Lot Nr. 129


Pelagio Palagi


Pelagio Palagi - Alte Meister

(Bologna 1775–1860 Turin)
Herakles kämpft gegen Thanatos, um Alkestis aus dem Hades zu befreien,
Öl auf Leinwand, 161 x 227 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Bologna;
dort durch den jetzigen Besitzer erworben

Wir danken Fernando Mazzocca, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Das vorliegende Gemälde ist eine bedeutende Erweiterung des Œuvres Pelagio Palagis und trägt zur Kenntnis des Schaffens dieses Künstlers und der Figurenmalerei des italienischen Neoklassizismus bei. Palagi war ein Künstler von kultiviertem Raffinement. Dies belegt auch seine Bibliothek, die er dem Archiginnasio di Bologna vermachte, wo sie sich bis heute erhalten hat. Im Lauf seiner Karriere, die sich zwischen Rom, Mailand und Turin abspielte, widmete er sich vielen Bereichen der Historienmalerei, wobei die Bandbreite der Darstellungen von mythologischen Themen bis zu Motiven der antiken und modernen Geschichte reichte. Damit behauptete sich Palagi als führender Protagonist der letzten Phase des Neoklassizismus und der Frühzeit der Romantik (siehe C. Poppi [Hrsg.], Pelagio Palagi pittore. Dipinti dalle raccolte del Comune di Bologna, Ausstellungskatalog, Mailand 1996).

Auch wenn das vorliegende Gemälde in keiner der bekannten Quelle erwähnt wird, weist es stilistisch eindeutig auf Palagis Hand hin. Außerdem besteht ein deutlich sichtbarer Zusammenhang zu einer kleineren Fassung, die unverkennbar als Bozzetto oder Studie für das vorliegende Werk diente und u. a. ein paar geringfügige kompositorische Abweichungen im Hintergrund aufweist. Der wichtigste Unterschied zwischen der Studie und dem ausgeführten Werk betrifft jedoch die mit dem Helden kämpfende Figur. Im Entwurf ist sie als Todesgöttin (vielleicht als eine der Moiren) dargestellt, die fast durchscheinend wirkt, als wollte der Künstler ihre Immaterialität betonen, während im vorliegenden Gemälde die männliche Figur des Thanatos oder des personifizierten Todes mit handfestem Realismus wiedergegeben wird: Sein Körper zeichnet sich durch ein schimmerndes graues Inkarnat aus, das in auffälligem Gegensatz zu jenem der athletischen Figur des Herkules steht. Dort ist auch die Körperhaltung der Figuren dank der größeren Dynamik und präziser definierten Gesten besser gelöst.

Die Geschichte der Alkestis, der Frau des Argonauten Admetus, dem König von Pherae, erlangte durch Euripides in seiner frühesten Tragödie Alkestis weithin Bekanntheit; sie wurde auch von anderen Autoren der Antike wie Apollodor, Diodor und Hyginus (in seinen Fabulae) sowie von Pausanias erzählt. In der Neuzeit wurde sie von Vittorio Alfieri in seinem berühmten Drama Alceste aus dem Jahr 1798 und in Christoph Willibald Glucks Oper Alceste, die 1767 in der Wiener Hofburg uraufgeführt wurde, aufgegriffen. Aus der gleichen Zeit stammen die weniger bekannten Opern von Giovanni Battista Lampugnani und Antonio Marcos Portugal, die 1774 in London respektive 1799 in Venedig aufgeführt wurden. In der Malerei ist die am häufigsten dargestellte Episode der Geschichte der Heldin der Tod der Alkestis, etwa im Gemälde von Jean-François Peyron aus dem Jahr 1785, das im Louvre aufbewahrt wird.

Offensichtlich stieß der Mythos auf großes Interesse, nicht zuletzt wegen seines glücklichen Ausgangs, indem Alkestis dank des Eingreifens durch Herkules wieder zum Leben erweckt wird. Apollon, der von Zeus dazu verdammt worden war, ein Jahr lang einem Sterblichen zu dienen, hatte seine Zeit im Dienste des Admetus als Hüter von dessen Herden verbracht. Da der König ihn mit Respekt behandelt hatte, verhalf der Gott ihm zur Gunst der Alkestis. Am Tag der Hochzeit vergaß Admetus jedoch, Artemis ein Opfer darzubringen, woraufhin die Göttin dafür sorgte, dass er in seinem Bett Schlagen vorfand, um ihn vor seinem bevorstehenden Tod zu warnen. Als sein letztes Stündlein schlug, gelang es Apollon, von den Schicksalsgöttinnen das Versprechen zu erwirken, dass sein Schützling weiterleben dürfe, wenn jemand bereit sei, sich zu opfern und den Tod an seiner Stelle zu akzeptieren. Niemand, nicht einmal die alten Eltern des Admetus, boten sich an, und so beschloss Alkestis, anstelle ihres Mannes den Tod zu akzeptieren und damit ein Beispiel für eheliche Hingabe zu geben. In diesem Moment griff Herkules, der zu dieser Zeit bei Admetus zu Gast war, ein. Er verwickelte Thanatos in einen Kampf und schaffte es, Alkestis vor dem Tod zu retten und sie aus dem Hades zu Admetus zurückzubringen.

Anstatt den Tod der Alkestis, die prominenteste Episode der Geschichte, darzustellen, entschied sich Palagi für den Kampf zwischen Herkules und Thanatos, der hier nicht als abstrakter Geist, sondern als furchterregende Gottheit mit infernalischem Blick und einem ausgemergelten, leichenähnlichen Körper dargestellt wird, dessen Nacktheit bloß durch das Fell eines wilden Tieres bedeckt ist. Sowohl die Figur des Herkules, eingefroren in einer ungewöhnlichen Pose latenter Energie, als auch die des Thanatos, arretiert in einem Moment spannungsreicher Bewegung, stehen auch mit einem anderen einer griechischen Tragödie entnommenen Thema in Zusammenhang, das vom Künstler häufig wiedergegeben wurde: Orestes, der von den Furien verfolgt wird, nachdem er seinen Vater Agamemnon getötet hat. Die Figuren sind in ihren Körperhaltungen in einer Reihe wunderbarer Zeichnungen festgehalten, von denen die gelungenste von Francesco Rosaspina gestochen wurde (der Stich tauchte am 11. Oktober 2017 in einer Auktion bei Gonelli in Florenz auf; zur Serie der Zeichnungen siehe C. Poppi [Hrsg.], L’Ombra di Core. Disegni del fondo Palagi della Biblioteca dell’Archiginnasio, Ausstellungskatalog, Casalecchio di Reno 1988, S. 76f., 122–125). Was die Figur des Herkules angeht, bietet sich der Vergleich mit den in Aktion begriffenen Athleten in dem heute verlorenen Fresko La Lotta an, das 1821/22 für die Sala della Lanterna des Palazzo Reale in Mailand entstanden ist und heute nur mehr durch Vorzeichnungen und Fotografien bekannt ist. Das vorliegende Gemälde ist aufgrund der Komplexität der Komposition und der hohen Qualität der Ausführung in etwa denselben Zeitraum zu datieren, in dem Palagi am Höhepunkt seiner künstlerischen Reife angekommen war. Der Kampf zwischen Herkules und Thanatos steht als Motiv für den ständigen Kampf zwischen Leben und Tod: Die beiden Figuren bilden das Zentrum einer komplexen Komposition und werden von antiken Architekturen, die sich vom Himmel abheben, elegant hinterfangen. Die Figuren im Hintergrund, darunter links Alkestis am Rande des Todes, übernehmen die Rolle des Chors in der Inszenierung einer griechischen Tragödie.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

03.05.2023 - 18:00

Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Pelagio Palagi


(Bologna 1775–1860 Turin)
Herakles kämpft gegen Thanatos, um Alkestis aus dem Hades zu befreien,
Öl auf Leinwand, 161 x 227 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Bologna;
dort durch den jetzigen Besitzer erworben

Wir danken Fernando Mazzocca, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Das vorliegende Gemälde ist eine bedeutende Erweiterung des Œuvres Pelagio Palagis und trägt zur Kenntnis des Schaffens dieses Künstlers und der Figurenmalerei des italienischen Neoklassizismus bei. Palagi war ein Künstler von kultiviertem Raffinement. Dies belegt auch seine Bibliothek, die er dem Archiginnasio di Bologna vermachte, wo sie sich bis heute erhalten hat. Im Lauf seiner Karriere, die sich zwischen Rom, Mailand und Turin abspielte, widmete er sich vielen Bereichen der Historienmalerei, wobei die Bandbreite der Darstellungen von mythologischen Themen bis zu Motiven der antiken und modernen Geschichte reichte. Damit behauptete sich Palagi als führender Protagonist der letzten Phase des Neoklassizismus und der Frühzeit der Romantik (siehe C. Poppi [Hrsg.], Pelagio Palagi pittore. Dipinti dalle raccolte del Comune di Bologna, Ausstellungskatalog, Mailand 1996).

Auch wenn das vorliegende Gemälde in keiner der bekannten Quelle erwähnt wird, weist es stilistisch eindeutig auf Palagis Hand hin. Außerdem besteht ein deutlich sichtbarer Zusammenhang zu einer kleineren Fassung, die unverkennbar als Bozzetto oder Studie für das vorliegende Werk diente und u. a. ein paar geringfügige kompositorische Abweichungen im Hintergrund aufweist. Der wichtigste Unterschied zwischen der Studie und dem ausgeführten Werk betrifft jedoch die mit dem Helden kämpfende Figur. Im Entwurf ist sie als Todesgöttin (vielleicht als eine der Moiren) dargestellt, die fast durchscheinend wirkt, als wollte der Künstler ihre Immaterialität betonen, während im vorliegenden Gemälde die männliche Figur des Thanatos oder des personifizierten Todes mit handfestem Realismus wiedergegeben wird: Sein Körper zeichnet sich durch ein schimmerndes graues Inkarnat aus, das in auffälligem Gegensatz zu jenem der athletischen Figur des Herkules steht. Dort ist auch die Körperhaltung der Figuren dank der größeren Dynamik und präziser definierten Gesten besser gelöst.

Die Geschichte der Alkestis, der Frau des Argonauten Admetus, dem König von Pherae, erlangte durch Euripides in seiner frühesten Tragödie Alkestis weithin Bekanntheit; sie wurde auch von anderen Autoren der Antike wie Apollodor, Diodor und Hyginus (in seinen Fabulae) sowie von Pausanias erzählt. In der Neuzeit wurde sie von Vittorio Alfieri in seinem berühmten Drama Alceste aus dem Jahr 1798 und in Christoph Willibald Glucks Oper Alceste, die 1767 in der Wiener Hofburg uraufgeführt wurde, aufgegriffen. Aus der gleichen Zeit stammen die weniger bekannten Opern von Giovanni Battista Lampugnani und Antonio Marcos Portugal, die 1774 in London respektive 1799 in Venedig aufgeführt wurden. In der Malerei ist die am häufigsten dargestellte Episode der Geschichte der Heldin der Tod der Alkestis, etwa im Gemälde von Jean-François Peyron aus dem Jahr 1785, das im Louvre aufbewahrt wird.

Offensichtlich stieß der Mythos auf großes Interesse, nicht zuletzt wegen seines glücklichen Ausgangs, indem Alkestis dank des Eingreifens durch Herkules wieder zum Leben erweckt wird. Apollon, der von Zeus dazu verdammt worden war, ein Jahr lang einem Sterblichen zu dienen, hatte seine Zeit im Dienste des Admetus als Hüter von dessen Herden verbracht. Da der König ihn mit Respekt behandelt hatte, verhalf der Gott ihm zur Gunst der Alkestis. Am Tag der Hochzeit vergaß Admetus jedoch, Artemis ein Opfer darzubringen, woraufhin die Göttin dafür sorgte, dass er in seinem Bett Schlagen vorfand, um ihn vor seinem bevorstehenden Tod zu warnen. Als sein letztes Stündlein schlug, gelang es Apollon, von den Schicksalsgöttinnen das Versprechen zu erwirken, dass sein Schützling weiterleben dürfe, wenn jemand bereit sei, sich zu opfern und den Tod an seiner Stelle zu akzeptieren. Niemand, nicht einmal die alten Eltern des Admetus, boten sich an, und so beschloss Alkestis, anstelle ihres Mannes den Tod zu akzeptieren und damit ein Beispiel für eheliche Hingabe zu geben. In diesem Moment griff Herkules, der zu dieser Zeit bei Admetus zu Gast war, ein. Er verwickelte Thanatos in einen Kampf und schaffte es, Alkestis vor dem Tod zu retten und sie aus dem Hades zu Admetus zurückzubringen.

Anstatt den Tod der Alkestis, die prominenteste Episode der Geschichte, darzustellen, entschied sich Palagi für den Kampf zwischen Herkules und Thanatos, der hier nicht als abstrakter Geist, sondern als furchterregende Gottheit mit infernalischem Blick und einem ausgemergelten, leichenähnlichen Körper dargestellt wird, dessen Nacktheit bloß durch das Fell eines wilden Tieres bedeckt ist. Sowohl die Figur des Herkules, eingefroren in einer ungewöhnlichen Pose latenter Energie, als auch die des Thanatos, arretiert in einem Moment spannungsreicher Bewegung, stehen auch mit einem anderen einer griechischen Tragödie entnommenen Thema in Zusammenhang, das vom Künstler häufig wiedergegeben wurde: Orestes, der von den Furien verfolgt wird, nachdem er seinen Vater Agamemnon getötet hat. Die Figuren sind in ihren Körperhaltungen in einer Reihe wunderbarer Zeichnungen festgehalten, von denen die gelungenste von Francesco Rosaspina gestochen wurde (der Stich tauchte am 11. Oktober 2017 in einer Auktion bei Gonelli in Florenz auf; zur Serie der Zeichnungen siehe C. Poppi [Hrsg.], L’Ombra di Core. Disegni del fondo Palagi della Biblioteca dell’Archiginnasio, Ausstellungskatalog, Casalecchio di Reno 1988, S. 76f., 122–125). Was die Figur des Herkules angeht, bietet sich der Vergleich mit den in Aktion begriffenen Athleten in dem heute verlorenen Fresko La Lotta an, das 1821/22 für die Sala della Lanterna des Palazzo Reale in Mailand entstanden ist und heute nur mehr durch Vorzeichnungen und Fotografien bekannt ist. Das vorliegende Gemälde ist aufgrund der Komplexität der Komposition und der hohen Qualität der Ausführung in etwa denselben Zeitraum zu datieren, in dem Palagi am Höhepunkt seiner künstlerischen Reife angekommen war. Der Kampf zwischen Herkules und Thanatos steht als Motiv für den ständigen Kampf zwischen Leben und Tod: Die beiden Figuren bilden das Zentrum einer komplexen Komposition und werden von antiken Architekturen, die sich vom Himmel abheben, elegant hinterfangen. Die Figuren im Hintergrund, darunter links Alkestis am Rande des Todes, übernehmen die Rolle des Chors in der Inszenierung einer griechischen Tragödie.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 03.05.2023 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 22.04. - 03.05.2023

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