Lot Nr. 39


Tiziano Vecellio, gen. Tizian, Werkstatt


Tiziano Vecellio, gen. Tizian, Werkstatt - Alte Meister

(Pieve di Cadore, ca. 1485/90–1576 Venedig)
Ecce Homo,
Öl auf Leinwand, 107,5 x 94 cm, gerahmt

Wir danken Paul Joannides für die Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original. Es scheint sich um ein bisher unveröffentlichtes Werk zu handeln, und Teile des Gemäldes könnten, wie Joannides vermutet, möglicherweise von Tizian selbst ausgeführt worden sein.

Wie Joannides bemerkt, orientiert sich die Komposition eng an dem berühmten Ecce-Homo-Gemälde in St. Louis. Dieses Gemälde gilt generell als Spätwerk und wird von den meisten Forschern Tizian und seiner Werkstatt zugeschrieben, wobei ein gewisses Maß an Unsicherheit hinsichtlich des Anteils der Mitwirkung Tizians und eines oder mehrerer Werkstattmitarbeiter bestehen bleibt. Auf den ersten Blick erscheint das vorliegende Gemälde etwas breiter als das Bild in St. Louis, doch ist es bei fast gleicher Breite nur unwesentlich weniger hoch. Vergleicht man die beiden Bilder, die sich durch die Herangehensweise beträchtlich voneinander unterscheiden, scheint es hier gegenüber dem Bild in St. Louis stärkere wie auch schwächere Passagen zu geben. In manchen Bereichen ist das Bildgeschehen klarer, in anderen weniger sicher. Doch obzwar die Verteilung der Bildelemente variieren mag, so ist die Komposition mehr oder weniger die gleiche. Auf dem Bild in St. Louis scheint Pilatus ursprünglich so angelegt gewesen zu sein, dass er den Mantel mit der Rechten von der Schulter Christi zieht, um ihn der imaginierten Menge – und somit dem Betrachter – besser vorführen zu können. Doch dieser Vorgang ist malerisch nie wirklich geklärt worden, sodass in diesem Bereich des Gemäldes ziemliche Konfusion herrscht. Im vorliegenden Werk scheint diese Handlung weder geplant noch überdeckt worden zu sein. Auf dem Bild in St. Louis scheint unklar, wer die Fackel hält, während hier der Stab links, auf dem eine Kohlenpfanne ruht, von einer großzügig modellierten rechten Hand gehalten wird; etwas dahinter sieht man das geneigte und etwas vereinfachte Gesicht des Besitzers dieser Hand. In diesem Fall scheint der Stab eher zu einer Pike als zu einer Fackel zu gehören – obgleich oben links ein Feuerschein auszumachen ist. In diesem Bereich ist das Bildgeschehen des vorliegenden Gemäldes kohärenter dargestellt als auf dem Bild in St. Louis.

Obwohl es einen unverkennbaren Zusammenhang zwischen dem vorliegenden Gemälde und dem Bild in St. Louis – abgesehen von der Fassung des Prado die einzige weithin bekannte Version des Themas – gibt, besteht tatsächlich eine größere Nähe zwischen dem vorliegenden Gemälde und einem wenig bekannten und wenig erforschten Bild in München (Inv. 6252, siehe R. Kultzen, Venezianische Gemälde des 15. und 16. Jahrhunderts, 1971, S. 194/95), die sich als Dauerleihgabe in der Abtei Münsterschwarzbach befindet. Dort, um zwei Beispiele herauszugreifen, wird die Stange von einem jungen Mann gehalten, dessen Hand nach vorn gerichtet ist, und auch auf ihr sitzt eine Kohlenpfanne auf, die den oberen Bildrand durchbricht; und auf der rechten Seite des Bildes fällt der Mantel Christi in einer Weise, die auf dem vorliegenden Bild nur angedeutet, aber eigentlich nicht zu Ende geführt worden ist. Joannides kennt das Münchner Bild zwar nicht aus eigener Anschauung, doch aufgrund der bei Kultzen publizierten Abbildung (Münchner Katalog, Tafel 24) scheint es ihm, dass sich in der Malweise keinerlei Hinweis findet, der eine Zuschreibung an Tizian nachvollziehbar machen würde. Bei aller gebotener Zurückhaltung glaubt er, dass es sich möglicherweise um eine leicht modifizierte Kopie des vorliegenden Gemäldes handelt, die vielleicht, wenn auch nicht notwendigerweise, von einem Künstler in Tizians Werkstatt ausgeführt wurde.

Dieser Umstand verleiht Joannides’ Auffassung, dass es sich bei dem vorliegenden Bild um eine bedeutende Neuentdeckung handelt, zusätzlich Gewicht. Joannides meint, dass das vorliegende Gemälde insgesamt betrachtet, auch wenn es nicht an die Qualität des Bildes in St. Louis herankommt (so erscheint Joannides der Torso Christi hier weniger überzeugend gemalt), letzterem dennoch nicht besonders unterlegen ist, und dass manche Bereiche – etwa Pilates aufwendiges Gewand – wirkungsvoller in die Komposition integriert sind als in der Fassung in St. Louis, wo seiner Kleidung weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird. Joannides zufolge ist das vorliegende Gemälde in seinem jetzigen Zustand schwer zu beurteilen und bedarf dringend restauratorischer Maßnahmen, obgleich ihm die Oberfläche relativ unversehrt erscheint. Seiner Ansicht nach wurden sowohl das Bild in St. Louis als auch das vorliegende Gemälde von Tizian unter Beteiligung seiner Werkstatt ausgeführt und niemals ganz vollendet.

Bei der Prüfung des vorliegenden Gemäldes nahm Joannides eine diagonal verlaufende Form – eine Art Stab – in der rechten oberen Ecke wahr, die ihn veranlasste, eine Röntgenuntersuchung anzuregen. Das Röntgenbild zeigte in diesem Bereich zwar nichts, deckte dafür aber einen viel interessanteren Umstand auf: Die Leinwand war, gegenüber dem später gemalten Bild auf den Kopf gestellt, schon einmal verwendet worden, für das Porträt eines Mannes (siehe Abb. 1). Es scheint einen Dichter zu zeigen, der in der Rechten eine Feder hält, während die Linke auf einem geöffnetem Buch ruht, das auf einem Tisch liegt. Die Details lassen darauf schließen, dass dieses Porträt fast fertig ausgeführt war, doch es bleibt eine offene Frage, ob die Gesichtszüge des Mannes für die Bestimmung seiner Identität genau genug erkennbar sind. Unter den in den Standardwerken verzeichneten Gemälden von oder nach Tizian scheint es keine weitere Version dieses Porträts zu geben; eine gründlichere Suche in Bildarchiven könnte hier zielführend sein. Jedenfalls spricht nichts an der Haltung oder Anordnung gegen eine Bilderfindung Tizians oder eines Mitglieds seiner Werkstatt; Joannides zufolge wäre ein Porträt dieses Typus in den 1550er-Jahren anzusiedeln, was sich mit der ungefähren Entstehungszeit, die er für die Ecce-Homo-Darstellung vorschlägt, decken würde.

Tizians späte Fassungen des Ecce Homo werden in einem Aufsatz von Miguel Falomir (Christ Mocked, a late “invenzione” by Titian, in: Artibus et Historiae, Nr. 55, 2007, S. 53–61) ausführlich behandelt. Das Hauptaugenmerk legt der Autor auf jene Variante der Komposition, die sich heute im Prado befindet und ebenfalls eine Gemeinschaftsarbeit von Tizian und seiner Werkstatt ist. Dort wurde der junge Mann links gegen einen älteren ausgetauscht, und vor Christus und Pilatus erscheinen weitere Figuren, die von rechts in die Komposition eindringen. In Anbetracht des Gemäldes im Prado und der Kopie einer weiteren Fassung in der Königlichen Sammlung, in der der Jüngling links unten den Mantel von der rechten Schulter Christi zu ziehen scheint, hat es den Anschein, als hätte Tizian – wie auch in anderen Fällen – hier eine Reihe von Varianten zu einem Grundthema geschaffen. Die Frage, ob es einmal eine zur Gänze eigenhändige Fassung einer dieser Varianten gegeben hat, ist mit den bis dato vorliegenden Informationen unmöglich zu beantworten.

Wir danken Paul Joannides für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Das durch eine Röntgenaufnahme sichtbar gemachte Porträt

Das durch eine Röntgenaufnahme unter dem Ecce Homo sichtbar gemachte Dreiviertelporträt eines stehenden Mannes wirft viele Fragen auf. Soweit es sich anhand des Röntgenfotos beurteilen lässt, scheint dieses Porträt beinahe vollendet zu sein. Die vielen Details, wie beispielsweise der Ring des linken Zeigefingers, die Verzierung auf den Kniehosen, die Fransen der Draperien und die das Licht reflektierenden Perlen, welche ein Künstler üblicherweise kurz vor Fertigstellung seines Gemäldes ausarbeitet, fallen hierbei besonders auf. Es lassen sich die Gesichtszüge und der aufgeweckte Blick eines Mannes erkennen, obwohl die untere Hälfte des Gesichtes teilweise durch Jesus‘ gebundene Hände verdeckt ist.

Das Modell trägt ein dunkles Wams und mit Blumenmotiven verzierte Kniehosen. Sein breiter umgeschlagener Kragen und die breite Gürtelschnalle, der Ring, die Abwesenheit eines Schwertes und einem „Schwulst“ (eine Auswölbung des Gewandes auf Magenhöhe, die ein typisches Merkmal zeitgenössischer Rüstungsbekleidung sein könnte) deuten darauf hin, dass er trotz offensichtlichem Wohlstand kein Edelmann ist. In seiner rechten Hand hält er eine Feder, die linke Hand ist auf einem Buch gestützt, auf dem ebenfalls eine Schreibgarnitur erkennbar ist. Dies erweckt den Verdacht, dass es sich hier um einen Literaten handelt, allerdings sprechen das geschlossenen Buch und die an drei Nägeln an der Wand aufgehängten Perlenketten eher dafür, dass der Abgebildete ein reicher, mit seinem Haushaltsbuch posierender Händler ist. Tatsächlich scheinen diese Perlenketten viel eher lose Perlenstränge als vollendete Juwelen zu sein. Weitere Bespiele solcher Perlenstränge sind bisher unbekannt und sie könnten ein typisches Motiv sein, welches Tizian absichtlich als Detail zur Entschlüsselung der Identität des Porträtierten eingesetzt haben könnte. Eine sich aus Schlingen und „Kettengliedern“ zusammensetzende horizontale Form unter den Krägen muss noch identifiziert werden.

Zusatzabbildungen.
1. Das durch eine Röntgenaufnahme sichtbar gemachte Porträt
© ]a[ NTK 2015 Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. M. Schreiner
2. Die gespiegelte Röntgenaufnahme des vorliegenden Lots.
© ]a[ NTK 2015 Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. M. Schreiner

20.10.2015 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 186.000,-
Schätzwert:
EUR 100.000,- bis EUR 150.000,-

Tiziano Vecellio, gen. Tizian, Werkstatt


(Pieve di Cadore, ca. 1485/90–1576 Venedig)
Ecce Homo,
Öl auf Leinwand, 107,5 x 94 cm, gerahmt

Wir danken Paul Joannides für die Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original. Es scheint sich um ein bisher unveröffentlichtes Werk zu handeln, und Teile des Gemäldes könnten, wie Joannides vermutet, möglicherweise von Tizian selbst ausgeführt worden sein.

Wie Joannides bemerkt, orientiert sich die Komposition eng an dem berühmten Ecce-Homo-Gemälde in St. Louis. Dieses Gemälde gilt generell als Spätwerk und wird von den meisten Forschern Tizian und seiner Werkstatt zugeschrieben, wobei ein gewisses Maß an Unsicherheit hinsichtlich des Anteils der Mitwirkung Tizians und eines oder mehrerer Werkstattmitarbeiter bestehen bleibt. Auf den ersten Blick erscheint das vorliegende Gemälde etwas breiter als das Bild in St. Louis, doch ist es bei fast gleicher Breite nur unwesentlich weniger hoch. Vergleicht man die beiden Bilder, die sich durch die Herangehensweise beträchtlich voneinander unterscheiden, scheint es hier gegenüber dem Bild in St. Louis stärkere wie auch schwächere Passagen zu geben. In manchen Bereichen ist das Bildgeschehen klarer, in anderen weniger sicher. Doch obzwar die Verteilung der Bildelemente variieren mag, so ist die Komposition mehr oder weniger die gleiche. Auf dem Bild in St. Louis scheint Pilatus ursprünglich so angelegt gewesen zu sein, dass er den Mantel mit der Rechten von der Schulter Christi zieht, um ihn der imaginierten Menge – und somit dem Betrachter – besser vorführen zu können. Doch dieser Vorgang ist malerisch nie wirklich geklärt worden, sodass in diesem Bereich des Gemäldes ziemliche Konfusion herrscht. Im vorliegenden Werk scheint diese Handlung weder geplant noch überdeckt worden zu sein. Auf dem Bild in St. Louis scheint unklar, wer die Fackel hält, während hier der Stab links, auf dem eine Kohlenpfanne ruht, von einer großzügig modellierten rechten Hand gehalten wird; etwas dahinter sieht man das geneigte und etwas vereinfachte Gesicht des Besitzers dieser Hand. In diesem Fall scheint der Stab eher zu einer Pike als zu einer Fackel zu gehören – obgleich oben links ein Feuerschein auszumachen ist. In diesem Bereich ist das Bildgeschehen des vorliegenden Gemäldes kohärenter dargestellt als auf dem Bild in St. Louis.

Obwohl es einen unverkennbaren Zusammenhang zwischen dem vorliegenden Gemälde und dem Bild in St. Louis – abgesehen von der Fassung des Prado die einzige weithin bekannte Version des Themas – gibt, besteht tatsächlich eine größere Nähe zwischen dem vorliegenden Gemälde und einem wenig bekannten und wenig erforschten Bild in München (Inv. 6252, siehe R. Kultzen, Venezianische Gemälde des 15. und 16. Jahrhunderts, 1971, S. 194/95), die sich als Dauerleihgabe in der Abtei Münsterschwarzbach befindet. Dort, um zwei Beispiele herauszugreifen, wird die Stange von einem jungen Mann gehalten, dessen Hand nach vorn gerichtet ist, und auch auf ihr sitzt eine Kohlenpfanne auf, die den oberen Bildrand durchbricht; und auf der rechten Seite des Bildes fällt der Mantel Christi in einer Weise, die auf dem vorliegenden Bild nur angedeutet, aber eigentlich nicht zu Ende geführt worden ist. Joannides kennt das Münchner Bild zwar nicht aus eigener Anschauung, doch aufgrund der bei Kultzen publizierten Abbildung (Münchner Katalog, Tafel 24) scheint es ihm, dass sich in der Malweise keinerlei Hinweis findet, der eine Zuschreibung an Tizian nachvollziehbar machen würde. Bei aller gebotener Zurückhaltung glaubt er, dass es sich möglicherweise um eine leicht modifizierte Kopie des vorliegenden Gemäldes handelt, die vielleicht, wenn auch nicht notwendigerweise, von einem Künstler in Tizians Werkstatt ausgeführt wurde.

Dieser Umstand verleiht Joannides’ Auffassung, dass es sich bei dem vorliegenden Bild um eine bedeutende Neuentdeckung handelt, zusätzlich Gewicht. Joannides meint, dass das vorliegende Gemälde insgesamt betrachtet, auch wenn es nicht an die Qualität des Bildes in St. Louis herankommt (so erscheint Joannides der Torso Christi hier weniger überzeugend gemalt), letzterem dennoch nicht besonders unterlegen ist, und dass manche Bereiche – etwa Pilates aufwendiges Gewand – wirkungsvoller in die Komposition integriert sind als in der Fassung in St. Louis, wo seiner Kleidung weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird. Joannides zufolge ist das vorliegende Gemälde in seinem jetzigen Zustand schwer zu beurteilen und bedarf dringend restauratorischer Maßnahmen, obgleich ihm die Oberfläche relativ unversehrt erscheint. Seiner Ansicht nach wurden sowohl das Bild in St. Louis als auch das vorliegende Gemälde von Tizian unter Beteiligung seiner Werkstatt ausgeführt und niemals ganz vollendet.

Bei der Prüfung des vorliegenden Gemäldes nahm Joannides eine diagonal verlaufende Form – eine Art Stab – in der rechten oberen Ecke wahr, die ihn veranlasste, eine Röntgenuntersuchung anzuregen. Das Röntgenbild zeigte in diesem Bereich zwar nichts, deckte dafür aber einen viel interessanteren Umstand auf: Die Leinwand war, gegenüber dem später gemalten Bild auf den Kopf gestellt, schon einmal verwendet worden, für das Porträt eines Mannes (siehe Abb. 1). Es scheint einen Dichter zu zeigen, der in der Rechten eine Feder hält, während die Linke auf einem geöffnetem Buch ruht, das auf einem Tisch liegt. Die Details lassen darauf schließen, dass dieses Porträt fast fertig ausgeführt war, doch es bleibt eine offene Frage, ob die Gesichtszüge des Mannes für die Bestimmung seiner Identität genau genug erkennbar sind. Unter den in den Standardwerken verzeichneten Gemälden von oder nach Tizian scheint es keine weitere Version dieses Porträts zu geben; eine gründlichere Suche in Bildarchiven könnte hier zielführend sein. Jedenfalls spricht nichts an der Haltung oder Anordnung gegen eine Bilderfindung Tizians oder eines Mitglieds seiner Werkstatt; Joannides zufolge wäre ein Porträt dieses Typus in den 1550er-Jahren anzusiedeln, was sich mit der ungefähren Entstehungszeit, die er für die Ecce-Homo-Darstellung vorschlägt, decken würde.

Tizians späte Fassungen des Ecce Homo werden in einem Aufsatz von Miguel Falomir (Christ Mocked, a late “invenzione” by Titian, in: Artibus et Historiae, Nr. 55, 2007, S. 53–61) ausführlich behandelt. Das Hauptaugenmerk legt der Autor auf jene Variante der Komposition, die sich heute im Prado befindet und ebenfalls eine Gemeinschaftsarbeit von Tizian und seiner Werkstatt ist. Dort wurde der junge Mann links gegen einen älteren ausgetauscht, und vor Christus und Pilatus erscheinen weitere Figuren, die von rechts in die Komposition eindringen. In Anbetracht des Gemäldes im Prado und der Kopie einer weiteren Fassung in der Königlichen Sammlung, in der der Jüngling links unten den Mantel von der rechten Schulter Christi zu ziehen scheint, hat es den Anschein, als hätte Tizian – wie auch in anderen Fällen – hier eine Reihe von Varianten zu einem Grundthema geschaffen. Die Frage, ob es einmal eine zur Gänze eigenhändige Fassung einer dieser Varianten gegeben hat, ist mit den bis dato vorliegenden Informationen unmöglich zu beantworten.

Wir danken Paul Joannides für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Das durch eine Röntgenaufnahme sichtbar gemachte Porträt

Das durch eine Röntgenaufnahme unter dem Ecce Homo sichtbar gemachte Dreiviertelporträt eines stehenden Mannes wirft viele Fragen auf. Soweit es sich anhand des Röntgenfotos beurteilen lässt, scheint dieses Porträt beinahe vollendet zu sein. Die vielen Details, wie beispielsweise der Ring des linken Zeigefingers, die Verzierung auf den Kniehosen, die Fransen der Draperien und die das Licht reflektierenden Perlen, welche ein Künstler üblicherweise kurz vor Fertigstellung seines Gemäldes ausarbeitet, fallen hierbei besonders auf. Es lassen sich die Gesichtszüge und der aufgeweckte Blick eines Mannes erkennen, obwohl die untere Hälfte des Gesichtes teilweise durch Jesus‘ gebundene Hände verdeckt ist.

Das Modell trägt ein dunkles Wams und mit Blumenmotiven verzierte Kniehosen. Sein breiter umgeschlagener Kragen und die breite Gürtelschnalle, der Ring, die Abwesenheit eines Schwertes und einem „Schwulst“ (eine Auswölbung des Gewandes auf Magenhöhe, die ein typisches Merkmal zeitgenössischer Rüstungsbekleidung sein könnte) deuten darauf hin, dass er trotz offensichtlichem Wohlstand kein Edelmann ist. In seiner rechten Hand hält er eine Feder, die linke Hand ist auf einem Buch gestützt, auf dem ebenfalls eine Schreibgarnitur erkennbar ist. Dies erweckt den Verdacht, dass es sich hier um einen Literaten handelt, allerdings sprechen das geschlossenen Buch und die an drei Nägeln an der Wand aufgehängten Perlenketten eher dafür, dass der Abgebildete ein reicher, mit seinem Haushaltsbuch posierender Händler ist. Tatsächlich scheinen diese Perlenketten viel eher lose Perlenstränge als vollendete Juwelen zu sein. Weitere Bespiele solcher Perlenstränge sind bisher unbekannt und sie könnten ein typisches Motiv sein, welches Tizian absichtlich als Detail zur Entschlüsselung der Identität des Porträtierten eingesetzt haben könnte. Eine sich aus Schlingen und „Kettengliedern“ zusammensetzende horizontale Form unter den Krägen muss noch identifiziert werden.

Zusatzabbildungen.
1. Das durch eine Röntgenaufnahme sichtbar gemachte Porträt
© ]a[ NTK 2015 Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. M. Schreiner
2. Die gespiegelte Röntgenaufnahme des vorliegenden Lots.
© ]a[ NTK 2015 Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. M. Schreiner


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 20.10.2015 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 10.10. - 20.10.2015


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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