ernennung zum „Primer Pintor del Rey“ sowie zum Direktor, der vom kunstbegeisterten spanischen König gegründeten Academia di San Fernando begründet. Später kehrte Corrado Giaquinto nach Neapel zurück.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

09.11.2022 - 17:00

Erzielter Preis: **
EUR 51.200,-
Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Corrado Giaquinto


(Molfetta 1703–1765 Neapel)
Die Bestrafung des Tityos,
Öl auf Leinwand, 131 x 92,7 cm, gerahmt

Provenienz:
europäische Privatsammlung

Wir danken Riccardo Lattuada, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes auf Grundlage einer Fotografie vorgeschlagen hat.

Das vorliegende Gemälde kam erst kürzlich zum Oeuvre des neapolitanischen Malers Corrado Giaquinto hinzu. Das Hochformat wird fast zur Gänze von der monumentalen Darstellung der männlichen Figur in Ketten beherrscht; in der oberen rechten Ecke wird der Blick auf eine nächtliche Landschaft freigegeben. Das Bildthema der Bestrafung ist von der Figur des Laokoon angeregt: Die berühmte hellenistische Skulptur wurde 1506 am Colle Oppio in Rom entdeckt und war bald danach im Cortile di Belvedere im Vatikan ausgestellt.

Die untere Körperpartie des hier Dargestellten entspricht direkt der Hinterseite der Beine des Laokoon, wohingegen Torso und Arme zwar auf demselben Vorbild beruhen, aber seitenverkehrt übernommen sind. Das Gemälde scheint aus der Verbindung von zwei aus unterschiedlichen Richtungen aufgenommenen Vorstudien zu bestehen, die eine neue Komposition ergeben. Der Künstler hat der Figur Ketten und eine Schlange hinzugefügt: Diese Attribute sind ikonografisch schwer zu interpretieren, mögen jedoch auf eine seltene Version des Mythos von Tityus Bezug nehmen, in dem der Protagonist anstatt von einem Geier von einer Schlange bestraft wird (wie in der Fassung der Fabulae von Hyginus).

Das Gemälde ist frei und flüssig direkt auf ockerfarbenem Grund gemalt. Lagen von unterschiedlichen Grün- und Ockertönen ergeben die Hauttöne der Figur, wobei vertikale Schraffuren und schnell, aber präzise gesetzte Pinselstriche für Textur und Tiefe sorgen. Die Knie, die Ellenbogen, das untere Rückgrat, der linke Oberschenkel und die Zehen sind mit Rot- und Brauntönen modelliert, die sich in dem umgebenden Gestein wiederholen und damit zu einem harmonischen Ganzen beitragen. Die Gestalt ist auf einem mit Moos bewachsenen Felsen platziert, wodurch sich ein komplementärer Farbkontrast zum Hintergrund ergibt.

Das vorliegende Gemälde steht in Zusammenhang mit einer Serie männlicher Akte, die Giaquinto um 1750 für Kardinal Villafalletto malte (siehe M. D’Orsi, Corrado Giaquinto, Rom 1958, S. 143, Nr. 86–88; und R. Lattuada, Corrado Giaquinto e/o Geremia Romani della Parrocchiale di Nettuno e altre opere di Giaquinto inedite a poco note a Poggiardo, Washington e altrove, in: Studi sul Settecento Romano, in Vorbereitung). Insbesondere die Studie eines sitzenden Aktes ist mit dem vorliegenden Gemälde vergleichbar. Ähnlich ist nicht nur die Haltung mit dem abgestützten rechten Arm und dem gebeugten linken Bein, sondern auch die Oberflächengestaltung. Auch die Binnenstrukturen des Körpers finden sich in dieser Aktstudie wieder. Gleiches gilt für die Farbigkeit von Ocker-, Grün- und Brauntönen. Selbst in dieser akademischen Aktstudie, die ihm zur präzisen linearen Festlegung der Formen diente, ging es Giaquinto, einem ausgebildeten Barockmaler, vorrangig um das Studium von Lichteffekten.

Corrado Giaquinto ging gemeinsam mit Francesco de Mura und Giuseppe Bonito in der Werkstatt des neapolitanischen Künstlers Nicola Maria Rossi in die Lehre. 1723 begann Giaquinto in Rom den rustikalen neapolitanischen Stil in Richtung des klassizistischen Geschmacks des Rokokos zu modifizieren. 1740 wurde er in die Accademia di San Luca in Rom aufgenommen. In Folge der Ausmalung der Kirche San Nicola dei Lorenesi 1731 erhielt Giaquinto weitere prestigeträchtige Aufträge, mit denen er sich einen Ruf als führender Maler erwarb und die Aufenthalte in Turin und Spanien nach sich zogen. 1753 rief ihn Ferdinand VI. an den Hof in Madrid, wo der Maler fast ein ganzes Jahrzehnt verbringen sollte. Seine Stellung als herausragende Künstlerpersönlichkeit in dem Land wurde durch seine Ernennung zum „Primer Pintor del Rey“ sowie zum Direktor, der vom kunstbegeisterten spanischen König gegründeten Academia di San Fernando begründet. Später kehrte Corrado Giaquinto nach Neapel zurück.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 09.11.2022 - 17:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 22.10. - 09.11.2022


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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