Lot Nr. 9


Johannes Hispanus


Johannes Hispanus - Alte Meister

(tätig in Mittel- und Süditalien 1490–1510)
Grablegung Christi,
Öl auf Holz, 42 x 83,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Luigi Battistelli, Florenz, 7.–8. Juni 1909, Los 19 (als Francesco Francia)
Sammlung Leopoldina Gaslini, Mailand (als Lorenzo Costa),
Europäische Privatsammlung

Literatur:
Federico Zeri, Johannes Hispanus: ancora una ‚Deposizione’, in: Paragone II, 1950, 11, S. 60–61, Abb. 23;
Marco Tanzi (Hrsg.), Ioanes Ispanus. La Pala di Viadana. Tracce di classicismo precoce lungo la valle del Po, Ausstellungskatalog, Viadana 2000, S. 54, Abb. 32

Federico Zeri war der erste Kunsthistoriker, der sich mit der Künstlerpersönlichkeit des Johannes Hispanus auseinandersetzte (Federico Zeri, Me pinxit, 6. ‚Ioanes Ispanus‘, Proporzioni, II, 1948, S. 172–175). Ausgehend von einer Beweinung Christi (Sammlung Saibene, Mailand; Fondazione Zeri, Nr. 23208), bei der es sich um das einzige signierte Werk des Künstlers handelt, stellte Zeri eine Werkgruppe zusammen, die von einem breiten geografischen Einfluss zeugt (Toskana, Lombardei, Marken, Veneto). Zwei von Zeri Hispanus zugeschriebene Tafeln befinden sich in Viadana (Santa Maria Assunta e San Cristoforo; Fondazione Zeri, Nr. 57746) bzw. Montecassiano (Palazzo Comunale; Fondazione Zeri, Nr. 57746).
Anlässlich einer den Altartafeln in Viadana gewidmeten Ausstellung erweiterte Marco Tanzi das Hispanus-Oeuvre und konkretisierte auch den Verlauf von dessen künstlerischer Laufbahn: Nach Anfängen in der Toskana war Hispanus demnach im Norden Italiens und schließlich in den Marken tätig. In späteren Beiträgen fügte Tanzi dem Schaffen von Hispanus noch weitere Werke hinzu (Marco Tanzi, Siparietti cremonesi, Prospettiva, 2004, S. 113–114, S. 117–161 [S. 156, Anm. 15]; M. Tanzi, Aggiornamenti per Filippo da Verona, Verona illustrata, XIX, 2006, S. 97–107 [S. 106, Anm. 2]).

Die vorliegende Grablegung Christi publizierte Zeri bereits 1950 als eigenhändiges Werk des Hispanus (siehe Literatur). Zeri betont die physiognomische Nähe der dargestellten Figuren zum Altarbild in Viadana und das subtile Helldunkel des Gemäldes. Mit der bereits erwähnten Saibene-Beweinung teilt das vorliegende Bild nicht nur das Sujet, sondern auch die horizontal angelegte Komposition. Bei der weiten Hintergrundlandschaft handelt es sich um ein Charakteristikum im Schaffen von Hispanus, das vom Einfluss ferrareser Künstler wie Boccaccino oder Mazolino zeugt. Der Figurenstil verrät zudem ein Interesse an Perspektive, das besonders in Mailand – etwa im Werk Bramantinos – weit verbreitet war. Dieses neue Interesse für Landschaft und Perspektive weist auf das weitere Schaffen von Hispanus voraus, sodass die kleine Tafel ein wichtiges Dokument für die Entwicklung des Künstlers darstellt.

Technische Analyse

Das vorliegende Werk ist gekonnt mit breiten und dünnen Pinselstrichen und rasch gesetzten Farbtupfern in einigen Gesichtern ausgeführt. Auffällig und ungewöhnlich ist das Vorhandensein einer blauen Unterschicht, die sich bei manchen Figuren unter dem Mikroskop zeigt (Einsatz von Azurit als lokaler Grundierung).

In manchen Bereichen zeigt sich in der Infrarotreflektografie eine zarte lineare Unterzeichnung (1–1,7 Mikrometer), doch es scheint, dass der Großteil der Zeichnung mit Metallgallustinte oder einer anderen für die IR-Strahlung nicht sichtbaren Tinte ausgeführt wurde. Kompositionelle Veränderungen sind in der Haltung des Kopfes Christi sowie im Kopf des Mannes dahinter zu erkennen, der gedreht worden zu sein scheint. Ausgehend vom IRR-Bild besteht die Möglichkeit, dass hinter diesem Mann, neben der Jungfrau Maria, eine weitere Figur gestanden hat, die dann nicht gemalt und durch einen Felsen ersetzt wurde. Weitere kleinere Veränderungen beinhalten die Vergrößerung des Mönchskopfes.

Hinsichtlich der Pigmente hat eine an fast fünfzig Stellen durchgeführte nicht-invasive Reflexionsspektroskopie ergeben, dass in den Blaubereichen sowohl Lapislazuli für die heller strahlenden Farbtöne des Himmels und der Berge als auch kostengünstigeres Azurit für die matteren Töne der Bäume im fernen Hintergrund zum Einsatz kamen. Die Verteilung dieser beiden mineralischen Blaupigmente wird durch die Farb-Infrarot-Bildgebung bestätigt. Vermischt mit Cochenillen-basiertem Rotpigment (Karmin) fand Azurit auch für die Violettöne mancher Gewänder Verwendung. Dasselbe Rotpigment kam bei den rosaroten Kleidern und bei den Lasuren und Schatten des helleren Zinnobers sowie in der Dalmatik des heiligen Stephanus zum Einsatz. Die Grüntöne bestehen aus Grünspan (Kupferacetat) und wurden mit einem auf Blei basierten Gelbpigment aufgehellt.



Additional image:
Infrared reflectograph

19.04.2016 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 68.750,-
Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Johannes Hispanus


(tätig in Mittel- und Süditalien 1490–1510)
Grablegung Christi,
Öl auf Holz, 42 x 83,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Luigi Battistelli, Florenz, 7.–8. Juni 1909, Los 19 (als Francesco Francia)
Sammlung Leopoldina Gaslini, Mailand (als Lorenzo Costa),
Europäische Privatsammlung

Literatur:
Federico Zeri, Johannes Hispanus: ancora una ‚Deposizione’, in: Paragone II, 1950, 11, S. 60–61, Abb. 23;
Marco Tanzi (Hrsg.), Ioanes Ispanus. La Pala di Viadana. Tracce di classicismo precoce lungo la valle del Po, Ausstellungskatalog, Viadana 2000, S. 54, Abb. 32

Federico Zeri war der erste Kunsthistoriker, der sich mit der Künstlerpersönlichkeit des Johannes Hispanus auseinandersetzte (Federico Zeri, Me pinxit, 6. ‚Ioanes Ispanus‘, Proporzioni, II, 1948, S. 172–175). Ausgehend von einer Beweinung Christi (Sammlung Saibene, Mailand; Fondazione Zeri, Nr. 23208), bei der es sich um das einzige signierte Werk des Künstlers handelt, stellte Zeri eine Werkgruppe zusammen, die von einem breiten geografischen Einfluss zeugt (Toskana, Lombardei, Marken, Veneto). Zwei von Zeri Hispanus zugeschriebene Tafeln befinden sich in Viadana (Santa Maria Assunta e San Cristoforo; Fondazione Zeri, Nr. 57746) bzw. Montecassiano (Palazzo Comunale; Fondazione Zeri, Nr. 57746).
Anlässlich einer den Altartafeln in Viadana gewidmeten Ausstellung erweiterte Marco Tanzi das Hispanus-Oeuvre und konkretisierte auch den Verlauf von dessen künstlerischer Laufbahn: Nach Anfängen in der Toskana war Hispanus demnach im Norden Italiens und schließlich in den Marken tätig. In späteren Beiträgen fügte Tanzi dem Schaffen von Hispanus noch weitere Werke hinzu (Marco Tanzi, Siparietti cremonesi, Prospettiva, 2004, S. 113–114, S. 117–161 [S. 156, Anm. 15]; M. Tanzi, Aggiornamenti per Filippo da Verona, Verona illustrata, XIX, 2006, S. 97–107 [S. 106, Anm. 2]).

Die vorliegende Grablegung Christi publizierte Zeri bereits 1950 als eigenhändiges Werk des Hispanus (siehe Literatur). Zeri betont die physiognomische Nähe der dargestellten Figuren zum Altarbild in Viadana und das subtile Helldunkel des Gemäldes. Mit der bereits erwähnten Saibene-Beweinung teilt das vorliegende Bild nicht nur das Sujet, sondern auch die horizontal angelegte Komposition. Bei der weiten Hintergrundlandschaft handelt es sich um ein Charakteristikum im Schaffen von Hispanus, das vom Einfluss ferrareser Künstler wie Boccaccino oder Mazolino zeugt. Der Figurenstil verrät zudem ein Interesse an Perspektive, das besonders in Mailand – etwa im Werk Bramantinos – weit verbreitet war. Dieses neue Interesse für Landschaft und Perspektive weist auf das weitere Schaffen von Hispanus voraus, sodass die kleine Tafel ein wichtiges Dokument für die Entwicklung des Künstlers darstellt.

Technische Analyse

Das vorliegende Werk ist gekonnt mit breiten und dünnen Pinselstrichen und rasch gesetzten Farbtupfern in einigen Gesichtern ausgeführt. Auffällig und ungewöhnlich ist das Vorhandensein einer blauen Unterschicht, die sich bei manchen Figuren unter dem Mikroskop zeigt (Einsatz von Azurit als lokaler Grundierung).

In manchen Bereichen zeigt sich in der Infrarotreflektografie eine zarte lineare Unterzeichnung (1–1,7 Mikrometer), doch es scheint, dass der Großteil der Zeichnung mit Metallgallustinte oder einer anderen für die IR-Strahlung nicht sichtbaren Tinte ausgeführt wurde. Kompositionelle Veränderungen sind in der Haltung des Kopfes Christi sowie im Kopf des Mannes dahinter zu erkennen, der gedreht worden zu sein scheint. Ausgehend vom IRR-Bild besteht die Möglichkeit, dass hinter diesem Mann, neben der Jungfrau Maria, eine weitere Figur gestanden hat, die dann nicht gemalt und durch einen Felsen ersetzt wurde. Weitere kleinere Veränderungen beinhalten die Vergrößerung des Mönchskopfes.

Hinsichtlich der Pigmente hat eine an fast fünfzig Stellen durchgeführte nicht-invasive Reflexionsspektroskopie ergeben, dass in den Blaubereichen sowohl Lapislazuli für die heller strahlenden Farbtöne des Himmels und der Berge als auch kostengünstigeres Azurit für die matteren Töne der Bäume im fernen Hintergrund zum Einsatz kamen. Die Verteilung dieser beiden mineralischen Blaupigmente wird durch die Farb-Infrarot-Bildgebung bestätigt. Vermischt mit Cochenillen-basiertem Rotpigment (Karmin) fand Azurit auch für die Violettöne mancher Gewänder Verwendung. Dasselbe Rotpigment kam bei den rosaroten Kleidern und bei den Lasuren und Schatten des helleren Zinnobers sowie in der Dalmatik des heiligen Stephanus zum Einsatz. Die Grüntöne bestehen aus Grünspan (Kupferacetat) und wurden mit einem auf Blei basierten Gelbpigment aufgehellt.



Additional image:
Infrared reflectograph


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 19.04.2016 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 09.04. - 19.04.2016


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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