(Siena 1568–1613)
Madonna mit Kind und Johannesknaben,
Öl auf Leinwand, 63,5 x 50,8 cm, gerahmt

Wir danken Marco Ciampolini für die Bestätigung der Zuschreibung. Sein schriftliches Gutachten liegt dem Gemälde bei.

Die Wiederentdeckung dieses bisher unbekannten Gemäldes bedeutet eine wichtige Erweiterung des bekannten Oeuvres des Künstlers. Es fügt sich in das Schaffen von Salimbenis Reifezeit und Spätwerk und ist um 1610 zu datieren. Die auffällige Farbigkeit, die an die seines Landsmannes Domenico Beccafumi erinnert, ist mit seinem signierten und mit 1603 datierten Gemälde Der heilige Michael besiegt den Satan vergleichbar; in den Figurentypen ist der nachhaltige Einfluss des Cavalier d’Arpino erkennbar.

Die weichen Gesichtszüge des Kindes sind stilistisch stark verwandt mit jenen eines Engels in Salimbenis signierter und mit 1611 datierter Heiliger Katharina von Siena, umgeben von sienesischen Heiligen und Seligen im Chor des Doms von Siena. Ciampolini zufolge ist die Ähnlichkeit zwischen den beiden Figuren so groß, dass davon auszugehen ist, dass der Maler nach demselben Modell gearbeitet hat. In beiden Werken lässt sich Salimbenis Interesse seiner letzten Lebensjahre am Realismus und an den Innovationen des frühen 17. Jahrhunderts deutlich erkennen: Zum Beispiel akzentuiert im Fall der vorliegenden Madonna eine punktuelle Lichtquelle die Weichheit der Haut und die Beschaffenheit des seidigen Haars.

Die vorliegende Komposition gehört zu einer Gruppe verwandter Gemälde desselben mittelgroßen Formats mit einer ausgeprägten Pyramidal- bzw. Diagonalkomposition, darunter die Madonna mit Kind und heiliger Katharina von Siena, die am 13. November 1968 bei Sotheby’s in New York als Lot 119 zur Versteigerung kam und sich später bei Colnaghi in London befand, oder die Madonna mit Kind, die am 9. Juli 2003 bei Christies’s in London als Lot 92 zum Verkauf angeboten wurde. Ein kompositorisch verwandtes Werk Salimbenis ist die Heilige Familie mit dem Johannesknaben, die am 6. April 2001 bei Sotheby’s in London als Lot 15 auktioniert wurde.

Als einer der letzten Vertreter der Schule der Sieneser Manieristen ging Salimbeni in der Werkstatt seines Vaters Arcangelo in die Lehre. Möglicherweise hielt er sich längere Zeit in Norditalien auf und zog dann 1588 nach Rom, um dort gemeinsam mit anderen Künstlern an den Freskendekorationen der Bibliothek des Vatikans für Papst Sixtus V. zu arbeiten. 1590/91 erhielt er von Kardinal Bonifazio Bevilacqua Aldobrandini den Auftrag zu Gemälden für die Jesuitenkirche Il Gesù und die Basilica di Santa Maria Maggiore in Rom. Diese Gemälde verraten den Einfluss des Cavalier d’Arpino und des Barocci-Schülers Andrea Lilio, eines Vertreters der Counter-Maniera. Nach seiner Rückkehr nach Siena 1595 arbeitete er an mehreren Bildzyklen, darunter Szenen aus dem Leben des heiligen Giacinto für Santo Spirito (1600), die er gemeinsam mit seinem älteren Halbbruder Francesco Vanni ausführte. Salimbeni vermittelte eine größere Leichtigkeit und verfügte über eine feinere Pinselführung, was bisweilen – wie auch im vorliegenden Gemälde – an Barocci denken lässt. Sein Ruhm trug ihm Aufträge zu Freskenausstattungen von Kirchen aus vielen Städten der Toskana ein. Unter ihnen zeichnen sich insbesondere die Darstellungen mit dem heiligen Laurentius in San Pietro in Montalcino durch Farbreichtum und eine szenografische Auffassung aus.