Lot Nr. 133


Giuseppe Bernardino Bison

[Saleroom Notice]
Giuseppe Bernardino Bison - Alte Meister

(Palmanova 1762–1844 Mailand)
Der Molo bei der Biblioteca Marciana mit Blick auf die Einmündung des Canal Grande, Venedig
Öl auf Leinwand, 57,5 × 79,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, England;
dort vom jetzigen Besitzer erworben.

Das vorliegende unpublizierte Gemälde ist wie sein Gegenstück, Lot 132, ein Werk Giuseppe Bernardino Bisons, des vielleicht interessantesten Meisters des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts im Umkreis von Venedig.

Rechts setzt Bison die Biblioteca Marciana und den Fonteghetto della Farina ins Bild. Im 19. Jahrhundert veränderte sich dieses Gebiet durch die Eröffnung des neoklassizistischen Kaffeehauses im Jahr 1817, das zu einem gesellschaftlichen Treffpunkt in den Giardini Reali di San Marco wurde. Im Hintergrund der vorliegenden Ansicht erkennen wir die 1824 zerstörte Kirche von Santa Maria dell’Ascensione, links die Basilika Santa Maria della Salute und die Punta della Dogana.

Das Bacino di San Marco mit seiner legendären Abfolge von Baudenkmälern war das Thema zahlreicher Ansichten Giuseppe Bernardino Bisons. Ein zeitgenössischer Besucher, der die Fassaden zur Lagune hin, die zu den markantesten Kennzeichen der Stadt gehören, einer genaueren Betrachtung unterzog, hätte wohl keinesfalls die baulichen Einschübe des noch jungen frühen 19. Jahrhunderts in das Gefüge Venedigs übersehen. Doch anstatt diese darzustellen, ließ sich der Künstler vom surrealen Bild Venedigs, das heißt, von der Wirklichkeit des 18. Jahrhunderts, leiten.

Ähnlich wie beim Gegenstück zu diesem Werk beruht die kompositorische Lösung des gegenständlichen Gemäldes auf einer Bildfindung Canalettos, die durch die 1768 erschienenen Druckgrafiken Brustolons berühmt wurde und erstmals als Tafel XII (Prospectus a Columna S. Theodori ad ingressum Magni Canalis) in Urbis Venetiarum prospectus celebriores ex Antonii Canal tabulis XXXVIII. Aere expressi ab Antonio Visentini ... (Venedig 1742) publiziert worden war. Es überrascht nicht, dass Bison diesen Stich als Grundlage seiner Ansicht von Venedig verwendete und dieses Bild und sein Gegenstück als Paar konzipierte, weil ihm offensichtlich daran gelegen war, ein umfassendes Bild der Stadt von Osten nach Westen zu schaffen.

Für die letzte Generation venezianischer Künstler des 18. Jahrhunderts, die schließlich auf eine akademische Ausbildung und damit die entscheidende entsprechende Form der Vorbereitung zurückgreifen konnten, welche im Einklang mit der traditionellen Praxis das Arbeiten nach den gelungensten Werken der Vergangenheit förderte, war dieser Weg gangbar, der sich der kanonischen Modelle und Bilder der berühmtesten Vedutisten (Canaletto, Marieschi) bediente. Verständlich ist daher, dass selbst Bison, der sich dem Studium der Vedutenmalerei und der Perspektive als ihrer wesentlichen Komponente widmete, außerstande war, dem Vorbild Canalettos, des gefeiertsten venezianischen Malers des 18. Jahrhunderts in diesem Genre, aus dem Weg zu gehen. Es ist in der Tat so, dass alle seine Zeitgenossen, die sich auf Ansichten spezialisiert hatten – so etwa Roberto Roberti, Vincenzo Chilone, Carlo Grubacs und Giuseppe Borsato –, eine ähnliche Haltung an den Tag legten.

Man sollte daher nicht der Vorstellung anhängen, dass Canalettos Repertoire seine Blüte bereits hinter sich hatte. Seine Prospettive wurden 1833, noch einmal 1836 und dann gegen 1840 von dem venezianischen Verleger Giuseppe Battagia herausgebracht, der Besuchern von Venedig empfahl, dem Weg der Ansichten mit einer Gondel am Canal Grande zu folgen.

Das gegenständliche, zutiefst sentimentale Werk, das den Mythos Venedig vermittelt, macht Bison in gewisser Weise zu einem Historienmaler. Es wirft auch Licht auf den vorherrschenden Geschmack der großbürgerlichen, einer verlorenen Epoche nachtrauernden Sammler. Seine ganze Frische offenbart das Gemälde als Zeugnis einer feinfühligen Wiederbegegnung mit allen berühmtesten Augenblicken der venezianischen Geschichte. Zudem bezeugt das Bild, das als Darstellung des kreativen Herzens der Stadt mit seinem blühenden Kunstmarkt gedacht war, ein Gespür für die sich entwickelnde geschmackliche Vorliebe für eine „historische Romantik“, die zur Entstehung des Mythos Venedig beitrug.

Man kann Bison mehr als jeden anderen Künstler der Zeit als Gegenpol zu Canaletto sehen. Bison kopierte zahlreiche atmosphärische Ansichten Canalettos, fing mit aller geforderten Aufmerksamkeit für die Details der Gebäude die Weite von Horizonten ein und setzte gelegentlich auf Änderungen im städtischen Gefüge, vor allem jene, von denen die Presse auffällig berichtete. Bison widmete sich auch der Darstellung des täglichen Lebens, das die Stadt bewegte, wobei er sich besonders auf individuell angelegte Figuren, sogenannte macchiette, konzentrierte.

Wie sein Gegenstück offenbart wohl auch dieses Gemälde den – im Vergleich zur in hohem Maße venezianischen Herkunft seiner macchia – auf einzigartige Weise persönlichen Zugang Bisons zur Gestaltung des Sujets. Dieser Zugang legt den Schluss nahe, dass das gegenständliche Werk aus seinen sogenannten „anni triestino-milanesi“ stammt.

Giuseppe Bernardino Bison wurde in Palmanova del Friuli geboren und bewegte sich bereits als Jugendlicher in den künstlerischen Kreisen Venedigs, wo er – auch als Innenausstatter – bemerkenswerte Erfolge erzielte. Den größten Ruhm allerdings erwarb er sich als Maler von Landschaften und Ansichten. Um 1800 hatte er sich in Triest ein beachtliches Publikum erobert. Das wohlhabende Bürgertum der Stadt stand dem Sammeln zeitgenössischer Kunst sehr aufgeschlossen gegenüber. Diese Gemeinschaft nahm Bison für seine Fähigkeit in ihre Reihen auf, die von der Filigranität der Kunst des 18. Jahrhunderts „berührten“ Qualitäten von Malerei mit einer entscheidenden Wiederbelebung von Sujet und Stil zu verbinden, wie sie der kulturellen Erneuerung des 19. Jahrhunderts entsprachen. Mit derartigen Referenzen ausgestattet, suchte der Künstler in fortgeschrittenem Alter von Neuem sein Glück und übersiedelte 1831 nach Mailand. Zeitungsberichten zufolge brachte man ihm auch dort Bewunderung entgegen.

Saleroom Notice:

Wir danken Fabrizio Magani für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

17.10.2017 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 106.250,-
Schätzwert:
EUR 100.000,- bis EUR 150.000,-

Giuseppe Bernardino Bison

[Saleroom Notice]

(Palmanova 1762–1844 Mailand)
Der Molo bei der Biblioteca Marciana mit Blick auf die Einmündung des Canal Grande, Venedig
Öl auf Leinwand, 57,5 × 79,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, England;
dort vom jetzigen Besitzer erworben.

Das vorliegende unpublizierte Gemälde ist wie sein Gegenstück, Lot 132, ein Werk Giuseppe Bernardino Bisons, des vielleicht interessantesten Meisters des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts im Umkreis von Venedig.

Rechts setzt Bison die Biblioteca Marciana und den Fonteghetto della Farina ins Bild. Im 19. Jahrhundert veränderte sich dieses Gebiet durch die Eröffnung des neoklassizistischen Kaffeehauses im Jahr 1817, das zu einem gesellschaftlichen Treffpunkt in den Giardini Reali di San Marco wurde. Im Hintergrund der vorliegenden Ansicht erkennen wir die 1824 zerstörte Kirche von Santa Maria dell’Ascensione, links die Basilika Santa Maria della Salute und die Punta della Dogana.

Das Bacino di San Marco mit seiner legendären Abfolge von Baudenkmälern war das Thema zahlreicher Ansichten Giuseppe Bernardino Bisons. Ein zeitgenössischer Besucher, der die Fassaden zur Lagune hin, die zu den markantesten Kennzeichen der Stadt gehören, einer genaueren Betrachtung unterzog, hätte wohl keinesfalls die baulichen Einschübe des noch jungen frühen 19. Jahrhunderts in das Gefüge Venedigs übersehen. Doch anstatt diese darzustellen, ließ sich der Künstler vom surrealen Bild Venedigs, das heißt, von der Wirklichkeit des 18. Jahrhunderts, leiten.

Ähnlich wie beim Gegenstück zu diesem Werk beruht die kompositorische Lösung des gegenständlichen Gemäldes auf einer Bildfindung Canalettos, die durch die 1768 erschienenen Druckgrafiken Brustolons berühmt wurde und erstmals als Tafel XII (Prospectus a Columna S. Theodori ad ingressum Magni Canalis) in Urbis Venetiarum prospectus celebriores ex Antonii Canal tabulis XXXVIII. Aere expressi ab Antonio Visentini ... (Venedig 1742) publiziert worden war. Es überrascht nicht, dass Bison diesen Stich als Grundlage seiner Ansicht von Venedig verwendete und dieses Bild und sein Gegenstück als Paar konzipierte, weil ihm offensichtlich daran gelegen war, ein umfassendes Bild der Stadt von Osten nach Westen zu schaffen.

Für die letzte Generation venezianischer Künstler des 18. Jahrhunderts, die schließlich auf eine akademische Ausbildung und damit die entscheidende entsprechende Form der Vorbereitung zurückgreifen konnten, welche im Einklang mit der traditionellen Praxis das Arbeiten nach den gelungensten Werken der Vergangenheit förderte, war dieser Weg gangbar, der sich der kanonischen Modelle und Bilder der berühmtesten Vedutisten (Canaletto, Marieschi) bediente. Verständlich ist daher, dass selbst Bison, der sich dem Studium der Vedutenmalerei und der Perspektive als ihrer wesentlichen Komponente widmete, außerstande war, dem Vorbild Canalettos, des gefeiertsten venezianischen Malers des 18. Jahrhunderts in diesem Genre, aus dem Weg zu gehen. Es ist in der Tat so, dass alle seine Zeitgenossen, die sich auf Ansichten spezialisiert hatten – so etwa Roberto Roberti, Vincenzo Chilone, Carlo Grubacs und Giuseppe Borsato –, eine ähnliche Haltung an den Tag legten.

Man sollte daher nicht der Vorstellung anhängen, dass Canalettos Repertoire seine Blüte bereits hinter sich hatte. Seine Prospettive wurden 1833, noch einmal 1836 und dann gegen 1840 von dem venezianischen Verleger Giuseppe Battagia herausgebracht, der Besuchern von Venedig empfahl, dem Weg der Ansichten mit einer Gondel am Canal Grande zu folgen.

Das gegenständliche, zutiefst sentimentale Werk, das den Mythos Venedig vermittelt, macht Bison in gewisser Weise zu einem Historienmaler. Es wirft auch Licht auf den vorherrschenden Geschmack der großbürgerlichen, einer verlorenen Epoche nachtrauernden Sammler. Seine ganze Frische offenbart das Gemälde als Zeugnis einer feinfühligen Wiederbegegnung mit allen berühmtesten Augenblicken der venezianischen Geschichte. Zudem bezeugt das Bild, das als Darstellung des kreativen Herzens der Stadt mit seinem blühenden Kunstmarkt gedacht war, ein Gespür für die sich entwickelnde geschmackliche Vorliebe für eine „historische Romantik“, die zur Entstehung des Mythos Venedig beitrug.

Man kann Bison mehr als jeden anderen Künstler der Zeit als Gegenpol zu Canaletto sehen. Bison kopierte zahlreiche atmosphärische Ansichten Canalettos, fing mit aller geforderten Aufmerksamkeit für die Details der Gebäude die Weite von Horizonten ein und setzte gelegentlich auf Änderungen im städtischen Gefüge, vor allem jene, von denen die Presse auffällig berichtete. Bison widmete sich auch der Darstellung des täglichen Lebens, das die Stadt bewegte, wobei er sich besonders auf individuell angelegte Figuren, sogenannte macchiette, konzentrierte.

Wie sein Gegenstück offenbart wohl auch dieses Gemälde den – im Vergleich zur in hohem Maße venezianischen Herkunft seiner macchia – auf einzigartige Weise persönlichen Zugang Bisons zur Gestaltung des Sujets. Dieser Zugang legt den Schluss nahe, dass das gegenständliche Werk aus seinen sogenannten „anni triestino-milanesi“ stammt.

Giuseppe Bernardino Bison wurde in Palmanova del Friuli geboren und bewegte sich bereits als Jugendlicher in den künstlerischen Kreisen Venedigs, wo er – auch als Innenausstatter – bemerkenswerte Erfolge erzielte. Den größten Ruhm allerdings erwarb er sich als Maler von Landschaften und Ansichten. Um 1800 hatte er sich in Triest ein beachtliches Publikum erobert. Das wohlhabende Bürgertum der Stadt stand dem Sammeln zeitgenössischer Kunst sehr aufgeschlossen gegenüber. Diese Gemeinschaft nahm Bison für seine Fähigkeit in ihre Reihen auf, die von der Filigranität der Kunst des 18. Jahrhunderts „berührten“ Qualitäten von Malerei mit einer entscheidenden Wiederbelebung von Sujet und Stil zu verbinden, wie sie der kulturellen Erneuerung des 19. Jahrhunderts entsprachen. Mit derartigen Referenzen ausgestattet, suchte der Künstler in fortgeschrittenem Alter von Neuem sein Glück und übersiedelte 1831 nach Mailand. Zeitungsberichten zufolge brachte man ihm auch dort Bewunderung entgegen.

Saleroom Notice:

Wir danken Fabrizio Magani für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 17.10.2017 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 07.10. - 17.10.2017


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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