Lot Nr. 5


Jacopo di Arcangelo, gen. Jacopo del Sellaio


Jacopo di Arcangelo, gen. Jacopo del Sellaio - Alte Meister

(Florenz 1441/42–1493)
Die Heilige Familie mit dem Johannesknaben in einer Landschaft,
Tempera auf Holz, Tondo, Dm. 68 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Pierre Gaspard Marie Grimaud, Graf von Orsay, Frankreich und Deutschland;
dessen Sohn Maximilan Joseph Grimaud, Graf von Orsay (lt. Siegel auf der Rückseite);
Privatsammlung, Schweinfurt, Deutschland;
Auktion, Christie’s, London, 7. Juli 1978, Los 167;
Privatsammlung, Los Angeles;
Auktion, Sotheby’s, New York, 21. Mai 1992, Lot 48;
Kunsthandel Altomani, Pesaro;
Europäische Privatsammlung

Giorgio Vasaris Viten (1568) zufolge wurde Jacopo del Sellaio in der Werkstatt von Filippo Lippi ausgebildet und traf dort mit Sandro Botticelli zusammen, an dessen Schaffen er sich stilistisch wie motivisch stark orientierte (G. Vasari, Le vite de' più eccellenti pittori, scultori ed architettori, 1550, G. Milanesi ed., Florenz 1878–1885, Bd. II, S. 627, 642–643). Als Lippi zwischen 1452 und 1469 in Prato tätig war, zählten zu seinen Gehilfen zwei garzoni namens Domenico und Jacopo (E. W. Rowlands, Filippo Lippi, in: J. Turner (Hrsg.), The Grove Dictionary of Art, Bd. 19, S. 445). Möglicherweise handelte es sich bei dem einen um Domenico Ghirlandaio, während der andere vermutlich Sellaio war.

Der Einfluss Filippo Lippis auf den Stil des Künstlers lässt sich zwar nur schwer beurteilen, doch jener Botticellis ist in seinem Frühwerk unverkennbar. Die Datierung der Gemälde Sellaios erweist sich als problematisch; seine Werke der 1470er- und 1480er-Jahre sind häufig mit Arbeiten Botticellis verwechselt worden. Der Stil der beiden Meister näherte sich in jener Zeit so stark an, dass ein Werk – die Madonna des Meers – in der Accademia in Florenz weiterhin sowohl Botticelli oder gar Filippo Lippi als auch Jacopo del Sellaio zugeschrieben wird.

Das Thema der Muttergottes mit dem Jesuskind war in der Florentiner Malerei der damaligen Zeit generell überaus beliebt. Auch Jacopo del Sellaio beschäftigte sich mehrfach damit, wie Tafelbilder belegen, die sich heute in New York (Metropolitan Museum), San Francisco (Fine Arts Museum) und Venedig (Galleria G. Franchetti, Ca' d'Oro) befinden. Im vorliegenden Gemälde entspricht die Figur der Gottesmutter jener der Maria aus der dokumentarisch für Sellaio gesicherten und mit 1473 datierten Verkündigung in Santa Lucia dei Magnoli in Florenz. Wenngleich hinsichtlich der Handhaltung, der Kleidung und des Heiligenscheins der Madonna kleinere motivische Unterschiede bestehen, ist ihr Kopf auf dieselbe Weise nach vorne geneigt, und auf ihrer linken Schulter erscheint derselbe kleine goldene Stern.

Jacopo del Sellaio gründete gemeinsam mit Filippo di Giuliano seine eigene Werkstatt, die später von seinem Sohn, Archangelo di Jacopo del Sellaio, übernommen wurde.

Das Bild ist im Fotoarchiv der Fondazione Zeri unter Nr. 17114 als eigenhändiges Werk Jacopo del Sellaios verzeichnet.

Technische Analyse

Das vorliegende Gemälde ist ein gutes Beispiel für die in Florenz in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entwickelte verfeinerte Maltechnik. In der Infrarotreflektografie tritt eine die Umrisse präzise festlegende Unterzeichnung zutage, die mit einem dünnen Pinsel und schwarzer Tinte ausgeführt wurde und der im Gemälde sorgfältig und ohne substanzielle Veränderungen gefolgt wird. Es zeigen sich keine Schraffuren zur Definition der Schatten und Volumina, die vermutlich in den Vorzeichnungen auf Papier vorbereitet wurden, wie es auch der Arbeitsweise anderer in dieser Periode tätigen Florentiner Künstler entspricht. Das fein strukturierte Volumen der grünen Innenseite des Mantels der Heiligen Maria, das sich aufgrund des Nachdunkelns der kupferbasierten Grünpigmente dem Auge heute entzieht, wird in den IR-Bildern sichtbar.

Bei dem Malmedium handelt es sich den Pinselstrichen nach zu schließen höchstwahrscheinlich um Eitempera, der womöglich Sikkativöl in kleinen Mengen beigegeben wurde. Die Ausführung der Details verraten ein großes technisches Können, wie aus den zarten Farbtupfern an den Fingern der Madonna und in den Gesichtern, den Landschaftselementen sowie den Muschelgoldverzierungen der Gewänder zu erkennen ist.

Mittels der an zahlreichen Stellen durchgeführten Reflexionsspektroskopie wurde der Großteil der zum Einsatz kommenden Pigmente bestimmt. Grob bzw. fein gemahlener blauer Azurit wurde für den Himmel, die Berge, das Wasser und die blauen Gewänder verwendet – so im Mantel der Madonna und im Gewand Josefs, wo mittels einer Mischung mit organischem Rotpigment ein violetter Farbton erzielt wurde. Für die Grüntöne der Bäume wurde Azurit mit einem bleibasierten Gelb gemischt, während für das Gras und andere Grünbereiche hauptsächlich auf Kupfer basierende Grünpigmente wie Grünspan und vielleicht Malachit zum Einsatz kamen. Dasselbe Gelb wie für die Bäume wurde für die Glanzlichter im Mantel des heiligen Josef verwendet, während Ocker für die Schatten herangezogen wurde. Ein auf Cochenillen-Basis hergestelltes Rotpigment findet sich in den Schattenbereichen des roten Kleides der Madonna über einer Schicht von Zinnober sowie im Mantel des heiligen Josef. Das Inkarnat wurde wie üblich durch die Hinzufügung von Zinnober und Ockertönen zu Bleiweiß unter Beimengung einiger Schwarzpartikel erzielt.

Zu den interessantesten Ergebnissen der wissenschaftlichen Untersuchung zählt die außerordentliche Gabe des Malers, durch die Mischung von Pigmenten die gewünschten Farbtöne zu erzielen, was sich unter dem Mikroskop (in 200-facher Vergrößerung) betrachten lässt. So wurden zum Beispiel für Josefs blaues Gewand Gelb- und Grünpartikel mit Azurit und kleinen Mengen von Rot vermischt, während die braunen Felsen hinter ihm aus einer komplexen Mischung aus gelbbraunen Ockertönen, Blassgrün und tiefblauen kupferhaltigen Pigmenten bestehen, denen abhängig vom Bereich auch schwarze und rote Partikel hinzugefügt wurden.



Additional images:
The coat-of-arms of Maximilan Joseph Grimaud (see provenance)
Infrared reflectograph

19.04.2016 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 222.600,-
Schätzwert:
EUR 180.000,- bis EUR 220.000,-

Jacopo di Arcangelo, gen. Jacopo del Sellaio


(Florenz 1441/42–1493)
Die Heilige Familie mit dem Johannesknaben in einer Landschaft,
Tempera auf Holz, Tondo, Dm. 68 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Pierre Gaspard Marie Grimaud, Graf von Orsay, Frankreich und Deutschland;
dessen Sohn Maximilan Joseph Grimaud, Graf von Orsay (lt. Siegel auf der Rückseite);
Privatsammlung, Schweinfurt, Deutschland;
Auktion, Christie’s, London, 7. Juli 1978, Los 167;
Privatsammlung, Los Angeles;
Auktion, Sotheby’s, New York, 21. Mai 1992, Lot 48;
Kunsthandel Altomani, Pesaro;
Europäische Privatsammlung

Giorgio Vasaris Viten (1568) zufolge wurde Jacopo del Sellaio in der Werkstatt von Filippo Lippi ausgebildet und traf dort mit Sandro Botticelli zusammen, an dessen Schaffen er sich stilistisch wie motivisch stark orientierte (G. Vasari, Le vite de' più eccellenti pittori, scultori ed architettori, 1550, G. Milanesi ed., Florenz 1878–1885, Bd. II, S. 627, 642–643). Als Lippi zwischen 1452 und 1469 in Prato tätig war, zählten zu seinen Gehilfen zwei garzoni namens Domenico und Jacopo (E. W. Rowlands, Filippo Lippi, in: J. Turner (Hrsg.), The Grove Dictionary of Art, Bd. 19, S. 445). Möglicherweise handelte es sich bei dem einen um Domenico Ghirlandaio, während der andere vermutlich Sellaio war.

Der Einfluss Filippo Lippis auf den Stil des Künstlers lässt sich zwar nur schwer beurteilen, doch jener Botticellis ist in seinem Frühwerk unverkennbar. Die Datierung der Gemälde Sellaios erweist sich als problematisch; seine Werke der 1470er- und 1480er-Jahre sind häufig mit Arbeiten Botticellis verwechselt worden. Der Stil der beiden Meister näherte sich in jener Zeit so stark an, dass ein Werk – die Madonna des Meers – in der Accademia in Florenz weiterhin sowohl Botticelli oder gar Filippo Lippi als auch Jacopo del Sellaio zugeschrieben wird.

Das Thema der Muttergottes mit dem Jesuskind war in der Florentiner Malerei der damaligen Zeit generell überaus beliebt. Auch Jacopo del Sellaio beschäftigte sich mehrfach damit, wie Tafelbilder belegen, die sich heute in New York (Metropolitan Museum), San Francisco (Fine Arts Museum) und Venedig (Galleria G. Franchetti, Ca' d'Oro) befinden. Im vorliegenden Gemälde entspricht die Figur der Gottesmutter jener der Maria aus der dokumentarisch für Sellaio gesicherten und mit 1473 datierten Verkündigung in Santa Lucia dei Magnoli in Florenz. Wenngleich hinsichtlich der Handhaltung, der Kleidung und des Heiligenscheins der Madonna kleinere motivische Unterschiede bestehen, ist ihr Kopf auf dieselbe Weise nach vorne geneigt, und auf ihrer linken Schulter erscheint derselbe kleine goldene Stern.

Jacopo del Sellaio gründete gemeinsam mit Filippo di Giuliano seine eigene Werkstatt, die später von seinem Sohn, Archangelo di Jacopo del Sellaio, übernommen wurde.

Das Bild ist im Fotoarchiv der Fondazione Zeri unter Nr. 17114 als eigenhändiges Werk Jacopo del Sellaios verzeichnet.

Technische Analyse

Das vorliegende Gemälde ist ein gutes Beispiel für die in Florenz in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entwickelte verfeinerte Maltechnik. In der Infrarotreflektografie tritt eine die Umrisse präzise festlegende Unterzeichnung zutage, die mit einem dünnen Pinsel und schwarzer Tinte ausgeführt wurde und der im Gemälde sorgfältig und ohne substanzielle Veränderungen gefolgt wird. Es zeigen sich keine Schraffuren zur Definition der Schatten und Volumina, die vermutlich in den Vorzeichnungen auf Papier vorbereitet wurden, wie es auch der Arbeitsweise anderer in dieser Periode tätigen Florentiner Künstler entspricht. Das fein strukturierte Volumen der grünen Innenseite des Mantels der Heiligen Maria, das sich aufgrund des Nachdunkelns der kupferbasierten Grünpigmente dem Auge heute entzieht, wird in den IR-Bildern sichtbar.

Bei dem Malmedium handelt es sich den Pinselstrichen nach zu schließen höchstwahrscheinlich um Eitempera, der womöglich Sikkativöl in kleinen Mengen beigegeben wurde. Die Ausführung der Details verraten ein großes technisches Können, wie aus den zarten Farbtupfern an den Fingern der Madonna und in den Gesichtern, den Landschaftselementen sowie den Muschelgoldverzierungen der Gewänder zu erkennen ist.

Mittels der an zahlreichen Stellen durchgeführten Reflexionsspektroskopie wurde der Großteil der zum Einsatz kommenden Pigmente bestimmt. Grob bzw. fein gemahlener blauer Azurit wurde für den Himmel, die Berge, das Wasser und die blauen Gewänder verwendet – so im Mantel der Madonna und im Gewand Josefs, wo mittels einer Mischung mit organischem Rotpigment ein violetter Farbton erzielt wurde. Für die Grüntöne der Bäume wurde Azurit mit einem bleibasierten Gelb gemischt, während für das Gras und andere Grünbereiche hauptsächlich auf Kupfer basierende Grünpigmente wie Grünspan und vielleicht Malachit zum Einsatz kamen. Dasselbe Gelb wie für die Bäume wurde für die Glanzlichter im Mantel des heiligen Josef verwendet, während Ocker für die Schatten herangezogen wurde. Ein auf Cochenillen-Basis hergestelltes Rotpigment findet sich in den Schattenbereichen des roten Kleides der Madonna über einer Schicht von Zinnober sowie im Mantel des heiligen Josef. Das Inkarnat wurde wie üblich durch die Hinzufügung von Zinnober und Ockertönen zu Bleiweiß unter Beimengung einiger Schwarzpartikel erzielt.

Zu den interessantesten Ergebnissen der wissenschaftlichen Untersuchung zählt die außerordentliche Gabe des Malers, durch die Mischung von Pigmenten die gewünschten Farbtöne zu erzielen, was sich unter dem Mikroskop (in 200-facher Vergrößerung) betrachten lässt. So wurden zum Beispiel für Josefs blaues Gewand Gelb- und Grünpartikel mit Azurit und kleinen Mengen von Rot vermischt, während die braunen Felsen hinter ihm aus einer komplexen Mischung aus gelbbraunen Ockertönen, Blassgrün und tiefblauen kupferhaltigen Pigmenten bestehen, denen abhängig vom Bereich auch schwarze und rote Partikel hinzugefügt wurden.



Additional images:
The coat-of-arms of Maximilan Joseph Grimaud (see provenance)
Infrared reflectograph


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 19.04.2016 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 09.04. - 19.04.2016


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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