(Bruck/Mur 1865–1930 Zagreb)
Küstenlandschaft, signiert Menci Cl. Crncic, rückseitig alt bezeichnet ‘Im Auftrag Hg G. R. v. Pongratz 1906, Speisezimmer (dek.) Zagreb’,
Öl auf Leinwand, 52 x 195 cm, gerahmt, (Rei)

Provenienz:
Gustav Ritter von Pongratz (1851–1925), direkt vom Künstler für seine Villa in Zagreb erworben;
dessen Erben;
Europäischer Privatbesitz;
Privatbesitz Niederlande;
Privatbesitz Schweden.

Wir danken Dr. Petra Vugrinec für die Bestätigung der Echtheit an Hand des Originals.

Gutachten:
Sign. Mitte unten auf einem Stein: Menci Cl. Crnčić

Vermerk rückseitig: IM AUFTRAG H.G.R.V. PONGRATZ, 1906, SPEISEZIMMER (DEK), ZAGREB

Das Bild im ausgesprochenen Längsformat, sehr geeignet für den weiten Horizont der Meerlandschaft von Menci Clement Crnčić (Bruck a.d. Mur, 1965 – Zagreb, 1930), wurde im Auftrag von Gustav Pongratz für seine Villa in Visoka ulica 22 in Zagreb angefertigt.

Die Familie Pongratz gehörte zu den wichtigsten Unternehmerfamilien in Kroatien und Slowenien in der zweiten Hälfte des 19. und im ersten Viertels des 20. Jahrhunderts. Der Auftraggeber und ehemalige Besitzer des Bildes, Gustav Pongratz (24. Juni, 1851 – 6. Oktober, 1925, Zagreb), war einer der bekanntesten Mäzene in der kroatischen Kunst. Er und seine Familie wurden porträtiert vom bekanntesten kroatischen Maler der Jahrhundertwende, Vlaho Bukovac (Cavtat, 1855 – Prag, 1922). Sein Palast in der Visoka ulica 22 wurde von Fellner und Helmer, einem der berühmtesten architektonischen Büros der österreichisch-ungarischen Monarchie Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, entworfen. Diese Fakten sprechen dafür, dass die Familie Pongratz nur namhafte Künstler beauftragte, sowohl für die Entwürfe ihrer Gebäude als auch deren Inneneinrichtung. Menci Clement Crnčić genoss den Ruf des besten Seelandschaftsmalers in seinem Wirkungskreis. Das Bild aus dem ehemaligen Besitz der Familie Pongratz, heute in der Dorotheum-Auktion, beweist das in jedem Sinne. Im Entstehungsjahr dieses Gemäldes erreichte Crnčićs Schaffen seinen Höhepunkt. Aus demselben Jahr stammt sein Meisterwerk Bonaca (Windstille), zu sehen in der Dauerausstellung der Modernen Galerie in Zagreb. Dieses Werk ist sowohl stilistisch als auch motivisch dem Pongratz-Gemälde sehr ähnlich, was sicherlich kein Zufall ist.

Als Künstler auf dem Höhepunkt seines Schaffens hat Crnčić die Proportionen dieses großformatigen Gemäldes für eine lyrische Darstellung der Stille benutzt. Mit einem fast filmischen Schnitt schaffte er die Illusion der Tiefe in diesem breiten Format. Im Vordergrund sind, von einem ganz niedrigen Betrachtungspunkt aus dargestellt, Steinplatten und Felsen zu sehen. Die zentrale Position im Bild hat das Meer, mit zwei Segelbooten ganz rechts. Der Hintergrund ist von der geraden Linie des Horizonts abgetrennt. Er wird vom Himmel und einem weißen Wolkenstreifen eingenommen. Nur ein kleines Boot vor dem Horizont zieht uns in die Ferne. Crnčić war vertraut mit den traditionellen Verfahren in Constables und Turners Landschaften. In der Manier seiner Vorbildern ist Crnčićs Strukturnetz sorgfältig durchdacht, fast wie mit dem Lineal gezogen. Doch seine Auffassung von Licht und Farbe ist ganz modern. Die flirrende Atmosphäre wurde durch eine äußerlich raffinierte Nuancierung und der konsequenten impressionistischen Unterlegung der Farbe erreicht. Die charakteristische Faktur von kleinen, minuziösen Aufträgen in diversen Blauschattierungen, wo die blaue Farbe mit der gelben und orangenen vermischt wird, mit der weißen heller getönt und mit der grauen dunkler, ist ein Verfahren, mit dem Crnčić die unstete Atmosphäre der Natur wiedergibt. Das sich kräuselnde Meer, seine gleißende Oberfläche, das Spiegeln der umgebenden Farbnuancen und der gefühlvolle Übergang aus dem Aggregatzustand des Wassers in den Aggregatzustand der Luft, der Verdunstung und des Himmels sind in diesem Werk meisterhaft dargestellt.

Das Gemälde setzt einen hohen Blickpunkt voraus. Es hing auf der Position der Supraporte, dicht am oberen Fensterrahmen des Speisezimmers, unter einer mit Holztäfelung reichlich verzierten Decke. Seine in den Lichtstrom getauchte Fläche scheint selbst Licht zu verbreiten. Die ganze Szene strahlt eine Spiritualität und Ruhe aus, die Crnčić wie kaum ein anderer Landschaftsmaler auf dem Höhepunkt seines Schaffens erreichte. Diese Meerlandschaft ist ein Meisterwerk im Schaffen Crnčićs. Wegen ihrer „noblen“ Provenienz ist sie auch eine besondere Entdeckung, weil sie zu dem exklusiven Gesamtwerk des heute nur teilweise bekannten Korpus der Kunstwerke gehört, die die Wände der Villa Pongratz in der Visoka ulica in Zagreb zierten.

In Zagreb, 23. August, 2017
Petra Vugrinec, Hauptkuratorin der Klovićevi dvori Galerie,
Jezuitski trg 4