Lot Nr. 7


Umkreis des Wolf Huber


Umkreis des Wolf Huber - Alte Meister

(Feldkirch um 1480/90–1553 Passau)
Kreuzigung,
Öl auf Holz, 117 x 65 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Reichert, München;
Sammlung Erich Franz, Breslau;
Auktion, Helbing, München, 9./10. Mai 1901, Lot 10 (als Hans Schäufelin);
Auktion, Neumeister, München, 30. June 1982, Lot 916 (als Umkreis Wolf Huber);
Kunsthandel, Deutschland

Literatur:
C. Metzger, Hans Schäufelin als Maler, Berlin 2002, S. 532–34, Nr. X-10, Abb. 413 (als „Anonym, um 1520“)

Wir danken Bernd Konrad, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes auf Grundlage einer Fotografie bestätigt hat. Sein schriftliches Gutachten vom 13. März 2023 liegt vor. Konrad datiert das Gemälde zusammen mit weiteren Tafeln, die ursprünglich Teil desselben Zyklus der Leidensgeschichte Jesu waren, in die 1530er-Jahre.

Zudem danken wir Christof Metzger und Isolde Lübbeke für ihre Hilfe bei der Katalogisierung dieses Lots.

Christof Metzger war der Erste, der das vorliegende Gemälde einer Kreuzigung mit drei weiteren Tafeln mit Szenen der Leidensgeschichte Jesu von identischem Format in Verbindung brachte und sie als demselben Retabel zugehörig erklärte. Obwohl diese Rekonstruktion Metzger zufolge nicht in Kenntnis der Originale, sondern lediglich aus der Literatur erfolgte, ist ihr vollumfänglich zuzustimmen. Metzger führt alle vier Tafeln auf das grafische Vorbild Albrecht Dürers in Form der Holzschnittreihe der Kleinen Passion (um 1509/10) zurück. Aufgrund der Formatveränderung zwischen Holzschnitt und Tafelmalerei wurden die Figuren gestreckt. Es ist darauf hinzuweisen, dass in der Kleinen Passion Christus ohne Heiligenschein dargestellt wurde. Auf den gemalten Tafeln wurde ihm einer beigegeben, was zum auffallendsten Merkmal aller vier Darstellungen wurde.

Zwei der drei weiteren von Metzger identifizierten Tafeln befinden sich heute im Slezské zemské muzeum in Opava in der Tschechischen Republik (Christus auf dem Ölberg und Gefangennahme Christi, Inv.-Nr. U 2033 und U 2034). Sie stammen aus der Sammlung Eduard Webers in Hamburg und gelangten später in die Sammlung des Fürsten Johann II. von Liechtenstein, der sie dem Schlesischen Museum in Opava schenkte. Die dritte Tafel mit der Darstellung Christus vor Kaiphas befand sich einst in der Sammlung Wallraf in Rheydt und tauchte zum letzten Mal 2009 im Kunsthandel auf (Auktion, Lempertz, Köln, 16. Mai 2009, Lot 1005).

Isolde Lübbeke hat die Gruppe um zwei weitere Tafeln ergänzt, von denen sich eine im Museum am Dom in Würzburg befindet (Das letzte Abendmahl, als Umkreis Hans Schäufelin, um 1512/1515) und die andere (Grablegung Christi) am 5. April 1995 bei Sotheby’s, London, zum Verkauf gelangte (als deutsche Schule). Sie weist zudem auf fünf Tafeln im Museum christlicher Kunst in Esztergom hin, die ebenfalls auf Dürers Kleiner Passion beruhen und den charakteristischen Strahlenkranz aufweisen. Trotz leichter Abweichungen in den Abmessungen lassen sie sich nun zu einem überraschend großen Retabel oder zu einer Passionsfolge für die Wand einer Kirche zusammenstellen. Es handelt sich um die Verspottung Christi, die Geißelung Christi, die Dornenkrönung, Ecce Homo und Christus wird ans Kreuz genagelt (Inv.-Nr. 56.464–56.468). Die Tafeln wurden 1876 in Regensburg von János Simor, dem Erzbischof von Esztergom und Fürstprimas von Ungarn, erworben. Verkauft wurden sie von „Domvikar Dengler“, was die Provenienz aus einer Kirche in Regensburg nahelegt (siehe I. Lübbeke, Zur spätgotischen Tafelmalerei in Regensburg, in: Regensburg im Mittelalter, hrsg. von M. Angerer et al., Regensburg 1995, S. 442, A 97).

Nach derzeitiger Kenntnis stammen drei der vier Tafeln des Metzger’schen Komplexes (Kreuzigung, Ölberg und Gefangennahme) aus der Sammlung des Kunstmalers Fr. Reichert in München-Haidhausen. Diese muss vor 1883 angelegt worden sein, denn der Ölberg und die Gefangennahme wurden in diesem Jahr von Reichert verkauft. Bei den vier von Metzger zusammenführten Tafeln fällt auf, dass sowohl in den früheren Zuschreibungen als auch später der Name Hans Schäufelin fiel. In seiner Publikation sprach sich Metzger gegen die Zuschreibung an Schäufelin und dessen Werkstatt aus. Bernd Konrad zufolge ist dies durchwegs nachvollziehbar, zumal die für diesen Maler charakteristischen anatomisch bezogenen Konturierungen mit dunkelbrauner bis schwarzer Farbe gänzlich fehlen. Er bemerkt zudem, dass die durch die Farbschicht hindurch sichtbare Unterzeichnung des vorliegenden Gemäldes eine temperament- und qualitätsvolle Linienführung erkennen lässt. Bei einer Unterzeichnung Schäufelins ist grundsätzlich eine formübergreifende Schattierung in Verbindung mit einer akkuraten, beinahe starren Parallelschraffur zu erwarten. Diese Art Schattierung kam zumindest bei der Kreuzigung nicht zur Anwendung.

Bernd Konrad führt zudem aus, dass seit der Versteigerung des vorliegenden Gemäldes im Auktionshaus Neumeister 1982 eine versuchsweise Zuschreibung an den Umkreis von Wolf Huber vorgeschlagen wird. Dies mag Konrad zufolge zunächst keinen Sinn ergeben, vergleicht man zum Beispiel dessen temperamentvoll ausgeführten Passionsflügel im Stift St. Florian mit denselben Bildmotiven. Denkt man jedoch bei „Umkreis Huber“ an die Maler der Donauschule in und um Passau, erscheint diese Zuschreibung überzeugender, selbst wenn Wolf Huber aus Feldkirch in Vorarlberg stammte. Die Landschaftszeichnungen Wolf Hubers weisen ihn eindeutig als Vertreter der Donauschule um Lucas Cranach I. und Albrecht Altdorfer aus. Da Huber in Passau bis zu seinem Tode 1553 eine Werkstatt führte, darf man ihn als stilbildend in dieser Region bezeichnen.

Bernd Konrad zieht den Schluss, dass die vorliegende Kreuzigungstafel zweifelsfrei Teil einer Reihe von zwölf Passionsdarstellungen war, die jedoch nicht mit Arbeiten Hans Schäufelin gleichgesetzt werden können. Der nachweisliche Erwerb von sechs Tafeln für Esztergom in Regensburg, eine ähnliche Nimbengestaltung in der Passauer Malerei und zahlreiche Querverbindungen zu Handzeichnungen Wolf Hubers aus der Zeit 1517 bis 1522 geben der zuletzt vorgenommenen Zuweisung an den Umkreis von Wolf Huber Gewicht. Mag die helle Hintergrundfarbigkeit der Kreuzigungstafel auch für die fränkische Malerei sprechen, ist der dramatische rote Sonnenuntergang der beiden Tafeln in Opava charakteristisch für die Donauschule. Auch die durch die kräftigen gelben Kleidungsstücke hervorgerufenen Kontraste stehen in der Tradition der Malerei der Donauschule um Albrecht Altdorfer und Wolf Huber.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

03.05.2023 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 36.400,-
Schätzwert:
EUR 25.000,- bis EUR 35.000,-

Umkreis des Wolf Huber


(Feldkirch um 1480/90–1553 Passau)
Kreuzigung,
Öl auf Holz, 117 x 65 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Reichert, München;
Sammlung Erich Franz, Breslau;
Auktion, Helbing, München, 9./10. Mai 1901, Lot 10 (als Hans Schäufelin);
Auktion, Neumeister, München, 30. June 1982, Lot 916 (als Umkreis Wolf Huber);
Kunsthandel, Deutschland

Literatur:
C. Metzger, Hans Schäufelin als Maler, Berlin 2002, S. 532–34, Nr. X-10, Abb. 413 (als „Anonym, um 1520“)

Wir danken Bernd Konrad, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes auf Grundlage einer Fotografie bestätigt hat. Sein schriftliches Gutachten vom 13. März 2023 liegt vor. Konrad datiert das Gemälde zusammen mit weiteren Tafeln, die ursprünglich Teil desselben Zyklus der Leidensgeschichte Jesu waren, in die 1530er-Jahre.

Zudem danken wir Christof Metzger und Isolde Lübbeke für ihre Hilfe bei der Katalogisierung dieses Lots.

Christof Metzger war der Erste, der das vorliegende Gemälde einer Kreuzigung mit drei weiteren Tafeln mit Szenen der Leidensgeschichte Jesu von identischem Format in Verbindung brachte und sie als demselben Retabel zugehörig erklärte. Obwohl diese Rekonstruktion Metzger zufolge nicht in Kenntnis der Originale, sondern lediglich aus der Literatur erfolgte, ist ihr vollumfänglich zuzustimmen. Metzger führt alle vier Tafeln auf das grafische Vorbild Albrecht Dürers in Form der Holzschnittreihe der Kleinen Passion (um 1509/10) zurück. Aufgrund der Formatveränderung zwischen Holzschnitt und Tafelmalerei wurden die Figuren gestreckt. Es ist darauf hinzuweisen, dass in der Kleinen Passion Christus ohne Heiligenschein dargestellt wurde. Auf den gemalten Tafeln wurde ihm einer beigegeben, was zum auffallendsten Merkmal aller vier Darstellungen wurde.

Zwei der drei weiteren von Metzger identifizierten Tafeln befinden sich heute im Slezské zemské muzeum in Opava in der Tschechischen Republik (Christus auf dem Ölberg und Gefangennahme Christi, Inv.-Nr. U 2033 und U 2034). Sie stammen aus der Sammlung Eduard Webers in Hamburg und gelangten später in die Sammlung des Fürsten Johann II. von Liechtenstein, der sie dem Schlesischen Museum in Opava schenkte. Die dritte Tafel mit der Darstellung Christus vor Kaiphas befand sich einst in der Sammlung Wallraf in Rheydt und tauchte zum letzten Mal 2009 im Kunsthandel auf (Auktion, Lempertz, Köln, 16. Mai 2009, Lot 1005).

Isolde Lübbeke hat die Gruppe um zwei weitere Tafeln ergänzt, von denen sich eine im Museum am Dom in Würzburg befindet (Das letzte Abendmahl, als Umkreis Hans Schäufelin, um 1512/1515) und die andere (Grablegung Christi) am 5. April 1995 bei Sotheby’s, London, zum Verkauf gelangte (als deutsche Schule). Sie weist zudem auf fünf Tafeln im Museum christlicher Kunst in Esztergom hin, die ebenfalls auf Dürers Kleiner Passion beruhen und den charakteristischen Strahlenkranz aufweisen. Trotz leichter Abweichungen in den Abmessungen lassen sie sich nun zu einem überraschend großen Retabel oder zu einer Passionsfolge für die Wand einer Kirche zusammenstellen. Es handelt sich um die Verspottung Christi, die Geißelung Christi, die Dornenkrönung, Ecce Homo und Christus wird ans Kreuz genagelt (Inv.-Nr. 56.464–56.468). Die Tafeln wurden 1876 in Regensburg von János Simor, dem Erzbischof von Esztergom und Fürstprimas von Ungarn, erworben. Verkauft wurden sie von „Domvikar Dengler“, was die Provenienz aus einer Kirche in Regensburg nahelegt (siehe I. Lübbeke, Zur spätgotischen Tafelmalerei in Regensburg, in: Regensburg im Mittelalter, hrsg. von M. Angerer et al., Regensburg 1995, S. 442, A 97).

Nach derzeitiger Kenntnis stammen drei der vier Tafeln des Metzger’schen Komplexes (Kreuzigung, Ölberg und Gefangennahme) aus der Sammlung des Kunstmalers Fr. Reichert in München-Haidhausen. Diese muss vor 1883 angelegt worden sein, denn der Ölberg und die Gefangennahme wurden in diesem Jahr von Reichert verkauft. Bei den vier von Metzger zusammenführten Tafeln fällt auf, dass sowohl in den früheren Zuschreibungen als auch später der Name Hans Schäufelin fiel. In seiner Publikation sprach sich Metzger gegen die Zuschreibung an Schäufelin und dessen Werkstatt aus. Bernd Konrad zufolge ist dies durchwegs nachvollziehbar, zumal die für diesen Maler charakteristischen anatomisch bezogenen Konturierungen mit dunkelbrauner bis schwarzer Farbe gänzlich fehlen. Er bemerkt zudem, dass die durch die Farbschicht hindurch sichtbare Unterzeichnung des vorliegenden Gemäldes eine temperament- und qualitätsvolle Linienführung erkennen lässt. Bei einer Unterzeichnung Schäufelins ist grundsätzlich eine formübergreifende Schattierung in Verbindung mit einer akkuraten, beinahe starren Parallelschraffur zu erwarten. Diese Art Schattierung kam zumindest bei der Kreuzigung nicht zur Anwendung.

Bernd Konrad führt zudem aus, dass seit der Versteigerung des vorliegenden Gemäldes im Auktionshaus Neumeister 1982 eine versuchsweise Zuschreibung an den Umkreis von Wolf Huber vorgeschlagen wird. Dies mag Konrad zufolge zunächst keinen Sinn ergeben, vergleicht man zum Beispiel dessen temperamentvoll ausgeführten Passionsflügel im Stift St. Florian mit denselben Bildmotiven. Denkt man jedoch bei „Umkreis Huber“ an die Maler der Donauschule in und um Passau, erscheint diese Zuschreibung überzeugender, selbst wenn Wolf Huber aus Feldkirch in Vorarlberg stammte. Die Landschaftszeichnungen Wolf Hubers weisen ihn eindeutig als Vertreter der Donauschule um Lucas Cranach I. und Albrecht Altdorfer aus. Da Huber in Passau bis zu seinem Tode 1553 eine Werkstatt führte, darf man ihn als stilbildend in dieser Region bezeichnen.

Bernd Konrad zieht den Schluss, dass die vorliegende Kreuzigungstafel zweifelsfrei Teil einer Reihe von zwölf Passionsdarstellungen war, die jedoch nicht mit Arbeiten Hans Schäufelin gleichgesetzt werden können. Der nachweisliche Erwerb von sechs Tafeln für Esztergom in Regensburg, eine ähnliche Nimbengestaltung in der Passauer Malerei und zahlreiche Querverbindungen zu Handzeichnungen Wolf Hubers aus der Zeit 1517 bis 1522 geben der zuletzt vorgenommenen Zuweisung an den Umkreis von Wolf Huber Gewicht. Mag die helle Hintergrundfarbigkeit der Kreuzigungstafel auch für die fränkische Malerei sprechen, ist der dramatische rote Sonnenuntergang der beiden Tafeln in Opava charakteristisch für die Donauschule. Auch die durch die kräftigen gelben Kleidungsstücke hervorgerufenen Kontraste stehen in der Tradition der Malerei der Donauschule um Albrecht Altdorfer und Wolf Huber.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 03.05.2023 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 22.04. - 03.05.2023


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