(Perugia 1884–1977)
Sorvolando il lago, 1934, signiert, Öl auf Holz, 60,5 x 57,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Galleria Fonte d’Abisso, Mailand (Fotozertifikat vorhanden, rückseitig Klebezettel)
Europäische Privatsammlung

Ausgestellt:
Venedig, XIX Biennale di Venezia 1934, Ausst.-Kat. Nr. 21 S. 174, betitelt „Sui laghi“ (Rückseite Klebezettel)
Paris, Les futuristes italiens. Art plastique mural aéropeinture futuriste art sacré futuriste décoration futuriste, 150 oeuvres exposées par 20 artistes, Galerie Bernheim-Jeune&C, 3.–27. April 1935, Ausst.-Kat. Nr. 14 mit Abb.
Turin, L’estetica della macchina. Da Balla al futurismo torinese, Palazzo Cavour, 29. Oktober 2004–30. Januar 2005, Ausst.-Kat. Nr. 115, S. 157 mit Abb.

Literatur:
G. Ballo, T. Loreti, Dottori Aeropitture Futurista, Editalia, Rom 1970, Nr. 119 mit Abb.
M. Duranti (Hrsg.), Gerardo Dottori: Catalogo Generale Ragionato, EFFE Fabrizio Fabbri Editore, Perugia, 2006, Bd. II, S. 512, Nr. 317-403 mit Abb. (falscher Träger)

Das vorliegende Werk „Sorvolando il lago” (Flug über dem See) aus dem Jahr 1934 ist von großer Bedeutung, da es eines der charakteristischen Merkmale der Forschung des Künstlers offenbart: die sog. Aeropittura („Luft und Flugmalerei“). Der bekannte Kunstkritiker Guido Ballo beschrieb Dottoris Malerei wie folgt: „... Dottori ist seiner Heimat Umbrien zutiefst verbunden, aber er drückt sie durch totale Landschaften aus, an den Grenzen einer abstrakten Methode, oder sogar durch nicht-figurative Kompositionen. Diese zeigen immer die Persönlichkeit des Malers, seine Zuneigung, seine Vorstellung von der Realität und auch seinen Dialog mit der Natur durch Linien und Farben, die bis zu dem Punkt, an dem sie rekonstruiert oder erfunden wird, so sehr assimiliert wird, dass sie zur „anderen Natur” wird. Hierin liegen die Kohärenz und die Ausdruckskraft von Dottori: Er überwindet schließlich die Impulse des Futurismus selbst. Er wurde von dessen Poetik beeinflusst, ohne sich dessen Normen zu unterwerfen, und konnte – in seinen besten Werken – seine visionäre Sprache mit Strenge, aber auch mit Freiheit der Phantasie bis in seine letzten Jahre umsetzen.
Die in Dottoris Werk häufig verwendete Vogelperspektive erinnert an den aufmerksamen Blick der Eule der Minerva, den Hegel im letzten Absatz der Vorrede zu seiner Philosophie des Rechts beschreibt. Es ist kein Zufall, dass Dottori sich auf sein Gemälde mit den Worten bezieht: „Durch die Natur der Fluggeschwindigkeit konnte ich die irdische Landschaft erschaffen, indem ich sie von Raum und Zeit isolierte und sie mit Himmel fütterte, so dass sie zum Paradies wurde“. Die in der Renaissance theoretisierte Luftperspektive wird von Dottori aufgegriffen und durch den subjektiven Blick des Künstlers gefiltert, und so kann man ihn als einen der Schöpfer der modernen „Landschaftsmalerei“ bezeichnen.