Lot Nr. 95 -


Johann Heinrich Tischbein d. Ä.


Johann Heinrich Tischbein d. Ä. - Alte Meister

(Haina 1722–1789 Kassel)
Bildnis des Louis Gaucher, Duc de Châtillon (1737–1762), als Kommandeur und Inhaber des Kürassierregimentes der “Cavalerie du Roi”, seine Rechte deutet auf eine Karte mit einer Darstellung der Schlacht von Kassel, im linken Hintergrund Schloss Weißenstein bei Kassel mit dem Herkules,
undeutlich signiert und datiert unten links: JHTi...be fecit...62,
Öl auf Leinwand, 223 x 129 cm, gerahmt

Provenienz:
Adrienne Emilie Félicité, Duchesse de Châtillon, née de La Vallière;
Auktion Hôtel Drouot, Paris, 26. Juni 1928;
Adelsbesitz, Bretagne

Literatur:
A. Depreaux, Louis Gaucher, Duc de Châtillon (1737-1762), in: Carnet de la Sabretache, 11, 1931, S. 254-257, Nr. 354 mit Abb.

Wir danken Anna-Charlotte Flohr, Verfasserin des Werkverzeichnisses der Porträts von Johann Heinrich Tischbein d. Ä., die das Gemälde nach Begutachtung des Originals als eigenhändiges Werk Tischbeins bestätigt hat. Ein ausführliches Gutachten liegt bei.

Dieses eindrucksvolle Porträt eines jungen Kavalleriekommandanten ist eines der wichtigsten neu entdeckten Werke Tischbein, das auf dem Kunstmarkt erschienen ist. Sein Format, die künstlerische Ambition und seine historische Bedeutung lassen es einzigartig erscheinen. 1760 besetzten im Rahmen des Siebenjährigen Krieges französische Truppen unter dem Kommando des Marschalls Duc de Broglie sowie sächsische Truppen unter dem Prinzen Franz Xaver von Sachsen in ihrem Kampf gegen die preußisch-englische Allianz Kassel, Hauptstadt der Landgrafschaft Hessen-Kassel. Der junge Landgraf Friedrich II. verließ die Stadt rechtzeitig. Erst 1762 gelang es dem Herzog von Braunschweig, die Besetzer aus Hessen zu vertreiben. Zu denjenigen, die 1760 in Kassel verblieben, gehörte Johann Heinrich Tischbein d. Ä., der landgräfliche Hofmaler und Akademiedirektor. Er arrangierte sich offenbar schnell mit den fremden Offizieren und erhielt von ihnen bald Porträtaufträge. Beim Abzug der Franzosen nahmen die von Tischbein Porträtierten ihre Bildnisse mit in die Heimat. Bisher waren zwei in Frankreich befindliche Porträts bekannt: das 1762 entstandene des Generals de Chevert (Hôtel de Ville, Verdun) und ein heute verschollenes des Marschalls de Broglie. Das hier angebotene Bildnis des Duc de Châtillon ist eine bedeutende Erweiterung für diesen kleinen Werkcorpus. Es ist dem Chevert-Porträt eng verwandt und möglicherweise, wofür das nahezu identische Format spricht, als ein gemeinsamer Auftrag der beiden Generäle ausgeführt worden. Ebenso vergleichbar sind das allerdings erst 1765 entstandene Bildnis des hessischen Obersten Karl Emil von Donop (Westfälisches Landesmuseum, Münster) und das Bildnis des Fürsten zu Waldeck und Pyrmont mit seiner Familie im fürstlichen Residenzschloss Arolsen.

Die Unifomierung entspricht in großen Teilen den kgl. Ordonances vom 1. April 1750 – diese wurden zwar 1761 erneuert, die Neuerungen aber bis Ende des Krieges ausgesetzt. Der Herzog trägt die beigegelben Lederreithosen der französischen schweren Kavallerie mit den vorgeschriebenen weißen Knieschonern, die einen Kontakt der schwarzen Stiefel mit dem feinen hellen Leder der Breeches verhindern sollten. Unter dem Kürass, der sowohl den Rücken wie auch die Brust bedeckt, was ausschließlich für Offiziere vorgeschrieben war, trägt er ein ebenfalls ledernes und mit silberner Borte gesäumtes Wams, dessen Ärmel mit rotsamtenen Stulpen verziert sind. Dass er auf den blauen, rotgefütterten Rock, der über dem Panzer offen getragen wurde, verzichtete, lässt auf die besondere Eleganz des Kleidungsvorlieben des jungen Regimentskommandeurs schließen. Der Offizierspallasch mit dem silbernen Portepee entspricht mit seinen zwei schweren Bügeln ebenfalls den Vorschriften für die schwere Kavallerie von 1750. Albert Depreaux zog in seinem Artikel in der französischen Militärzeitschrift „Carnet de la Sabretache“ aus der Uniformierung falsche Schlüsse. Er versuchte, das Fehlen des Rocks dadurch zu erklären, der Dargestellte sei wohl nicht Châtillon, sondern ein Offizier der „Cuirassiers du Roi“ gemäß den Ordonances von 1767. Die Datierung des Gemäldes auf 1762, historische Fakten (1767 befand sich kein französischer Soldat mehr in Kassel) und auch die Uniform nach aktuellsten militärhistorischen Forschungen wiederlegen dies eindeutig. Der Dargestellte ist der junge Duc de Châtillon. Seine rechte Hand zeigt auf eine Karte von Kassel mit seinen Befestigungen und den umliegenden Dörfern. Ob er auf der Karte auf den Ort eines für ihn bedeutsamen Gefechts weist, ist unbekannt. Dieser von ihm markierte Punkt entspricht in etwa seiner angenommenen Positionierung vor dem damaligen Schloss Weißenstein sowie der mächtigen Kaskade des Herkules, die man im Bildhintergrund erkennt. Das französische Feldlager vor Schloss Weißenstein ist im rechten Hintergrund erkennbar und vor diesem lagern Soldaten, die mit ihren hohen Bärenfellmützen eindeutig als französische Grenadiere zu erkennen sind. Neben der Karte liegt der schwarze, silberverbrämte Dreispitz der französischen Kavallerie. Die weiße Kokarde ist ein Zeichen der Zugehörigkeit des Regiments zum königlichen Haushalt, wobei diese Kokarde manchmal auch schwarz sein konnte – es existierten diesbezüglich keine präzisen Vorschriften.

Louis Gaucher, zweiter Duc de Châtillon, gehörte zu einer der bedeutendsten und ältesten französischen Adelsfamilien. Er war erblicher Pair von Frankreich und als Nachfolger seines Schwiegervaters, des Duc de La Vallière, Inhaber des Erbamtes des „Grand Fauconnier“ (Oberstfalkenmeisters). Der 1760 erst dreiundzwanzigjährige Herzog, der im Gefecht bei Korbach tapfer gekämpft hatte, war einer der hochrangigsten französischen Offiziere in Kassel. Schon bald nach seiner Rückkehr nach Paris starb der Herzog 1762 an den Windpocken. Mit seinen an die Herzöge von La Trémoille und Uzès vermählten Töchtern starb das Haus Châtillon aus.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

19.04.2016 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 61.447,-
Schätzwert:
EUR 60.000,- bis EUR 80.000,-

Johann Heinrich Tischbein d. Ä.


(Haina 1722–1789 Kassel)
Bildnis des Louis Gaucher, Duc de Châtillon (1737–1762), als Kommandeur und Inhaber des Kürassierregimentes der “Cavalerie du Roi”, seine Rechte deutet auf eine Karte mit einer Darstellung der Schlacht von Kassel, im linken Hintergrund Schloss Weißenstein bei Kassel mit dem Herkules,
undeutlich signiert und datiert unten links: JHTi...be fecit...62,
Öl auf Leinwand, 223 x 129 cm, gerahmt

Provenienz:
Adrienne Emilie Félicité, Duchesse de Châtillon, née de La Vallière;
Auktion Hôtel Drouot, Paris, 26. Juni 1928;
Adelsbesitz, Bretagne

Literatur:
A. Depreaux, Louis Gaucher, Duc de Châtillon (1737-1762), in: Carnet de la Sabretache, 11, 1931, S. 254-257, Nr. 354 mit Abb.

Wir danken Anna-Charlotte Flohr, Verfasserin des Werkverzeichnisses der Porträts von Johann Heinrich Tischbein d. Ä., die das Gemälde nach Begutachtung des Originals als eigenhändiges Werk Tischbeins bestätigt hat. Ein ausführliches Gutachten liegt bei.

Dieses eindrucksvolle Porträt eines jungen Kavalleriekommandanten ist eines der wichtigsten neu entdeckten Werke Tischbein, das auf dem Kunstmarkt erschienen ist. Sein Format, die künstlerische Ambition und seine historische Bedeutung lassen es einzigartig erscheinen. 1760 besetzten im Rahmen des Siebenjährigen Krieges französische Truppen unter dem Kommando des Marschalls Duc de Broglie sowie sächsische Truppen unter dem Prinzen Franz Xaver von Sachsen in ihrem Kampf gegen die preußisch-englische Allianz Kassel, Hauptstadt der Landgrafschaft Hessen-Kassel. Der junge Landgraf Friedrich II. verließ die Stadt rechtzeitig. Erst 1762 gelang es dem Herzog von Braunschweig, die Besetzer aus Hessen zu vertreiben. Zu denjenigen, die 1760 in Kassel verblieben, gehörte Johann Heinrich Tischbein d. Ä., der landgräfliche Hofmaler und Akademiedirektor. Er arrangierte sich offenbar schnell mit den fremden Offizieren und erhielt von ihnen bald Porträtaufträge. Beim Abzug der Franzosen nahmen die von Tischbein Porträtierten ihre Bildnisse mit in die Heimat. Bisher waren zwei in Frankreich befindliche Porträts bekannt: das 1762 entstandene des Generals de Chevert (Hôtel de Ville, Verdun) und ein heute verschollenes des Marschalls de Broglie. Das hier angebotene Bildnis des Duc de Châtillon ist eine bedeutende Erweiterung für diesen kleinen Werkcorpus. Es ist dem Chevert-Porträt eng verwandt und möglicherweise, wofür das nahezu identische Format spricht, als ein gemeinsamer Auftrag der beiden Generäle ausgeführt worden. Ebenso vergleichbar sind das allerdings erst 1765 entstandene Bildnis des hessischen Obersten Karl Emil von Donop (Westfälisches Landesmuseum, Münster) und das Bildnis des Fürsten zu Waldeck und Pyrmont mit seiner Familie im fürstlichen Residenzschloss Arolsen.

Die Unifomierung entspricht in großen Teilen den kgl. Ordonances vom 1. April 1750 – diese wurden zwar 1761 erneuert, die Neuerungen aber bis Ende des Krieges ausgesetzt. Der Herzog trägt die beigegelben Lederreithosen der französischen schweren Kavallerie mit den vorgeschriebenen weißen Knieschonern, die einen Kontakt der schwarzen Stiefel mit dem feinen hellen Leder der Breeches verhindern sollten. Unter dem Kürass, der sowohl den Rücken wie auch die Brust bedeckt, was ausschließlich für Offiziere vorgeschrieben war, trägt er ein ebenfalls ledernes und mit silberner Borte gesäumtes Wams, dessen Ärmel mit rotsamtenen Stulpen verziert sind. Dass er auf den blauen, rotgefütterten Rock, der über dem Panzer offen getragen wurde, verzichtete, lässt auf die besondere Eleganz des Kleidungsvorlieben des jungen Regimentskommandeurs schließen. Der Offizierspallasch mit dem silbernen Portepee entspricht mit seinen zwei schweren Bügeln ebenfalls den Vorschriften für die schwere Kavallerie von 1750. Albert Depreaux zog in seinem Artikel in der französischen Militärzeitschrift „Carnet de la Sabretache“ aus der Uniformierung falsche Schlüsse. Er versuchte, das Fehlen des Rocks dadurch zu erklären, der Dargestellte sei wohl nicht Châtillon, sondern ein Offizier der „Cuirassiers du Roi“ gemäß den Ordonances von 1767. Die Datierung des Gemäldes auf 1762, historische Fakten (1767 befand sich kein französischer Soldat mehr in Kassel) und auch die Uniform nach aktuellsten militärhistorischen Forschungen wiederlegen dies eindeutig. Der Dargestellte ist der junge Duc de Châtillon. Seine rechte Hand zeigt auf eine Karte von Kassel mit seinen Befestigungen und den umliegenden Dörfern. Ob er auf der Karte auf den Ort eines für ihn bedeutsamen Gefechts weist, ist unbekannt. Dieser von ihm markierte Punkt entspricht in etwa seiner angenommenen Positionierung vor dem damaligen Schloss Weißenstein sowie der mächtigen Kaskade des Herkules, die man im Bildhintergrund erkennt. Das französische Feldlager vor Schloss Weißenstein ist im rechten Hintergrund erkennbar und vor diesem lagern Soldaten, die mit ihren hohen Bärenfellmützen eindeutig als französische Grenadiere zu erkennen sind. Neben der Karte liegt der schwarze, silberverbrämte Dreispitz der französischen Kavallerie. Die weiße Kokarde ist ein Zeichen der Zugehörigkeit des Regiments zum königlichen Haushalt, wobei diese Kokarde manchmal auch schwarz sein konnte – es existierten diesbezüglich keine präzisen Vorschriften.

Louis Gaucher, zweiter Duc de Châtillon, gehörte zu einer der bedeutendsten und ältesten französischen Adelsfamilien. Er war erblicher Pair von Frankreich und als Nachfolger seines Schwiegervaters, des Duc de La Vallière, Inhaber des Erbamtes des „Grand Fauconnier“ (Oberstfalkenmeisters). Der 1760 erst dreiundzwanzigjährige Herzog, der im Gefecht bei Korbach tapfer gekämpft hatte, war einer der hochrangigsten französischen Offiziere in Kassel. Schon bald nach seiner Rückkehr nach Paris starb der Herzog 1762 an den Windpocken. Mit seinen an die Herzöge von La Trémoille und Uzès vermählten Töchtern starb das Haus Châtillon aus.

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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 19.04.2016 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 09.04. - 19.04.2016


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

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