(Cleve um 1485–1540/41 Antwerpen)
Madonna mit Kind und einem Buch,
Öl auf Holz, auf Leinwand übertragen, 62,5 x 50 cm, ungerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Schweiz

Das vorliegende Gemälde gehört zu einer ganzen Reihe von Versionen desselben Bildthemas, die von der Werkstatt oder dem Umkreis Joos van Cleves nach dem Vorbild des Meisters ausgeführt wurden und die Zeitgenossen und Nachfolgern zu beachtlichem Erfolg verhalfen. Die bekannteste Fassung, die dem Meister selbst zugeschrieben, für die jedoch auch die Beteiligung seiner Werkstatt angenommen wird, ist um 1525 zu datieren und befindet sich im Metropolitan Museum of Art, New York (siehe M. W. Ainsworth, K. Christiansen, J. Chapuis (Hrsg.), From Van Eyck to Bruegel: Early Netherlandish Painting in The Metropolitan Museum of Art, New York 1999, S. 360–362). Dieses Gemälde zeigt eine identische Komposition für die Darstellung der Madonna mit dem Kind, unterscheidet sich aber in der Beschreibung von Bildkulisse und Gegenständen.

Das vorliegende Gemälde weist genau jene Qualitäten auf, für die man die niederländische Malerei seit jeher schätzt: einen außergewöhnlichen Realismus, der hier dank der Detailgenauigkeit des Künstlers hinsichtlich der Transparenz des Glases im Vordergrund, des Fells der Manschetten der Gottesmutter sowie der Wiedergabe der Buchseiten und der Früchte auf dem Sims vor ihr veranschaulicht wird. Alle diese Elemente fügen sich perfekt in die intime und liebevolle Atmosphäre der Szene ein, die für Darstellungen der Madonna mit Kind charakteristisch ist: Hier ist das Kind schlafend auf dem Schoß der Mutter dargestellt. Die in einem eleganten Innenraum angesiedelte Szene öffnet sich zu einer grünen Landschaft, die von winzigen Figuren bevölkert wird und durch die ein Fluss nach hinten zu den fernen blauen Bergen fließt – unverkennbar ein Rückgriff auf Leonardos Sfumato-Technik.

Diese Art der Darstellung, bei der die Mutter in die Andachtslektüre vertieft ist, während sie ihr schlafendes Kind im Arm hält, ist reich an symbolischen Bezügen. Das schlafende Kind ist als eine Vorwegnahme der Passion zu verstehen. Der Apfel, den es in der Hand hält, weist es als den neuen Adam aus und erinnert an die Erbsünde.

Der Name Joos van Cleve leitet sich von seinem Geburtsort Cleve in der heutigen niederrheinischen Region in Deutschland, nahe der niederländischen Grenze, ab. Sein Vater William van Cleve der Ältere war ebenfalls ein an der Akademie von Antwerpen dokumentierter Maler. Später wurde Joos van Cleve Diakon der Gilde; seine Kunst wurde von den großen Meistern des 15. Jahrhunderts beeinflusst, insbesondere von Dürer (1471–1528) und Leonardo (1452–1519).