Lot Nr. 348


Reinhardt, Max,


Regisseur, 1873 – 1943. E. B. m. U., Lido Venedig, 3. 10. 1933, 2 S., gedr. Briefkopf (Schloss Leopoldskron Salzburg, gestrichen), gr.-8vo.

An eine Freundin, wohl an Edith Andreae, geb. Rathenau (1883 – 1952), Saloniere und Förderin Max Reinhardts: „Liebe, verehrte Freundin, nun sind wir durch das Leben, das in seiner dramatischen Wucht unser Theater weit überflogen und mit seinen Geschossen beinahe eingeebnet hat, räumlich ganz auseinandergerissen. Ich bin heute in Venedig, übermorgen in Paris und so weiter auf der Wanderschaft, die meinen leiblichen und beruflichen Vorfahren gleichermaßen im Blute lag. Trotz dieser und trotz andren Tatsachen und trotz meiner unleugbaren Lust am Wandern plagt mich doch das Heimweh, wenn ich an die hellen Jahre meines Werdens danke und den frischen Wind der Vorzeit schüre, in den weiten Berlinerstraßen alles zusammenfegte zum Spiel was im Ernst zusammengehörte. Mit dieser Zeit und ihrer Luft sind Sie mit Ihrem schnellen und fruchtbaren Aufnehmen, mit Ihrem Feuer, Ihrem Geist, ja auch mit Ihrem (...) in Gottesnamen unlöslich verbunden. Und wenn ich England zum Doktor, in Frankreich Ritter, in Italien zum Direktor gemacht werde, so bleibt doch, dem Teufel und seiner und meiner Großmutter zum Trotz, mein Vaterhaus die deutsche Sprache. Dieses Haus konnt ich freilich nicht lassen (...), so muss ich es eben auf dem Rücken mit mir tragen. (Es ist übrigens das einzige, das mir von vielen Häusern geblieben ist) In diesem Haus ist alles, was ich an lebendigen Werten erhalten habe und behalten möchte. Also haben Sie neben dem Grunewald und dem Starnberger See noch eine dritte Wohnung. Als eingeborener Dramaturg weiß ich, daß zuletzt alle Verwicklungen nur der Entwicklung dienen und daß man sich am Ende kriegt. Zwischen dem - sich kriegen und - sich bekriegen läuft doch das ganze Leben durch alle Zeiten und alle Reiche. In dieser Zuversicht grüße ich Sie von Herzen und danke Ihnen, daß Sie meiner gedacht haben. Ihr Max Reinhardt. Zum Nachtisch noch zwei Salzburger Fakten: Der Faust ist gut geworden und Ihre Tochter lebt prächtig und in Freuden auf einer grünen Wiese. Beilage: Helene Thimig - Reinhardt: E. B. m. U., o. O., 28. 8. 1946, Zensurstempel, 2 S., blaues Papier, 8vo. An Frau Andrea(e), d. i. Edith Andreae, geb. Rathenau: „Wie sehr erinnere ich unsere Gespräche (…) und Alles, Alles andere Schöne und endgültig Vergangene, an das zu rühren ein ganz mysteriöser Prozess ist – da es ja einem selbst gar nicht vergangen ist! Immer scheint alles gegenwärtig zu sein, was ja in uns gedrungen ist und so sind wir eben heute zu sehr – gefüllten Gefäßen geworden (…) Also: falls ich dort bin in Zürich, werde ich Sie anrufen und wenn auch nur für eine halbe Stunde bei Ihnen sitzen“.

Experte: Mag. Andreas Löbbecke Mag. Andreas Löbbecke
+43-1-515 60-389

books@dorotheum.at

27.06.2024 - 16:58

Erzielter Preis: **
EUR 2.000,-
Startpreis:
EUR 300,-

Reinhardt, Max,


Regisseur, 1873 – 1943. E. B. m. U., Lido Venedig, 3. 10. 1933, 2 S., gedr. Briefkopf (Schloss Leopoldskron Salzburg, gestrichen), gr.-8vo.

An eine Freundin, wohl an Edith Andreae, geb. Rathenau (1883 – 1952), Saloniere und Förderin Max Reinhardts: „Liebe, verehrte Freundin, nun sind wir durch das Leben, das in seiner dramatischen Wucht unser Theater weit überflogen und mit seinen Geschossen beinahe eingeebnet hat, räumlich ganz auseinandergerissen. Ich bin heute in Venedig, übermorgen in Paris und so weiter auf der Wanderschaft, die meinen leiblichen und beruflichen Vorfahren gleichermaßen im Blute lag. Trotz dieser und trotz andren Tatsachen und trotz meiner unleugbaren Lust am Wandern plagt mich doch das Heimweh, wenn ich an die hellen Jahre meines Werdens danke und den frischen Wind der Vorzeit schüre, in den weiten Berlinerstraßen alles zusammenfegte zum Spiel was im Ernst zusammengehörte. Mit dieser Zeit und ihrer Luft sind Sie mit Ihrem schnellen und fruchtbaren Aufnehmen, mit Ihrem Feuer, Ihrem Geist, ja auch mit Ihrem (...) in Gottesnamen unlöslich verbunden. Und wenn ich England zum Doktor, in Frankreich Ritter, in Italien zum Direktor gemacht werde, so bleibt doch, dem Teufel und seiner und meiner Großmutter zum Trotz, mein Vaterhaus die deutsche Sprache. Dieses Haus konnt ich freilich nicht lassen (...), so muss ich es eben auf dem Rücken mit mir tragen. (Es ist übrigens das einzige, das mir von vielen Häusern geblieben ist) In diesem Haus ist alles, was ich an lebendigen Werten erhalten habe und behalten möchte. Also haben Sie neben dem Grunewald und dem Starnberger See noch eine dritte Wohnung. Als eingeborener Dramaturg weiß ich, daß zuletzt alle Verwicklungen nur der Entwicklung dienen und daß man sich am Ende kriegt. Zwischen dem - sich kriegen und - sich bekriegen läuft doch das ganze Leben durch alle Zeiten und alle Reiche. In dieser Zuversicht grüße ich Sie von Herzen und danke Ihnen, daß Sie meiner gedacht haben. Ihr Max Reinhardt. Zum Nachtisch noch zwei Salzburger Fakten: Der Faust ist gut geworden und Ihre Tochter lebt prächtig und in Freuden auf einer grünen Wiese. Beilage: Helene Thimig - Reinhardt: E. B. m. U., o. O., 28. 8. 1946, Zensurstempel, 2 S., blaues Papier, 8vo. An Frau Andrea(e), d. i. Edith Andreae, geb. Rathenau: „Wie sehr erinnere ich unsere Gespräche (…) und Alles, Alles andere Schöne und endgültig Vergangene, an das zu rühren ein ganz mysteriöser Prozess ist – da es ja einem selbst gar nicht vergangen ist! Immer scheint alles gegenwärtig zu sein, was ja in uns gedrungen ist und so sind wir eben heute zu sehr – gefüllten Gefäßen geworden (…) Also: falls ich dort bin in Zürich, werde ich Sie anrufen und wenn auch nur für eine halbe Stunde bei Ihnen sitzen“.

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
stamps@dorotheum.at

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Auktion: Autographen, Handschriften, Urkunden
Auktionstyp: Online Auction
Datum: 27.06.2024 - 16:58
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 22.06. - 27.06.2024


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